Multimodalität – Vision und Realität

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Im Mittelpunkt der Herbsttagung vom 17. Oktober 2019 von Avenir Mobilité im Farelhaus in Biel stand die Frage nach den Visionen und der Realität von multimodalen Lösungen im Personenverkehr. Im Rahmen einer weiteren interessanten und aktuellen Veranstaltung von Avenir Mobilité widmeten sich Fachleute nach zwei Inputreferaten und in zwei getrennten Panels mit dieser Fragestellung. Es zeigte sich, dass nicht nur in Frankreich, sondern auch in Österreich multimodale Mobilitätslösungen in Städten Realität geworden sind. Die Herbsttagung erfolgte in Kooperation mit der Österreichischen Gesellschaft für Strassen- und Verkehrswesen GSV.

Inputreferat I von Albert Waldhör, CEO von Linz Linien

Unter der Bezeichnung „tim“ (täglich.intelligent.mobil.) wird in Linz derzeit ein multimodales Mobilitätskonzept umgesetzt. Dabei erfolgt eine enge Kooperation mit Graz und Wien. Man strebt an, das vom Bundesministerium BMVIT nachhaltig unterstützte Konzept nach der Einführung österreichweit auch in Innsbruck, Klagenfurt und Salzburg zu realisieren. Gestartet wurde in Linz mit fünf Knoten. Implementiert werden sollen bis 2021 14 weitere Knoten.

Kunden stehen an den Knoten in der Regel verschiedene Verkehrsmittel zur Verfügung, nämlich Tram, Bus, Velo, Sammeltaxis im Nachtbetrieb sowie Autos mit Elektroantrieb und Verbrennungsmotoren. Alle Verkehrsmittel sind einheitlich gekennzeichnet und können mit der Basiskarte des öffentlichen Verkehrs benutzt werden. Kunden werden in einem grosszügig gestalteten Informationszentrum beraten.

Knoten mit dem Standardangebot liegen idealerweise in Stadtteilen, in denen in einem Umkreis von 400 Metern 4‘000 Menschen wohnen oder sich 4‘000 Arbeitsplätze befinden. Die ersten Erfahrungen sind vielversprechend, obschon das Angebot zurzeit hauptsächlich vom Berufsverkehr genutzt wird. Für ausserhalb des Ballungsraums liegende Ortschaften werden angepasste Lösungen entwickelt. Das neue Konzept wird zurzeit subventioniert und soll 2021 die Gewinnschwelle erreichen.

Inputreferat II von Laurent Kocher, Executive Vice Président von Kéolis SA

Laurent Kocher stellt das voll integrierte und multimodale Verkehrskonzept der Stadt Lyon vor. Kéolis, zu 70 Prozent im Eigentum der SNCF, betreibt den öffentlichen Verkehr in Lyon seit 1985, aus dem das multimodale Mobilitätskonzept herausgewachsen ist. Der Kostendeckungsgrad ist zwischen 2005 und 2018 von 44,3 Prozent auf 63,7 Prozent gestiegen. Der Umsatz hat in dieser Periode von EUR 266 Mio. auf EUR 438 Mio. zugenommen. Kéolis wird von der Stadt Lyon erfolgsabhängig honoriert, wobei Kéolis im Gegenzug der Stadt einen Mindestumsatz garantiert.

Mit diesen Werten liegt Lyon weit über dem Durchschnitt von Städten in Frankreich und in der EU. In der Vergleichsperiode wurden die angebotenen Leistungskilometer um 14 Prozent erhöht. Zwischen 1995 und 2015 hat sich der Modalsplit zwischen dem motorisierten Individualverkehr und dem öffentlichen Verkehr erheblich zugunsten des letzteren entwickelt. Bis 2030 soll der Anteil des MIV mit 35 Prozent gleich hoch sein wie derjenige der Fussgänger (!), 22 Prozent sollen von Metro, Tram und Bus erbracht und 8 Prozent mit Velos zurückgelegt werden.

Interessant ist die Entwicklung der öffentlichen Verkehrsmittel in der genannten Periode, nämlich Metro plus zehn Prozent, Tram plus 31 Prozent und Busse minus 7 Prozent.

Kunden können ihre Transportbedürfnisse verkehrsmittelübergreifend befriedigen. Bezahlt wird über eine einheitliche Karte oder über das Smartphone. Kéolis stellt ihren Kunden in Lyon an 25 Standorten kostenlos über 7‘500 bewachte Parkplätze mit direktem Anschluss an die öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung.

Dialoganlass «Multimodalität – Vision und Realität» Photo by Béatrice Devènes

Panel I

Dieses sowie das folgende Panel wurde von Prof. Dr. Mathias Finger von der EPFL wie gewohnt souverän moderiert.

Nicole Mathys, Sektionschefin im Bundesamt für Raumenwicklung, eröffnet das erste Panel mit einem Überblick über den Autoverkehr in der Schweiz. Fünf Prozent der Autohalter besitzen neben ihrem eigenen Wagen ein Generalabonnement, und 22 Prozent einen Wagen und ein Halbtaxabonnement. Neun Prozent der Autofahrten erfolgen über eine Strecke von weniger als einem Kilometer, 32 Prozent unter 3 Kilometer und 46 Prozent unter 5 Kilometer. Diese Zahlen belegen die Grenzen des Einsatzes von multimodalen Mobilitätsangeboten. Dem Bund stehen nur wenige Hebel für eine Beeinflussung des Verkehrsverhaltens zur Verfügung, am ehesten über den Sachplan Verkehr und Handlungsempfehlungen für Regionen.

Stefan Mayr, Geschäftsführer Arge ÖVV, Wien, erwähnt, dass in Österreich im Prinzip jedes Bundesland einen mit einem Bundesgesetz österreichweit geregelten Verkehrsverbund betreibt. Eine Ausnahme bildet der Verkehrsverbund von Wien mit der Einbindung der stadtnahen Regionen von Nieder- und Oberösterreich sowie des Burgenlandes. Man strebt eine Ausweitung der Verkehrsverbünde in noch stärker bedarfsorientierte Mobilitätsverbünde an. Zudem ist eine landesweite Informationsplattform im Entstehen.

Dino Graf, Leiter Group Communication bei Amag, führt aus, dass viele Schweizer je nach dem Zweck der Reise, unterschiedliche Verkehrsmittel benutzen. Zweifellos kann man die verschiedenen Angebote noch besser kombinieren, als dies heute der Fall ist.

Ueli Stückelberger, Direktor des Verbandes öffentlicher Verkehr, betont, dass die Schweiz mit Mobility eine Pionierrolle für die verkehrsmittelübergreifende Mobilität eingenommen hatte. Das Interesse an multimodalen Mobilitätslösungen ist gross und es ist viel im Aufbruch. Im Übrigen verfügt die Schweiz über einen flächendeckenden und gut ausgebauten öffentlichen Verkehr.

Laurent Kocher argumentiert, dass multimodale Mobilitätslösungen vor allem in Ballungsräumen sinnvoll sind. in dünn besiedelten Regionen gibt es kaum öffentlichen Verkehr, da lässt sich auch nichts kombinieren.

Panel II

Martina Müggler, Mitglied der Geschäftsleitung von Postauto Schweiz AG, betont, dass Multimodalität bei Postauto schon seit einigen Jahren ein Thema ist. Mit Publibike und einer gemeinsamen App mit BVB und BLT hat Postauto national eine Pionierrolle ausgeübt. Die Weiterentwicklung der App wurde wegen der angekündigten Entwicklung einer entsprechenden App durch die SBB abgebrochen. Neben einer leistungsfähigen App brauche es aber auch Anreizsysteme und adäquate Angebote.

Gery Balmer, Sektionschef beim Bundesamt für Verkehr, bestätigt das grosse Potential von multimodalen Mobilitätslösungen. Der Bedarf ist ausgewiesen. Er plädiert für attraktive, einfache und effiziente Lösungen. Bestehende Angebote müssen noch besser vernetzt werden, auch sollen die Vertriebssysteme für Dritte geöffnet und der Zugang zu Daten erleichtert werden. Martina Müggler hat Bedenken, dass der Eintritt von Dritten bewährte Abläufe beeinträchtigen könnte, besonders wenn die Rückkoppelung zu den Transportunternehmen nicht funktioniert.

Gemäss Franz Schwammenhöfer, Leiter Gesamtverkehr beim österreichischen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, verlangen multimodale Mobilitätslösungen nach einer verstärkten Kooperation unter den Anbietern und können Synergien auslösen. Mobilität muss selbst in kleineren Städten als hochwertiger Gestaltungsraum genutzt werden, Innovationen fördern und bedarfsgerechtere Angebote hervorbringen.

Laura Schmid, VCS Bern, spricht sich für ein Masshalten beim Verkehr aus, vor allem beim privaten Autoverkehr. Sie befürchtet, dass die neuen Angebote zu Mehrverkehr führen. So hat Uber in zahlreichen Städten einen Anstieg der Autofahrten bewirkt. Für multimodale Mobilitätslösungen bedarf es eines klaren Auftrag des Staates. Google verfügt schon heute über eine leistungsfähige und stark genutzte Applikation für Routenwahl und Reiseplanung.

Eigentumsrechte und Nutzung der Daten stehen im Mittelpunkt der Plenumsdiskussion. Vor dem Hintergrund, dass Google bereits heute die meisten Daten schon besitzt, plädiert Gery Balmer für eine konsequente Öffnung der Datenbanken. Franz Schwammenhöfer argumentiert, dass die Daten primär dem Staat gehören. Gery Balmer entgegnet, dass Daten zur öffentlichen Infrastruktur gehören, und verspricht sich von multimodalen Mobilitätslösungen unter anderem eine höhere Auslastung der Transportmittel.

Der Stadtpräsident von Biel, Erich Fehr, überbrachte den Anwesenden zum Abschluss das Grusswort der Stadtregierung. Er führte aus, dass auch Biel die Wichtigkeit der multimodalen Mobilität erkannt habe und verschiedene Projekte in die Wege geleitet hat.

Anschlussbemerkungen des Verfassers

Nur wenig angesprochen wurde in der Diskussion die Thematik, was mit den Daten geschehen soll, insbesondere, wer welche Angebote und Services damit bereitstellen darf. Welche Risiken entstehen durch den Markteintritt von mächtigen Anbietern? Welche Freiräume bleiben dem Staat für eine proaktive Gestaltung der Verkehrspolitik? Darin liegen unseres Erachtens die zentralen Fragen der im Raum stehenden Problematik. Sollen Dienste wie booking.com in der Hotellerie, künftig auch im Verkehrswesen eine dominante Position einnehmen?

Ausserdem verfügt die Schweiz bereits heute – basierend auf den traditionellen öffentlichen Verkehrsmitteln und der Plattform des Direkten Verkehrs – über ein verkehrsmittelübergreifendes System. Mit der Einbindung von Mobility und Publibike einerseits und der von der SBB angekündigten Entwicklung einer IT-Plattform könnte unseres Erachtens rasch und mit verhältnismässig geringem Aufwand ein multimodales Mobilitätskonzept realisiert werden.

Eisenbahn in Spanien

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Eine Reise durch Spanien bot uns im Herbst 2019 Gelegenheit, als Beobachter oder Fahrgast einige Eindrücke vom spanischen Eisenbahnwesen zu gewinnen. Möglicherweise sind diese Eindrücke etwas oberflächlich, aber das Gesehene und Erlebte hat uns beeindruckt. Im Anschluss an die Reise haben wir Informationen eingeholt und unseren Wissensstand erhöht.

Im Folgenden möchten wir Ihnen unsere Beurteilung anhand von ein paar Bildern und Erläuterungen darlegen. Dem beispielhaften Busbahnhof von Sevilla haben wir auf unserer Website bereits einen eigenen Beitrag gewidmet.

Euskotren

Der erste Teil der Reise führte uns durch das Baskenland. Dabei sahen wir, dass Teile dieser Region von einer gut ausgebauten Schmalspurbahn erschlossen sind.

Leider bot sich keine Gelegenheit zu einer Fahrt mit Euskotren. Hingegen beobachteten wir unterwegs mehrere Züge und besichtigten zwei Bahnhöfe. Dabei konnten wir Fahrpläne und das Tarifsystem studieren.

Zug bei der Einfahrt in Usurbil
Zugkreuzung in Guernika
Bahnhofgebäude von Usurbil bei Nacht
Bahnhofgebäude von Guernika

Das Gesehene hat uns sehr beeindruckt – ein modernes und kundenfreundliches Eisenbahnsystem mit neuen Triebwagenzügen und gepflegten Bahnhöfen. Im Nahbereich von Donostia und Bilbao verkehren die Züge mindestens halbstündlich, während zwischen den beiden Städten jede Stunde direkte Züge mit einer Fahrzeit von etwas mehr als zweieinhalb Stunden unterwegs sind.

Fahrplan der Verbindung von Bilbao nach Donostia/San Sebatian

Leider wurden wir auf der Fahrt ins Landesinnere mit den Überresten einer eingestellten Zweiglinie Richtung Azpeita konfrontiert.

Als Wander- und Radweg genutztes Trasse bei Zestoa
Reste eines Fahrleitungsmastes bei Zestoa
Ehemaliger Bahnhof von Loyola – im Hintergrund ist eine Tunneleinfahrt zu erkennen

Beim Anflug auf Bilbao sahen wir die Baustellen der neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke, welche Donostia und Bilbao mit Madrid und Frankreich verbinden wird, das sogenannte „Basken-Y“. Dadurch erhalten diese Städte – unter Umständen mit Umsteigen – eine schnelle und komfortable Verbindung und damit eine echte Alternative zum heute dominierenden direkten Busverkehr.

Blick aus dem Auto auf eine Baustelle der Hochgeschwindigkeitsstrecke bei Bilbao

Erstaunlich ist, dass die Verbindungen von Euskotren im elektronischen Fahrplan der SBB nicht angezeigt werden. Dabei liesse sich Donostia über Paris und Hendaye von Zürich aus in gut einem halben Tag erreichen.

Bahnhof Bilbao-Abando

Auf dem Gang durch Bilbao konnte ich einen kurzen Abstecher in den Fernbahnhof unternehmen. Der prächtige Bahnhof war trotz dem eher spärlichen Angebot an Zügen überraschend stark belebt und präsentierte sich makellos.

Blick in das obere Geschoss des Bahnhofs von Bilbao-Abando
Zugang zum Regionalverkehr in Bahnhof von Bilbao-Abando
Regionalzüge im Bahnhof von Bilbao-Abando. Man beachte die Geleise.
Fernzug nach Madrid bei der Abfahrt in Bilbao-Abando

Täglich verlassen knapp ein halbes Dutzend Fernzüge den Bahnhof von Bilbao-Abando, wobei die schnellste Verbindung nach Madrid fünf Stunden beansprucht. Nach der Inbetriebnahme der HG-Strecke wird sich die Reisezeit halbieren und bietet damit eine überzeugende Alternative zum Luftverkehr.

Daneben verkehren einige Regionalzüge. Nicht besichtigt werden konnte in Bilbao der ungleich stärker frequentierte Stadtbahnhof Bilbao-Matiko von Euskotren, an dem zwei S-Bahnlinien enden und der von der U-Bahn bedient wird.

Bahnhof Miranda de Ebro

Die nächste Etappe führte uns mit der Bahn von Miranda de Ebro über Zaragoza und Madrid nach Sevilla. In Miranda de Ebro konnten wir den repräsentativen Bahnhof ausgiebig besichtigen. Der Verkehr ist mässig – zwischen Miranda de Ebro und Zaragoza verkehren täglich in beiden Richtungen je zehn Züge.

Blick auf den Bahnhof von Miranda de Ebro
Zugang zum Bahnhof von Miranda de Ebro
Perron in Miranda de Ebro
Schalterhalle in Miranda de Ebro
Schema der Verbindung von Miranda de Ebro nach Zaragoza.
Daneben hat es drei weitere ebenfalls aus handgefertigten Keramikkacheln gefertigte, kunstvolle Netzpläne der übrigen Fernverkehrsverbindungen von Miranda de Ebro.

Unser IC nach Zaragoza verliess Miranda de Ebro mit einer Verspätung von fünf Minuten. Der fünfteilige Triebwagenzug war sehr komfortabel und sauber. Der kurvenreiche erste Teil der Strecke folgte weitgehend dem Ebro. Die Fahrt war trotz der Breitspur eher unruhig. Verhältnismässig viele durch den schlechten Zustand der Strecke bedingte Langsamfahrstrecken reduzierten die Geschwindigkeit gelegentlich auf 30 km/h.

Blick ins Wageninnere der 1. Klasse
Blick ins Wageninnere der 2. Klasse
Übergang zwischen den Wagen

Im Bereich der Stadt Logrono wurde der Fernverkehr unter den Boden verlegt. Der vierspurige unterirdische Bahnhof war beeindruckend.

Ab Logrono bis nach Zaragoza fuhr der Zug meistens mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Der Zustand der Geleise war bedeutend besser als weiter nördlich. Kurz vor Zaragoza verlangsamte der Zug seine Fahrt und fuhr durch ein Gebäude. Hier wurden gemäss unserer Beobachtung während der Fahrt Spurweite, Stromsystem und Zugsicherungssystem angepasst.

Unser Zug nach der Ankunft in Zaragoza-Delicias

Bahnhof Zaragoza-Delicias

Beim Aussteigen in Zaragoza-Delicias verschlug es uns buchstäblich die Sprache. Wir waren enorm beeindruckt. Sauberkeit, Architektur, direkter Zugang zum Busbahnhof, Kundenzonen, Umgebung –
alles, wirklich alles vom Feinsten. Und das für verhältnismässig wenige Züge.

Erster Eindruck beim Aussteigen
Blick in die Bahnhofhalle
Einfahrender ICE von RENFE nach Madrid
Dieseltriebzug bereit zur Abfahrt
Abgang zum Busbahnhof
Blick in den Busbahnhof
Wartezone im Bahnhof
Aussenansicht des Bahnhofs
Fussgängerübergang beim Bahnhof Zaragoza-Delicias

In Zaragoza wechselten wir nach längerem Aufenthalt in einen von Marseille herkommenden TGV. Die Fahrgäste gelangten durch eine rasch erfolgende Sicherheitskontrolle zum Zug. Bei der Kontrolle unseres Reisegepäcks stellte der Sicherheitsbeamte das Sackmesser in meiner Reisetasche fest. Es landete trotz meinem Bitten in einem Abfalleimer. Der TGV verliess Zaragoza mit sechs Minuten Verspätung und traf pünktlich um 15.45 Uhr in Madrid Puerta de Atocha ein. Die höchst beeindruckende Fahrt mit 300 km/h führte durch eine teilweise kaum besiedelte und gebirgige Gegend. Kunstbaute reihte sich an Kunstbaute.

Unser TGV von RENFE nach der Ankunft in Madrid Puerta de Atocha

Madrid Puerta de Atocha

In Madrid de Atocha mussten wir vom Ankunftsbereich in den Abfahrtsbereich wechseln. Die Entfernung zwischen den beiden Bahnhofteilen beträgt mehrere hundert Meter. Den Fahrgästen stehen jedoch Rollbänder zur Verfügung. Das gigantische Gebäude beeindruckt durch seine architektonische Gestaltung und die Reinlichkeit.

Blick in die Bahnhofhalle
Passage zum Abfahrtsbahnhof
Kunstvoll gestaltete Tragkonstruktion

Im Abfahrtsbereich warteten unzählige Fahrgäste auf ihre Züge. Wir gelangten auf einem Rollband zu unserem Zug – einem spanischen Talgo Hochgeschwindigkeitszug. Im Abfahrtsbahnhof sah ich neben weiteren Talgo-Zügen mehrere TGV und ICE. Eher ungläubig stellte ich fest, dass die Zwischenwagen unseres Talgo statt einem Drehgestell Einzelachsen hatten.

Eine Mitarbeiterin von Renfe wies uns zu unserem Wagen. Als wir das luxuriöse Interieur sahen, stiegen wir wieder aus und erkundigten uns nochmals, ob wir wirklich in den richtigen Wagen eingestiegen waren – dies war der Fall. Enorm komfortable Sitze mit Klapptischen aus Edelholz, schwere Teppiche und gedämpfte Musik!

Blick in den Innenraum eines Wagens der 1. Klasse
Blick auf den Sitzplatz mit aufgeklapptem Tisch

Schon kurz nach der Abfahrt erreichte der Zug die Reisegeschwindigkeit von 300 km/h. Eine Mitarbeiterin offerierte den Fahrgästen kostenlose Zeitschriften und etwas später einen Apéro. Nach etwa der Hälfte der ausgesprochen ruhigen Fahrt wurde den Fahrgästen ein im Preis enthaltener Lunch serviert, abgeschlossen mit Kaffee und Digestif. Wir kennen in Europa keine auch nur annähernd so gediegene erste Klasse.

Zeitungsständer
Lunchpaket mit exzellentem Rotwein

Die Fahrt bot Gelegenheit, den ganzen Zug zu besichtigen. Dazu ein paar Bilder.

Innenraum eines Wagens der 2. Klasse, mit Gepäckablage
Wagenübergang
Toilette
Lavabo in der Toilette

Unser Zug traf nach zwei Stunden und zwanzig Minuten pünktlich in Sevilla Santa Justa ein. Für die rund 850 Kilometer lange Fahrt von Zaragoza nach Sevilla benötigten die Züge 3 Stunden und 41 Minuten – was einer durchschnittlichen Reisegeschwindigkeit von 231 km/h entspricht.

Auch in Sevilla Santa Justa präsentierte sich uns ein grossartiger und kundenfreundlicher Bahnhof. Die Fahrgäste gelangen mit Rollbändern und Rolltreppen auf das über den Geleisen liegende und klimatisierte Bahnhofgebäude. Kurze Wege führen zu den Taxistandplätzen oder zur Bushaltestelle.

Blick auf den Bereich mit den Fernzügen
Blick zurück auf unseren Zug
Zur Abfahrt bereit stehender Regionalzug
Aufgang zum Empfangsgebäude
Blick auf die Rampe
Eindruck aus der klimatisierten Empfangshalle
Blick in die Empfangshalle
Vorplatz mit Vorfahrt für Taxi
Blick auf das Bahnhofgebäude
Blick auf die Ausfahrtsgeleise nach Südwesten. Man beachte die beiden Spurweiten.

Stadtverkehr Sevilla

Der dichte öffentliche Stadtverkehr in Sevilla erfolgt selbst in den engen Gassen der Altstadt mit Autobussen. Daneben gibt es eine Metro, einen eher dünnen Regionalverkehr per Eisenbahn und im Stadtzentrum eine etwa drei Kilometer lange, breitspurige Tramlinie. Die Trams verkehren im historischen Zentrum ohne Oberleitung. Sie können ihre Batterien bei den Haltestellen über eine kurze Stromschiene aufladen und fahren nur ausserhalb dem Zentrum unter Fahrdraht. Die sich wie neu präsentierenden Niederflurfahrzeuge sind komfortabel und klimatisiert. Die Billettautomaten sind sehr einfach zu bedienen.

Tram ohne Fahrleitung
Haltestelle mit Aufladebereich
Tram beim Aufladen der Batterien während dem kurzen Anhalten
Tram im Aussenbereich unter der Fahrleitung

Würdigung

„Es ist nicht alles Gold, was glänzt“ – das gilt sicher auch für das spanische Bahnsystem. Die zugegebenermassen wenigen Kontakte haben uns tief beeindruckt.

Nicht nachvollziehen können wir die negative Beurteilung des spanischen Schnellfahrnetzes in der nach unserer Reise geführten Korrespondenz mit Bahnfreunden. Spanien wird in wenigen Jahren über ein Hochgeschwindigkeitsnetz von über 3‘500 Kilometern Länge mit teilweise fantastischen neuen Bahnhöfen verfügen. Nota bene wurden die neuen Normalspurstrecken weitgehend losgelöst vom bestehenden Breitspurnetz gebaut. Übernommen wurden auf diesen Strecken auch das europäische Strom- und Sicherungssystem, was den Einsatz von TGV und ICE ohne grössere Einschränkungen ermöglicht.

Die verfügbaren Informationen lassen vermuten, dass ohne die neuen und leistungsfähigen HG-Strecken der Personenfernverkehr auf der Schiene in Spanien bedeutungslos geworden wäre. Im Gegenzug wären der innerspanische Flug- und Busverkehr weiter gewachsen.

Auszug aus einer älteren Ausgabe von „Railmap Europ“ von Kümmerly+Frei. Seit der Drucklegung dieser Karte sind weitere HG-Linien in Betrieb oder in Bau, so im Norden und im Westen von Madrid. Obschon Portugal den Bau der Hochgeschwindigkeitsstrecke nach Madrid eingestellt hat, befinden sich Teile der HG-Strecke von Madrid nach Badajoz im Bau.