Bald nur noch 6? – der Kampf um Kansas City Southern

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Die Konzentration unter den grossen nordamerikanischen Güterbahnen hält unverändert an. In den letzten fünfundzwanzig Jahren erfolgten mehrere grosse Übernahmen – Firmen mit grossen Namen wie Illinois Central, Southern Pacific oder Western Pacific verschwanden.

Gegenwärtig streben die beiden kanadischen Güterbahnen Canadian National und Canadian Pacific die Übernahme von Kansas City Southern, der kleinsten der grossen Güterbahnen der USA, an. Nachdem Canadian Pacific für Kansas City Southern im Frühjahr 2021 USD 29 Milliarden geboten hatte, trat Canadian National ein paar Wochen später mit einem Angebot von USD 33,7 Milliarden auf den Plan.

Der Ausgang des Wettbewerbs ist zurzeit offen. Da Canadian National durch die Übernahme von Illinois Central bereits Nord/Süd-Verkehr in den USA betreibt, könnten sich wettbewerbsrechtliche Bedenken der angestrebten Übernahme von Kansas City Southern entgegen stellen.

Es ist zu erwarten, dass der Konzentrationsprozess anhalten wird und früher oder später auch in den USA transkontinentale Güterbahnen gebildet werden.

Der offene Bieterwettbewerb um Kansas City Southern war  Anlass, einen kurzen Überblick über die sieben grossen Güterbahnen in Nordamerika zu geben und ein paar Kennzahlen aufzubereiten. Zur Erhöhung der Vergleichbarkeit mit europäischen Güterbahnen wurden die Leistungswerte in metrische Grössen umgerechnet. Die finanziellen Werte wurden zu aktuellen Tageskursen in Schweizer Franken umgewandelt.

Auffallend ist die die eindrückliche Rentabilität der Class I-Railroads, die anhaltend hohen Investitionen sowie die Entwicklung der Börsenkurse ihrer Aktien seit der Jahrtausendwende.

Überblick über die nordamerikanischen Güterbahnen

Gegenwärtig bestehen in Nordamerika noch sieben grosse Güterbahnen. Sie werden als „Class I-Railroads“ bezeichnet. Sechs davon sind börsenkotiert. Die siebte, Burlington Northern Santa Fé wurde 2010 von Warren Buffet zum Preis von rund USD 34 Milliarden erworben, nota bene das grösste Einzelinvestments des legendären Investors. Eine andere Class I-Railroad nämlich Canadian National, war viele Jahre im Eigentum des kanadischen Staates und wurde 1995 privatisiert.

Ueberblick über die grossen Güterbahnen in Nordamerika. FXE – Ferrocarril Méxicano – zählt nicht zu den sieben Class I-Railroads.
Basisdaten 2019 der sieben Class I-Railroads. Die Tabelle kann mit dem Link am Ende dieses Beitrags als MS Excel-Datei heruntergeladen werden,
Streckenlängen der Class I-Railroads.
Leistungsdaten 2019 der Class I-Railroads. Die beförderten Mengen von KCS wurden geschätzt und sind deshalb kursiv gesetzt.
Umsatz, Gewinn und Investitionen 2019 der Class I-Railroads.

Neben den Class I-Railroads bestehen über 500 kleinere regionale Güterbahnen, die als Zubringer zu den grossen Güterbahnen wirken. Der überwiegende Teil dieser Kleinbahnen ist in grossen Holdings zusammengefasst.

Kansas City Southern als kleinste der Class I-Railroads bedient neben den USA auch Mexiko. Die Streckenlänge in Mexiko beträgt 3‘850 Meilen – für 3‘300 Meilen besitzt KCS eine Konzession des mexikanischen Staates und für 550 Meilen verfügt KCS über Durchfahrtsrechte, sogenannte „Trackage Rights“.

Während vielen Jahren betrieb nur Canadian National transkontinentalen Güterverkehr. Durch den Kauf von Güterbahnen im Nordosten der USA, unter anderem der Delaware & Hudson, wurde auch Canadian Pacific zu einer transkontinentalen Güterbahn.

Die übrigen fünf Class I-Railroads bedienen nur Teile der USA. Im Osten sind die Märkte von CSX und Norfolk Southern relativ klar abgegrenzt, im Westen überlappen sich die Märkte von Burlington Northern Santa Fé und Union Pacific.

Die beiden Offerten im Überblick

Streckennetz nach dem möglichen Zusammenschlusses von Canadian Pacific und Kansas City-Southern.
Streckennetz nach dem möglichen Zusammenschluss von Canadian National und Kansas City-Southern.

Die beiden Offerten im Überblick

Mit einem Entscheid in diesem Jahr ist zu rechnen. Nicht auszuschliessen ist, dass ein weiterer Interessent auf den Plan tritt. Mexiko hat als Produktionsstandort nach dem sich verstärkenden Zwist zwischen den USA und China weiter an Bedeutung gewonnen – am grössten Grenzübergang Laredo überqueren durchschnittlich 16‘000 Lastwagen die Grenze. Da besteht für die Eisenbahn ein grosses Potential für den grenzüberschreitenden Güterverkehr.

Abschliessende Bemerkungen

Die Ertragslage der Class I-Railroads ist enorm beeindruckend. Sie schlägt sich im vergleichsweise guten Lohnniveau der Mitarbeitenden und dem starken Anstieg der Börsenkurse der Güterbahnen seit 2000 nieder.

Entwicklung des Börsenkurses von Kansas City Southern seit 2000.
Entwicklung des Börsenkurses von Canadian Pacific seit 2000.
Entwicklung des Börsenkurses von Canadian National seit 2000.

Die Daten stammen aus verschiedenen Quellen. Für die in den USA domizilierten Class I-Railroads wurden die der Aufsichtsbehörde Surface Transportation Board STB einzureichenden umfangreichen Berichte R-1 konsultiert. Bei Kansas City Southern wurde der von der Stock Exchange Committee SEC eingeforderte Bericht 10-K herangezogen, da die R-1 Berichte die ausländische Geschäftstätigkeit in Mexiko nicht abdecken. Die R-1 Berichte beschränken sich im Gegensatz zu den 10-K Berichten auf den Güterverkehr.

Die Informationen über die beiden kanadischen Güterbahnen wurden den Geschäftsberichten der Firmen entnommen (Annual Reports).

Die der Übersicht zugrunde liegenden Daten und die Umrechnungsfaktoren können dieser Excel-Tabelle entnommen werden. Daten 2019 Class I Railroads

Umbruch in Grossbritannien – Williams-Shapps Plan for Rail

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In diesen Tagen wurde eine grundlegende Reorganisation des Eisenbahnverkehrs in Grossbritannien angekündigt. Mit dem „Williams-Shapps Plan for Rail“  sollen die Schwächen der vor rund 25 Jahren erfolgten Privatisierung beseitigt werden. Keineswegs vorgesehen ist die Verstaatlichung des Betriebs der Eisenbahn.

Grundzüge der Reorganisation

Die Privatisierung hat Mitte der neunziger Jahre den seit dem Ende des zweiten Weltkrieges anhaltenden Niedergang des britischen Eisenbahnwesens gebrochen und zu einem eindrücklichen Aufschwung geführt. Trotz einigen Krisen, unter anderem das Debakel von Railtrack, der privaten Infrastrukturgesellschaft, ist die Privatisierung insgesamt eine Erfolgsgeschichte.

Mit der Privatisierung wurden an die privaten Betreibergesellschaften Franchisen vergeben. Das gab den Betreibern das Recht, ihr Angebot weitgehend frei zu gestalten. Sie trugen das volle Ertrags- und Kostenrisiko. Dieses Konzept führte zu einem ungeordneten Zustand, Fahrpläne und Tarife waren oft unzureichend abgestimmt und erschwerten systemübergreifende Reisen. Der Freiraum ermöglichte andererseits einigen EVU, ihre Preise an die Nachfrage anzupassen – Reisen in den Hauptverkehrszeiten verteuerten sich gegenüber den nachfragearmen Tageszeiten.

Bei systemübergreifenden Reisen wichen die Fahrgäste beim Kauf von Fahrausweisen häufig auf Train Line, eine einfach zu bedienende Plattform, aus. Die Aktienkurse dieses privaten Anbieters verzeichneten nach der Ankündigung von GBR einen veritablen Einbruch.

Unter der Führung von Grant Shapp, Transportminister der britischen Regierung wurde die Gründung einer mächtigen staatlichen Dachgesellschaft, der Great British Railways GBR, beschlossen. Unter Beibehaltung der Erfolgsfaktoren der Privatisierung soll GBR das landesweite Angebot definieren, das Tarifsystem vereinheitlichen und die volle Zuständigkeit für die Infrastruktur übernehmen. Damit verbunden ist die Ablösung des Franchisemodells durch die Vergabe von Transportaufträgen an EVU, so genannte „Passenger Service Contracts“– eine Lösung, die sich beispielsweise in zahlreichen europäischen Ländern im Nahverkehr durchgesetzt hat. Die Öffentlichkeit und die Kunden sollen mehr Einfluss erhalten. Ökologische Aspekte sollen verstärkt berücksichtigt werden.

Noch wenig konkret erscheinen die in Aussicht gestellten Massnahmen für die Förderung des Schienengüterverkehrs.

Die beschlossene Restrukturierung auf Landesebene entspricht weitgehend dem in London unter der Führung von TfL – Transport for London – seit 2001 erfolgreich funktionierenden Konzept. So kann GBR auf bestehenden Erfahrungen aufbauen.

Mit der Schaffung von GBR verfolgt die britische Regierung zehn Ziele:

  • Gewährleistung eines zeitgemässen Personenverkehrs auf der Schiene
  • Revolutionierung des Tarifsystems, unter anderem durch landesweite Tarife
  • Neuregelung der Kooperation mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU)
  • Prosperierende und nachhaltig tätige EVU
  • Mehr Einflussmöglichkeiten für Kunden und die Öffentlichkeit
  • Saubere und ökologische EVU
  • Setzen von starken Anreizen für den Schienengüterverkehr, unter anderem durch die landesweite Koordination der Angebote.
  • Verkürzung der Reisezeiten und Erhöhung der Effizienz
  • Gewinnung und Erhaltung von tüchtigen und innovativen Mitarbeitenden
  • Vereinfachung der Struktur des Eisenbahnsektors, unter anderem durch ein transparentes Abrechnungssystem und klare Entscheidungsregeln

Sonderregelungen wurden von den Regionalregierungen von Schottland und Wales beschlossen. In Wales wurde die Betreibergesellschaft Transport for Wales TfW von der Region übernommen und wird praktisch unverändert weiter geführt. Dafür bleibt in Wales die Infrastruktur im Gegensatz zum Rest des Landes weiter in privaten Händen.

Auch die schottische Regionalregierung hat unter anderem wegen den gravierenden finanziellen Konsequenzen von Corona die in Schottland wirkenden Betreibergesellschaften bis auf weiteres übernommen. Dies betrifft aber nur den innerschottischen Personenverkehr und gilt nicht für den Fernverkehr nach England.

Meinung des Autors

Die mit der Schaffung von GBR verbundenen und tiefgreifenden Neuerungen sind überfällig und weisen meines Erachtens in richtige Richtung. Entscheidend für den Erfolg der Massnahmen ist die Qualität der Umsetzung. Immerhin stehen mit dem Konzept von London und mit vielen Beispielen auf dem Kontinent erprobte Systeme im Raum.

Auffallend ist, dass dezidiert von einer (Wieder-) Verstaatlichung der Eisenbahn in Grossbritannien in weiten Teilen des Landes abgesehen wird. Offensichtlich sind die Erinnerungen der Entscheidungsträger an die verheerenden Verhältnisse bei British Rail in den Jahren vor der Privatisierung noch wach. Ich habe im Rahmen von zwei längeren Aufenthalten 1996 und 1997 zahlreiche Bahnfahrten in Mittel- und Nordengland unternommen und erinnere mich noch gut an die desolaten Zustände vor allem im Regionalverkehr.

Das Konzept von GBR sollte im Hinblick auf die Umsetzung in der Schweiz näher geprüft werden. Unter anderem liessen sich die auch von Spitzenvertretern der Schweizer Eisenbahnbranche beanstandeten Mängel im Tarifsystem dadurch vermutlich beseitigen. Anstelle eines Wildwuchses bestehend aus dem nationalen Verkehr, einem einzigen Verkehrsverbund und zahlreichen Tarifverbünden könnte die Schaffung eines einheitlichen nationalen Verkehrsverbundes nach dem Vorbild von GBR erwogen werden.