Eisenbahnwesen Slowakei – überraschende Eindrücke

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Für eine Wanderwoche in der Mala Fatra im Herzen der Slowakei reisten wir im Herbst 2021 per Bahn nach Zilina. Die Fahrkarten ab Bratislava zum Zielbahnhof konnten einfach über die Website der Slowakischen Staatsbahnen gelöst werden.

Von früheren Bahnreisen von Wien über Marchegg nach Bratislava war ich mit dem Zustand dieser Strecke vertraut. Wichtige Bahnhöfe ohne Perrons, vor sich dahinrostende Fahrleitungsmaste und ins Lichtraumprofil der Züge reichendes Gebüsch hinterliessen keinen guten Eindruck von der Eisenbahninfrastruktur in der Slowakei.

So waren unsere Erwartungen für die über 200 Kilometer lange Bahnfahrt von Bratislava nach Zilina bescheiden. Für die Hin- und Rückfahrt reservierten wir Sitzplätze in den stündlich verkehrenden R-Zügen. Gross war die Überraschung, als anstelle des erwarteten älteren Rollmaterials ein gepflegter und komfortabler Zug heranrollte. Unterwegs konnten wir beobachteten, dass zahlreiche Züge aus ehemaligen Fernverkehrswagen der ÖBB zusammengesetzt waren und von Vectron-Lokomotiven gezogen wurden.

Und noch grösser war die Überraschung, als wir vom exzellenten Zustand des grössten Teils der Strecke Kenntnis nahmen. Längere Abschnitte waren oft aufwendig neu trassiert worden, und der überwiegende Teil der Bahnhöfe und Stationen waren neu. Bei Horny Milochov zwischen Puchov und Zilina waren im November 2021 die eisenbahntechnischen Anlagen in einem neu gebauten längeren Tunnel im Bau. In Zilina waren die Arbeiten für die Totalerneuerung der Gleisanlagen und der Bahnsteige im Gang.

Die positiven Eindrücke aus dem Zugfenster waren im Spätherbst 2021 Anlass für eine weitere Reise nach Zilina. Dabei wurden Züge unterschiedlicher Zugskategorien benutzt, und einige Bahnhöfe näher besichtigt. Die Eindrücke waren vorzüglich.

Mehr darüber mit den folgenden Bildern und den Kommentaren.

Bahnhöfe und Anlagen

Bahnhof Nove Mesto nad Vahom  (Einwohnerzahl 2021 der Stadt ca. 62’000)

Bahnhofsgebäude von Nove Mesto, vom Bahnhofplatz aus gesehen.
Wartsaal im Bahnhof Nove Mesto.
Restaurant im Bahnhof Nove Mesto.
Geleiseanlage im Bahnhof Nove Mesto. Man beachte die für die für die durchfahrenden Züge bestimmten innenliegenden Durchfahrtsgeleise – ohne Kontakt zu den Bahnsteigen. Vorbildlich sind auch die langen Dächer der Bahnsteige, welche auch bei sehr langen Zügen allen Fahrgästen das geschützte Ein- und Aussteigen ermöglichen.
Treppe zur Unterführung im Bahnhof Nove Mesto. Der Personenlift im Hintergrund ist knapp erkennbar.
Unterführung im Bahnhof Nove Mesto mit gekacheltem Boden und Seitenwänden.
Bahnsteig im Bahnhof Nove Mesto. Im Hintergrund ein dieselbetriebener Triebwagenzug.

Bahnhof Trencin  (Einwohnerzahl 2021 der Stadt ca. 110’000)

Blick auf den Bahnsteig von Trencin mit den in grün gehaltenen Schutzwänden und Treppenabgängen. Jeder der grösseren neuen Bahnhöfe an der Strecke hat seine eigene Farbgebung.
Sitzgelegenheiten auf dem Bahnsteig von Trencin. Neben den Sitzen hat es kleine Tische.
Eingehauster Abgang vom Bahnsteig in die Unterführung des Bahnhofs Trencin. Neben der Personenunterführung hat es eine zweite, mit einem Warenlift ausgestattete, Unterführung.
Blick in die Unterführung des Bahnhofs Trencin.
Schalterhalle im alten Bahnhofsgebäude von Trencin.
Kiosk im alten Bahnhofsgebäude im Trencin.
WC-Anlage im Bahnhof Trencin. Der Eindruck mag täuschen – die bedienten Toiletten im älteren Gebäude waren sehr sauber. Hingegen harren die Fertigstellungsarbeiten am Gebäude ihrem Ende.

Bahnhof Povaszka  (Einwohnerzahl 2021 der Stadt ca. 39’000)

Schnappschuss vom Bahnsteig des Bahnhofs von Povszka.

Haltestelle Nosice

An der Neubaustrecke gelegene Haltstelle von Nosice.
Abgang vom Bahnsteig von Nosice. Man beachte die vollständig überdachte Rampe und die lichtdurchlässige Schallschutzwand. Im Hintergrund befindet sich ein zweiter Abgang.

Haltestelle Plevnik

Schmucke Schallschutzwand bei der Haltestelle von Plevnik. Rechts ist die Wartehalle erkennbar.
Auch bei der Haltestelle von Plevnik sind die Abgänge eingehaust und gegen Wind und Wetter geschützt.
Ein zweites Bild von der Schallschutzwand bei der Haltestelle von Plevnik. Mit wenig Aufwand wurde die Schallschutzwand geschmückt. Auch hier tangieren die durchfahrenden Züge keine Perronkanten.
Westliche Einfahrt in den neuen Verbindungstunnel bei Horny Milochow. Die nur noch wenige Monate bestehende alte Streckenführung ist etwa vergleichbar mit derjenigen zwischen Mühlehorn und Tiefenwinkel – wobei auf diesem stark belasteten Streckenabschnitt keine Verbesserungen geplant sind.
Östliche Einfahrt in den Tunnel bei Horny Milochov. Der Einbau der eisenbahntechnischen Anlagen war Ende November 2021 in vollem Gang. Ich bitte um Verständnis für die schlechte Qualität der bei der Durchfahrt aus dem Zugfenster aufgenommenen beiden Bilder.

Bahnhof Zilina  (Einwohnerzahl 2021 der Stadt ca. 83’000)

Blick auf das Bahnhofsgebäude von Zilina mit den Kopfgeleisen für die Züge des Regionalverkehrs.
Blick in eine der beiden Unterführungen des Bahnhofs von Zilina. Eine davon wurde behindertengerecht ausgebaut.
Bestehende und dem Abbruch geweihte Gleisanlagen im Bahnhof Zilina. Man konnte sich trotz dem regen Zugverkehr auf den Gleisanlagen relativ frei bewegen. In Mitteleuropa völlig undenkbar,
Fertiggestelltes Trasse für die Einführung der Aus- und Neubaustrecke in den Bahnhof Zilina.

Unterführung für Behinderte im Hauptbahnhof von Bratislava  (Einwohnerzahl 2021 der Stadt ca. 440’000)

Unterführung der eigens für Behinderte gebauten Unterführung im Hauptbahnhof von Bratislava.
Liftzugang in der Unterführung für Behinderte im Hauptbahnhof von Bratislava.
Detail von der erwähnten Unterführung im Hauptbahnhof von Bratislava.

Eine Auswahl von Bildern vom höchst unterschiedlichen Rollmaterial

Innenraum in einem Grossraumwagen für den Fernverkehr.
Dieselbetriebener Triebwagenzug für den Lokalverkehr.
Innenraum dieses Triebwagenzuges. Die Fahrt mit ca. 120 km/h war recht angenehm.
Neuer Personenzug von Skoda für den Regionalverkehr. Die slowakischen Staatsbahnen haben bei der Firma Stadler AG gemäss einer Pressemitteilung vom 16. Dezember 2021 mehrere KISS-Zügen bestellt.
Innenraum des Triebwagenzuges von Skoda.
Lokomotiven im Depot von Zilina. Unterwegs konnten solche Lokomotiven vor Güterzügen beobachtet werden. Kein besonders erbaulicher Anblick.
Teilweise noch im Einsatz stehende ältere Diesellokomotiven im Depot von Zilina.
Schmucke und renovierte, aber schon etwas bejahrte, Diesellokomotive im Bahnhof von Zilina.
Tschechische Elektrolokomotive mit einem Eurocity-Zug nach Ostrava bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Zilina.
Schnellzug nach Bratislava bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof von Zilina.
Von einer Vectron gezogener Schnellzug nach Koisce im Bahnhof von Bratislava.
Schnellzug vom privaten EVU Regio Jet nach Prag bei der Einfahrt in den Hauptbahnhof von Bratislava.

Kommentar

Die Bilder sprechen für sich. Sie dokumentieren, dass auch in der Slowakei intensive Bestrebungen für die Revitalisierung der Eisenbahn im Gang sind. Auffallend ist nicht nur bei der Eisenbahn, dass mit oft geringem Aufwand nicht nur die Funktionalität der Anlagen erhöht wird, sondern auch deren Erscheinungsbild verbessert wird. Kultur im Alltag. Von Menschen für Menschen – und nicht nur von Mitarbeitern für so genannte Kunden.

Auch der öffentliche Busverkehr im Gebiet der Mala Fatra erreicht durchaus das Niveau der Erschliessung in den hiesigen Randregionen – saubere und pünktlich verkehrende Fahrzeuge, ein relativ dichtes Angebot sowie klare und gut lesbare Fahrpläne. Und Fahrgäste, welche das siebzigste Altersjahr überschritten haben, sind mit der Eisenbahn praktisch gratis unterwegs.

Erfolgreiche Güterbahnen in Nordamerika – und in Europa?

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Der Bericht eines deutschen Kollegen in einer Fachzeitschrift über die nordamerikanischen Güterbahnen hat mich veranlasst, eigene Abklärungen über den Schienengüterverkehr in Nordamerika vorzunehmen. Im Vordergrund standen der Modalsplit und die Entwicklung der Börsenkurse seit knapp zwanzig Jahren.

Der Befund überrascht und überwältigt. Seit 2004 haben sich die Kurse der Aktien der Class I-Güterbahnen meist mehr als verfünfzehnfacht. Mit anderen Worten – eine in 2004 getätigte Anlage in nordamerikanische Güterbahnen von USD 10.- wäre heute USD 150.- wert. Dazu kämen die seit dem Kauf der Aktien erhaltenen Dividenden. Allerdings ist die Bewertung der Aktien der Class I-Güterbahnen mit dem rund 25-fachen des Jahresgewinns – Kurs-Gewinn-Verhältnis KGV oder Price/Earnings-Relation P/E – sehr hoch, wobei diese hohe Bewertung auch für andere Branchen zutrifft.

Natürlich sind die Kurse im Betrachtungszeitraum an vielen Börsen stark gestiegen – viele Aktienkurse haben sich vervielfacht. Bemerkenswert jedoch ist, dass der Dow Jones-Index der Transportwerte seit 2004 – er berücksichtigt in seinen zwanzig Firmen auch vier Class I-Güterbahnen –  „nur“ um das Fünffache gestiegen ist.

Diese Fakten bestätigen, dass die nordamerikanischen Güterbahnen weltweit zu den rentabelsten Transportunternehmen gehören. Aber nicht nur, und das ist ökologischer Sicht das Wesentliche – auch ihre Transportleistung und ihr Anteil am Modal Split des Güterverkehrs in Nordamerika sind eindrücklich.

In diesem Beitrag belegen wir diese Aussagen und schliessen mit ein Überlegungen zum Handlungsbedarf in Europa.

Entwicklung der Börsenkurse der sechs der zurzeit noch sieben nordamerikanischen Class I-Güterbahnen

Entwicklung der Aktienkurse der börsenkotierten nordamerikanischen Güterbahnen
(Quelle: Swissquote und Wikipedia)

Zu ergänzen ist, dass der legendäre Investor Warren Buffet die Aktien der grossen US-Güterbahn BNSF – Burlington Northern  Santa Fé – am 3. November 2009 für USD 44 Milliarden erworben und damit sein grösste Einzelinvestment getätigt hat.

Gegenwärtig im Gang ist die Fusion von Canadian Pacific mit Kansas City-Southern. Canadian Pacific hat sich gegen das bessere Angebot von Canadian National durchgesetzt, nachdem sich die US-Behörden aus wettbewerblichen Gründen gegen den ursprünglich beabsichtigten Zusammenschluss von CN und KCS gestellt hatten.

Modal Split im US-Güterverkehr

Wie einleitend erwähnt, überrascht auch der hohe Anteil des Schienengüterverkehrs an den in Nordamerika im gesamten Güterverkehr geleisteten Tonnenmeilen.

Modal Split im US-Güterverkehr in Tonnenmeilen
(Quelle: US-Bureau of Transportation Statistics)

Gemäss älteren statistischen Daten der Association of American Railroads und der allgemeinen Entwicklung ist der Schienengüterverkehr in Nordamerika wahrscheinlich nach wie vor der dominierende Verkehrsträger im sogenannten „Intercity-Güterverkehr“ bei den produzierten Tonnenmeilen.

Modal Split 1998 im „Intercity-Güterverkehr“
(Quelle: Association of American Railroads)

Kommentar

Sucht man nach den Gründen für die enorme Bedeutung des Schienengüterverkehrs in Nordamerika, fallen zwei Aspekte auf, nämlich a) die wenigen grossen Anbieter und b) die privatwirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse. Dazu kommt die effiziente Produktion in Form von langen Züge (2019 durchschnittlich 74,6 Wagen pro Güterzug), die höheren Achslasten und die grösseren Lichtraumprofile, die halbautomatischen Zentralkupplungen und die meist langen Transportdistanzen. Bemerkenswert sind auch das verfügbare statistische Datenmaterial und die tiefen Frachtraten.

Die während vielen Jahren wenig prosperierende Canadian National war bis 1995 die einzige staatliche Class I-Güterbahn in Nordamerika. Nach der Privatisierung durch den kanadischen Staat hat sich Canadian National prächtig entwickelt und zu den privaten Güterbahnen aufgeschlossen. Überdies ist Canadian National bis heute die einzige wirkliche transkontinentale Class I-Güterbahn.

Was für ein Gegensatz zu Europa! Hier kämpfen immer noch viel zu viele nationale und/oder kleine Güterbahnen um ein paar Brosamen vom Güterverkehr. Eine Konzentration auf wenige grosse supranationale Güterbahnen ist überfällig. Unseres Erachtens drängt sich auch eine Privatisierung auf. Nur durch eine solche kann den mächtigen europäischen Strassentransportfirmen die Stirne geboten werden.

Und auch die Fokussierung auf die DAK – die halbautomatische Zentralkupplung – wird es nicht richten. Damit wird höchstens wertvolle Zeit für eine Wende vertan. Neue Denkansätze sind gefordert – sei es a) durch die aufwendige Vollautomatiserung des Rangierens bzw. der Zugbildung oder b) durch den Verzicht auf das Rangieren mittels das Umladen von Wechselbehältern.

Und die von den Güterbahnen und ökologischen Kreisen ständig postulierte Betonung der ökologischen Vorteile des Schienengüterverkehrs und das Schielen auf Subventionen sind nicht zielführend. Ohnehin wird diese Begründung nach der Ablösung der Verbrennungsmotoren in den LKW hinfällig. Was Europa braucht, sind wenige, effiziente, pünktliche und rentable Güterbahnen. Nur diese können durch ihre Ertragskraft Investitionen anziehen und in hohem Mass Marktanteile gewinnen. Und nur so werden Güter von der Strasse auf die ökologisch vorteilhafte Schiene verlagert – zum Nutzen von Mensch und Umwelt.