Neubaustrecke Wendlingen-Ulm / grossartig, aber ….

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Am 12. Dezember 2022 wurde nach zehn Jahren Bauzeit der Betrieb auf der rund 60 Kilometer langen Neubaustrecke (NBS) zwischen Wendlingen und Ulm aufgenommen. Der Verfasser befuhr die Strecke am 4. Januar 2023 und am 17. Januar 2023. Die Eindrücke waren überwältigend. Leider wurde der positive Eindruck durch ein paar Mängel an den Publikumsanlagen beeinträchtigt.

Erfreulich ist auch der Stand bei den Anschlussbauwerken in Wendlingen. Eines davon wird bereits genutzt, das zweite ist praktisch fertiggestellt und das dritte befindet sich in Arbeit.

Mehr über die grossartige Neubaustrecke und die Situation in Wendlingen in diesem Bericht.

Streckenverlauf

Die Neubaustrecke schliesst in Wendlingen am Neckar an die Strecke vom Flughafen Stuttgart – diese ist Bestandteil des Projekts Stuttgart 21 und befindet sich noch im Bau – an. Die Strecke steigt vom niedrigsten Punkt bei Wendlingen auf 276 Metern über Meer nach 25 Kilometern bis zum Scheitelpunkt beim Steinbühltunnel auf 746 Metern über Meer. Anschliessend sinkt die Strecke auf den nächsten 35 Kilometern ab zum Hauptbahnhof von Ulm auf 266 Metern über Meer.

Zugang zur NBS in Wendlingen mit abfahrbereitem IRE 200.

30 Kilometer der total 61 Kilometern langen Neubaustrecke liegen in fünf Tunnels. Nur elf Kilometer der Strecke wurden ohne Kunstbauten errichtet. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit liegt bei 250 Km/h. Die maximale Steigung liegt abgesehen von zwei kurzen Abschnitten bei 2.5 Prozent. Die längeren Tunnels wurden mit zwei Röhren gebaut.

Die Neubaustrecke führt durch fünf Tunnels und – wohl als markanteste Bauwerke – über die beiden etwa 480 Meter langen und bis 85 Meter hohen einspurigen Filstalbücken

Etwa in der Mitte der Strecke wurde in Merklingen-Schwäbische Alb ein viergleisiger Regionalbahnhof errichtet.

Regionalbahnhof Merklingen-Schwäbische Alb mit Blick nach Westen.

Die Neubaustrecke ist mit ETCS Level 2-Signaltechnik ausgerüstet. Die Geleise liegen durchgängig auf einer festen Fahrbahn.

In Ulm mündet die Neubaustrecke direkt in den Hauptbahnhof. In Wendligen bestehen zwei Anschlüsse an die Bestandesstrecke von Plochingen nach Tübingen. Die lange umstrittene «Güterzugsanbindung» ermöglichte die vorzeitige Inbetriebnahme der Neubaustrecke vor der Fertigstellung des Projekts Stuttgart 21. Von Süden her erfolgt die Einbindung der Bestandesstrecke aus Tübingen kreuzungsfrei mit den beiden sogenannten «Wendlinger-Kurven». Die Arbeiten für die «Kleine Wendlinger-Kurve» sind praktisch abgeschlossen, während die nachträglich bewilligte «Grossen Wendlinger-Kurve» noch im Bau ist.

Einfahrt der NBS in Ulm in die in den rund sechs Kilometer langen Albabstiegstunnel.
In Ulm in die NBS einfahrender ICE.

Die Kosten der gesamten Neubaustrecke inklusive einer neuen Brücke über die Donau bei Ulm liegen bei EUR 3.985 Milliarden. An diesen Kosten beteiligen sich der Bund mit rund 51 Prozent, die EU mit 17 Prozent, das Land Baden-Württemberg mit 28 Prozent und die Deutsche Bahn AG mit 4 Prozent.

Betriebskonzept

Zurzeit wird die Strecke in der Regel in jeder Richtung von zwei ICE und einem IRE 200 befahren. Der IRE hält stündlich in Merklingen-Schwäbische Alb. Die IC und die Regionalzüge sowie die Güterzüge verkehren weiterhin auf der Bestandesstrecke über die Geislinger-Steige.

Die ICE fahren zwischen Stuttgart und Ulm ohne Halt. Die Fahrzeit zwischen diesen beiden Städten verkürzt sich durch die Fahrt über Neubaustrecke von knapp einer Stunde auf etwas über vierzig Minuten. Die neu eingeführten IRE 200 verkehren nur zwischen Ulm und Wendlingen, wo auf die Züge des Regionalverkehrs umgestiegen werden muss.

Werbung auf einer der beiden Vectron-Lokomotiven des IRE 200 von Ulm nach Wendlingen. Mangels ETCS-tauglichen Steuerwagen sind diese aus vier Personenwagen zusammengesetzten Züge mit zwei Lokomotiven bestückt.
Er darf nicht auf die NBS. Dieselgeführter IC Oberstdorf-Dortmund bei der Ausfahrt in Ulm über die Bestandsstrecke via Geislingen.

Eindrücke von meinen beiden Fahrten

In Ulm werden das Bahnhofgebäude und der Vorplatz umgebaut. Die vielversprechenden Arbeiten sind noch im Gang. Die Bahnsteige lassen sich über die neue südliche repräsentative Fussgängerüberführung erreichen, in der Mitte durch die bestehende etwas enge Unterführung und nördlich über eine Rampe. 

Bahnhofvorplatz in Ulm in Fertigstellung.

Wie einige der folgenden Bilder zeigen, besteht Handlungsbedarf.

Repräsentative Fussgängerüberführung am Südkopf des Bahnhofs Ulm mit Zugang zu den Bahnsteigen.
Blick vom Bahnsteig 2 auf die Fussgängerüberführung.
Ungepflegt wirkender Innenraum der Fussgängerüberführung mit schäbigem Bodenbelag
Abfalleimer in der Fussgängerüberführung – die berüchtigte Faust auf das berühmte Auge.
Verwahrlost wirkende und bereits schadhafte Stellen aufweisende Treppe der Personenüberführung.
Rampe vom Bahnsteig 2 in die nördliche Unterführung des Bahnhofs Ulm – unverträglich mit dem Ausführungsniveau der NBS.

Der Regionalbahnhof Merklingen-Schwäbische Alb wurde als regionaler Verkehrsknotenpunkt konzipiert. Regionalbusse fahren vom Bahnhof in die umliegenden Dörfer. Daneben verfügt der Bahnhof über rund 200 Parkplätze und zwei schmucke Gebäude. Eines der Gebäude dient als Parkhaus für Fahrräder, im anderen sind kostenlos zu benutzende Toiletten und ein kleiner Bankschalter untergebracht. Trotz dem durchwegs positiven Eindruck von den Anlagen orte ich auch in Merklingen-Schwäbische Alb Optimierungspotential.

Ansicht vom Bahnhof Merklingen-Schwäbische Alb.
Parkplätze beim Bahnhof Merklingen-Schwäbische Alb.
Repräsentatives Parkhaus für Fahrräder beim Bahnhof Merklingen-Schwäbische Alb.
Parkhaus für Fahrräder beim Bahnhof Merklingen-Schwäbische Alb mit Einstellboxen und Schliessfächern für Gepäck.
Servicegebäude beim Bahnhof Merklingen-Schwäbische Alb mit fernbedientem Bankschalter.
Kostenlos zu benutzende Toiletten beim Servicegebäude.
Busstation für Lokal- und Regionalbusse ohne Schutzvorkehrungen für Fahrgäste. Wenig Komfort im offenen Gelände mit oft stürmischem Wind.
Eines der beiden Treppenhäuser zum Bahnsteig. Der Zugang von Aussen zum ersten Treppenhaus ist ungeschützt. Hingegen ist die Überführung über den Geleisen zum Schutz der Fahrgäste eingehaust.
Innenanblick in einem der beiden typengleichen Treppenhäuser. Unklare Funktion dieses zusätzlichen Liftzugangs auf dem Zwischenperron ohne Ausgang ins Freie.
Verwahrlost wirkende Treppe im Treppenhaus, etwa fünf Wochen nach der Eröffnung des Bahnhofs. Das erste Rendez-Vous dieser Treppe mit einem Reinigungsgerät steht noch aus.

In Wendlingen müssen die nach Stuttgart weiterreisenden Fahrgäste des IRE 200 einen relativ weiten Fussweg zur Unterführung und von hier zum Bahnsteig der Züge nach Stuttgart auf sich nehmen – glücklicherweise nur bis zur Inbetriebnahme von Stuttgart 21 im Jahr 2025.

Bilder von den Anschlusswerken bei Wendligen

Überblick über die Anschlusswerke vor dem Bahnhof Wendlingen. Die vom Verfasser bearbeitete Karte stammt aus der Projektdokumentation der DB AG zum Projekt NBS Wendlingen-Ulm.
Blick auf die Güterzugsanbindung mit in einem in den Albaufstiegstunnel einfahrenden IRE 200.
Luftbild auf die Lage der beiden „Wendlinger-Kurven“. Die Unterführung der „Grossen Wendlinger-Kurve“ unter der Neubaustrecke ist bereits fertiggestellt. Ende Januar waren die Vorbereitungen für den Bau des Tunnels der „Grossen Wendlinger-Kurve“ im Gang. Man rechnet für den knapp 700 Meter langen Tunnel mit einer Bauzeit von zwei Jahren. Beteiligt am Bau des Tunnels ist die Firma Max Bögl AG. (Bild: DB AG).
Blick auf ein tief gelegtes Teilstück der „Kleinen Wendlinger-Kurve“.
Das Verlegen der Geleise auf der „Kleinen Wendlinger-Kurve“ ist abgeschlossen.
Auf der rechten Seite des Tunnels der „Kleinen Wendlinger-Kurve“ kommt das südliche Portal des Tunnels der „Grossen Wendlinger-Kurve“ zu liegen.
Blick von Wendligen auf die Neubaustrecke in Richtung Flughafen Stuttgart. Dieser Abschnitt gehört bereits zum Projekt Stuttgart 21 und wird nach der Fertigstellung des Projekts auch vom schnellen Regionalverkehr zwischen Tübingen und Stuttgart befahren, was den Fahrgästen auf dieser Relation eine substantielle Beschleunigung der Reisezeit verschafft.

Ein paar abschliessende Bemerkungen

Als Vergleichsobjekte für die Überführung in Ulm und den Bahnhof Merklingen möchte ich auf die neue Überführung im Bahnhof von Luxemburg und den Bahnhof Kühnsdorf an der Koralmbahn hinweisen. Bauten dieser Qualität wären aus meiner Sicht der grossartigen Neubaustrecke Wendlingen-Ulm und dem Projekt Stuttgart 21 angemessener.

Bahnhof Luxemburg – Übergang von der Überführung zum Lift auf den Bahnsteig.
Luftbild auf den Bahnhof von Kühnsdorf. (Auszug aus einem Prospekt der ÖBB).

Und abschliessend verbleibt die Hoffnung, dass die lieblose Detailausführung bei den Publikumsanlagen in Ulm und Merklingen auf die bauliche Infrastruktur beschränkt bleibt und nicht beispielsweise auch bei der Technik auftritt.

Der Bahnhof Hendaye und seine gute Fee

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Ein Zwischenhalt in Hendaye bot Gelegenheit, die beiden Bahnhöfe von Hendaye näher zu besichtigen. Die Anreise nach Hendaye erfolgte von San Sebastian mit der baskischen Regionalbahn Euskotren – ein Bericht darüber folgt demnächst – und die Weiterreise nach Paris mit der SNCF.

Beide Bahnhöfe und die dort anwesenden Mitarbeitenden der Bahnunternehmen präsentierten sich ausgesprochen positiv. Besonders hervorheben möchten wir eine Mitarbeiterin der SNCF, der wir diesen Bericht gerne widmen.

Hintergrundinformationen

Hendaye ist eine Kleinstadt mit knapp 17’000 Einwohnern im Südwesten von Frankreich und liegt an der Atlantikküste. Hendaye hat zwei Bahnhöfe – den Bahnhof der SNCF und denjenigen von Euskotren. Die beiden Bahnhöfe liegen unmittelbar nebeneinander.

Lage von Hendaye (Auszug aus dem Eisenbahnatlas EU von Schweers+Wall)

An Werktagen verkehren ab dem Bahnhof der SNCF 13 Regionalzüge nach Dax oder Bordeaux und 5 TGV nach Paris. 2017 stiegen hier 360’000 Fahrgäste ein oder aus. Etwa die Hälfte davon erreichte Hendaye mit Euskotren oder fuhr mit Zügen von Euskotren weiter.

Der Verkehr ab dem Bahnhof von Euskotren – er liegt unmittelbar neben dem Bahnhof der SNCF auf französischem Boden – ist wesentlich intensiver. An Werktagen besteht zwischen 05.33 Uhr und 22.33 Uhr nach San Sebastian Halbstundentakt, total 35 Züge in jeder Richtung. In der Nacht von Samstag auf Sonntag fahren die Züge während der ganzen Nacht alle zwei Stunden. Der Bahnhof von Euskotren wurde 2017 von 700’000 Fahrgästen frequentiert.

Gelegentlich sind Güterzüge zwischen Hendaye und dem benachbarten Irun unterwegs. Infolge der unterschiedlichen Spurweiten in Frankreich und in Spanien müssen in Irun die Radsätze der Güterwagen ausgetauscht oder in Ausnahmefällen die Ladungen umgeladen werden.

Rundgang durch den SNCF Bahnhof von Hendaye

Hier die Bilder vom Rundgang durch den Bahnhof der SNCF – ergänzt mit Bildern von einem früheren Aufenthalt.

Frontalansicht des Bahnhofs von Hendaye.
Glasfenster neben dem Haupteingang.
Ansicht vom rechten Seitenflügel des Bahnhofs.
Wartehallen für die Fahrgäste der Regional- und Lokalbusse.
Serviceräume und gesicherte Veloeinstallhalle neben dem Bahnhofgebäude.
Innenraum mit Blick auf den Zugang zum Hausperron und zur Unterführung.
Innenraum mit Blick auf den Kiosk. Rechts die grüne Informationstafel von Euskotren.
Frontalansicht auf den Warteraum.
Innenansicht des wohnlichen Warteraums mit Steckdosen für Strom und Internet.
Kinderecke im Warteraum.

Die gute Fee vom Bahnhof der SNCF

Kurz vor 09.00 Uhr erschien eine Mitarbeiterin der SNCF und nahm im Raum hinter dem Informationsschalter Platz. Wenige Minuten später ging ein Mitarbeiter der SNCF mutmasslich von der Infrastruktur durch die Halle. Die Mitarbeiterin verliess ihr Büro und gesellte sich zum Mitarbeiter. Sie führte ihn zu einigen Stellen und monierte die dortigen Mängel. Anschliessend unternahm sie einen Rundgang durch die Halle und den Warteraum und räumte vereinzelt vorhandene Abfälle weg. Ich war sehr beeindruckt und fragte die Dame, ob ich von ihr ein Bild anfertigen dürfe, was sie bejahte.

Die Mitarbeiterin verlässt den Schalterraum und schliesst die Türe ab.
Die Mitarbeiterin führt ihren Kollegen durch den Innenraum.
Die Mitarbeiterin weist ihren Kollegen auf einen Baumangel hin.
Stolz präsentiert sich die engagierte Mitarbeiterin vor „ihrem“ Bahnhof.

Ein paar Bilder vom Bahnhof von Euskotren

Abschliessend ein paar Bilder vom Bahnhof von Euskotren. Auch diser Bahnhof ist während den Betriebszeiten von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter besetzt. Zugang zum und Verlassen des Bahnsteigs ist nur mit einem gültigen Fahrausweis möglich. Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter überwachen die Anlagen und den Innenraum, erteilen Auskünfte oder verkaufen Fahrausweise an die mit den Automaten nicht vertrauten Fahrgäste.

Frontalansicht des Bahnhofs Hendaia von Euskotren.
Blick auf die rasch reagierenden Zutritts- oder Ausgangskontrollsysteme. Man beachte den schmutzabweisenden Teppich und die exemplarische Sauberkeit des Raumes und der Anlagen.
Blick im Innenraum auf die Schiebetüren und die Billettautomaten.

Abschliessende Bemerkungen

Die Eindrücke waren wie einleitend beschrieben ausgezeichnet. Das gilt für den Innenausbau, die Ausstattung und die während den Betriebszeiten präsenten Mitarbeitenden. In einer solchen Umgebung fühlt man sich gut aufgehoben, und das Risiko von Vandalenakten dürfte gering sein.

Offensichtlich haben sich die Gegebenheiten auch bei den SNCF seit den viele Jahre zurückliegenden Besuchen in der Region enorm verbessert. Das zeigten auch die Blicke aus dem Zugfenster bei den Zwischenhalten auf die Bahnhöfe wie Bayonne oder Bordeaux sowie die dort wartenden Regionalzüge.

Informationstafel im Bahnhof Hendaye über das Eisenbahnnetz in der Region Aquitanien. Was für ein Fortschritt seit unserem letzten Aufenthalt. Das Bild lässt sich durch Anklicken vergrössern und scheint zu belegen, dass der Regionalverkehr in Frankreich auch in lange vernachlässigten Regionen eine Wiederbelebung erfährt. Wir haben einige der Strecken vor vielen Jahren befahren.

Ehrenrettung für die Deutsche Bahn AG

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Neben den desolaten Zuständen gibt es durchaus Erfreuliches von der Eisenbahn in unserem nördlichen Nachbarland zu berichten, wie die Bilder in diesem Bericht belegen.

Bahnhof Dresden-Neustadt

Das Äussere des stattlichen Bahnhofs präsentiert sich zwar nicht so schön, wie das obige Bild von Guido Radig aus Wikipedia vermuten lässt. Dafür sind die Eingangshalle und die Gleishalle sehr sehenswert.

Kürzlich renovierte Eingangshalle mit der prächtigen Deckenbemalung.
Blick von Norden auf die Gleishalle. Güterzüge fahren durch zwei Geleise neben der Halle.
Blick auf die Tragkonstruktion der Gleishalle.
Wartehalle auf dem Bahnsteig für die Fernzüge.
Innenraum der Wartehalle.

Leider ergab sich keine Gelegenheit, den Hauptbahnhof von Dresden zu besichtigen. Die optischen Eindrücke vom kürzlich renovierten Hauptbahnhof beim kurzen Zwischenhalt unseres Zuges von Dresden-Neustadt nach Prag waren positiv.

Bilder aus dem Zug

Nachstehend drei Bilder aus fahrenden Zügen. Für nähere Angaben verweise ich auf die Bildunterschriften.

Anzeige im ICE auf der grossartigen Neubaustrecke zwischen München und Berlin. Der Zug traf sogar eine Minute vor der Planankunft in Erfurt ein.
Anzeige auf der Fahrt auf der Neubaustrecke von Köln nach Frankfurt.
Anzeige im ICE auf der Fahrt von Strasbourg nach Paris. Die ICE können mit den TGV durchaus mithalten.

Kommentar

An der Tagung von Avenir Mobilité über den aktuellen Stand der Verlagerung im alpenquerenden Güterverkehr beklagte ein deutscher Teilnehmer das im Vergleich zur Schweiz ungleich geringere Ansehen der Eisenbahn in Deutschland. Unter anderem hätten die ständigen Verspätungen im Fernverkehr das Image der Eisenbahn nachhaltig beschädigt.

Ich habe mich oft gefragt, was die aus Kundensicht lästigen Verspätungen für die Mitarbeiter der Deutschen Bahn AG bedeuten. Neben den Unmutsbezeugungen der Fahrgäste sind sie als Mitarbeitende von den Verspätungen auch persönlich betroffen. Die selbst bei Störungen in aller Regel freundlich und kompetent auftretenden Mitarbeitenden der DB AG verdienen Respekt und Anerkennung. Ein grosses Dankeschön!

Lüttich und Aachen / wie Tag und Nacht

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Auf einer Städtereise durch Belgien und Luxemburg fuhren wir mit dem Zug auch durch Lüttich und Aachen. Die Eindrücke während den kurzen Aufenthalten waren höchst unterschiedlich. Mein Interesse war geweckt – besonders, nachdem ich schon viel vom Bahnhof Liège-Guillemins gehört hatte.

Am 30. Oktober 2022 bot sich Gelegenheit, die beiden eingangs erwähnten Bahnhöfe eingehend zu besichtigen. Die Eindrücke waren einerseits überwältigend, aber auch bedrückend, wie die Bilder in diesem Bericht zeigen.

Vorab jedoch ein Ausschnitt aus dem Eisenbahnatlas EU von Schweers+Wall mit der Lage von Lüttich und Aachen.

Bahnhof Liège-Guillemins

Der nach Plänen von Santiago Calatrava umgebaute Hauptbahnhof von Lüttich wurde im September 2009 eröffnet. Er liegt im Stadtteil Guillemins am Rande der Altstadt. Daneben verfügt Lüttich mit dem Bahnhof Liège-Saint-Lambert über einen zweiten grossen Stadtbahnhof.

Lüttich ist an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz angebunden und wird unter anderem von ICE und Thalys-Zügen bedient. Auch die Nachtzüge der ÖBB zwischen Brüssel und Wien halten hier. Zudem ist Lüttich ein bedeutender Knotenpunkt im Netz der Belgischen Staatsbahnen. Im Bahnhof Liège-Guillemins halten täglich über 500 Züge.

Blick durch die Bahnhofshalle in Richtung Stadtzentrum von Lüttich.
Blick auf die Rolltreppen, welche in die obere Ebene führen. Diese kann auch über Rollbänder und gewöhnliche Treppen erreicht werden.
Blick von der oberen Ebene auf einen der vier Bahnsteige.
Blick auf die Halle von Süden.
Blick auf Halle aus Südwesten.
Blick auf die Halle von Norden.
Blick auf die Halle und den Haupteingang von Osten.
Seitenanblick in Richtung Süden.
Seitenanblick in Richtung Norden mit dem autofreien Vorplatz.
Blick auf einen Bahnsteig mit dem Dach ausserhalb der Halle. Selbst bei überlangen Zügen können Fahrgäste geschützt ein- und aussteigen.
Dachkonstruktion über den Bahnsteigen.
Fahrgäste gelangen mit Rollbändern vom Aussenbereich der Bahnsteige in die obere Ebene.
Rolltreppen aus der Unterführung auf einen Bahnsteig. Daneben führen Lifte und Treppen auf die Bahnsteige. Zudem kann man auch über eine obere Ebene zwischen den Bahnsteigen und der Zufahrtstrasse zirkulieren.
Drei Sektionen von Rolltreppen verbinden die drei Ebenen im bergseitigen Teil der Halle.
Ergänzend zu den Rolltreppen kann man auch auf normalen Treppen zwischen den Ebenen zirkulieren.
Ein Ladengeschäft in der Unterführung. Zwischen den Aufgängen zu den Bahnsteigen befinden sich rund zehn Ladengeschäfte und kleinere Gaststätten.
Unmittelbar neben dem Eingang in die Unterführung befindet sich ein gepflegtes Restaurant.
Nicht nur der Bahnhof, sondern auch das soeben erwähnte Restaurant ist erstklassig.
Detailansicht der Tragkonstruktion der Halle.
Detailansicht der Überdeckung der Bahnsteige.
Detailansicht der Tragkonstruktion des Hallendaches.
Detailansicht der Informationstafeln auf den Bahnsteigen.

Aachen

Die Fahrt nach Aachen führt auf belgischem Gebiet über eine für 250 km/h ausgelegte perfekt trassierte Neubaustrecke. Kurz nach dem Passieren der belgisch-deutschen Grenze folgt der Buschtunnel. Nach dem Verlassen des Tunnels befindet man sich in einem Aussenbezirk der Stadt Aachen. Der auf dem belgischen Teil der Strecke mit 250 km/h fahrende Thalys streifte die Zweige der entlang der Geleise wachsenden Büsche – ob der Buschtunnel deshalb so heisst? Ein dschungelähnliches und ziemlich fremdes Gefühl.

Der Bahnhof von Aachen wurde im zweiten Weltkrieg stark beschädigt. Als wichtiger Knotenpunkt im deutschen Bahnnetz wurden die Gleisanlagen nach dem Kriegsende rasch repariert. Auch die Gebäude waren nach verhältnismässig kurzer Bauzeit bereits 1950 wieder hergestellt. 

Ansicht des Hallendachs aus Westen.
Hallendach aus der Nähe. Die Schutzscheiben wurden mit Klebebändern behelfsmässig repariert.
Blick vom Hausperron nach Westen.
Blick auf die Stützmauer aus Westen.
Bild vom Bahnsteig, auf dem die Züge des Fernverkehrs anhalten.
Szenenbild vom Bahnsteig für den internationalen Verkehr.
Lift auf dem Bahnsteig. Die Durchgänge für die Fahrgäste sind bei grossem Andrang sehr eng.
Blick in die Haupthalle. Man beachte die roten Netze unter den Oberlichtern.
Ein weiterer Blick auf die roten Netze.
Bei den roten Netzen handelt es sich um Schutznetze. Diese sollen Fahrgäste und Fahrzeuge vor herunter fallenden Trümmern schützen. Wie das Bild zeigt, besteht das Risiko tatsächlich.
Keine Gefängniszelle, sondern Warteraum auf dem Bahnsteig für den internationalen Reiseverkehr.
Abgang vom Hausperron in die Unterführung.
Detail vom erwähnten Abgang.
Bahnhofgebäude von Aachen. Eigentlich ein repräsentatives Bauwerk.
Eingangshalle im Bahnhof Aachen.
Unterführung im Bahnhof Aachen – ein beträchtlicher Gegensatz zu den Eindrücken in der Halle.
Treppenaufgang zu einem Bahnsteig,
Lift und Treppe auf einen Bahnsteig. Erfreulicher Gegensatz zu dem, was die Reisenden in der Halle erwartet.

Kommentar

Die Gegensätze zwischen den beiden Bahnhöfen könnten kaum krasser sein. In Lüttich alles vom Feinsten, und in Aachen an vielen Stellen Verwahrlosung pur. Nur am Rande sei erwähnt, dass auf den Anzeigen in den Bahnhöfen, an denen ich am 30. Oktober 2022 umsteigen musste, kaum ein Fernzug ohne Verspätung verkehrte. Wenn man sich die Zustände in Aachen – und auf dem deutschen Streckenabschnitt bei unserer kürzlichen Bahnfahrt von Luxemburg nach Trier und zurück – vor Augen führt, eigentlich nicht erstaunlich.

Vor vielen Jahren widmete ich mich der Lektüre des ernüchternden Buches „Der Reichsbahn Report“ von Erich Preuss, ehemaliger leitender Angestellter einer Direktion der Reichsbahn. Wäre es nicht an der Zeit, dass ein kompetenter Autor ein analoges und zugleich sachliches Buch über die Zustände bei der Deutsche Bundesbahn schreibt?

Deckblatt des erwähnten Buches.

Und ausserdem

Nicht nur in Lüttich, sondern auch in anderen Städten in Belgien und in Luxemburg haben uns Bahnhöfe beeindruckt. Das gute Bild wurde jedoch durch Eindrücke auf der Fahrt von Luxemburg über Namur nach Brüssel getrübt. In Wallonien hielt der IC an grösseren Bahnhöfen, auf denen die Bahnsteige einen Kiesbelag aufwiesen. Sonderbare Bilder.

Dennoch möchte ich diesen Bericht mit ein paar Bildern von Bahnhöfen in Belgien und von Luxemburg schliessen.

Bahnsteig im vollständig überdachten Bahnhof von Oostende. Man beachte den an einen Hafen angelehnten Bodenbelag des Bahnsteigs mit Holzdielen.
Abgang ins Parkhaus im Bahnhof Oostende.
Blick auf das Bahnhofgebäude von Oostende.
Wandbemalung in der Halle des Bahnhofs von Gent. Da ich keine Personen fotografieren wollte, ist die Aufnahme etwas verzerrt.
Eindruck von einem Bahnsteig in Gent. Man beachte die verwendeten Materialien.
Blick auf das Perrondach im Bahnhof Gent. Der Umbau des Bahnhofs ist noch im Gang.
Bodenbelag und Ausführungsdetail auf dem Bahnsteig in Gent.
Unterführung im Bahnhof Brügge.
Rolltreppe für den Aufgang aus der Unterführung in Brügge auf den Bahnsteig.
Lift und Treppe im Bahnhof Brügge. Die Liftkabine ist grosszügig bemessen.
Überführung im Bahnhof Luxemburg. Auf unserer Website haben wir von ein paar Jahren ausführlich über den Bahnhof berichtet. Gerne verweisen wir auf den entsprechenden Beitrag.
Übergang von der Überführung zum Lift auf den Bahnsteig.
Eindruck aus der Überführung im Bahnhof Luxemburg. Fahrgästen steht auch eine unter anderem mit mechanischen Mitteln erschlossene Unterführung zur Verfügung.

Eisenbahn in Rumänien – der Handlungsbedarf ist riesig!

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Eine Wanderreise in Transsylvanien im August 2022 bot Gelegenheit, Eindrücke vom Eisenbahnwesen in Rumänien zu gewinnen. Leider reichte die Zeit nur für eine Fahrt mit der Flughafenbahn von Bukarest sowie für eine längere Bahnfahrt von Bukarest nach Hermannstadt. Fahrten mit der Untergrundbahn in Bukarest und mit dem Stadtbus von Kronstadt rundeten das Bild ab.

Zusammenfassend ergab sich ein zwiespältiges Bild. Der Erneuerungsbedarf ist riesig. Aber es gibt auch Positives zu berichten. Die innerstädtische Verkehrserschliessung in den besuchten Städten ist zeitgemäss und funktioniert leidlich. Zu erwähnen sind die gut ausgebaute Untergrundbahn von Bukarest sowie die städtischen Busnetze von Brasov und Sibiu. Auch sah ich erfreut, dass westlich von Sighisoara eine längere Neubaustrecke gebaut wurde.

Mehr über meine Eindrücke in diesem Bericht.

Überblick Eisenbahnnetz Rumänien

Gemäss Wikipedia beträgt die Länge des rumänischen Streckennetzes 20’730 Kilometer. Davon sind lediglich 3’292 km elektrifiziert und 2’707 km zweispurig. Auf den wichtigen Magistralen beträgt die Höchstgeschwindigkeit nur 100 km/h. An verschiedenen Stellen wird das Streckennetz mit massgeblicher Unterstützung durch die EU erneuert. Leider werden die bedeutenden Fördermittel nur unzureichend ausgeschöpft, was auf einen schleppenden Ausbau schliessen lässt.

Eigene Reiseeindrücke

 Flughafenbahn

Für die Fahrt vom Flughafen Henri Coanda in die Innenstadt von Bukarest benutzten wir die neu gebaute Flughafenbahn. Die ersten Eindrücke waren durchwegs positiv. Der Weg von der Ankunftshalle zum Bahnhof war kurz und vollständig überdacht. Die Züge fahren in der Regel alle vierzig Minuten. Eingesetzt werden dieselbetriebene Desiro Triebwagenzüge.

Flughafenbahnhof Henri Coanda in Bukarest mit Desiro-Triebwagenzug. (Quelle: DB Engineering & Consulting)
Blick aus dem Flughafenzug kurz vor der Einfahrt in Bukarest Gara Nord.

Auf der ersten Hälfte der rund 25-minütigen Reise fährt der Zug auf einer teilweise hochgelegten einspurigen Neubaustrecke. Diese mündet nach etwa zehn Kilometern in die Stammlinie von Bukarest nach Brasov. Hier verdüstert sich das Bild. Auf der südwestlichen Seite sind die Umrisse eines ehemaligen Güterbahnhofs erkennbar. Die riesige Fläche durchaus von der Grösse des Rangierbahnhofs Limmattal ist von Gras und Büschen überwachsen – ein trauriger Anblick.

Reise von Bukarest nach Sibiu (Hermannstadt)

Die Reise von Bukarest nach Sibiu erfolgte mit einem der beiden direkten Tageszüge. Gemäss Fahrplan verlässt der IR 1623 Bukarest um 09.55 Uhr und endet nach 340 km Fahrt fünf Stunden und 46 Minuten später um 15.41 Uhr in Sibiu. Am 6. August 2022 wurde der aus neun Wagen bestehende Zug jedoch erst um 10.20 Uhr bereitgestellt und verliess Bukarest um 10.35 Uhr. Bei der Abfahrt war der Zug sehr gut besetzt.

Blick auf den Bahnsteig mit den wartenden Fahrgästen im Bahnhof Bukarest Gara Nord..
Blick auf den Gleiskopf im Bahnhof Bukarest Gara Nord.

In Brasov wurden die elektrische Lokomotive gegen eine Diesellok ausgetauscht, und vier Wagen wurden abgehängt. Der Zug traf schlussendlich mit einer Verspätung von 75 Minuten in Sibiu ein. Unser Wagen war sauber, komfortabel und klimatisiert, und die Fahrt war angenehm. Das Reservationssystem funktionierte.

Die Eindrücke von der Fahrt zwischen Brasov und Sibiu waren deprimierend. Überwachsene und ausgedehnte Bahnanlagen zeugten von einer besseren Vergangenheit der Eisenbahn. Oft bewegte sich der Zug auf der häufig schnurgeraden einspurigen Strecke mit geschätzt höchstens 50 km/h.

Leistungsparameter von ausgewählten Strecken ab Brasov

Nachstehend eine Übersicht über die drei wichtigsten Strecken ab Brasov. Mit Ausnahme der Strecke nach Sibiu sind die Strecken zweigleisig und elektrifiziert. Die Angaben wurden dem elektronischen Fahrplan der SBB und einschlägigen Routenplanern entnommen. Die Längen der Eisenbahnstrecken wurden geschätzt.

Die Tabelle kann durch Anklicken vergrössert werden.

Beobachtungen vom Zustand der Strecken

Auf den Fahrten in Transsylvanien folgten wir gelegentlich genutzten Eisenbahnlinien. Gestossene und nicht verschweisste Schienen waren die Regel. Das Gleisbett war häufig überwachsen, und selbst Bahnübergänge von grösseren Strassen waren gelegentlich ungesichert. Die Gleislage war oft uneben, was die tiefen Geschwindigkeiten erklärt. Dazu folgende Bilder.

Gleis im Bahnhof Brasov – typisch für viele Streckengeleise.
Übergang im Bahnhof Brasov.

Bahnhöfe

Auf der Reise nutzte ich ein paar freie Minuten, um die Bahnhöfe von Bukarest, Brasov, Sibiu und Sighisoara zu besichtigen. Überrascht stellte ich fest, dass sich die ersten drei Bahnhöfe durchaus modern und gepflegt präsentieren. Sighisoara wird noch umgebaut. Trotz des dünnen Angebots an Zügen waren die Bahnhöfe belebt und verfügen über eine gute Infrastruktur. Mehr dazu mit ein paar Bildern.

Schalterhalle im Bahnhof Bukarest Gara Nord.
Fahrplantafel im Bahnhof Bukarest Gara Nord.
Anzeigetafel im Bahnhof Bukarest Gara Nord.
Zelt im Bahnhof Bukarest Gara Nord für die Beherbergung von Flüchtlingen aus der Ukraine.
Zelt im Bahnhof Bukarest Gara Nord für die Registrierung von Flüchtlingen aus der Ukraine.
Bahnhofsgebäude von Sibiu.
Innenraum des Bahnhofs von Sibiu.
Blick auf den Bahnsteig des Bahnhofs von Sibiu.
Blick auf den Bahnsteig des Bahnhofs von Sibiu unmittelbar nach der Ankunft unseres Zuges aus Bukarest.
Bahnhofgebäude von Brasov mit vorgelagerter Wartezone für Busfahrgäste.
Innenraum des Bahnhofs von Brasov.
Wandgemälde im Bahnhof von Brasov.
Anzeige im Bahnhof Brasov auf einem Wagen des Nachtzugs nach Wien.
Bahnhofgebäude von Sighisoara.
Blick auf die Bauarbeiten vor dem Bahnhof von Sighisoara mit dem behelfsmässigen Zugang zum Bahnsteig.
Blick auf den Hausperron des Bahnhofs von Sighisoara.
Blick in den Innenraum des Bahnhofs von Sighisoara. Offensichtlich konnte die Frau mit ihren beiden Kindern darin übernachten.

Kommentar

Ganz offensichtlich besteht ein gewaltiger Erneuerungsbedarf. Gemäss Berichten im Internet wird das Bahnnetz an mehreren Stellen erneuert. Eine auf 160 km/h erhöhte Höchstgeschwindigkeit soll die Reisezeiten substantiell verkürzen. Viele Anzeichen sprechen für eine Revitalisierung der Eisenbahn in Rumänien. Es bleibt die Hoffnung, dass die Strukturen und die Usanzen im Wirtschaftsleben dieses schönen Landes den Weg dafür frei machen.

Gemäss den volkswirtschaftlichen Theorien vermögen Investitionen in die Infrastruktur über Multiplikatoreffekte die nationale Wertschöpfung nachhaltig zu mehren – zumal die Kosten zum grossen Teil von der EU getragen werden.

Hinweistafel für den Ausbau einer Teilstrecke von Sighisoara in Richtung Brasov. Die Kosten für den Ausbau der gesamten Strecke belaufen sich dem Vernehmen nach auf rund EUR 1’200 Millionen.

Ein Bijou – der Bahnhof von Derry/Londonderry *

Themen

Eine Studienreise zur Geschichte von Nordirland bot in Derry/Londonderry Gelegenheit zu einem kurzen Abstecher zum kürzlich renovierten Bahnhof. Dieser Bahnhof ist Endstation der Fernverbindung mit einer Länge von ca. 154 km zwischen Derry (85’000 Einwohner) und Belfast (344’000 Einwohner).

Vor einigen Jahren wurde auf dieser Website eine Übersicht über den öffentlichen Fernverkehr in Irland und Nordirland publiziert. Hier der Link zu diesem Beitrag: Bahn und Bus in Irland / Fakten und Kommentar | fokus-oev-schweiz.

Die Eindrücke vom Bahnhof von Derry waren überwältigend, wie die folgenden Bilder belegen.

Der Bahnhof von aussen

Bahnhofgebäude und Vorplatz.
Bahnhofsgebäude aus der Nähe.
Zugangsbereich von aussen.
Zugangsbereich von innen.

Innenbereich

Blick in die Halle.
Hinweistafel.
Eindruck aus der Halle auf den Eingangsbereich.
Blick auf den Wartebereich in der Halle.

Servicefazilitäten

Billettschalter für Gross und Klein.
Fahrplanaushang neben dem Billettschalter.
Künstlerischer Schmuck an einer freien Wand.
Waschanlage in der Herrentoilette.
Toilettenanlage.

Bahnsteig und Aussenbereich

Blick auf den auch für lange Züge weitgehend überdachten Bahnsteig.
Dieselbetriebener Triebwagenzug nach Belfast bei der Abfahrt.
Geschützte Wartebank auf dem Bahnsteig mit prächtig gestaltetem Windschutz (fein gelochtes Blech).
Abgrenzungsmauer – mutmasslich Fassade eines früheren Gebäudes.
Haltestelle für die Lokalbusse.
Abfahrender Ortsbus.
Hinweistafel auf die Projektträgerschaft.

Und ausserdem

Neben zahlreichen Sehenswürdigkeiten sind mir in Derry bezüglich der Infrastruktur die für Fussgänger gebaute grossartige Friedensbrücke und aufwendig gestaltete öffentliche Plätze aufgefallen. Derry hat viel zu bieten. Empfehlenswert sind die Studienreisen von Partizan Travel mit Sitz in Schierling (D). Gerne stelle ich ein paar Bilder an das Ende dieses Berichts.

Blick auf die architektonisch bemerkenswerte Friedensbrücke aus der Ferne.
Friedensbrücke aus der Nähe.
Ausführungsdetail vom aufwendig gestalteten Platz vor dem Rathaus von Derry.

Verkehrsverlagerung – der Süden legt vor

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Kurt Metz organisierte für die Schweizer Bahnjournalisten unter der Bezeichnung «Verkehrsverlagerung mit Italien und dem Tessin» eine wie immer hoch aktuelle und perfekt organisierte Studienreise. Rund 20 fachkundige Medienfachleute und Vertreterinnen und Vertreter von Transportunternehmen liessen sich vom 15. bis zum 17. Juni 2022 an mehreren Orten aus erster Hand über den Stand und aktuelle Projekte für den alpenquerenden Güterverkehr informieren.

Die Teilnehmenden an der Studienreise waren überall sehr willkommen und gelangten in den Genuss von spannenden Referaten oder eindrücklichen Besichtigungen. Darüber hinaus ermöglichten die Fahrten zwischen den einzelnen Stationen einen anregenden Gedankenaustausch zwischen den Teilnehmenden und die Vertiefung der soeben erhaltenen Informationen.

In diesem Bericht sollen die Höhepunkte der Studienreise in geraffter Form wiedergegeben werden – dies im Wissen, dass jedes Referat und jede Station einer gesonderten Berichterstattung würdig wären.

1.  Etappe – Begrüssung und Kurzpräsentationen in Altdorf / 15. Juni 2022

Um 09.00 Uhr begrüsste Kurt Metz die Referenten und die Teilnehmenden in einem Sitzungszimmer des repräsentativen neuen Bahnhofgebäudes von Altdorf.

Rückseite des Bahnhofs von Altdorf mit der Haltestelle des „Tell“-Fernbusses, mit dem ich aus Luzern angereist war. Im Hintergrund das architektonisch bemerkenswerte Dienstgebäude. Der Bau der Bahnhofgebäude von Altdorf wurde massgeblich von der Urner Kantonalbank finanziert.

Nach einigen organisatorischen Hinweisen leitete Kurt Metz zum ersten Referat über.

In Vertretung von Django Betschart, Geschäftsleiter der Alpen-Initiative, referierte Fabio Gassmann, dort Teamleiter Alpenschutz, über den Alpenschutz am Puls der Zeit. Aus aktuellem Anlass kommt einer nachhaltigen Verkehrspolitik und griffigen Klimaschutzmassnahmen eine erhöhte Bedeutung zu. Mit rund 880’000 Lastwagen im Strassentransit über die Alpen wurde die Limite von 650’000 Fahrten im alpenquerenden Güterverkehr auch 2021 verfehlt.

Mit Besorgnis wird der stagnierende oder gar sinkende Anteil der Schiene im Binnengüterverkehr sowie im Import und Export zur Kenntnis genommen. Befürchtungen verursachen auch die düsteren Aussichten für den nationalen Wagenladungsverkehr. Auch wird die Verlagerungspolitik vermehrt in Frage gestellt, wie Ausführungen von Nationalrat Walter Wobmann im Tages-Anzeiger belegen. Bedenken bestehen auch im Hinblick auf die Richtungsänderung der alpenquerenden Güterverkehrsströme von Süden nach Norden als Folge des Ausbaus der Häfen im Mittelmeer.

Andreas Windlinger, Leiter Kommunikation im Bundesamt für Verkehr BAV, stellt die Stossrichtungen des BAV zur Förderung des alpenquerenden Transitverkehrs vor. So soll die Strecke aus dem Raum Como nach Mailand durch Italien auf Kosten von Italien substantiell erneuert und ausgebaut werden. Mit Unterstützung durch die Schweiz soll südlich von Mailand in Piacenza ein weiterer Güterverkehrsterminal errichtet werden. In den kommenden Jahren sollen am Gotthard pro Stunde in beiden Richtungen je sechs Güterverkehrstrassen eingerichtet werden.

Das BAV ortet weiterhin ein erhebliches Potential entlang des europäischen Güterverkehrskorridor Nr. 1 zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer. Die möglichen Konsequenzen des Ausbaus der Mittelmeerhäfen für die NEAT werden aufmerksam verfolgt. Eine entsprechende Untersuchung wurde abgeschlossen.

Erfreulich ist die Verpflichtung von Italien, die Simplon-Achse in Richtung Mailand und Novara bis Ende 2028 durchgehend für Güterzüge mit vier Metern Eckhöhe ausbauen. Die Schweiz beteiligt sich mit CHF 128 Millionen an den Investitionen, wobei dieser Betrag in Tranchen entsprechend dem Projektfortschritt ausbezahlt wird.

Der nationale Wagenladungsverkehr auf der Schiene steht vor der Schicksalsfrage. Kann dieser Verkehr rationalisiert und mit Subventionen weiter betrieben werden oder droht die Einstellung? Dem Vernehmen eröffnet das BAV im Herbst 2022 eine Vernehmlassung. Die SBB halten vorläufig am Status Quo fest.

Bruno Fischer, Leiter Kombinierter Verkehr bei den SBB, berichtet über die Massnahmen von SBB Cargo beim kombinierten Binnenverkehr. Er hält fest, dass der Anteil des Wagenladungsverkehrs am Ertrag des nationalen Schienengüterverkehrs nach wie vor fast zwei Drittel ausmacht. Die SBB möchten den nationalen kombinierten Verkehr unter anderem mit der Förderung von Anschlussgeleisen, dem Ausbau von Terminals und eigenen Wechselbehältern nachhaltig fördern. Auch erhofft man sich durch die Automatisierung der Kupplung – diese ist bei den Wagen des nationalen kombinierten Verkehrs seit rund einem Jahr im Einsatz – und der Bremsprobe zusätzliche Rationalisierungseffekte.

Pascal Jenni, Chief Commercial Officer der SBB Cargo International, kommt nach einer kurzen Vorstellung von SBB CI auf aktuelle Probleme des europäischen Schienengüterverkehrs zu sprechen. Der Lokführermangel vorab in Deutschland verstärkt sich und bewirkt Zugsausfälle und Annahmesperren. Rastatt war ein einschneidendes Ereignis. Leider hat sich seither in Bezug auf die Förderung wenig getan. Das Problembewusstsein in der Politik und in der Öffentlichkeit ist gering. Zustände wie im Schienengüterverkehr wären in anderen Verkehrsbereichen undenkbar. Zwar wurde das Zulassungsverfahren für Lokomotiven durch ERA standardisiert. Unterschiedliche nationale Anforderungen und die vielen Beteiligten führen zu mehr Komplexität. Das Management in den Güterverkehrskorridoren ist unzureichend. Pascal Jenni glaubt an die Chancen des internationalen Schienengüterverkehrs und fordert mehr Kapazität, mehr Qualität, eine verstärkte Standardisierung sowie mehr fairen Wettbewerb.

Dr. Dirk Pfister, Leiter Produktmanagement und Vertrieb bei BLS Cargo, referiert über Herausforderungen und Chancen im internationalen Schienengüterverkehr. Grosse Sorgen bereitet zurzeit der enorme Anstieg der Strompreise für die Bahn und die zunehmenden Störungen auf der Schieneninfrastruktur vorab in Deutschland. So hat sich der Strompreis für die Bahnen in Deutschland innerhalb einem Jahr vervierfacht. Endlich scheint mit dem angedachten Ausbau der Eisenbahnstrecke zwischen Wörth und Strassburg eine Ausweichroute für den Europäischen Güterverkehrskorridor Nr. 1 zu entstehen. Kritisch sieht Dr. Dirk Pfister die Kapazitätsengässe und die erodierende Qualität der Infrastruktur. Das Angebot im Personenverkehr sollte auf gewissen Strecken überdacht werden, um mehr Trassen für den Güterverkehr zu gewinnen.

Andreas Hollenstein, Leiter Infrastruktur und Betrieb bei der Firma Camion Transport CT, hält fest, dass CT seit vierzig Jahren Stückgut auf der Schiene befördert. CT betreibt 15 Standorte in der Schweiz und lässt pro Nacht bis zu 130 Bahnwagen zirkulieren. Sorgen bereitet der zunehmende Mangel an Fachkräften. Täglich werden 7’500 Sendungen mit einem durchschnittlichen Gewicht von 750 Kilogramm befördert. 75 Prozent der Sendungen über grössere Distanzen werden per Bahn zwischenbefördert. CT bietet ergänzend zur Spedition zunehmend auch Dienstleistungen wie Zwischenlagerung oder die Konfektionierung der Waren an. Als führend in der Transportökologie entwickelt CT auch Vorstellungen über die Ausgestaltung der City Logistik.

Severin Bär, VR und Mitglied der Geschäftsleitung der Planzer Familienholding, informiert über aktuelle Probleme im Güterverkehr auf Schiene und Strasse. Einleitend hält Severin Bär fest, dass sich die Verlagerungspolitik trotz Mängeln bei der Infrastruktur bewährt hat. Sorgen bereiten die starke Zunahme der Staustunden auf dem Schweizer Nationalstrassennetz und die Unterbrüche bei der Schieneninfrastruktur, auch in der Schweiz. Massive Kritik übt Severin Bär am Projekt Cargo Souterrain – statt Phantasien zu huldigen würde man besser die Qualität des Cargo Surterrain nachhaltig fördern. Eine grosse Herausforderung für den Gütertransport ergibt sich durch den Trend zu immer mehr und immer kleineren Sendungen. Severin Bär plädiert für das Abschneiden von alten Zöpfen beim Wagenladungsverkehr. Ein tragfähiges Konzept für den europäischen Güterverkehr ist überfällig.

Planzer beschäftigt über 5300 Mitarbeitende an 69 Standorten, davon 59 in der Schweiz. Planzer besitzt eine Flotte von 1800 Last- und Lieferwagen, mit denen täglich bis zu 23’000 Sendungen spediert werden. Für den Transport zwischen den Standorten werden bis zu 240 Eisenbahnwagen eingesetzt. Planzer betreibt 11 Hochregallager mit einer Kapazität von 177’000 Palettplätzen. Eine Intensivierung der Strassentransporte während der Nacht wird erwogen. Planzer betreibt seit 1996 City Logistik in Zusammenarbeit mit der SBB. In Zermatt erfolgt der Gütertransport zum Endkunden neu auch mit Pferdefuhrwerken.

Daniel Schöni, Inhaber der Firma Schöni, stellt einleitend die Erfolgsgeschichte seines Unternehmens vor. Gegründet wurde die Firma 1969 mit dem Ziel, den dannzumal unzuverlässigen Güterverkehr nach Italien als Marktnische zu erschliessen. Schon früh wurde auf Huckepack gesetzt. 2005 bekannte sich Schöni zum kombinierten Verkehr. 2010 wurde mit 22’800 Aufliegern der Spitzenwert erreicht. Seither erfolgte primär aus Kostengründen eine Rückverlagerung auf die Strasse, zurzeit werden jährlich noch rund 6000 Sendungen mit der Bahn abgewickelt. Daniel Schöni präsentiert den Zerfall der Frachtgebühren anhand einer nachdenklich stimmenden Folie. Die Einführung eines zusätzlichen Blockzuges nach Italien ist äusserst nervenaufreibend und erfordert – so Daniel Schöni – den Konsum von zwei Packungen Valium.

Kostenentwicklung im Transitverkehr. Die Folie wurde den Präsentationsunterlagen von Daniel Schöni entnommen.

Daniel Schöni plädiert für mehr Objektivität und Faktentreue bei der Diskussion um die CO2-Belastung. Die deutschen Kohlenkraftwerke für die Erzeugung von elektrischer Energie sind die grössten CO2-Produzenten Europas. Wie reagieren die Bahnen, wenn die Lastwagen in absehbarer Zukunft ökologischer unterwegs sind als die Güterzüge?

2. Etappe – Besichtigung des Terminals von CT in Cadenazzo / 15. Juni 2022

Nach der Bahnfahrt durch den Gotthard Basis-Tunnel begrüsst uns Andreas Hollenstein in Cadenazzo auf dem Gelände der Firma Camion Transport zur Führung durch den bestehenden und durch die Baustelle des neu entstehenden Terminals.

Der bestehende Terminal für den Umschlag von Gütern zwischen der Bahn und den Lastwagen verfügt im Innern über ein Gleis, auf dem fünf grosse Schiebewandwagen ent- und beladen werden können. Neben dem Gebäude hat es ein Abstellgleis für fünf weitere Schiebewandwagen. Im bestehenden Terminal werden fünfzig Mitarbeitende beschäftigt.

Nach einer kurzen Führung durch den bestehenden Terminal begeben wir uns auf die Baustelle des neuen Umschlagsterminals. Der neue und bedeutend grössere im Entstehen begriffene Terminal hat eine Fläche von 32’000 m2. Er verfügt über zwei Hallengeleise für je 15 Schiebewandwagen. Die Arbeitsabläufe ermöglichen das Arbeiten in zwei Schichten. Speziell ist der baulich abgetrennte Bereich für Gefahrenstoffe. Bei den Investitionen von CHF 42 Millionen hat sich das BAV aufgrund des Güterverkehrsgesetzes an den Kosten der Gleisanlagen beteiligt.

Aussenansicht des bestehenden Terminals.
Baustelle des neuen Terminals.

Auf Anfrage führt Andreas Hollenstein aus, dass sich die Zusammenarbeit mit den übrigen Anbietern von Cargo Domizil auf den Einkauf der Transportleistungen bei den SBB reduziert hat. Sichtlich beeindruckt vom Gesehenen verabschieden sich die Besucher von Andreas Hollenstein. Offensichtlich hat die Eisenbahn im nationalen Güterverkehr durchaus eine Existenzberechtigung – und wie die Investitionen von CT zeigen – auch Entwicklungspotential.

3. Etappe – Besichtigung des Terminals von Hupac in Busto Arsizio / 15. Juni 2022

Nach der Bahnfahrt nach Luino fahren wir mit einem Bus nach Busto-Arsizio zum grossen Terminal der Firma Hupac AG, wo wir von Irmtraut Tonndorf, Director Marketing & Communication, zur Vorstellung ihres Unternehmens empfangen werden.

Die Hupac AG gehört zu 72 Prozent privaten Transportunternehmen und zu 28 Prozent Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen. Sie wurde 1967 gegründet und besitzt über 8100 Tragwagen. 2021 hat Hupac per Bahn über 1’120’000 (Strassen-) Sendungen transportiert. Hupac beschäftigt an mehreren Standorten in Europa rund 630 Mitarbeitende und hat 2021 bei einem Umsatz von CHF 682.5 Mio. einen Reingewinn von CHF 12.4 Millionen erzielt. Der Corona-bedingte Einbruch in 2020 konnte 2021 mit einem Wachstum von 10.7 Prozent teilweise wettgemacht werden. Hupac erbringt ihre Leistungen primär auf der Nord/Süd-Achse und will ergänzend den bereits bestehenden Ost/West-Verkehr mit neuen Zügen ausbauen.

Hupac AG sieht ein grosses Entwicklungspotential und wird zwischen 2021 und 2026 über EUR 500 Mio. in neue und in die Erweiterung bestehender Terminals investieren. Dank einem Wachstum von sieben Prozent soll die Anzahl Sendungen am Ende der Planungsperiode 1.6 Millionen Sendungen pro Jahr erreichen. Mit dem multinationalen EVU BoxXpress wird unter der Bezeichnung «Maritime Shuttle» ein neuer Produktionszweig für den Transport ab den Containerhäfen am Mittelmeer und an der Nordsee geschaffen. Heute werden von Norden nach Süden rund 43 Millionen TEU und in der Gegenrichtung 11 Millionen TEU transportiert. Man erwartet, dass sich die Ströme dank dem Ausbau der Häfen am Mittelmeer und der Bahninfrastruktur angleichen werden, was Hupac AG eine bessere Auslastung ihrer Kapazitäten ermöglichen soll.

Leider, so Irmtraut Tonndorf, haben sich die Probleme im internationalen Schienengüterverkehr in jüngster Zeit massiv verschärft. In der Vorwoche fielen 40 Prozent der Züge aus – im langjährigen Durchschnitt liegt diese Kennzahl bei fünf Prozent – was beim Betrieb und bei den Kunden zu grossen Schwierigkeiten führt. Nur bei einem Bruchteil der verhinderten Transporte kann auf die Strasse ausgewichen werden. Welcher unvernünftige Spediteur würde der Eisenbahn vor diesem Hintergrund verderbliche Ware anvertrauen?

Die DB hat die Probleme bestätigt und Besserung durch bessere Koordination der baulichen Massnahmen versprochen. Hupac AG verfügt bei den Eisenbahnwagen über eine Reserve von zehn Prozent und hat begonnen, eigene Lokführer für den Einsatz bei den beauftragten EVU auszubilden. Unglücklicherweise können die Züge von Hupac AG bei Störungen im deutschen Netz kaum auf französische oder österreichische Transitachsen ausweichen. So müssen bei Störungen in letzter Instanz viel zu häufig Annahmestopps für Güter verfügt werden.

Auf einem Abstecher ins Gelände des Terminals werden den Besuchern die gewaltigen Dimensionen der Anlage ersichtlich. Auf eine Fläche von 245’000 m2 befinden sich dreizehn Umschlaggeleise, elf Abstellgeleise und fünf Wartungsgeleise. Sechs Geleise stehen für Überholungen zur Verfügung. Zwölf Portalkrane ermöglichen theoretisch den Güterumschlag von 33 Zugspaaren pro Tag. Technische Gründe limitieren die Anzahl Zugspaare jedoch auf 25 Einheiten.

Noch zu vorgerückter Stunde herrscht reger Betrieb im Hupac-Terminal in Busto-Arsizio.
Einer der Portalkräne im Hupac-Terminal von Busto-Arsizio.

Marco Terranova, Managing Director von SBB Cargo Italia, erläutert die italienische Sicht eines internationalen EVU. Er beanstandet den konzeptlosen Mitteleinsatz beim Bau und Unterhalt des Schienennetzes sowie strukturelle Hindernisse durch überholte Betriebsvorschriften. Ein Ärgernis ist beispielsweise der in einigen Ländern vorgeschriebene Einsatz eines zweiten Lokführers, was die Transportkosten um einen Viertel erhöht. Die starke Erhöhung der Strompreise verteuert die Trassenkosten um etwa einen Drittel. Diese können von den EVU nicht weiterbelastet werden. Marco Terranova kritisiert in diesem Zusammenhang, dass der Schienengüterverkehr im Gegensatz zum Strassentransport für die Ertragsausfälle wegen Corona kaum Subventionen erhielt.

Auch Marco Terranova bemängelt die unzureichenden Absprachen innerhalb der europäischen Güterverkehrskorridoren sowie die Kapazität und Erreichbarkeit der Terminals. Sorgen bereiten in Italien auch die Betriebsvorschriften der Netzbetreiberin RFI, indem beispielsweise Pönale für zu lange Züge verhängt werden. Zudem könnte die Kapazität der Rangier- und Abstellbahnhöfe von Domodossola durch neue Vorschriften bis zu einem Drittel reduziert werden. Die Besetzung von zahlreichen Positionen im Management von RFI mit Kadermitarbeitenden aus dem Personenverkehr schlägt sich in fehlender Leistungs- und Marktorientierung nieder. Haftungsregeln bei Mängeln fehlen, und wichtige Vereinbarungen für die Leistungserbringung müssen jährlich aktualisiert. Unterschiedliche Regeln innerhalb der EU im Schienengüterverkehr wie Bremssohlen, RID, Zuglänge, Sprache und ERTMS sind zu vereinheitlichen. Der Ausbau der Eisenbahnverbindung zwischen den Häfen in Ligurien und dem Hinterland durch den Terzo Valico wird begrüsst, muss jedoch durch flankierende Massnahmen in den Häfen ergänzt werden. Vor allem müssen genügend Warteräume für Güterzüge im Hinterland bereitgestellt werden. Der Nutzen der Korridore wird wegen den Qualitätsmängeln in Frage gestellt. Die Bahn ist nicht (mehr) in der Lage, Sendungen nach dem «Just-in-Time»-Prinzip zu transportieren.

Der Präsident der Internationalen Vereinigung der Gesellschaften für den Kombinierten Verkehr Schiene/Strasse UIRR, Ralph-Charley Schulze, sieht ein ideales Momentum für den Ausbau des Kombinierten Verkehrs als umweltfreundliche Transportart. Leider wird der Nutzen von Förderungsmassnahmen gelegentlich durch gegenläufige Massnahmen eingeschränkt. Wie Marco Terranova fordert Ralph-Charley Schulze eine verstärkte Standardisierung im internationalen Güterverkehr. Die Gewichtsbeschränkung für die Lastwagen ist dringend beizubehalten. Erwogen werden sollte die Ausgründung der europäischen Güterverkehrskorridore in eigene Unternehmen. Ralph-Charley Schulze teilt die Meinung von Daniel Schöni bezüglich einer ganzheitlichen Betrachtung der CO2-Problematik und einer Vereinheitlichung der Messsysteme für den CO2-Ausstoss.

Die interessante Besichtigung des Terminals von Busto-Arsizio schliesst mit einem Abstecher zum eindrücklichen Umschlagsterminal der Firma Schöni. Hier werden die mit Lastwagen angelieferten Sendungen für den Weitertransport auf der Schiene auf Güterwagen verladen – mehrheitlich von Süden nach Norden.

Verladerampe des Terminals der Firma Schöni in Busto-Arisizio.
Innenraum des Terminals der Firma Schöni in Busto-Arsizio mit Konsumgütern für die Schweiz.

Busfahrt von Busto-Arsizio nach Alessandria / 15. Juni 2022

Auf der Weiterfahrt nach Alessandria ergeben sich spannende Gespräche. Der Bedarf nach einer einheitlichen Bahnsprache, wohl Englisch, wird diskutiert. Der Einsatz der englischen Sprache ist aus Sicht des Verfassers überfällig.

Auch die Vorschrift der Streckenkundigkeit für das Lokpersonal wird in Anbetracht der neuen Leitsysteme wie ERTMS in Frage gestellt. Aus Sicht eines Fachmanns sprechen Sicherheitsüberlegungen für die Beibehaltung dieses Prinzips.

Federico Rossi, Mitarbeiter von BLS Infrastruktur, dessen Referat «Ausbauperspektiven für die Simplon-Achse» aus zeitlichen Gründen ausfallen musste – die Unterlagen der Präsentation stehen in schriftlicher Form zur Verfügung – könnte die Stabilität des Netzes in Deutschland durch die Herrichtung von Nebenstrecken für den Güterverkehr und die Optimierung der Stellwerke relativ rasch und mit vertretbarem Aufwand verbessert werden. Parallel dazu müsste die Flexibilität auf den Hauptstrecken durch die Bereitstellung von Ausweichgleisen und Gleiswechselmöglichkeiten (Banalisierung) erhöht werden.

4. Etappe – Allgemeine Einführung und Besichtigung des Hafens von Genova Pra / 16. Juni 2022

Nach einer durch den Stau auf der Autobahn verzögerten Busfahrt treffen wir kurz nach zehn Uhr auf dem Hafengelände im Zentrum von Genua ein. Der Stau wurde durch ausgedehnte Sanierungsarbeiten an der Autobahn verursacht. Beim Vorbeifahren zeigten sich für hiesige Vorstellungen undenkbare Betonschäden an Tunnelwänden, Stützmauern und Brücken. Der Sanierungsbedarf ist riesig. Bemerkenswert war auch die Herkunft der grossen Lastwagen. Die langsame Fahrt ermöglichte die Feststellung der Herkunft der Fahrzeuge. Eine spontane Stichprobe von zehn hintereinander fahrenden grossen Lastwagen ergab, dass nur drei davon in Italien immatrikuliert waren. Vier Lastwagen stammten aus Portugal oder Spanien, und drei aus Polen und Rumänien.

Um 10.40 Uhr Uhr begrüsste uns Paolo Emilio Signorini, Präsident der Western Ligurian Sea Port Network Authority im Palazzo San Giorgio, dem aus dem frühen Mittelalter stammenden, prunkvollen Verwaltungsgebäude der Hafenaufsichtsbehörde.

Flüchtig aufgenommenes Bild aus dem Plenarsaal des Palazzo San Giorgio in Genua.

In einer kurzen Ansprache erwähnte Paolo Emilio Signorini die einst dominante Bedeutung des Hafens von Genua für die Schweiz und lobte die NEAT. Er führte aus, dass 60 Prozent der Anlieferungen von Gütern per Schiff in Containern oder verwandten Transportgebinden eintreffen. Die Häfen von Genua wollen den Anteil der mit der Bahn weiter beförderten Container von heute 15 auf 25 Prozent erhöhen. Zu diesem Zweck wird die Bahnerschliessung substantiell ausgebaut. Der relativ tiefe Anteil der Schiene ist primär durch die kurzen Transportdistanzen in das wirtschaftliche starke Hinterland bedingt.

Karte des Schienennetzes im Grossraum Genua. Der Verlauf der Neubaustrecken des Projekts Terzo-Valico ist schwach erkennbar. Die Karte wurde mit bestem Dank dem „Eisenbahnatlas Italien/Slowenien“ von Schweers+Wall entnommen.

Nach der Einführung durch Paolo Emilio Signorini präsentieren Mitarbeitende eine Fülle von Fakten über die Häfen in Ligurien. Die Häfen in Ligurien zählen zu den bedeutendsten Tiefseehäfen im Mittelmeer mit einer Kapazität von 2.8 Millionen TEU. Die Häfen beschäftigen über 31’000 Mitarbeitende. Dazu kommen gegen 70’000 weitere Arbeitsplätze bei Zuliefer- oder Nebenbetrieben. Die vier Häfen der Hafenbehörde erstrecken sich über eine Fläche von sieben Quadratkilometern. Die Länge der Kais mit insgesamt 30 Anlegestellen mit Portalkränen beträgt über 17 Meilen, entsprechend knapp 26 Kilometer.

Der Corona-bedingte Einbruch konnte beinahe wettgemacht werden. Neben dem Umschlag von Waren werden ergänzende Dienstleistungen wie Schiffbau und Unterhalt sowie Wartung und Entsorgung angeboten. Zudem werden mittelgrosse Yachten gefertigt, und mit über 2 Millionen Passagieren gehören die Häfen von Genua auch im Personenverkehr zu den grössten Häfen Europas. In Ligurien sind mit MSC in Genua und mit Costa Cruises in Savona zwei der weltweit grössten Redereien domiziliert.

Ein paar Zahlen dokumentieren das stürmische Wachstum des Containerverkehrs und das Gewicht der Häfen in Ligurien beim Umschlag von Containern. Insgesamt wurden 2021 in italienischen Häfen 7.2 Millionen TEU gelöscht, davon 61.5 Prozent in den Häfen von Ligurien und 19.8 Prozent an den adriatischen Häfen.

Von 2011 bis zu dem durch Corona beeinträchtigten Jahr 2021 wuchs die Anzahl der Containerzüge pro Jahr von 5155 auf 9387 Züge. Die Zunahme der per Bahn weiter beförderten Container stieg von rund 246’000 TEU auf 380’328 TEU. Der Anteil der Eisenbahn am gesamten Containerverkehr stieg von 14.6 Prozent auf 15.7 Prozent. Die meisten Container – und das mit steigendem Anteil – waren für Abnehmer im Piemont und in der Lombardei bestimmt. Wie von Paolo Emilio Signorini ausgeführt soll der Anteil der ab Genua mit der Eisenbahn weiter beförderten Container mit dem Ausbau der Bahninfrastruktur gesteigert werden, wie etwa durch den Ausbau des Streckennetzes und der Rangierbahnhöfe.

Zurzeit verkehren in der Regel nur je drei Containerzüge pro Woche nach Busto-Arsizio und nach Frenkendorf. Acht Züge fahren nach Melzo. Stark wachsend ist der Anteil von neuen EVU am Transportvolumen.

In der Diskussion erläutert Pascal Jenni die Strategie von SBB Cargo International für die Gewinnung von neuen Kunden. Leider wurden diese Bestrebungen durch Corona empfindlich behindert.

Im Anschluss an diese interessanten Präsentationen verschieben wir uns zum Hafen von Genova Pra, wo wir im Verwaltungsgebäude von Massimiliano Cozzani, Senior Manager von PSA, und seinem Team empfangen werden. Der Hafen gehört mehrheitlich zur Port of Singpore Authority PSA, der weltweit grössten Betreiberin von Häfen. Über die Häfen von PSA wurden 2021 weltweit 91.5 Mio. TEU umgeschlagen. In 28 Ländern befinden sich 53 Häfen und 60 Terminals.

Ausblick vom Verwaltungsgebäude auf die ausgedehnten Hafenanlagen von Genova Pra.

Vom obersten Geschoss des Verwaltungsgebäudes bietet sich ein guter Überblick über die imposanten Hafenanlagen. Die Fläche ist in drei Zonen unterteilt, nämlich die Ship-Side (Umschlag Schiff-Land), die Yard-Side (Lagerfläche) und die Quay-Side (Umschlag Lager-Lastwagen oder Bahn). Der überwiegende Teil der Container wird auf der Strasse weiterbefördert. An Spitzentagen erfolgen 2000 Lastwagenfahrten, im Jahresdurchschnitt sind es pro Tag rund 1800 Fahrten. Der Mangel an qualifizierten Chauffeuren hat bedrohliche Ausmasse angenommen. Pro Woche verlassen zwischen 91 und 96 Züge den Hafen von Genova Pra. Die maximale Kapazität liegt bei 120 Zügen pro Woche. Allerdings ist die Zuglänge auf 460 Meter beschränkt – statt der angestrebten Länge von 750 Metern. Das Verlagerungspotential für die Eisenbahn vorab im internationalen Güterverkehr ist gross. Man schätzt, dass der Transport von Containern aus Asien über die Häfen am Mittelmeer – anstatt über die Nordseehäfen – zu den Empfängern in Mitteleuropa zwischen 15 und 40 Prozent weniger CO2 verursacht und zudem vier bis sieben Tage weniger in Anspruch nimmt.

Zudem verfügen die Häfen am Mittelmeer im Gegensatz zu den chronisch überlasteten Häfen an der Nordsee über freie oder rasch zu erschliessende Kapazitäten. In krassem Gegensatz zu den hiesigen Vorurteilen wurden die Häfen in Ligurien seit 20 Jahren nicht mehr bestreikt. Als positiv zu werten ist, dass das allgemeine Bewusstsein über die Probleme im europäischen Güterverkehr steigt.

5. Etappe – Besichtigung des neuen Tiefseehafens Savona Vado Ligure / 16. Juni 2022

Nach der Busfahrt gelangen wir zum neuen Tiefseehafen von Vado Ligure. Dieser moderne Hafen wurde nach kürzester Bauzeit im Dezember 2019 eröffnet und verfügt über eine Kapazität für 1.1 Mio. TEU. Neben dem Containerhafen befindet sich ein weiterer neuer Hafen für den Umschlag von anderen Gütern wie Autos oder Oel. Unweit der Hafenanlagen erkennt man ein Werk der von Alstom übernommenen Bombardier AG für die Herstellung von Eisenbahnfahrzeugen.

Eisenbahnlinien im Grossraum Savona. Seit einigen Jahren ist die Neubaustrecke Richtung Ventimiglia in Betrieb. Die Karte wurde mit bestem Dank dem „Eisenbahnatlas Italien/Slowenien“ von Schweers+Wall entnommen.

An die kurze Einführung von Daniela Mossa, Commercial Manager, schliesst eine Besichtigung der Hafenanlagen an. Der Betrieb der Yard-Side erfolgt vollautomatisch. Die Container werden mit den Kränen vom Schiff auf die Ship-Side abgeladen. Von da werden sie vollautomatisch mit den Portalkränen in der Yard-Side zwischengelagert und von dort unmittelbar vor dem Abholen auf der Quay-Side deponiert, von wo aus sie mit manuell bedienten Stackern auf Lastwagen oder Eisenbahnwagen verladen werden. Die Zeit zwischen dem Eintreffen der Lastwagen und dem Beladen mit dem Container wird als GMPH bezeichnet und liegt unter 30 Minuten. Die eindrücklichen und fast hundert Meter hohen Portalkräne wurden vollständig gefertigt aus China importiert und auf das Festland verschoben. Eindrücklich sind auch Ausmasse und die Beweglichkeit der imposanten Stacker.

Imposanter und fast hundert Meter hoher Hafenkran zum Abladen der Container vom Schiff auf das Festland. Die Hafenkräne wurden in ihrer ganzen Grösse fertig montiert von China nach Vado Ligure verschifft und hier abgeladen.

Nach der Besichtigung der Hafenanlagen begrüsst uns Dr. Luigi Ghilotto, Senior Manager von Vado Ligure, und ergänzt die Ausführungen von Daniela Mossa. Die Häfen von Vado Ligure gehören der weltweit tätigen APM-Gruppe. Chinesische Investoren sind mit einer Minderheitsbeteiligung von 49 Prozent an den Häfen beteiligt. Die Betreiber von Vado Ligure streben die Ansiedelung von Firmen in der weiteren Umgebung der Häfen an. Unter anderem wurden frühere Getreidesilos für die Zwischenlagerung von ungerösteten Kaffeebohnen umgenutzt. Die maximale Kapazität der Anlagen liegt bei sagenhaften 65’000 Tonnen. Weitere Kooperationen unter anderem mit Nestlé sind in Vorbereitung.

Der Anteil der Eisenbahn an den weiter beförderten Containern liegt zurzeit bei 24 Prozent und soll auf 40 Prozent gesteigert werden. Zurzeit verlassen täglich durchschnittlich fünf bis sieben Züge den Hafenbahnhof von Vado Ligure. Möglich wären zwölf Züge. Die Infrastruktur soll für die Bildung von 750 Meter langen Güterzügen ausgebaut werden. Angestrebt wird eine Kooperation mit Hupac über das Terminal von Busto-Arsizio.

Die Anlagen und die Infrastruktur hinterlassen bezüglich des Umweltschutzes und der Qualität der Arbeitsplätze einen vorzüglichen Eindruck. Der Schutz von Umwelt, Menschen und Gütern geniesst höchste Priorität. Zwischen den Betrieb der Hafenanlagen und der touristischen Nutzung der Strände von Savona ergaben sich Zielkonflikte, die gemäss den vorliegenden Informationen einvernehmlich gelöst werden konnten.

6. Etappe – Stiftung SLALA / 16. Juni 2022

Auf dem Weg vom Hotel zum Vortrag der Stiftung SLALA begegnen wir dem Geburtshaus der legendären Firma „Borsalino“.

Vor dem Abendessen stellen uns Vertreter in Alessandria SLALA vor. Diese Stiftung strebt mit grossem Engagement der Mitwirkenden die Förderung des Grossraums Alessandria für die Ansiedelung von Industrie, Gewerbe und Transportfirmen an. Sie orientieren sich dabei am Erfolg von ähnlichen Fördermassnahmen im Raum Tortona. Die in wenigen Jahren in Betrieb gehende neue Eisenbahnverbindung zwischen den ligurischen Häfen und Alessandria bietet grosse Chancen. Alessandria verfügt über eine Flächenreserve von rund 1 Mio. m2 und eine ungenutzte Abstellanlage für Güterwagen. Zudem ist Alessandria hervorragend an das italienische Schienennetz und an drei Autobahnen angebunden. Als Alternative zum Ausbau der Rangieranlagen bei den Häfen könnten von dort kürzere Güterzüge nach Alessandria geführt und hier in 750 Meter langen Zügen umformiert werden.

7. Etappe – Besichtigung von zwei Baustellen des Terzo Valico / 17. Juni 2022

Firmenschild der Firma WeBuild.

Am 17. Juni 2022 begrüsst uns Mariano Concetti, Direktor bei RFI und für das gesamte Projekt verantwortlich, in Arquata Scrivia zur Präsentation von Terzo Valico dei Giovi. Zur Gruppe der Bahnjournalisten gesellen sich je grössere Gruppen der Gesellschaft der Ingenieure des öffentlichen Verkehrs GDI und einer schweizerischen Kaderorganisation. Insgesamt nehmen über 70 Personen an der Präsentation teil.

Übersichtskarte über das Projekt „Terzo Valico dei Giovi“. Besichtigt wurden die Baustellen ADVE und OVVG/NV05.

Walter G. Finkbohner – er hat sich hinter den Kulissen sehr für unser heutiges Programm eingesetzt – übersetzt die auf Italienisch vorgetragenen Ausführungen von Mariano Concetti und seiner Projektleiter laufend auf Deutsch.

Das Projekt bezweckt den Bau einer neuen Hochleistungsstrecke zwischen Genua und der Poebene. Damit entsteht als Ergänzung zu den bestehenden beiden doppelspurigen Strecken zwischen Genua und Arquata Scrivia eine dritte Eisenbahnlinie. Zur konsequenten Trennung der Verkehrsarten wird das Projekt im Grossraum Genua mit einem für die S-Bahn bestimmten 2.5 Kilometer langen Tunnel ergänzt. Die Streckenlänge beträgt 53 Kilometer, wovon 37 Kilometer in Tunnels. Die maximale Steigung beträgt 12.5 Promille, was das Führen von 750 Meter langen Zügen mit einer Lokomotive ermöglicht. Grundsätzlich werden zwei einspurige Tunnels mit einem Querschnitt von je 73 m2 gebaut. Der Querschnitt in den doppelspurig ausgeführten Tunnelzufahrten beträgt 106 m2.

Dazu kommt eine bereits gebaute Anbindung des Hafens von Genua Pra. Das Budget für die weitgehend von der EU finanzierten Investitionen beträgt EUR 6.167 Mia, dazu kommen EUR 988 Mio. für den Knoten Genua und EUR 306 für den Anschluss des Hafens bei Genua Campobasso.

Die von den Firmen Cociv und WeBuild gebauten Strecken sollen 2026 in Betrieb genommen werden. Im Bereich von Arquate Scrivia verzweigt die Strecke in zwei Teilstrecken – eine davon führt nach Tortona und die andere in Richtung Alessandria.

Auch die Zulaufstrecken zum Terzo Valico werden mit einem enormen Mitteleinsatz ausgebaut. So wird die Strecke von Milano Rogoredo bis nach Pavia für EUR 250 Mio. durchgängig auf vier Geleise erweitert. Die Strecke von Pavia nach Tortona wird für EUR 156 Mio. erneuert und für eine Geschwindigkeit von 180 km/h hergerichtet. Im Zuge dieser Arbeiten werden Vorbereitungen für eine spätere Erweiterung auf Vierspur getroffen. Ebenfalls mit einer zweiten Doppelspurstrecke erweitert wird die topografisch anspruchsvolle Strecke zwischen Tortona und Voghera. Die Kosten dafür erscheinen mit EUR 500 Mio. vergleichsweise hoch. Alle Strecken werden für die Umstellung auf ERTMS bzw. ETCS vorbereitet.

Aus schweizerischer Sicht ist erfreulich, dass dem Vernehmen nach Abklärungen für den Ausbau der direkten Verbindung zwischen Milano Rogoredo und Monza bzw. der Anbindung der Flughäfen von Malpensa an die Fernverbindung zwischen Domodossola und Mailand im Gang sind. Auch soll die Strecke von Como nach Monza beschleunigt und ggf. mit einem dritten Gleis erweitert werden.

Nach den Präsentationen werden die Teilnehmenden mit Kleinbussen zu zwei von insgesamt zwölf Grossbaustellen befördert. Daneben wurden für den Bau sechs ausgedehnte rückwärtige Werkplätze eingerichtet.

Baustelle ADVE – Blick aus dem Tunnel auf das Verzweigungsbauwerk Richtung Tortona und Alessandria.
Baustelle ADVE – weiterer Blick auf das Verzweigungsbauwerk.
Eindruck von der Baustelle NV05.
Ein weiterer Eindruck von der Baustelle NV05.

Die Teilnehmenden werden für die Besichtigung mit neuen Schutzwesten, Schutzhelmen und Sicherheitsschuhen ausgerüstet und unterwegs mit einem reichhaltigen Apéro riche verpflegt. Dankbar und sehr beeindruckt von der Gastfreundschaft und vom Gesehenen werden die Teilnehmenden am Nachmittag im Grossraum Genua verabschiedet.

Kommentar

Vorab ein grosses Dankeschön an Kurt Metz für Organisation und die Leitung der hoch interessanten Reise, den Referentinnen und Referenten für die uns gewidmete Aufmerksamkeit und die Fülle von Informationen, den Sponsoren für ihre Unterstützung, Dr. Max Ehrbar für das Lektorat und – last but not least – den Teilnehmenden für die bereichernden Gespräche unterwegs.

Ich habe davon abgesehen, den Referentinnen und Referenten diesen Beitrag zur Stellungnahme zukommen zu lassen. Ich bitte ggf. um Korrekturwünsche, die ich umgehend einarbeiten würde.

Zum Schluss zwei kritische Fragen:

  1. Ich habe in diesem Beitrag auf die Herkunft der Lastwagen auf Fahrt nach Genua hingewiesen. Ähnliche Beobachtungen habe ich in den letzten Monaten am Brenner, auf deutschen Autobahnen und auf dem Balkan gemacht. Ich frage mich, ob das Fokussieren auf eine zusätzliche Anzahl Züge aus dem Mittelmeerraum nach Norden aufgrund der Situation nicht ein viel zu bescheidenes Ziel ist und ob man sich nicht gescheiter auf eine fundamentale Stärkung des europäischen Schienengüterverkehrs konzentrieren sollte.
  2. Zweitens stellt sich die Frage, ob die Struktur und die Eigentumsverhältnisse der europäischen Güterbahnen in Anbetracht der alarmierenden Zustände im europäischen Schienengüterverkehr noch angemessen sind.

Perlen an der Drau

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Im Rahmen einer Radtour von Toblach nach Maribor im April 2022 entlang der Drau bot sich Gelegenheit, beim Vorbeifahren einige Eindrücke von Verkehrsinfrastrukturen zu gewinnen.

Durch frühere Bahnreisen war ich mit der Gegend und einigen Bahnhöfen vertraut. Vor vier Jahren war ich zum letzten Mal in Lienz.

Die Veränderungen seit meinem letzten Besuch in der Region sind immens. Vor allem die Bahnhöfe von Lienz und Maribor sind kaum mehr zu erkennen. Neben den Bahnhöfen sah man nur noch neues und gepflegtes Rollmaterial. Das gilt in besonderem Mass für Slovenske Zeleznice SZ, die Staatsbahn von Slowenien.

Bei kurzen Aufenthalten haben wir mit dem Smartphone ein paar flüchtige Bilder aufgenommen, mit denen wir das Gesehene und unsere Eindrücke dokumentieren möchten.

Innsbruck

Bei unserer Anreise nach Toblach mussten wir Innsbruck auf den Anschlusszug auf den Brenner warten. Für den Wechsel auf einen anderen Bahnsteig benutzten wir mit unseren Fahrrädern den Lift.

In diesem Lift fanden neben zwei Personen mit Fahrrädern und Packtaschen drei Damen mit Rollkoffern und ein Vater mit einem Kinderwagen Platz.

In der Halle des Bahnhofs Innsbruck entdeckten wir neben dem grosszügigen allgemeinen Warteraum einen eigens für Jugendliche bestimmten und entsprechend ausgestatteten Warteraum.

Frontseite des Jugendwarteraums im Hauptbahnhof Innsbruck.
Auslage im Jugendwarteraum im Hauptbahnhof Innsbruck.

Sillian

Sillian ist eine österreichische Marktgemeinde im Hochpustertal. Der Tourismus ist in der von rund 2‘200 Menschen bewohnten Gemeinde ein wichtiger Einkommenszweig. In den letzten fünf Jahren wurde der früher einfache Bahnhof grundlegend erneuert und präsentiert sich heute ansprechend. Sillian wird von Zügen von SAD, dem Verkehrsverbund der Region Südtirol, stündlich bedient. Die sechsteiligen Flirt-Triebwagenzüge der Firma Stadler AG verkehren grenzüberschreitend von Lienz nach Franzensfeste/Fortezza.

Ansicht des Bahnhofs von Sillian von Osten.
Unterstand für Fahrräder und daneben überdeckter Abgang in die Unterführung im Bahnhof Sillian.

Lienz

Bei meinem letzten Besuch in Lienz vor vier Jahren erfuhr ich, dass der Bahnhof erneuert werden soll. Der Bahnhof präsentierte sich damals als etwas in die Jahre gekommen, war jedoch gut unterhalten und wies keine Schäden auf. Ich erwartete aufgrund der Ankündigung von ÖBB Infra, dass die Anlagen behindertengerecht ausgebaut und verschiedene Publikumsanlagen modernisiert würden.

Lienz hat knapp 12‘000 Einwohner und ist Verwaltungssitz des gleichnamigen Bezirks. Die gepflegte Kleinstadt in Osttirol wird neben einer einzigen Fernverbindung nach Wien stündlich von Regionalzügen der ÖBB Richtung Spittal-Millstättersee und derjenigen des SAD nach Franzensfeste bedient. Zudem verkehren Busse in die Region sowie einige direkte Fernbusse der ÖBB nach Innsbruck oder nach Kitzbühel.

Was ich jedoch bei unserem kurzen Aufenthalt zu sehen bekam, machte mich sprachlos. Eine der beiden Unterführungen wurde erheblich erweitert und zu einer komfortablen Radunterführung ausgebaut. Anstelle von Ladengeschäften wurde eine Wand auf einer Länge von weit über hundert Metern mit Glasplatten geschmückt. Prachtvoll! Atemberaubend ist auch der Aufgang aus der Unterführung zum Bahnhof mit einem grosszügig dimensionierten Lift und einer benutzerfreundlichen Treppe.

Zugang zur Unterführung aus dem Stadtzentrum zum Bahnhof Lienz. Die Fertigstellungsarbeiten sind noch im Gang.
Vorderes, aus dem Stadtzentrum führendes Teilstück der Unterführung des Bahnhofs Lienz.
Mitte der Unterführung des Bahnhofs Lienz. Links ist der Zugang zum Lift erkennbar.
Eindruck aus dem mittleren Bereich der Unterführung des Bahnhofs Lienz mit dem Treppenaufgang.
Glaskuppel über dem Aufgang aus der Unterführung und Seitenansicht der Treppe im Bahnhof Lienz.
Treppe und Lift aus der Unterführung im Bahnhof Lienz. Im Hintergrund je ein Triebwagenzug von ÖBB und SAD.
Blick auf den Hausperron im Bahnhof Lienz.
Neben der Unterführung des Bahnhofs Lienz gelegene Strassenbrücke über die Drau.

Bahnhof Maribor

Maribor ist mit knapp 100‘000 Einwohnern die zweitgrösste Stadt von Slowenien. Ich bin im Bahnhof von Maribor zwischen 2012 und 2018 mehrmals umgestiegen und hatte den Bahnhof in recht guter Erinnerung. Er wirkte damals zwar etwas unbelebt, war jedoch sauber und gut unterhalten. Meines Wissens war er jedoch nicht behindertengerecht ausgestattet.

Unsere Eindrücke beim Warten auf den Zug nach Graz waren überwältigend. Die Unterführung und die Bahnsteige wurden neu gebaut und präsentieren sich bestens. Zu den Bahnsteigen gelangt man mittels Rolltreppen, Lift oder bequem zu begehender Treppe.

Blick im Bahnhof Maribor vom zweiten Mittelperron auf den soeben eingefahrenen Neigezug aus Ljubljana.
Der grössere der beiden Mittelperrons im Bahnhof von Maribor. Links ist der Zugang zum Lift in die Unterführung erkennbar. Auf der rechten Seite liegt der Hausperron.
Treppe vom Mittelperron des Bahnhofs Maribor in die Unterführung. Die benutzerfreundlich angelegte Treppe hat alle zwölf Stufen ein etwa einen Meter breites Podest. Man beachte die verwendeten Materialien.
Rolltreppen aus der Unterführung des Bahnhofs Maribor auf den Mittelperron.
Anzeigetafel auf dem Mittelperron des Bahnhofs Maribor.
Abfalleimer auf dem Mittelperron des Bahnhofs Maribor.

Auch das Rollmaterial präsentiert sich im Vergleich zu früheren Jahren tadellos. Noch vor wenigen Jahren waren die meisten Triebwagenzüge bemalt oder verschmutzt. Auch das Angebot – es ist immer noch viel weniger dicht als in der Schweiz – wurde ausgebaut.

Auf der Fahrt von Maribor nach Graz sahen wir, dass in Richtung Österreich auf einer Länge von schätzungsweise 15 Kilometern neben der heute einspurigen Strecke an einer grosszügig trassierten doppelspurigen Neubaustrecke gebaut wird.

Ganz offensichtlich wird in Slowenien mit einem enormen Aufwand an der Erneuerung der Eisenbahn gearbeitet. So sah ich bereits im Oktober 2021 auf einer Bahnreise, dass die Bahnlinie von Jesenice in Richtung Ljubljana und mehrere Haltestellen daran aufwendig erneuert wurden.

Busterminal Maribor

Bei früheren Bahnreisen mit der Bahn von Maribor nach Bleiburg in Kärnten bemerkte ich ein etwa 250 Meter südwestlich vom Bahnhof Maribor liegendes grosses Busterminal. Bei der Fahrt von der Unterkunft zum Bahnhof statteten wir dem Busterminal einen kurzen Besuch ab. Gemäss den Fahrplänen ist der Betrieb ausserhalb der Hauptverkehrszeiten mässig.

Die Anlagen vermitteln einen luxuriösen Eindruck. Ich habe in den letzten zehn Jahren in Europa einige grosszügige und kundenfreundliche Busterminals angeschaut – aber derjenige von Maribor übertrifft alle mir bekannten Anlagen um Welten.

Beheizte Wartehalle im Busterminal von Maribor. Auf der linken Seite befinden sich Schalter, Ladengeschäfte und Toiletten. Rechts die Schiebetüren zu den Halteplätzen der Busse.
Blick aus einer Schiebetüre des Busterminals von Maribor. Links die Halteplätze der Busse, rechts die Wartehalle.

Und ein abschliessender Stossseufzer: Weshalb nehmen die sozialen und ökologischen Postulaten zugeneigten Behörden der Stadt Zürich und die Öffentlichkeit die unhaltbaren Zustände am Carparkplatz am Sihlquai seit Jahren hin?

Koralmbahn – grossartig und visionär

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Zurzeit wird In Österreich an der Koralmbahn, einem weiteren grossen Eisenbahnprojekt, gearbeitet, Die Koralmbahn wird nach ihrer mutmasslichen Fertigstellung im Jahr 2025 die Reisezeit zwischen Graz, Hauptstadt des Bundeslandes Steiermark, und Klagenfurt, Hauptstadt des Bundeslandes Kärnten, auf einen Bruchteil der heutigen Zeit reduzieren.

Lage der Koralmbahn mit dem gepunkteten Linienzug. (Auszug aus dem Eisenbahnatlas EU von Schweers+Wall).

Der Bau der Koralmbahn ist eingebettet in das Projekt „Ausbau Südstrecke“ und damit Bestandteil des „Baltisch-Adriatischen Korridors“ der EU.

Baltisch-Adriatischer Korridor. (Auszug aus einem Prospekt der ÖBB).

Zudem wird die Koralmbahn die Erreichbarkeit von heute eher peripheren Regionen in Österreich substantiell verbessern.

Nachdem wir den Fortschritt dieses grossartigen Eisenbahnprojekts seit einigen Jahren intensiv verfolgen und mehrere Studienreisen in die Region unternommen hatten, besichtigten wir anfangs April 2022 das Projekts auf den eigens dafür geschaffenen „Rad-Infopfaden“ auf seiner ganzen Länge. Die Eindrücke von diesem in vieler Hinsicht beispielhaften Projekt waren überwältigend. Mehr darüber in diesem Bericht.

Verkehrsverbindungen zwischen Graz und Klagenfurt

Die Bahnfahrt zwischen Graz und Klagenfurt dauert heute rund drei Stunden. Zudem muss dabei in der Regel in Bruck an der Mur umgestiegen werden. Der elektronische Fahrplan der SBB zeigt für einen Werktag zehn Verbindungen.

Mit den direkt verkehrenden Intercity-Bussen der ÖBB dauert die Fahrt über den Packsattel 2 Stunden und 13 Minuten. Täglich verkehren sieben Buspaare.

Mit der Koralmbahn verkürzt sich die Reisezeit zwischen Klagenfurt und Graz auf nur noch 45 Minuten und somit auf etwa einen Viertel der Dauer der heutigen Bahnreise.

Auch die Erreichbarkeit des Lavanttals wird durch die Koralmbahn substantiell verbessert. Die Reisezeit von der Landeshauptstadt Klagenfurt zu Städten wie Wolfsberg in Kärnten oder St. Paul sinkt im Vergleich zu heute auf weniger als die Hälfte.

Die Koralmbahn im Überblick. (Auszug aus einem Prospekt der ÖBB).

Koralmbahn im Überblick

Die Länge der Neubaustrecke beträgt ohne die bestehende Schleife über Bleiburg 125,4 Kilometer. Davon liegen 50,3 Kilometer in Tunnels oder Überdeckungen. Der Tunnelanteil beträgt 40,2 Prozent.

Kennzahlen zur Koralmbahn. (Daten aus Wikipedia).

Die Koralmbahn folgt im Westen teilweise der heute im Dieselbetrieb befahrenen Bestandesstrecke von Klagenfurt über Bleiburg nach Wolfsberg. Bleiburg bleibt auch inskünftig über eine elektrifizierte Schleife an die Koralmbahn angebunden. Von Klagenfurt aus fahren die Regionalzüge nach Wolfsberg bereits heute auf rund dreissig Kilometern auf der Koralmbahn.

Im Raum Graz werden die grossen Güterterminals an die Koralmbahn angebunden. In Planung für einen weiteren Ausbauschritt ist ein zusätzlicher Bahnhof am Flughafen Graz. Der Flughafen ist vom Zentrum von Graz aus bereits heute mit der S-Bahn in wenigen Minuten erreichbar.

Zwischen Weitendorf und Wettmanstetten dient die Koralmbahn auf einer Länge von knapp zwanzig Kilometern auch dem Regionalverkehr. Bereits heute benutzen die mit Diesel betriebenen Züge der Graz-Köflach-Bahn GKB die Geleise der Koralmbahn auf den erwähnten Abschnitt. Die Elektrifikation der GKB steht gemäss den uns vorliegenden Informationen jedoch bevor.

Die Strecke wird für Höchstgeschwindigkeiten bis zu 250 km/h ausgelegt. Teile der Strecke dienen wie erwähnt sowohl auf dem Ost- und als auch auf dem Westast auch dem Regionalverkehr.

Die baulichen Arbeiten sind weit fortgeschritten. Zurzeit sind noch grössere bauliche Aktivitäten zwischen Graz Don Bosco und Weitendorf sowie von Aich nach Eis/Ruden im Gang. Des Weiteren wird intensiv an der Fertigstellung von einigen Bahnhöfen gearbeitet.

Entlang der Koralmbahn werden 23 Bahnhöfe neu gebaut oder erneuert. Zudem wird die Lavanttalbahn elektrifiziert.

Die gesamten Investitionen für die Koralmbahn könnten gemäss unbestätigten Meldungen aus der Presse EUR 10 Milliarden erreichen, nachdem man 2009 noch von einem Investitionsbedarf von EUR 5,2 Milliarden ausgegangen war. Die Mehrkosten sind auf die Baukostenteuerung und substantielle Mehrleistungen zurückzuführen.

Reportage von der Erkundungstour von Klagenfurt nach Graz

Meine Eindrücke waren wie eingangs erwähnt überwältigend. Lärm- und Umweltschutz, Sicherheitsmassnahmen sowie Gestaltung und Funktionalität der Bahnhöfe sind einzigartig.

Beispielhaft sind auch die Kommunikationsmassnahmen und die Projektdokumentationen wie Karten und Prospekte für die Öffentlichkeit sowie die sechs Informationspavillons.

Bilder sagen bekanntlich mehr als Worte. Die folgenden Bilder und die Kommentare vermitteln Eindrücke von der Erkundungstour von Klagenfurt nach Graz.

Blick vom Bahnsteig 2 auf das Bahnhofsgebäude von Klagenfurt.
Blick von der Busstation auf das Bahnhofsgebäude von Klagenfurt.
Blick vom Bahnhof Klagenfurt auf das westliche Ende der Koralmbahn.
Haltestelle Klagenfurt-Ebenthal in einem Vorort von Klagenfurt. Hier werden die HG-Züge der Koralmbahn aus Sicherheitsgründen noch mit mässiger Geschwindigkeit vorbeifahren.
Blick auf die Geleise der Koralmbahn etwa zehn Kilometer ausserhalb von Klagenfurt. Man beachte die Dämme für den Schallschutz. Auf der südlichen Seite schliesst nur landwirtschaftlich genutztes Land an den Damm an. Gebäude hat es dort praktisch keine.
In Abständen von etwa 500 Metern wurden Schutzwände mit Fluchttüren in die Dämme eingebaut. Einige dieser Fluchtwege sind mit Toren für die Durchfahrt von Rettungsfahrzeugen ausgestattet.
Luftbild auf den Bahnhof von Grafenstein. Auf den innenliegenden Geleisen werden die HG-Züge mit 250 km/h vorbeifahren. Der Übergang auf der rechten Seite führt „nur“ über ein kaum benutztes Abstellgleis. (Auszug aus einem Prospekt der ÖBB mit einem nur in den Hauptverkehrszeiten eingesetzten lokbespannten Zug nach Wolfsberg. Üblicherweise verkehren auf dieser Relation nur zweiteilige Dieseltriebzüge, gelegentlich in Doppelkomposition).
Blick auf die vollständig eingehauste Überführung im Bahnhof Grafenstein.
Wegweiser zu einem Interventionsstützpunkt ausserhalb Grafenstein.
Blick auf den Interventionsstützpunkt bei Grafenstein.
Blick auf das Westportal des Lind-Tunnels. Im Hintergrund rechts zweigt die Bestandesstrecke nach Stein im Jauntal ab.
Das Gleis der Bestandesstrecke wird in ein paar Monaten auf die Strecke der Koralmbahn umgelegt.
Brücke über die Drau, welche an den Lind-Tunnel anschliesst.
Westportal des Tunnels bei Stein im Jauntal.
Vorbereitungsarbeiten für die feste Fahrbahn, Auf die Stahlplatten am Boden wird zuerst ein stark armierter Streifen betoniert, auf den die Platten der festen Fahrbahn verlegt werden.
Blick aus Nordwesten auf die kunstvoll bemalte Überführung bei Kühnsdorf.
Luftbild auf den Bahnhof von Kühnsdorf. (Auszug aus einem Prospekt der ÖBB).
Blick von der Zufahrtstrasse auf den Bahnhof von Kühnsdorf.
Blick auf die Überführung des Bahnhofs Kühnsdorf.
Konstruktionsdetail vom Bahnhof Kühnsdorf.
Ein weiteres Konstruktionsdetail vom Bahnhof Kühnsdorf. Die Stäbe der Markierung sind aus rostfreiem Metall gefertigt.
Blick vom Bahnhof Kühnsdorf auf das Westportal der Grünbrücke.
Blick auf die mehrere hundert Meter lange Grünbrücke – darunter versteht man einen im Tagbau erstellten und mit einem Erddamm überdeckten Tunnel. Man beachte die ebene und nur spärlich überbaute Umgebung.
Blick aus Südosten auf die bereits gezeigte Überführung bei Kühnsdorf. Auf beiden Seiten schliessen sich Grünbrücken an die Überführung an.
Blick auf die neue Haltestelle von Mittlern. Diese liegt etwa einen Kilometer vom früheren Bahnhof im Dorfzentrum entfernt. Links befindet sich das Gleis der Schlaufe über Bleiburg, welche hier von der Koralmbahn abzweigt.
Blick auf die Gleisanlagen bei der Haltestelle Mittlern. Man beachte die beiden aussenliegenden Geleise, welche wohl für Überholmanöver bestimmt sind.
Blick auf die Jauntalbrücke für die Bestandsstrecke. Für die Koralmbahn wird auf der rechten Seite eine neue Brücke gebaut.
Blick von Eis/Ruden in Richtung Jauntalbrücke. Links befinden sich vermutlich die Bauplatzinstallationen für den Bau der neue Jauntalbrücke.
Blick von Eis/Ruden zum Südportal des Tunnels Langer Berg mit der Trasse für die Koralmbahn.
Blick von Eis/Ruden auf die Portale der Tunnels Langer Berg.
Einhausung der Verbindungen der Tunnels Langer Berg mit denjenigen der Deutsch Grutschen-Tunnels bei Granitztal.
Depot bei St. Paul mit hier nicht mehr benötigten Schalungswagen für das Betonieren der Innenschalen der Tunnels.
Blick von einer Strassenbrücke bei St. Paul auf die Nordportale der Deutsch Grutschen-Tunnels.
Blick von einer Strassenbrücke bei St. Paul auf die Baustelle des Bahnhofs Lavanttal. Im Hintergrund das mächtige Massiv der Koralpe, unter welcher der rund 33 Kilometer lange Koralmtunnel durchführt.
Blick auf die Westportale der beiden Koralmtunnels.
Blick auf die östliche Zufahrtsstrecke aus Wolfsberg in den Bahnhof Lavanttal.
Blick auf die weit hinten liegende Verzweigung der einspurigen Strecke aus Wolfsberg in zwei Äste für die kreuzungsfreie Einführung in den Bahnhof Lavanttal.
Blick auf den Bahnsteig im erneuerten Bahnhof von Wolfsberg in Kärnten.
Blick von einer Strassenbrücke in Richtung der Ostportale des Koralmtunnels.
Blick von der gleichen Brücke in Richtung Osten. Auch hier wurden in einem relativ abgelegenen Gebiet Dämme für den Schallschutz aufgeschüttet. Man beachte auch de grossen Gleisabstände.
Modellbild vom zukünftigen Bahnhof Weststeiermarkt. Nach der Fertigstellung bildet der Bahnhof einen wichtigen Knotenpunkt für den Fern- und Regionalverkehr. Das Strassennetz in der Region wurde für den Bus- und Zubringerverkehr angepasst. Im Vordergrund befinden sich die beiden Gleise der Graz-Koflach-Bahn GKB sowie gedeckte Haltestellen für die Busse. (Auszug aus einem Prospekt der ÖBB).
Bereits gebaute Passerelle im Bahnhof Weststeiermarkt.
Gleisanlagen im Bahnhof Weststeiermarkt. Im Hintergrund rechts kann man die Trasse für die Linie der GKB in Richtung Deutschlandsberg erkennen. Gemäss meinen Beobachtungen besteht zwischen den Geleisen der Koralmbahn und denjenigen der GKB keine Verbindung,
Blick zurück zum Bahnhof Weststeiermarkt. Rechts im Hintergrund erkennt man die Trasse für die Linie der GKB nach Gross St. Florian sowie die neue Zufahrtsstrasse zum Bahnhof.
Blick auf den Bahnhof Wettmannstätten. Die aussenliegenden Geleise sind für die Züge der GKB bestimmt.
Blick auf die Haltestelle von Hengsberg mit dem Westportal des Hengsbergtunnels. Eines der beiden innenliegenden Durchfahrtsgeleise für die Koralmbahn wurde noch nicht verlegt. Zwischen Weitendorf und Wettmannstätten fahren die Züge der GKB bereits heute auf den Geleisen der Koralmbahn. Um auf die Geleise auf der linken Seite zu gelangen, müssen die Züge der GKB zwischen Werndorf und Weitendorf beide Geleise der Koralmbahn queren.
Ostportal des Hengsbergtunnels. Auf der rechten Seite sieht man Teile des Interventionsstützpunkts.
Westportal der 1275 Meter langen „Unterführung“ Weitendorf.
Bereits fertiggestellte Trasse des Abschnitts zwischen Graz Don Bosco und Weitendorf.
Blick vom etwa 200 Meter langen und überdeckten Verbindungsweg zwischen dem ÖBB-Bahnhof Flughafen Graz und dem Flughafengebäude auf den im Tagbau entstehenden Tunnel des Abschnitts Graz Don Bosco nach Weitendorf.
Weiteres Bild von der Baustelle für die auf einer Länge von über 3’200 Metern tief liegenden Koralmbahn.
Blick aus dem fahrenden Zug auf die bereits gebaute Einfahrt in den Abschnitt Graz Don Bosco-Weitendorf der Koralmbahn.
Blick im Bahnhof Graz Don Bosco auf die Erweiterungsarbeiten für die Koralmbahn. Die Strecke zwischen Graz Hauptbahnhof und Graz Don Bosco wurde bereits auf vier Geleise erweitert.
Blick auf einen Bahnsteig im Bahnhof Graz. Man beachte die teilweise erkennbare Dachkonstruktion und die Informationsanzeigen für die Fahrgäste.
Blick in die zweite und zusätzliche Unterführung im Bahnhof Graz. Diese Unterführung dient nur zur Entlastung der (Haupt-) Unterführung zwischen dem Bahnhofsgebäude und den Bahnsteigen. Letztere verfügt neben den Aufzügen auch über Rolltreppen und hat ein analoges Erscheinungsbild.

Kommentar

Von der Koralmbahn werden gemäss der Aussage des Vizepräsidenten des Stadtrates von Deutschlandsberg starke positive Impulse für die wirtschaftliche Entwicklung von Südostösterreich erwartet. Beispielsweise reduziert sich Reisezeit zwischen dem Bahnhof Lavanttal und Graz auf knapp eine halbe Stunde und ermöglicht somit das Pendeln in das prosperierende Graz.

Aber die Koralmbahn führt auch zur Aufhebung von heute von der Bevölkerung geschätzten Bahnhöfen, wie beispielsweise des schmucken Bahnhofs von Stein im Jauntal. Andererseits ist die Region bereits heute gut mit Bussen erschlossen.

Kürzlich renoviertes Bahnhofsgebäude von Stein im Jauntal. Bald halten hier keine Züge mehr.

Die Koralmbahn wird nach ihrer Fertigstellung auch Mischverkehr aufnehmen müssen. Das reduziert die Kapazität. Besondere Anforderungen beim Betrieb ergeben sich durch die nicht kreuzungsfreie Einbindung von zwei Einspurstrecken. Während die Züge über Bleiburg in einer Richtung „nur“ ein Gleis der Koralmbahn kreuzen, ist im Osten komplizierter. Die Züge der GKB von Werndorf nach Wettmannstetten müssen beide Geleise der Koralmbahn kreuzen. Das führt zu einem erheblichen Kapazitätsverlust. Wenn die Koralmbahn wirklich eine bedeutende Rolle als Güterverkehrskorridor übernehmen soll, können diese strukturellen Gegebenheiten zu Problemen führen.

Diese kritischen Bemerkungen sollen dem grossartigen Werk der Koralmbahn keinesfalls Abbruch leisten. In einem gewissen Gegensatz zu den Ankündigungen, wonach die Koralmbahn von europäischer Dimension sei, sehen wir ihren Nutzen doch eher als eine neue und hochwertige innerösterreichische Bahninfrastruktur.

Uns ist schon bei der ABS 38 zwischen München und Freilassing aufgefallen, dass nationale Verkehrsprojekte stets und mit einer gewissen Euphorie in einen europaweiten Kontext gestellt werden, so etwa auch das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm als Bestandteil des Korridors Paris-Bratislava. Niemand sollte jedoch den ersten Stein werfen – auch bei der NEAT oder bei anderen Ausbauprojekten in der Schweiz wurde schon analog argumentiert.

ABS 38 – ein veritables Trauerspiel

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Der bedeutende Eisenbahnverkehr zwischen München und Salzburg wird gegenwärtig über die Strecke über Rosenheim abgewickelt. Ein Teil dieser Strecke – nämlich zwischen der Spange bei Rosenheim und Salzburg – wird auch für den innerösterreichische Personen- und Güterfernverkehr genutzt. Auch die internationalen Fernverkehrszüge zwischen Zürich und Wien benutzen diese Strecke.

Die österreichischen Züge erreichen Rosenheim ab dem Grenzbahnhof Kufstein. Diese Strecke ist Bestandteil der stark belasteten Nordzufahrt zum Brenner.

Vor allem die Strecke zwischen Rosenheim und Salzburg ist stark belastet und oft verantwortlich für die sich auf das innerösterreichische Netz durchschlagenden Störungen. Die Strecke ist relativ ungünstig trassiert – langsam und schnell zu befahrende Abschnitte wechseln oft in kurzen Abständen.

Neben dieser aus österreichischer Sicht als „Korridor-Strecke“ bezeichneten Verbindung besteht eine weitere und gut trassierte Strecke über Mühldorf am Inn.

ABS 38 mit den Anschlusstrecken nach München und nach Salzburg.
Die Kilometerangaben wurden dem „Eisenbahnatlas Deutschland“ von Schwwers+Wall entnommen.

Zwar ist die Strecke über Mühldorf geringfügig länger als diejenige über Rosenheim, aber bedeutend besser trassiert und wenig belastet. Deutschland hat deshalb vor einigen Jahren beschlossen, diese Strecke als Bestandteil des Transeuropäischen Eisenbahnnetzes zu modernisieren.

Überblick über das Projekt ABS 38. Auszug aus einem Prospekt der DB AG.

Einige kurze Abschnitte wurden bereits ausgebaut, und vor allem der Bahnhof Mühldorf am Inn – er verfügt über fünf Geleise für den Personenverkehr – wurde trotz dem heute bescheidenen Personenverkehr aufwendig erneuert.

Ansicht vom Bahnhof Mühldorf am Inn. Von hier aus verkehren keine Fernverkehrszüge nach Österreich, wie der Zug mit den Personenwagen der ÖBB vermuten liesse. Man beachte die feudale Überführung. Daneben besteht auch eine Personenunterführung zum nicht sichtbaren Bahnhofsgebäude auf der linken Seite. (Das Bild wurde dem Internet entnommen).

Leider wird der bisher schleppende Fortschritt des Projekts gemäss einer Mitteilung der Projektorganisation erneut verzögert. Hier ein Auszug aus der Pressemitteilung der DB AG vom 21. März 2022:

Auszug aus der Medienmitteilung.
Ein weiterer Auszug aus der erwähnten Medienmitteilung. Denkbar, dass der Austritt von Klaus-Peter Zellner im Zusammenhang mit den weiteren Verzögerungen steht. Welcher Planer will nicht immer nur planen, sondern irgendwann auch einmal realisieren?

Detailangaben zum Projekt ABS 38

Nachstehend ein Überblick über das Projekt ABS 38. Ich habe die Strecke am 22. November 2018 auf der ganzen Länge befahren und festgestellt, dass die Strecke weitgehend über unbebautes und flaches Gebiet verläuft. Vor allem zwischen Ampfing und Freilassing fühlt man sich als Fahrgast in frühere Zeiten zurückversetzt. Andererseits sind die Schallschutzmassnahmen auf dem Doppelspurabschnitt zwischen Ampfing und Tüssling überwältigend.

Hier ein Auszug aus einem Prospekt der Projektorganisation.

Auszug aus einem Prospekt der DB AG.

Und wie wird dieses ambitiöse Postulat umgesetzt? Auch dazu ein Auszug aus einem Prospekt.

Auszug aus einem Prospekt der DB AG.

In der Tat werden mit der einspurigen Zweigstrecke und weitgehend für den Güterverkehr bestimmten Zweigstrecke nach Burghausen rund 145 Kilometer elektrifiziert. Da die Strecke zwischen Tüssling und Freilassing nur mit zweigleisigen Begegnungsabschnitten auf Doppelspur ausgebaut werden soll, beschränkt sich der Doppelspurausbau geschätzt auf 75 Kilometer. Die Schätzung basiert auf der Annahme, dass etwa die Hälfte der Strecke zwischen Tüssling und Freilassing doppelspurig werden soll.

Die einzelnen Abschnitte des Projekts ABS 38 im Überblick.
(Kilometerangaben aus dem „Eisenbahnatlas Deutschland“ von Schweers+Wall).

Gemäss dem Dokument „Drucksache 18/580“ des Deutschen Bundestages erfolgten die ersten Planungen für die ABS 38 noch vor der Jahrtausendwende. Die bescheidenen ersten Massnahmen wurden Ende 2003 in Betrieb genommen – Ampfing-Altmühldorf am 12. Dezember 2010 und Mühldorf-Tüssling am 22. Mai 2017.

Das Projekt wird mit aufwendigen Kommunikationsmassnahmen begleitet. In Mühldorf wird ein aufwendiges Informationszentrum betrieben. Dazu ein dem Internet entnommenes Bild. Zudem werden regelmässig Medienmitteilungen und Newsletter publiziert.

Informationszentrum der ABS 38 vor der Eröffnung beim Bahnhof Mühldorf am Inn.
(Foto aus dem Internet).

Kommentar

Man vergleiche die höchst ambitiös lautenden Zielsetzungen und die umfassenden Begleitmassnahmen mit dem doch überschaubaren Projektumfang und der langen Realisierungsdauer – das Projekt ABS 38 wird mutmasslich erst nach 2030 abgeschlossen. Auffallend ist auch, dass nur ein Teil der Strecke zwischen Tüssling und Freilassing überhaupt ein zweites Gleis erhalten soll. Dabei bietet die ABS 38 ein grosses Potential für die Entlastung der „Korridorstrecke“, indem der internationale Personenfernverkehr zwischen München und Wien auf die ABS 38 umgelegt und beschleunigt werden könnte. Mit dem beschlossenen Ausbau der österreichischen Westbahn zwischen Salzburg und Köstendorf und der ABS 38 erscheint eine Reisezeit zwischen Wien und München von nur wenig mehr als drei Stunden möglich.

Beeindruckt hat mich auf meiner Erkundungsreise die aufwendige Erweiterung des Bahnhofs von Mühldorf am Inn – die Treppen und die Passerelle sind seitlich geschützt und überdacht, und ergänzend zu den Treppen stehen den wenigen Fahrgästen Lifte zur Verfügung.

Und abschliessend eine persönliche Bemerkung: Nachdem die Bundesrepublik Deutschland nach der Wende in knapp zwanzig Jahren mit einem bewundernswerten Kraftakt die Infrastruktur der neuen Bundesländer und mit einem dreistelligen Milliardenbetrag auf Vordermann gebracht hat, kann man den schleppenden Verlauf des Projekts ABS 38 einfach nicht nachvollziehen.