Betriebskonzept GBT Gotthard Basistunnel – zurück auf Feld 1

Ein Beitrag der „NZZ am Sonntag“ vom 4. September 2016 sowie in der Folge erschienene Artikel, beispielsweise in der Schweizer Eisenbahn-Revue 10/2016 (von Andrian: Der Gotthard-Basistunnel – Grosserfolg oder Bauruine), zum Thema Tunnelquerschnitte und Luftwiderstand im Gotthard-Basistunnel liessen aufhorchen. Es steht im Raum, die vorgesehene Fahrgeschwindigkeit könne allenfalls nicht erreicht werden. Die ab Dezember 2016 geplanten Fahrzeiten weisen wegen der kurzfristigen Umplanung nach dem Entfall der geplanten Bauarbeiten Zug – Arth-Goldau infolge einer Einsprache grosse Fahrzeitreserven auf, wodurch vorerst keine Auswirkungen spürbar sein werden sind.

Die erreichbare Endgeschwindigkeit eines Zuges im Tunnel hängt auch davon ab, ob die Luftsäule, die er in der engen Röhre vor sich her schiebt, von anderen, vorausfahrenden langsameren Zügen zusätzlich gebremst wird. Daher wird offenbar auch erwogen, unmittelbar vor den mit 200km/h verkehrenden Reisezügen jeweils ein Gütertrasse zu streichen. Es zeigt sich damit, dass ein Laufe der letzten Jahre gebautes Kartenhaus nun in sich zusammenfällt: das sorgsam gebastelte Betriebskonzept, welches zugleich sowohl die geforderten sechs Gütertrassen als auch einen Halbstundentakt schneller Reisezüge erlauben sollte:

Bei zwei genau im Halbstundentakt verkehrenden schnellen Reisezüge sowie jeweils 3 gebündelt verkehrenden Güterzügen dazwischen wäre dies nicht möglich, wenn die Geschwindigkeiten 200km/h respektive 100km/h betragen; die Geschwindigkeitsdifferenz ist zu gross und es entsteht ein Trassenkonflikt (der schnelle Reisezug würde dem letzten der vorausfahrenden Güterzüge auflaufen, bevor dieser den Tunnel verlassen hat.

Schematische Darstellung (Minutenzeiten sind nur überschlagsmässig berechnet und als Beispiel dargestellt):

fr-betriebskonzept-gbt-tabelle-1

Als Lösungsansatz für diese Problematik entwickelte man ein Konzept, nach welchem einerseits einer der beiden Reisezüge nur mit 160km/h verkehren sollte (also nur ein angenäherter Takt, der Fahrzeitunterschied beträgt ca. 3.5 min) und andererseits jeweils eines der beiden Bündel Güterzüge mit 120km/h geplant wurde.

fr-betriebskonzept-tabelle-2

Schematische Darstellung (Minutenzeiten sind nur überschlagsmässig berechnet und als Beispiel dargestellt):

Damit konnten die beiden Zielsetzungen Halbstundentakt schneller Personenverkehr und geforderte Anzahl Gütertrassen miteinander vereinbart werden. Es resultiert jedoch bei mässiger Zugszahl eine fast vollständige Auslastung der Strecke mit geringen Reserven, weitere Trassen wären nicht mehr möglich.

Offenbar haben die Versuchsfahrten gezeigt, dass die geforderten Höchstgeschwindig-keiten kaum oder nur mit erhöhtem Traktionsaufwand erreichbar seien. Für Güterzüge bedeutet dies, dass in vielen Fällen trotz der viel geringeren Steigung eine Doppeltraktion weiterhin nötig wäre, in diesem Fall jedoch nicht bedingt durch die notwendige Zugkraft, sondern durch die notwendige Leistung um den Zug auf die geforderte Endgeschwindigkeit zu bringen.

SER 10/2016 verweist auf einen Bericht von SBB Cargo [Gotthard-Basistunnel: Einfluss der Umgebungsbedingungen auf die Leistungsfähigkeit der Lokomotiven, Basel 2011], gemäss welchem die Anhängelasten, mit welchen 100km/h erreicht werden für die Süd-Nord-Richtung höchstens betragen:

–       vierachsige Umrichterloks:           806-927t
–       Re420:                                         685t
–       Re620:                                         1088t

Bei 80km/h wären diese Werte ca. 35% höher, in der Gegenrichtung sind sie wegen der geringeren Maximalsteigung ebenfalls bzw. um weitere ca. 15% höher.

Dennoch kann keine vierachsige Lok einen Güterzug von 1400t alleine mit akzeptabler Geschwindigkeit durch den GBT befördern, wie dies im Vorfeld oft behauptet wurde, erst recht nicht einen 1600t-Zug wie er im Zulauf von Italien über Luino oder von Deutschland via Bözberg befördert werden kann.

Die Cargo-EVU werden folglich bestrebt sein, so wenig Traktion wie möglich zu stellen, die Infrastruktur hingegen wird versuchen die EVU dazu zu zwingen, genügend Traktion bereitzustellen um die Höchstgeschwindigkeit erreichen und halten zu können. Liegt die Durchschnittsgeschwindigkeit merklich unter der Höchstgeschwindigkeit von 100km/h bzw. den zukünftig vorgesehenen 120km/h, die mutmasslich unerreichbar sein werden, so ist das oben beschriebene Betriebskonzept Makulatur.

Stand der Dinge

Die aktuelle Lage präsentiert sich somit für die bevorstehende Eröffnung des Gotthard-Basistunnels wie folgt:

  • Das geplante Betriebskonzept sah die Planung von jeweils einem Fernverkehrszug mit 200 und einem mit 160km/h sowie für den Güterverkehr dazwischen 3 Trassen mit 100km/h sowie 3 Trassen mit 120km/h vor. Dieses Betriebskonzept ist durch die oben beschriebenen Erkenntnisse in Frage gestellt.
  • Für die Zufahrt ab Chiasso Smistamento wird infolge der Steigung von 21o/oo bei der Ausfahrt Richtung Balerna nur eine geringfügige Steigerung der Anhängelast bei gleicher Traktion möglich sein (Traktion für 21o/oo statt für 26o/oo).
  • Auch im Abschnitt zwischen Melide und Lugano beträgt die Steigung 17o/oo, diese haben aufgrund der unverständlichen Lösung mit Vollanschluss des CBT an den bestehenden Bahnhof Lugano auch nach dessen Fertigstellung weiterhin alle Güterzüge ab Chiasso zu befahren.
  • Die topografisch günstigere, einspurige Luino-Linie entlang des Ufers des Lago Maggiore wird 2017 für mehrere Monate gesperrt, damit das Profil für den 4m-Korridor ausgebaut werden kann.
  • Auch nach Fertigstellung der Ausbauten auf der Luino-Linie kann diese als nach wie vor einzige effektive Flachbahn (ohne die genannten Steigungen von 17 bzw. 21o/oo zwischen Chiasso und Lugano) nur zwei Gütertrassen pro Stunde und Richtung aufnehmen.
  • Die meisten Güterzüge werden weiterhin mit Doppeltraktion verkehren müssen; die Einsparungen für die Cargo-EVU bei der Traktion werden damit sehr gering.
  • Aufgrund der noch fehlenden Kapazität auf den Zulaufstrecken wegen der Bauarbeiten für den 4m-Korridor und der noch nicht wirksamen Ausbauten zur Kapazitätssteigerung durch Blockverdichtung sind vorläufig nur 4 Gütertrassen pro Stunde und Richtung geplant.
  • Die Lötschberg-Simplon-Achse ist aufgrund der ungenügenden Leistungsfähigkeit der Gotthard-Achse infolge der Bauarbeiten am 4m-Korridor sowie einer Ausweichbewegung der EVU wegen unzähliger Unzulänglichkeiten bei der Betriebsführung am Gotthard, beispielsweise im Zusammenhang mit der Einführung von ETCS L2, überlastet. Für 2017 hat Trasse Schweiz deshalb eine vorgezogene Überlastet-Erklärung publiziert (siehe hierzu: http://www.trasse.ch/doc/de_Kap_analyse_Basel_Iselle_JFP2017_160301.pdf)
  • Für den Unterhalt des GBT sind gemäss neueren Erkenntnissen drei planmässige Unterhaltsfenster pro Woche nötig. Damit sind nicht nur die beiden verkehrs-schwächsten Nächte SO / MO und MO / DI betroffen (wie gegenwärtig beim LBT) sondern mindestens noch eine Nacht mit mittlerem Verkehrsaufkommen (z.B. FR / SA). Zumindest für diese dritte Nacht wird die stark reduzierte Kapazität des GBT mit einem eingleisigen Abschnitt von ca. 20km Länge nicht ausreichend sein und die Führung eines Teils der Züge über Gotthard-Bergstrecke erfordern. Ein Verzicht auf dessen Nutzung und der alleinige Betrieb des GBT würde gegenüber heute keine nennenswerte Kapazitätssteigerung erlauben, da die durch schwerere Züge gewonnene Transport-Kapazität aufgefressen wird durch die Verluste an Trassen durch den Betrieb nach dem Konzept „Fahren oder Erhalten“ gegenüber dem bisherigen Betrieb der Gotthard-Bergstrecke nach dem Konzept „Fahren und Erhalten“.
  • Es zeigt sich somit, dass der Nutzen für den Güterverkehr durch die Eröffnung des GBT äusserst gering sein wird:
    • Es werden kaum Traktionsleistungen eingespart, die Anhängelasten können nur geringfügig bzw. nur bei einem Teil der Züge erhöht werden.
    • Es werden auch nach Eröffnung des GBT weiterhin nur 4 Trassen zur Verfügung stehen, gleich wenige wie aktuell über die Gotthard-Bergstrecke (infolge der bereits laufenden Bauarbeiten auf den Zufahrtsstrecken). Während vieler Jahre standen über die Gotthard-Bergstrecke jeweils vier Regelzug-Trassen und zwei fakultative zur Verfügung, also total sechs und damit mehr als nach Eröffnung des GBT geplant.

Dies ist ein erschreckend bescheidenes Ergebnis im Vergleich zum gigantischen Aufwand für das Bauwerk „Alptransit“, für welches im Laufe vieler Jahre rund 24 Mia CHF investiert werden, hauptsächlich in drei Bauwerke (LBT; GBT und CBT) sowie den nachträglich beschlossenen 4m-Korridor. Das hauptsächliche Ziel der Bauten, die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene, wird damit nicht nur nochmals weiter aufgeschoben (bis nach Fertigstellung CBT und 4m-Korridort), sondern grundsätzlich in Frage gestellt. Die ursprüngliche Zielsetzung rückt damit in immer weiter Ferne und wird womöglich gänzlich verfehlt. Kein privater Investor könnte es sich leisten, solche Unsummen zu investieren und nach vielen Jahren festzustellen, dass etwas ganz anderer dabei heraus gekommen sei, als anfänglich gedacht!

Auch bei Alptransit stellt sich die Frage nach der Zielerreichung und der Konsequenzen:

  • Ein wesentlicher Anteil der Mittel für den Bau stammt aus der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe LSVA. Wird keine oder nur eine unwesentliche Verkehrsver-lagerung erzielt, jedoch eine massgebliche Verkürzung der Reisezeiten im Personen-Fernverkehr und daraus folgend dort eine starke Verkehrssteigerung, so wäre dies eine unzulässige Quersubventionierung. Die Lobby des Strassengüter-verkehrs hätte somit eine Handhabe, die unzulässig zweckentfremdeten Mittel zurückzufordern.
  • Kann die mit dem „Ziel-Betriebskonzept“ festgelegte Anzahl von sechs Gütertrassen pro Stunde und Richtung nicht erreicht werden, auch nach Fertigstellung aller Bauten, so wäre auch die Wirtschaftlichkeit des Gesamtprojekts Alptransit nochmals wesentlich schlechter, da die Wirtschaftlichkeitsberechnung damals auf den sechs Gütertrassen pro Stunde und Richtung basierte.
  • Auch der Bau des 4m-Korridors hätte nur einen geringen Nutzen, wenn die Kapazität des GBT die Führung zusätzlicher Güterzüge auch in Zukunft nicht erlauben sollte.

Neuanfang

Das beschriebene Betriebskonzept mit halbstündlichen Fernverkehrszügen und sechs Gütertrassen, welches nie über alle Zweifel der Praxistauglichkeit erhaben war, muss deshalb als gescheitert betrachtet werden. Die zahlreichen gemachten Versprechungen betreffend Fahrzeiten und Kapazitäten sind miteinander schlicht unvereinbar. Nachfolgend soll aufgezeigt werden, dass ein anderes Grundraster zwar nicht alle Vorteile, aber wesentlich mehr Flexibilität und Kapazität bringen könnte:

Führt man die schnellen Reisezüge gebündelt, statt im Abstand von 30min, so kann ohne Mühe selbst ein drittes Trasse für einen allenfalls notwendigen Entlastungszug geplant werden, alle Reisezüge können mit 160-200km/h verkehren und es sind dennoch mehr Güterzüge möglich als bei Halbstundentakt, bei gleich wenig Reserve wären es sogar acht pro Stunde. Erreicht wird ein Maximum von elf möglichen Zügen anstelle von acht.

Schematische Darstellung (Minutenzeiten sind nur überschlagsmässig berechnet und als Beispiel dargestellt):

fr-betriebskonzept-tabelle-3

Dargestellt ist als Beispiel ein Reisezug mit 200km/h, ein optionales Trasse für einen allfälligen Entlastungszug sowie ein Trasse mit 160km/h, das jedoch auch mit 200km/h möglich wäre, im Abstand von 6min; dies würde erlauben mit dem zweiten Zug einen zusätzlichen Halt zu bedienen, beispielsweise in Altdorf nach Fertigstellung des geplanten Regionalbahnhofes.

Als Vergleich sei noch erwähnt, dass die maximale Kapazität mit durchgehend parallelen Trassen (identische Geschwindigkeit) bei einem Abstand von 4min, die wohl in der Praxis auch gefahren werden könnten, 15 Züge/h betragen würde (nähme man 3min an, die erreichbar sind, so wären es gar 20 Züge/h). Nach UIC-Richtlinien können davon 85% als betrieblich nutzbar betrachtet werden, entsprechend 12,75 (bzw. 17) Trassen. Mit nutzbaren elf Trassen kommt man diesem Wert wesentlich näher, als mit den acht Trassen gemäss dem offiziellen Betriebskonzept. Man darf mit Fug und Recht fragen, ob es tragbar ist, ein aussergewöhnlich kostspieliges Bauwerk derart schlecht zu nutzen.

Es zeigt sich, dass das Wunsch-Kriterium Halbstundentakt offensichtlich das entscheidende Killer-Kriterium ist, welches die Nutzung der Kapazität des GBT in Frage stellt, nicht alleine die Geschwindigkeit.

Alternatives Angebotskonzept

Wie könnte ein alternatives Konzept der Zugläufe aussehen?

Betrachtet man das Angebotskonzept, so stellt man fest, dass dieses aus folgenden Elementen besteht:

  • Zweistündlicher EC Zürich – Milano
  • Zweistündlicher IC Zürich – Lugano (jedoch nur um 25min zu obigen Zug versetzt)
  • Zweistündlichem IC Basel – Luzern – Lugano
  • Zweistündlicher IR Basel – Luzern – Arth-Goldau – Erstfeld
  • Zweistündlicher IR Zürich – Arth-Goldau- Erstfeld

Die Züge ergänzen sich Zürich HB – Arth-Goldau und Basel – Luzern – Arth-Goldau je zum Stundentakt. Darüber hinaus verkehrt ein zweistündlicher IC Zürich – Lugano; an nur an Wochenenden verkehren zwei zusätzliche Zugspaare, die diese IC für die Hauptverkehrszeit zum Stundentakt verdichten. Es besteht also kein durchgehender Halbstundentakt, sondern dieser weist aktuell alle zwei Stunden eine Lücke auf.

Morgens findet der zweistündliche Wechsel in einem Fall nicht statt, um 08:09 verkehrt ab Zürich kein IR nach Erstfeld sondern ein IC nach Lugano; der IR verkehrt ab Basel. Zürich hat damit eine zusätzliche schnelle Verbindung, Basel und Luzern vor morgens 09:04 bzw. 10:18 keine umsteigefreie Verbindung ins Tessin.

Alle Direktverbindungen nach Locarno gehen damit verloren, ebenso gibt es keine weiterführenden Taktzüge mehr über die Gotthard-Bergstrecke; die IR enden in Erstfeld, wo auf RE Richtung Tessin umgestiegen werden muss. Damit wird den Reisenden Richtung Locarno ein zusätzliches Umsteigen in Bellinzona aufgezwungen (bisher haben sie die Wahl, im langsameren IR sitzen zu bleiben), den Reisenden Richtung Andermatt ein zusätzliches Umsteigen in Erstfeld (Reisende Richtung Urseren, Goms und Tujetsch steigen somit je nach Verbindung in Arth-Goldau, Erstfeld, Göschenen und Andermatt bis zu viermal um). Saisonal verkehren einzelne Züge ab Basel und Zürich direkt über die Gotthard-Bergstrecke bzw. bis Göschenen sowie ein Gotthard-Panorama-Express zwischen dem Tessin und Flüelen.

Trotz des als Halbstundentakt angekündigten Angebotes weist dieses zahlreiche Lücken auf und überzeugt nicht durchwegs.

Als alternativer Lösungsansatz bietet sich folgendes an:

  • Zweistündlicher EC Zürich – Arth-Goldau – Bellinzona – Lugano – Milano
  • Zweistündlicher IC Zürich – Arth-Goldau – Bellinzona – Lugano
  • stündlicher IR Basel – Luzern – Arth-Goldau – Altdorf – Bellinzona – Locarno
    • Beide Züge treffen sich wie bisher stündlich in Arth-Goldau, bilden eine gegenseitige Umsteigemöglichkeit und fahren gebündelt weiter
    • In Spitzenzeiten kann stündlich ein EC bis Milano verkehren, Angebot ist schrittweise ausbaubar
    • In Einzelfällen ist ein Linientausch möglich, mit Vorteil dann, wenn ein Zusatz-EC nach Milano verkehrt, so entstehen direkte EC Basel – Milano (sowie im Tausch IR Zürich – Locarno)
  • Dazu um eine halbe Stunde versetzt soll ab Zürich HB ein IR über Zug, Arth-Goldau, Schwyz, Brunnen, Flüelen, Altdorf, Erstfeld, Göschenen, Airolo, Faido, Biasca, Bellinzona bis Lugano geführt werden. (Die Fahrzeit über die Bergstrecke ist ziemlich genau eine Stunde länger als durch den Basistunnel. Damit entstehen auf den gemeinsamen Abschnitten Zürich – Arth-Goldau und Bellinzona – Lugano ein Halbstundentakt).
  • Der VAE St. Gallen – Luzern bildet zwischen Arth-Goldau und Luzern das Bindeglied für den Halbstundentakt, ab Luzern weiter bis Basel besteht dieser ebenfalls bereits.
  • Zwischen Arth-Goldau und Erstfeld bildet wie bisher die S2 für den Halbstundentakt zum IR für die grösseren Ortschaften.

Nachfolgend dargestellt ist das oben erläuterte Konzept für die aktuelle Ausgangslage (noch ohne CBT). Infolge der definierten Ankunfts-/Abfahrtszeiten in Milano Centrale muss die Abfahrtszeit der Züge im Norden jeweils angepasst werden, wenn sich durch Inbetriebnahme von weiterer Infrastruktur wie dem Ceneri-Basistunnel (CBT) die Fahrzeiten wiederum verkürzen oder infolge Bauarbeiten (z.B. Zugersee) verlängern.

fr-angebotskonzept-neu-gbt

Attnang-Puchheim – ein weiterer Bahnhof ….

Auf einer Bahnexkursion von www.fokus-oev-schweiz.ch stiegen wir am 7. November 2016 in Attnang-Puchheim für eine Fahrt mit der Salzkammergut-Bahn von einem Intercity aus Salzburg in einen Regional-Express nach Stainach-Irding um. Während des Tages halten in Attnang-Puchheim auf der Ost-West Magistrale pro Stunde in jeder Richtung je ein IC, ein Schnellzug der Westbahn sowie ein Regionalexpress. In den Hauptverkehrszeiten ist das Angebot dichter. Zudem zweigen zwei Lokalbahnstrecken ab. Richtung Schärding fahren an Werktagen elf Züge, davon sieben bis nach Schärding. Richtung Stainach-Irding sind es an Werktagen 17 Züge, von denen sieben bis nach Stainach-Irding durchfahren. Nur einzelne Railjet-Expresszüge halten fahrplanmässig in Attnang-Puchheim.

Attnang-Puchheim hat etwa 9‘000 Einwohner und liegt in einem eher ländlichen Gebiet. Die Gemeinde kann von der Lage und der Erschliessung her mit Romont, Martigny oder Langenthal verglichen werden.

Der zehnminütige Aufenthalt reichte knapp für eine kurze Besichtigung des Perrons und der Unterführung. Für einen Abstecher vor das Gebäude oder in die Umgebung reichte die Zeit leider nicht. Hingegen bot sich Gelegenheit für ein paar flüchtige Aufnahmen. Staunen war angesagt. Ein Kommentar zu den Bildern erübrigt sich – die Bilder sprechen für sich. 

1-attnang-perron

Eindrücke auf dem Perron

2-attnang-abgang

Treppe in die Unterführung

6-attnang-detail

Rolltreppe in die Unterführung

3-attnang-unterfuehrung

Lift in die Unterführung

4-attnang-halle

Haupthalle mit Schalter und Wartezone

5-attnang-aufgang

Aufgang aus der Haupthalle

Man vergleiche die Gegebenheiten in Attnang-Puchheim mit den erwähnten Bahnhöfen in der Schweiz oder beispielsweise mit Siebnen-Wangen, Martigny oder gar mit dem mit dem Flux-Preis ausgezeichneten Bahnhof von Wallisellen.

Avenir Mobilité – Automatisierung im Verkehr

Zu diesem Beitrag

Am Nachmittag des 5. Novembers 2016 führte „Avenir Mobilité, die Dialog-Plattform für intelligenten Verkehr“, nachstehend AM, in Bern ein weiteres gut besuchtes Symposium durch. Die Veranstaltung war dem Thema „Automatisierung im Verkehr – Chancen, Risiken, Handlungsbedarf“ gewidmet.

Nachstehend fasse ich den Inhalt dieses interessanten und aktuellen Symposiums zusammen. Die Berichterstattung erfolgt nach bestem Wissen und Gewissen. Lücken, Unausgewogenheiten und Missverständnisse sind nicht ausgeschlossen. Dafür bitte ich gegebenenfalls um Entschuldigung.

am-agenda

1.       Begrüssung Dr. Hans Werder

Der Präsident des Vorstandes von AM begrüsste rund 100 Anwesende und skizzierte den Ablauf der Veranstaltung. Er dankte Prof. Dr. Matthias Finger für die Führung durch den heutigen Anlass. Im ersten Teil gehe es um eher technische und organisatorische Aspekte der Automatisierung und nach der Pause im zweiten Teil um gesellschaftliche Konsequenzen der Thematik.

2.       Einführung Prof. Dr. Matthias Finger

Prof. Finger dankte für das Interesse und führte aus, dass die Thematik der heutigen Veranstaltung nahtlos an das Symposium „Verpasst der Verkehr die digitale Revolution?“ vom 4. Februar 2016 anschliesse. Hier der Link zum Bericht zu dieser Veranstaltung: http://fokus-oev-schweiz.ch/2016/02/05/zukunft-mobilitaet-verpasst-der-verkehr-die-digitale-revolution/

3.       Andreas Egger, Leiter Business Development AMAG

Egger hielt einleitend fest, dass bei der Automatisierung schon heute sehr viel möglich sei. Tiefgreifende Entwicklungen seien sowohl bei der Shared Mobility als auch dem Automatic Driving im Gang oder bereits erfolgt. Auch der Weltkonzern VW widme der neuen Technologie grosse Bedeutung. Egger rechnet inskünftig mit einem Ineinanderfliessen von öffentlichem Verkehr und motorisiertem Individualverkehr.

Bereits heute seien bei Autos Teilfunktionen wie das Parkieren automatisiert. Egger rechnet damit, dass ab 2020 das Autonome Fahren für viele möglich werde. Die Autoindustrie arbeite mit grossen Kräften an der Umsetzung der an und für sich schon vorhandenen Technologie. Zwischen 2025 und 2030 soll das Autonome Fahren breit eingeführt sein. Abhängig sei die Einführung von der Übermittlungstechnologie G5 und der Anpassung von rechtlichen Rahmenbedingungen.

In Anbetracht der erschöpften Kapazität der Strassen, der zunehmenden Mobilität und der nicht weiter sinkenden Unfallzahlen hält Egger infolge der damit ermöglichten Fortschritte die Einführung des Autonomen Fahrens für vordringlich.

4.       Daniel Landolf, CEO Postauto Schweiz

Landolf weist darauf hin, dass die Nachfrage nach Mobilität stärker zunehme als das Angebot. Auch er hält die Diskussion um den Modalsplit für überholt. Neue integrierte Angebote werden die Grenzen zwischen der Verkehrsarten verwischen. Er nennt als Beispiel die Shared Economy.

Der Pilotbetrieb in Sion mit dem selbstfahrenden Postauto sei bis dato ein Erfolg. Mehr als 14‘000 Fahrgäste, 1’500 gefahrene Kilometer und eine Kundenzufriedenheit von 99 Prozent belegen. Eine betagte Dame habe das automatische Postauto gelobt – dies im Gegensatz zum Selbstscanning im Detailhandel. Allerdings, so Landolf, stehen die grossen Schritte noch aus. Postauto wolle als Gesamtanbieter auftreten und mit neuen Formen bestehende Dienste ablösen oder neue Angebote bereitstellen.

5.       Edgar Sée, Leiter Automatisierungsprojekt Linie 4 der RATP (Paris)

Sée arbeitet seit vielen Jahren bei RATP und hat als Projektleiter die Automatisierung der U-Bahn Linie 4 realisiert. Als Vorteile des vollautomatischen Betriebs nennt Sée fünf Punkte: Sicherheit, Wirtschaftlichkeit, Ressourceneffizienz, Effizienz im Betrieb und Zuverlässigkeit.

Die Realisierung des Projekts seien durch drei unterschiedliche Fahrzeugtypen, den Widerstand der Gewerkschaften und den gleichzeitig erfolgten baulichen Ausbau der Infrastruktur behindert worden.

Die ersten vollautomatischen Bahnsysteme seien um 1980 eingeführt worden. Ab 2000 habe sich die Entwicklung beschleunigt, und ab 2010 bis heute seien bereits 56 Systeme in Betrieb genommen worden. Sée prognostiziert in der Zukunft eine exponentielle Zunahme. Die Technologie sei erprobt, skalierbar und anpassungsfähig.

6.       Dr. Gerd Scheller, CEO Mobility Division Siemens Schweiz AG

Scheller erläutert die vier Stufen der digitalen Systemunterstützung für das Automatic Train Operating ATO, normiert von der UITP, nämlich 1. überwachter Betrieb, 2. halbautomatischer Zugsbetrieb, 4. begleiteter fahrerloser Zugsbetrieb und 4. vollautomatischer Zugsbetrieb. Alle vier Formen seien heute bereits in Betrieb.

Als Herausforderungen nennt Scheller den Mischverkehr sowie die Akzeptanz in der Gesellschaft und die weltweite Normierung. Bedeutende Projekte seien bei der SOB, DB Cargo und bei Thameslink (London) in Realisierung.

7.       Klaus Meier, Chief Information Officer Skyguide

Meier beginnt mit einer Standortbestimmung. Im Gegensatz zur militärischen Luftfahrt, unter anderem Drohnen, basiere die Zivilluftfahrt auf einer rund 50-jährigen Methode. Diese sei zwar durch IT Systeme unterstützt worden. In Europa bestehen 63 Flugsicherungszentren, in denen Lotsen den Verkehr über Radarbildschirme überwachen. Während des Fluges müsse der Pilot beim Eintritt in eine neue Zone mit dem Leitzentrum der neuen Zone und auf einer neuen Frequenz Verbindung aufnehmen und sich anmelden. Das entspreche etwa der Stufe 1 des ATO.

Auf der anderen Seite seien die notwendigen Voraussetzungen für rasche Verbesserungen durch Satelliten und GPS-Technologie vorhanden. Diese werden wie erwähnt militärisch genutzt. Im Prinzip könnte das Flugzeug wie ein Server in einem digitalen Raum verstanden werden. ATO 4 sei also auch in der Luft Realität und zeige das grosse Potential der neuen Technologien auch für die Zivilluftfahrt in Europa.

Selbst in der Schweiz hat es zwei Flugsicherungszentren, nämlich Genf und Zürich. Diese würden in einem einzigen virtuellen Zentrum zusammengefasst. Diese Technologie könnte von der Schweiz erfolgreich vermarktet werden.

8.       Reiner Deutschmann, Leiter Logistik und Transport Migros

Deutschmann erläutert den Fluss eines Produkts bei der Migros. Grosse Herausforderungen bestehen durch den Stau auf den Strassen und den Mangel an Chauffeuren. In der Logistik seien deshalb viele Teilfunktionen automatisiert, wie etwa das Be- und Entladen von Containern, den Containertransport von den Schiffen zu den Landfahrzeugen, selbstfahrende Stapler und Lastwagen. Auch seien Überlegungen für den Transport auf der letzten Meile, also vom Laden nach zu den Kunden nach Hause, im Gang, dies als Folge des elektronischen Bestellwesens.

Deutschmann plädiert vehement für das unterirdische Gütertransportsystem Cargo Souterrain. Deutschmann wirkt im entsprechenden Think Tank mit. Optimierungen seien auch bei der City Logistik, dem Warenfluss in Städte, angezeigt. Erfolgsvoraussetzungen seien der Austausch von Knowhow, Kooperationen, Nutzung der technischen Möglichkeiten und Optimierung der Infrastruktur. Schwierigkeiten bereite das Aufkommen immer kleinerer Transporteinheiten.

9.       Diskussion I

Die Paneldiskussion mit den Referenten verläuft ergiebig. Hier ein paar Aspekte. Gefordert wird eine konsequente Standardisierung der Verkehrsinfrastruktur für jede Verkehrsart. Eine zentrale Frage ist, wer die Datenhoheit über die Digitalen Räume erlangt. Befürchtet wird, dass dies Google gelingen könnte. Google arbeitet intensiv auf diesem Gebiet. Eine Gegenstrategie könnten selbstlernende Systeme der Verkehrsteilnehmer sein. Dies erfordert eine verstärkte Kooperation unter den Anbietern der Mobilitätslösungen.

Interessant ist der Vorschlag, auf der Ebene des Bundes alle Verkehrsarten in einem einzigen Bundesamt zusammen zu fassen. Zudem stellt sich die Frage, wer die enormen Investitionen für die rückwärtige Informatikinfrastruktur bereitstellt und finanziert.

Markus Barth, Leiter Infrastruktur SOB, skizziert den Stand des Projekts ATO 4 bei seiner Bahn. Barth betont, dass die Eisenbahn wie kein anderes Verkehrsmittel für einen vollautomatischen Betrieb prädestiniert sei. Man verfüge über eine eigene und feste Fahrbahn und habe wenige Störeinflüsse. Barth fordert von den Bahnen ein rascheres Vorgehen bei der Einführung des vollautomatischen Betriebs und verspricht, dass bei der SOB 2018 der erste vollautomatische Zug fahren werde. Auch den SOB geht es in erster Linie um Kapazitätsfragen und nicht um einen Stellenabbau. Gemäss Barth fehlen in der Schweiz über 500 Lokführer.

Ein Teilnehmer fragt sich, ob in Anbetracht der jüngsten Ausführungen von Andreas Meyer, CEO der SBB AG, ob sich SBB und Postauto bei der letzten Meile nicht konkurrieren würden.

Im weiteren Verlauf der Diskussion wird erwähnt, dass bei ETCS rund die Hälfte der Funktionen länderspezifische Anpassungen erfahren hätten. Die angestrebte europäische Durchlässigkeit sei nur eingeschränkt möglich.

10.   Prof. Vincent Kaufmann

Ausgehend von Untersuchungen hält Kaufmann fest, dass 78 Prozent der Menschen mehr Langsamkeit im täglichen Leben wünschen. Dies sei eine grosse Chance für den öffentlichen Verkehr und für die Automatisierung des motorisierten Individualverkehrs. Die zentralen Fragen bei den sich abzeichnenden Veränderungen seien folgende, nämlich privat oder individuell, Intermodalität und Führungsverantwortung.

11.   Jürg Röthlisberger, Direktor Astra

Röthlisberger stellt die These der Konvergenz des MIV mit dem öffentlichen Verkehr in Frage. Er glaubt vielmehr, dass etwas neues Drittes entstehen werde. Die heutigen Autos seien Stehzeuge, schlecht ausgelastet und fehleranfällig. Das von den Automobilisten bezahlte Nationalstrassennetz von rund 2‘500 km, entsprechend etwa 2,3 Prozent des schweizerischen Strassennetzes, wird als unzureichend bezeichnet. Es brauche Automatisierung und gezielt auch Ausbauten. Aber auch bei den öffentlichen Verkehrsmitteln sei die Auslastung sehr ungleichmässig und zu glätten.

Die Spitzenbelastungen könnten durch Shared Economy, Home Offe und Mobility Pricing reduziert werden. Hier brauche es von allen Unvoreingenommenheit und Flexibiltät.

Die raschen Veränderungen erfordern gemäss Röthlisberger unter anderem einen vielfältigen Abstimmungsbedarf, ein neues Strassenverkehrsrecht, Zulassungsfragen und eine multimodale Verkehrsdatenplattform. Zudem sei bis in wenigen Jahren mit einer starken Zunahme des organisierten Mitfahrens zu erwarten.

12.   Martin Russ, Geschäftsführer AustriaTech Wien

Russ führt aus, dass AustriaTech ein hundertprozentiges des österreichischen Verkehrsministeriums sei. AustriaTech sei gebildet worden, um die Veränderungen im Verkehrswesen aktiv zu gestalten, Anforderungen für zukünftige Entwicklungen zu erarbeiten, die Prozesse zu kontrollieren und zu kommunizieren sowie die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich in verkehrlicher Hinsicht zu erhalten.

AustriaTech befasst sich sowohl mit den Fahrzeugen, als auch mit der Infrastruktur und mit politischen Fragen. Unter anderem werden Testumgebungen bereitgestellt und Versuche durchgeführt.

13.   Edith Graf-Litscher, Nationalrätin SP, Thurgau

Frau Graf stellt fest, dass die digitale Entwicklung unserer Zeit voraus rennt. Die Risikobereitschaft sei zu erhöhen, und es müsse eine Kultur des (möglichen) Scheiterns entstehen. Auch sei der soziale Ausgleich zu fördern. Nur vereint liessen sich die Anforderungen meistern. Frau Graf rechnet damit, dass 2040 alle Verkehrsinfrastrukturen der Schweiz auf dem notwendigen Stand sind.

Zudem müssen sich die Gesellschaftsordnung und die technische Entwicklung im Einklang bewegen. Frau Graf bezeichnet es als Unding, dass das wirtschaftlich so erfolgreiche Unternehmen Google in der Schweiz keine Steuern bezahle. Frankreich sei vorbildlicherweise im Begriff, Google der Besteuerung zu unterwerfen.

14.   Diskussion II

Röthlisberger argumentiert, dass der Verkehr auch weiterhin stark von Emotionen geprägt sein wird. Die Entwicklung erfolge stark bottom-up und könne nur teilweise gesteuert werden. Die Wirtschaft müsse mögliche Entwicklungen antizipieren. Der Verkehr sei ein bedeutender Wirtschaftsfaktor.

Russ teilt diese Auffassung nicht. Seines Erachtens hat die Entwicklung in den letzten zwanzig Jahren gezeigt, dass der Markt die Verkehrsprobleme unzureichend gelöst hat. Man dürfe nicht nur in Business Cases denken. Experimentierfreudigkeit sei unerlässlich.

Röthlisberger plädiert für mehr Mut zur Lücke und für Offenheit. Die Politik sei mit der rechtzeitigen Anpassung des rechtlichen Rahmens überfordert. Man sollte Rahmenbedingungen vorgeben, innerhalb denen dynamische Entwicklungen möglich sind.

15.   Abschluss und Ausblick

Um 17.00 Uhr schliesst Prof. Finger die zweite Diskussionsrunde. Dr. Werder dankt allen, die zum Erfolg des Symposiums beigetragen haben und weist auf die nächste Veranstaltung hin. Das Symposium vom 28. Februar 2016 beschäftigt sich mit der hoch aktuellen Fragestellung „Wie gehen wir mit Spitzenbelastungen um?“

Ende der Flachbahn Illusion?

Im „Schweizer Jahrbuch für Verkehr 2016“ äussert sich Kurt Metz in seinem lesenswerten Beitrag „Paradigmenwechsel im kombinierten Verkehr durch die Schweizer Alpen“ zum Ausbau des Verladeangebots und zu den sich abzeichnenden Änderungen der Güterströme aus Fernost durch die Alpen. Letztere dürften für die NEAT erhebliche Auswirkungen haben. Mehr dazu in diesem Beitrag.

buch

Güterverkehr / Umkehr der Verkehrsströme

In den letzten Jahren wurde der Suezkanal für die Durchfahrt der grössten heute verkehrenden Containerschiffe mit einer Kapazität von 18‘000 Containern erweitert. Zudem werden mehrere Häfen im Mittelmeer für den leistungsfähigen Umschlag der mit diesen Riesenschiffen transportierten Container ausgebaut. Die neue Route verkürzt die Seefahrt aus dem fernen Osten nach Europa gegenüber der traditionellen Route über das Kap der guten Hoffnung nach Europa um 4‘500 Kilometer oder um fast eine Woche.

Mit dem Bau einer neuen doppelspurigen Strecke von Genua in die Poebene – Terzo Valico – werden die notwendigen Kapazitäten für den Weitertransport dieser Container auf der Schiene geschaffen. Die entsprechenden Arbeiten sind weit fortgeschritten. In Planung ist des Weiteren eine für den Güterverkehr bestimmte südliche Umfahrungslinie von Mailand. Diese ermöglicht einen raschen und umweltschonenden Güterzugsverkehr Richtung Verona und Brenner. Notabene eine eigentliche Flachbahn. Metz rechnet auch mit einer Verkürzung der Transportdauer von den Häfen bis zum Bestimmungsort zwischen zwei und drei Tagen. Der Bau einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke von Treviglio nach Venedig schafft zudem freie Trassen auf der bestehenden Strecke von Mailand nach Verona.

Bedeutsam ist zudem, dass die italienische Zollverwaltung die Güter bereits auf hoher See vorverzollt und nur noch einen „One-Stop-Shop“ ermöglicht. Auch die Arbeitsmentalität in den italienischen Umschlaghäfen hat sich substantiell erhöht. So wurde beispielsweise im Hafen von La Spezia seit über zwanzig Jahren nie mehr gestreikt.

Ein echter Paradigmenwechsel!

Auswirkungen für die Schweiz

Die neuen Gegebenheiten werden sich auf mittlere Sicht erheblich auf die Schweiz und Mitteleuropa auswirken. Auswirkungen, auf die wir unzureichend vorbereitet sind. Unter anderem wird sich zeigen, dass die NEAT trotz den vollmundigen Anpreisungen von Süden nach Norden für die zu erwartenden grossen Verkehrsströme keine Flachbahn ist. Man denke an die Strecke von Domodossola nach Brig oder die Ausfahrt aus dem Rangierbahnhof Chiasso nach Balerna.

Fragwürdig vor diesem Hintergrund ist auch der geplante Ausbau des Rheinhafens in Basel. Der Umschlag von den Containern in Rotterdam von den Meerschiffen auf Rheinschiffe, deren Fahrt rheinaufwärts bis nach Basel und hier Umschlag zu den Bestimmungsorten in der Schweiz dürfte erheblich an Bedeutung verlieren. Gemäss Metz beträgt die Distanz zwischen Genua und Zürich 420 km und von Rotterdam nach Zürich 840 km. Zudem entfällt beim Transport ab Genua im Vergleich mit der angedachten Route über den Rhein ein zeitraubender Umlagevorgang.

Forderungen an die Verkehrspolitik

Der ohnehin umstrittene Ausbau des Rheinhafens in Basel Nord ist vorbehaltlos in Frage zu stellen. Gemäss der NZZ vom 19. September 2016 soll der Anteil der ab Basel ins Landesinnere beförderten Container von 10 auf 50 Prozent erhöht werden – in Anbetracht der kurzen Distanzen von Basel beispielsweise ins Birrfeld oder nach Spreitenbach eine ambitiöse und kritisch zu hinterfragende Annahme. Honi soit qui mal y pense! Zudem soll der Ausbau des Rheinhafens mit CHF 100 Mio. aus dem BIF mitfinanziert werden. Abgesehen davon schwächt der Schiffstransport den europäischen Ferngüterverkehr auf der Schiene.

Ausserdem haben grosse Fuhrunternehmen den Bau eines eigenen Umschlagterminals in Basel von den Schiffen auf Lastwagen angekündigt. Der Verdacht, dass mit dem Bau von Basel Nord Hupac AG und ihren Aktionären auf Kosten des Steuerzahlers unredliche Vorteile zugeschanzt werden. Ob Dr. Benedikt Weibel als Verwaltungsratspräsident der Port of Switzerland hier eine ähnliche Rolle ausübt wie bei der privaten Westbahn AG, welche die ÖBB ausschliesslich auf ihrer Paradestrecke zwischen Salzburg und Wien konkurrenziert und zudem mit der Westbus AG auf der Strasse Personentransport betreibt?

Schlussbemerkungen

Zu viele Unklarheiten stehen im Raum. Ein Marschhalt und eine vorbehaltlose Neubeurteilung sind angezeigt. Vor allem drängt sich ein Weiterausbau der NEAT mit leistungsfähigen Zufahrten aus der Lombardei zum Südportal des Gotthardbasistunnels auf. Auch im Norden ist von Basel nach Flüelen eine ausschliesslich für den Güterzugsverkehr reservierte Aus- und Neubaustrecke notwendig. Da es sich um einen europäischen Güterverkehrskorridor handelt, müsste sich die EU an den Kosten massgeblich beteiligen.

Ist es wirklich sinnvoll, In Basel mehrere CHF 100 Mio. in den Ausbau eines kaum notwendigen Hafens zu stecken? Sinnvoller wäre, die Mittel in die Fertigstellung der NEAT zu investieren.

Anzumerken ist auch, dass die Eisenbahnverbindungen zwischen China und Europa für den Güterverkehr ausgebaut werden sollen. Dies kann für den Transport hochwertiger Güter sowohl Fluggesellschaften als auch die Schifffahrt konkurrieren.

Man bedenke ferner, dass die mögliche Umfahrung der Schweiz durch den Brenner und weiter östlich liegende Achsen infolge von ausbleibenden Deckungsbeiträgen des Transitverkehrs an die enormen Kosten der Neat nicht in unserem Interesse liegen kann.

Der Auszug aus dem Jahrbuch steht über diesen Link als PDF-Datei zur Verfügung: jahrbuch-2016-paradigmenwechsel-transitverkehr

Ferrovia Mendrisio-Varese / Stand der Arbeiten

Vorbemerkungen

Infolge ihrer grossen Bedeutung für die Schweiz widmen wir der Ferrovia Mendrisio-Varese eine erhöhte Aufmerksamkeit. Seit der letzten Besichtigung der Baustelle im Frühjahr 2016 und unserem Beitrag vom 12. Juni 2016 somit Anlass genug, sich vor Ort erneut ein Bild vom Stand der Bauarbeiten zu machen. Am 26. Oktober 2016 besichtigte ich zusammen mit Heinz Riniker die Baustellen auf dem italienischen Gebiet. Heinz Riniker unterhält unter www.rinifoto.ch eine attraktive Website mit eindrücklichen Fotoreportagen. Eine Sektion der Website von Heinz Riniker – sie enthält neben Bildern auch Informationen über die Verbindung – ist ausschliesslich für die FMV reserviert. Hier der Link: http://rinifoto.ch/mendrisiotto-express.shtml. Die in diesem Beitrag verwendeten Fotos wurden uns freundlicherweise von Heinz Riniker zur Verfügung gestellt. Besten Dank.

Nachstehend ein kurzer Bericht. Leider konnten wir infolge des gedrängten Programms keine Informationen zu den einzelnen Bauvorhaben und zur Terminsituation beschaffen. Wir beabsichtigen, dies in den kommenden Wochen nachzuholen und hier anzufügen.

Eindrücke

An zahlreichen Stellen wird intensiv an der Fertigstellung der Bahnlinie gearbeitet. Zahlreiche Kunstbauten sind fertig. Zudem laufen die Arbeiten an drei unseres Erachtens kritischen Stellen auf Hochtouren. Auf diese treten wir im Folgenden kurz ein. Vor dem Hintergrund der aufwendigen Kunstbauten zwischen der Grenze bei Gaggiolo bis zur Talbrücke vor Varese erscheint der Ausbau der Strecke von Mendrisio bis zur Grenze als vergleichsweise einfaches Bauvorhaben.

Raum Gaggiolo

Unmittelbar nach der Grenze wurde die stark befahrene Staatsstrasse nach Varese umgelegt. Die unterirdische Haltestelle Gaggiolo ist in Arbeit, und die Vorbereitungen für den tief gelegten Anschluss an die bereits bis zur Grenze herführenden Strecke von Stabio sind im Gang.fmv-gaggiolo-1

fmv-gaggiolo-2

Tunnel Merischio

Der von beiden Enden bereits weit vorgetriebene Ausbruch musste wegen Wassereinbrüchen unterbrochen werden. Der Wald über der Tunnelachse wurde gerodet, und Massnahmen für die Wasserabsenkung und ein im Tagbau zu erstellendes Teilstück des Tunnels sind weit fortgeschritten.

fmv-absenkung

Talbrücke Bevera

Die stählernen Tragelemente für die eindrückliche und gegen 500 lange Talbrücke über die Bevera sind montiert. Auf den bis zu 700 Tonnen schweren Pfeilern werden gegenwärtig die Auflager montiert. Das Versetzen der Tragelemente und das Betonieren der Fahrbahnplatten stehen aus.

fmv-traeger

fmv-pfeiler

Streckenabschnitt Arcisate – Induno-Olona

An den unterirdischen Bahnhöfen von Arcisate und Induno-Olona wird intensiv gearbeitet. Die entsprechenden Arbeiten sind weit fortgeschritten. Unklar ist, ob der unter dem alten Tunnel liegende neue doppelspurige Tunnel bei Induno-Olona durchstossen ist. Die Bohrmaschine für den Sprengvortrieb befindet sich auf dem Installationsplatz, und es sind keine Armierungselemente mehr sichtbar. Das lässt vermuten, dass der Tunnel im Rohbau fertig ist.

fmv-arcisate

Eindrücklich ist, dass das doppelspurige und tief gelegte Teilstück im Siedlungsgebiet der beiden Ortschaften auf einer Länge von vier Kilometern vollständig überdeckt wird.

fmv-ueberdeckung

Schlussfolgerungen

Offensichtlich ist die Tieflegung von Neubaustrecken in überbauten Gebieten – andere Neubaustrecken in der Agglomeration von Mailand lassen dies vermuten – in der Lombardei zur Norm geworden. Es bleibt zu hoffen, dass unsere Verkehrsplaner dies auch feststellen.