Güterverkehr – Driverless Trucks und was zu tun wäre

Vorbemerkungen

Driverless Trucks – Führerlose Lastwagen – sind in Europa noch kaum ein Thema. Dies im Gegensatz zu den USA mit ihren immer noch prosperierenden Güterbahnen. Fred W. Frailey, ein bekannter Eisenbahnjournalist und Autor, beschäftigt sich in der Ausgabe von TRAINS von Februar 2017 mit dieser Thematik. Frailey argumentiert, dass Driverless Trucks für die Bahnen eine grosse Herausforderung darstellen und dass tiefgreifende Veränderungen unumgänglich sind. Der Artikel kann über folgenden Link heruntergeladen werden TRAINS 2017_02 Driverless Trucks.

Natürlich lassen sich die Verhältnisse in den USA nicht ohne weiteres auf Europa übertragen. Das sollte die europäischen Güterbahnen aber nicht davon abhalten, sich intensiv mit diesem Thema zu beschäftigen und sich rechtzeitig und umfassend auf diese neue Technologie einzustellen.

Empfehlungen von Frailey für die USA

  • Die Güterzüge sollen nur von einem Mitarbeiter geführt werden. Den Bestrebungen der Behörden, die früher übliche Doppelbesetzung wieder einzuführen, ist entschieden entgegenzutreten.
  • Die Zuverlässigkeit der Güterzüge ist zu erhöhen. In den USA erreicht ein Viertel der Güterzüge ihr Ziel verspätet. Dies im Gegensatz zu Russland, wo gemäss dem Artikel von Frailey nur einer von 3‘000 Güterzügen verspätet am Ziel eintrifft.
  • Die Güterbahnen sollen ihren heute nur bei sieben Prozent liegenden Marktanteil auf Distanzen von unter 800 Kilometern massiv erhöhen.
  • Auch die US-Güterbahnen sollen führerlose Güterzüge prüfen. Gemäss Frailey sollen in Australien demnächst führerlose Güterzüge verkehren.
  • Weiteres Potential sieht Frailey in der intensiveren Nutzung der Ressourcen. Offensichtlich sollen die kanadischen Güterbahnen – sie verfügen über grössere Ableger in den USA – hier gegenüber ihren US-Konkurrenten Vorteile aufweisen.
  • Die Güterbahnen sollen verstärkt auf die Bedürfnisse ihrer Kunden eingehen. Die Bahnen sollen sich als Teil der Wertschöpfungskette der Kunden und nicht einfach „nur“ als Eisenbahngesellschaften verstehen.

Und bei uns?

  • Die Ausgangslage für die stark national geprägten Güterbahnen von Europa ist ungleich ungünstiger als in Nordamerika. Die Marktanteile und die Ertragskraft liegen erheblich unter denjenigen der US-Güterbahnen. Noch ungünstiger – der Trend führt abwärts.
  • Die Mittel der Nationalstaaten als häufigste Eigentümer der Güterbahnen sind erschöpft.
  • Ein paar Güterverkehrskorridore oder Fahrzeuge mit neuen Drehgestellen werden es nicht richten. Ungleich tiefgreifendere Veränderungen sind angezeigt. Leider haben auch wir kein Patentrezept. Auch führerlose Züge reichen nicht aus. Schätzungen zufolge liegen die reinen Grenzkosten des Lokführereinsatzes bei den SBB unter CHF 2.- pro Kilometer.
  • Die Diskussion ist eröffnet – nutzen wir die Zeit. Sie ist kürzer als wir denken.

TQM – Total Quality Management – bei den SBB ein Fremdwort

Vorbemerkungen

  • Total-Quality-Management (TQM), bisweilen auch umfassendes Qualitätsmanagement genannt, bezeichnet die durchgängige, fortwährende und alle Bereiche einer Organisation erfassende, aufzeichnende, sichtende, organisierende und kontrollierende Tätigkeit, die dazu dient, Qualität als Systemziel einzuführen und dauerhaft zu garantieren. TQM wurde in der japanischen Automobilindustrie weiterentwickelt und schließlich zum Erfolgsmodell gemacht. TQM benötigt die volle Unterstützung aller Mitarbeiter, um zum Erfolg zu führen (Auszug aus Wikipedia).
  • Im Februar 2016 hatte ich Gelegenheit, Teile des riesigen Werks von Mercedes-Benz in Böblingen bei Stuttgart zu besichtigen. Der Rundgang durch zwei der sich über mehrere Hektaren erstreckenden Fabrikhallen war sehr eindrücklich – geradezu klinische Sauberkeit, und kein einziger auch noch so kleiner Schaden an Boden oder Wänden.

Beobachtungen im Tessin

Lugano

Diese Schwelle – beziehungsweise der Rest davon – liegt auf Gleis 1. Dieses Gleis wird regelmässig auch von schweren Güterzügen befahren und befindet sich unmittelbar neben dem Ort, an dem am 11. Dezember 2016 die erste offizielle Fahrt eines Reisezuges durch den Gotthardbasistunnel mit viel Prominenz gefeiert wurde. Neben dieser ehemaligen Schwelle hat es weitere Schwellen mit massiven Schäden.

Mendrisio

Die beiden Bilder wurden im Herbst 2015 und Ende 2016 aufgenommen. Das auf der Schwelle fehlende Holzstücke wurde an die Geschäftsleitung der SBB gesandt. Mein Schreiben wurde ausführlich beantwortet – man teilte mir mit, dass der Schaden unproblematisch wäre und das Gleis – es wird täglich von den Richtung Norden fahrenden Zügen befahren – in diesem Jahr erneuert würde.

Chiasso

Die beiden Bilder wurden im Januar 2017 in Chiasso aufgenommen.

Sie zeigen das in Richtung Norden recht häufig befahrene Gleis 7 sowie den Übergang über das Gleis.

Dieser Übergang wird vom Personal – Lokführer und Betriebsmitarbeiter – auf dem Weg zu den Zügen auf den benachbarten Gleisen häufig begangen. Einige Bretter sind weitgehend verfault, und das Loch in einem Brett stellt besonders nachts ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko für das darüber schreitende Personal dar. Der Übergang über die Gleise 2 bis 4 in etwa sechs Metern Entfernung wurde kürzlich erneuert.

Würdigung

Die Gleise im Tessin werden gemäss den erhaltenen Auskünften demnächst erneuert. Andererseits sind die Mängel nicht neu. Ein mit Holzschutzmitteln behandeltes Brett verfault nicht in wenigen Monaten. Zudem besteht in Chiasso ein Sicherheitsproblem. Was denkt sich ein Mitarbeiter, der Tag für Tag mit diesem Sachverhalt konfrontiert ist? Solche Zustände sind dem Vertrauen in den Arbeitgeber und dem Qualitätsbewusstsein des Mitarbeiters bei der täglichen Arbeit abträglich. Am 23. Januar 2017 kommentierte der Zugchef die um acht Minuten verzögerte Abfahrt eines Intercity aus Zürich über den Lautsprecher mit folgenden Worten: „Unser Zug hat eine Abgangsverspätung von acht Minuten erfahren. Die Gründe sind uns leider nicht bekannt!“ – Resignation!

Auch anderen Kunden dürfte der schlechte Zustand der Schwellen auffallen. Verfaulte Schwellen werfen ein schlechtes Licht auf das Unternehmen. Zudem fällt dem kritischen Beobachter auch der Schmutz auf dem Gleiskörper auf – dies besonders in unmittelbarer Nähe zu den repräsentativen Publikumsanlagen des Bahnhofs Lugano.

Dazu kommt, dass für das obere Kader und die Verwaltung in den letzten Jahren mehrere repräsentative Bürogebäude mit allem Komfort gebaut wurden – ich hatte Gelegenheit, zwei davon von Innen zu besichtigen.

Die zahlreichen technischen Störungen in den letzten Jahren haben viele Ursachen – Zustände wie hier beschrieben tragen wahrscheinlich das Ihre dazu bei. Die betrieblichen Anforderungen an die SBB haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Man denke an den immer dichteren Fahrplan, die verschiedenen EVU (Eisenbahn Verkehrs Unternehmen) im Güterverkehr, die Vielfalt von Triebfahrzeugen oder die Komplexität durch den Einsatz von unterschiedlichen Signalisationstechnologien – klassische Signalisation im Wechsel mit ETCS 2. Diese Einflussfaktoren machen ein konsequentes Qualitätsmanagement unerlässlich.

Aus verfaulenden Schwellen entsteht Humus. Dieser verschmutzt den Schotter und beeinträchtigt dessen Funktion. Das mag die Sicherheit der über das Gleis fahrenden Züge nur marginal reduzieren – aber der Komfort und die Laufruhe nehmen ab. Und leider stösst man auch auf dieser Seite des Gotthards auf ähnlich deprimierende Bilder, nachstehend eine etwa ein Jahr alte Aufnahme aus dem Bahnhof Zürich-Enge.

Zeit für ein Umdenken bei den SBB – und möglicherweise auch für personelle Konsequenzen. Ingenieure statt Juristen sind gefragt! Sicherheit ist primär eine physikalische und erst sekundär eine betriebswirtschaftliche oder rechtliche Domäne.

 

Verkehrserschliessung Mendrisiotto – masslos und unkoordiniert

Vorbemerkungen

Im Zusammenhang mit der Besichtigung der Baustellen der Eisenbahnlinie von Mendrisio über Stabio nach Varese habe ich das Mendrisiotto mehrfach besucht. Dabei konnte ich über eine längere Zeitspanne die Verkehrserschliessung analysieren und zahlreiche Eindrücke sammeln. In diesem Bericht wird darüber berichtet.

Verkehrserschliessung aktuell

Die Teilstrecke von Mendrisio nach Stabio wurde mit dem Fahrplanwechsel 2014/2015 in Betrieb genommen. Im ersten Jahr verkehrten die Züge nur zu den Hauptverkehrszeiten am Morgen und am Abend. Mit dem Fahrplanwechsel 2015/2016 wurde das Angebot erheblich ausgeweitet – zurzeit verkehren an Werktagen auf der relativ kurzen Strecke 34 Zugspaare. Von Montag bis Freitag werden am Morgen und am Abend ergänzend je drei Busverbindungen ab Stabio nach Varese und zurück angeboten.

Postauto Schweiz AG führt von Montag bis Donnerstag 21 Busverbindungen von Mendrisio über Stabio zur Grenze bei Gaggiolo. An Freitagen verkehren zusätzlich zwei Spätbusse. An Samstagen werden 15 und an Sonn- und Feiertagen noch 12 Verbindungen angeboten. Gemäss den mir vorliegenden Informationen fuhren die Busse früher in das etwa 300 Meter hinter der Grenze in Italien liegende Gaggiolo weiter.

Von Gaggiolo aus fahren an Werk- und Schultagen von Clivio herkommend über zwanzig Busse nach Varese. Der unten gezeigte Fahrplan kann über diesen Link als PDF-Datei heruntergeladen werden: Autobus Varese-Clivio

In Gaggiolo stehen für die wartenden Fahrgäste zwei gemauerte Wartehallen zur Verfügung. An einem Gebäude sieht man noch Reste der ehemaligen Fahrplantafeln des Postautoanschlusses aus der Schweiz.

Würdigung

Die Situation ist in hohem Masse unbefriedigend und gekennzeichnet durch folgende Mängel:

  • Das Zugsangebot ist masslos. Am Vormittag und am Nachmittag verehren die vierteiligen Flirt Züge praktisch leer. Einige Male war ich von Mendrisio nach Stabio der einzige Fahrgast, und mehr als fünf Passagiere habe ich nie gezählt.

  • Auch der Anschlussbus von Stabio nach Varese wird kaum benutzt. Am 10. Januar 2017 war ich in dem in Stabio um 09.15 Uhr abfahrenden Bus bis Varese der einzige Fahrgast. Der Chauffeur führte auf meine Anfrage hin aus, dass die Busse generell nur spärlich benutzt würden.

  • Befremdend ist, dass der Bahnhof von Stabio eher peripher liegt und die Gemeinde mit dem Postauto weitaus besser erschlossen ist. Zudem fährt das Postauto bis zur Zollstation vor der Grenze weiter.
  • Weshalb bietet Postauto Schweiz AG an Werktagen 21 Kurse und die SBB 34 Züge an? Obschon der Bus die Region viel besser erschliesst!
  • Die Grenzkosten des völlig überrissenen Zugsangebots liegen pro Jahr bei mindestens CHF 1‘500‘000.-. Davon sind drei Viertel absolut überflüssig. Dafür verfaulen in mehreren Tessiner Bahnhöfen die Schwellen sogar auf den Durchfahrgeleisen, und im Mendrisiotto werden Ressourcen sinnlos verschwendet. Dazu folgt in den nächsten Tagen ein separater Bericht.
  • Auch die mögliche Schutzbehauptung dieser Verschwendung, man bereite das Publikum mit dieser Massnahme auf die Inbetriebnahme der integralen Strecke von Mendrisio nach Varese vor, ist nicht stichhaltig. Der Markt hat das Angebot nicht angenommen. Dafür ist es bei objektiver Betrachtung auch nicht prädestiniert.
  • Was denkt sich das Lokpersonal, das täglich eine grössere Anzahl von leeren Züge von Mendrisio nach Stabio und zurück führt? Als Lokführer würde ich mich versetzt fühlen! Der Spardruck auch auf dem Personal steigt!
  • Unverständlich ist auch, dass die Schweizer Postautos nicht mehr zur Bushaltestelle von Gaggiolo durchfahren und dort den Anschluss an die Busse nach Varese herstellen können. Zudem sind in der Schweiz kaum Informationen über das in den letzten Jahren stark erweiterte Busangebot in der Region Varese erhältlich.

Abschliessende Bemerkungen

Ein Einzelfall? Leider nein – es gibt in der Schweiz immer mehr ähnliche Situationen. Man denke etwa an die Übererschliessung des Klettgaus. Dabei fehlen unseren Bahnen die Mittel für die Instandhaltung der Infrastruktur, geschweige denn für die Beseitigung von Engpässen oder gar für weitere Ausbauten. Dazu ein Bild von einem stark befahrenen Gleis im Bahnhof Chiasso.

NHT – Der Anschluss an die Zukunft / verpasst?

Kürzlich bin ich auf den Prospekt „NHT – Der Anschluss an die Zukunft“ gestossen. Das Dokument wurde im Oktober 1980 gemeinsam vom Bundesamt für Verkehr, dem Stab für Gesamtverkehrsfragen und den Schweizerischen Bundesbahnen publiziert und basiert auf der im Dezember 1977 veröffentlichten „Gesamtverkehrskonzeption Schweiz“. Im Prospekt wird für eine aus Neubau- und Ausbaustrecken bestehende schnelle Ost/West-Verbindung mit einem Ast von Basel in den Raum Olten geworben.

Und wie sieht die Bilanz der NHT rund vierzig Jahre später aus? Abgesehen von einer Neubaustrecke zwischen Mattstetten und Rothrist wurde nichts realisiert. Im Gegensatz dazu haben unsere Nachbarländer leistungsfähige Hochgeschwindigkeitsstrecken gebaut.

Dafür wurden in der Schweiz abseits von den wirklich grossen Personenströmen teure und teilweise mit erheblichen Restriktionen behaftete Alpentunnels errichtet. Ganz nach dem Motto „für den Güterverkehr gedacht und primär für den Personenverkehr bestimmt“. Zu erwähnen sind auch die Ausbauten im Raum Zürich.

Weitsichtig und zukunftsweisend? Mehr demnächst in einem ausführlichen Beitrag über die Gesamtverkehrskonzeption!

Der eingangs erwähnte Prospekt kann über diesen Link heruntergeladen werden:
NHT Prospekt 1982. Ich wünsche eine anregende Lektüre.