Zu diesem Beitrag
Dieser Beitrag ist der neuen Eisenbahnlinie von Mendrisio nach Varese gewidmet. Nach einer kurzen Beschreibung der Bedeutung der FMV für die Schweiz wird über den Stand der Arbeiten berichtet. Anschliessend folgen ein kurzer Ausblick und einige abschliessenden Bemerkungen zum Projekt und dessen Finanzierung.
Bedeutung der FMV für die Schweiz
Gemäss dieser Übersicht ist die FMV für die Schweiz unter anderem aus vier Gründen von eminenter Bedeutung:
- Rasche Eisenbahnverbindung zum Flughafen von Malpensa. Direkte Schnellverbindungen „Malpensa Express“ vorausgesetzt, könnte dieser von Lugano aus in 50 Minuten erreicht werden.
- Wichtiger Brückenschluss im grenzüberschreitenden Regionalverkehr zur Entlastung der in den Stosszeiten sehr stark belasteten Strassen im Mendrisiotto.
- Entlastung der Linie von Chiasso nach Milano Centrale über Monza vom Regionalverkehr durch Führung der S-Bahnzüge aus der Schweiz über Varese und Saronno nach Milano Porta Garribaldi – Milano Porta Garribaldi ist der überragende Knotenpunkt im S-Bahnsystem von Mailand und wird auch von zahlreichen Fernverkehrszügen bedient.
- Verkürzung der Reisezeit von Lugano ins Wallis um mehr als eine halbe Stunde – schlanke Anschlüssen in Gallarate an die Fernzüge Mailand – Genf vorausgesetzt.
Stand der Arbeiten
Der Verfasser hat am 18. Dezember 2015 die Strecke zwischen Stabio und Varese abgeschritten. Wie bereits anfangs Dezember 2015 festgestellt, wurden die Bauarbeiten nach rund dreijähriger Pause wieder aufgenommen. In der Tat wird auf mehreren Abschnitten intensiv gearbeitet. Grosses Baugerät war bei der Besichtigung hingegen nicht festzustellen. Nachstehend ein kurzer Bildbericht über den Stand der Arbeiten:
Am Tunnel bei Gaggiolo wird wieder gearbeitet. Zurzeit ist etwa die Hälfte des rund ein Kilometer langen Tunnels ausgebrochen und ausbetoniert.
Auch bei der grossen Talbrücke im Anschluss an den Tunnel von Gaggiolo sind erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen. Der letzte der bis zu 700 Tonnen schweren Pfeiler ist in Arbeit, und die Elemente für den stählernen Brückenkörper wurden geliefert und teilweise bereits zusammengesetzt.
Abgesehen von einer sich im Bau befindlichen Brücke über die Bévera ist das Trasse bis zum Dorfrand von Arcisate im Rohbau praktisch fertig, wie die folgenden Bilder zeigen.
Der Fortschritt auf den Abschnitten auf dem Gebiet der Gemeinde Arcisate ist unterschiedlich. Alle Bohrpfähle für die Wände der tiefgelegten Bahnlinie wurden meines Wissens erstellt. Auf etwa der Hälfte der Strecke ist der Aushub erfolgt, und die Baumeisterarbeiten für die Haltestellen sind im Gang.
Auch die Arbeiten am Tunnel zwischen Arcisate und Induno sind wieder im Gang. Der einspurige Tunnel der alten Bahnlinie von Varese nach Porto Ceresio wird von einem neuen doppelspurigen Tunnel unterfahren. Die Sohle des alten Tunnels wurde bereits vor drei Jahren aufwändig stabilisiert.
Das Bild unten links wurde vor zwei Jahren aufgenommen und zeigt sehr schön das Profil des in der Zwischenzeit bereits angestochenen Tunnels.
Auch auf dem letzten Teilstück zwischen dem Tunnel von Induno und der bestehenden einspurigen Talbrücke vor Varese wird gearbeitet. Der Aushub und die Arbeiten für die Haltstelle sind im Gang (leider sind die Fotos undeutlich).
Ausblick
Aufgrund meiner Beurteilung dürften die Bauarbeiten noch einige Zeit dauern, und dies auch nur unter der Voraussetzung, dass keine grösseren Probleme oder Schwierigkeiten bei der Finanzierung auftreten. Baulich besonders anspruchsvoll ist das Teilstück zwischen dem Ostportal des Tunnels bei Gaggiolo und der auf schweizerischem Gebiet bereits bis zur Grenze herangeführten Strecke von Stabio.
Auf der am 20. Juli 2015 montierten Bautafel bei der Talbrücke von Arcisate wird mit einer Fertigstellungsdauer von 790 Werktagen gerechnet. Daraus abgeleitet dürfte die Eröffnung bedauerlicherweise kaum vor Ende 2018 erfolgen.
Abschliessende Bemerkungen zum Projekt
Aus meiner Sicht wird dem Projekt aus schweizerischer Optik in bedauernswerten Ausmass die notwendige Aufmerksamkeit versagt. Dabei profitiert die Schweiz meines Erachtens von der neuen Eisenbahnlinie in bedeutend höheren Ausmass als Italien. Zudem sind die Bauarbeiten auf dem italienischen Teilstück – wie gezeigt – weitaus aufwendiger als im Mendrisiotto, die sich lediglich auf die Erweiterung einer bereits bestehenden Eisenbahnlinie ohne grössere Kunstbauten beschränkten. Auffallend ist auch die umweltschonende und beispielhafte Tieflegung der doppelspurigen Strecke in Italien ab der Grenze bis zur Talbrücke vor Varese.
Aus dieser Optik hätte sich eigentlich ein substantieller Beitrag der Schweiz an die Erstellungskosten auf der italienischen Seite aufgedrängt. Mit dem HGV-Kredit hätte eine Finanzierungsquelle zur Verfügung gestanden. Entnahmen wären mit der Zweckbindung des HGV-Kredits (Kreditrahmen von rund CHF 700 Mio. für Massnahmen für den Anschluss der Schweiz an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz) auf jeden Fall besser zu vereinbaren gewesen als die Entnahme von CHF 100 Mio. für den Tunnel bei Rosshäusern oder Zuschüsse an die Kosten für die Perronverlängerungen im St. Galler Rheintal bzw. geplante Subventionen der Elektrifizierung der Eisenbahnlinie im Allgäu.
Für mich – und ich bin ein Freund klarer Worte – ein weiterer Beweis für die völlig entgleiste Prioritätensetzung beim Ausbau des Schweizer Eisenbahnnetzes. Zu Dank verpflichtet sind wir jedoch der Region Lombardei für die Wiederaufnahme der Arbeiten in einer schwierigen Wirtschaftslage.