Wucher im HB Zürich

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Auf einer Bahnreise in die Slowakei legten wir in Wien einen Zwischenhalt ein und mussten dabei Serviceleistungen im neuen Hauptbahnhof von Wien in Anspruch nehmen. Diese Serviceleistungen wie Gepäckaufbewahrung und Toiletten entsprechen absolut denjenigen im Hauptbahnhof Zürich. Krasse und Fragen aufwerfende Unterschiede bestehen hingegen bei den Preisen. Selbst wenn man die unterschiedliche Kaufkraft berücksichtigt, betragen die Preise für die absolut identischen Leistungen in Zürich das Mehrfache derjenigen von Wien.

Dazu zwei Beispiele:

Schliessfächer

In Wien mussten wir unser umfangreiches Gepäck in einem grossen Schliessfach aufbewahren. Der Preis für 24 Stunden betrug EUR 3,50 oder rund CHF 3,80.

Schliessfachanlage in Wien HB unmittelbar neben der Haltestelle der S-Bahn.
Das von uns benutzte grosse Schliessfach.
Talon des von uns benutzten Schliessfach.

In Zürich wären für das gleich grosse Schliessfach für 24 Stunden Benutzungsgebühren von CHF 21.- angefallen – also rund das Sechsfache des Betrages in Wien. Kaufkraftbereinigt immer noch etwa 3 ½  Mal mehr!

Vergleichbares Schliessfach in Zürich.
Schliessfachanlage in Zürich. Mit der Lage der Anlage in Wien vergleichbar. Man beachte, dass der überwiegende Teil der Anlage von Wien mit einer Glaswand geschützt ist, was bei der Benutzung der Schliessfächer eine gewisse Diskretion gewährleistet.
Tarife der Schliessfächer in Zürich.

Toiletten

Auch in Wien Hauptbahnhof ist die Benutzung der fast baugleichen und hygienischen Toilettenanlagen wie in Zürich kostenpflichtig. Der Zugang kostet EUR -.50. Allerdings erhalten die Benutzer beim Bezahlen des Eintritts einen Wertgutschein der ÖBB in der gleichen Höhe. Ergo ist die Benutzung der Toiletten für Fahrgäste der ÖBB gratis.

Gutschein für Benutzer der Tolietten in Wien, entsprechend dem Wert der Benutzungsgebühr.

Dagegen kostet im HB Zürich sogar das kleine Geschäft in der Toilette CHF 2.-. Und selbst die Benutzung der nicht bedienten und oft völlig verwahrlosten Toilette im Bahnhof Zürich Enge kostet noch CHF 1.-.

Übersicht über die Preise in Zürich.

Kommentar

Eigentlich sprechen die Zahlen für sich. Dennoch hinterlassen geben die krassen Unterschiede der Preise für die Serviceleistungen zu Fragen Anlass – unter anderem nach dem Verständnis von Kundenfreundlichkeit bei den SBB.

Zurzeit wird das Umsteigen vom Flugzeug auf die Bahn im internationalen Personenverkehr postuliert. Aber im Gegensatz zu den Gegebenheiten auf den Bahnhöfen stehen auf den meisten Flughäfen auch im Ausland den Fluggästen in kurzen Abständen kostenlos saubere Toiletten zur Verfügung.

Und abschliessend zwei persönliche Erfahrung.

  1. Vor etwa einem halben Jahr half ich einem jungen Inder – er hatte in der Jugendherberge von Zürich-Wollishofen übernachtet – auf der Fahrt zum Hauptbahnhof. Er beabsichtigte, mit dem 6.40 Uhr Railjet nach Innsbruck zu reisen und um 21.20 Uhr wieder in Zürich einzutreffen. Ich führte ihn im Hauptbahnhof Zürich zu den Schliessfächern, wo er sein umfangreiches Reisegepäck in einem grösseren Fach einlagerte. Als ich ihm die mutmasslichen Kosten von CHF 17.- für das Aufbewahren nannte, befiel mich Scham. Er wies mein Angebot, mich an den Kosten zu beteiligen, zurück.

  2. Im Sommer 2020 verbrachten wir ein paar Tage in Brusio. Auf der Rückreise legten wir in Poschiavo einen Zwischenhalt für eine Besichtigung ein. Am Schalter im Bahnhof der RhB erkundigten wir uns nach Schliessfächern. Unsere Anfrage wurde abschlägig beantwortet. Dafür öffnete uns der freundliche Mitarbeiter die Türe zu einem Lagerraum, indem wir ohne jegliche Formalitäten unser Gepäck kostenlos für ein paar Stunden einlagern durften.

Bahnprojekte in der Region Greyerz – visionär oder übermässig?

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Bei Aufenthalten in der Region Greyerz stellten wir eine intensive Bautätigkeit an der Eisenbahninfrastruktur fest. So kürzlich auch im Rahmen einer Wanderung von Châtel-St-Denis nach Montbovon. Dies war Anlass, in diesen Tagen einige der abgeschlossenen und laufenden Projekte zu besichtigen – und auf unserer Website darüber zu berichten.

Die Projekte zeichnen sich durch eine ausserordentliche Grosszügigkeit aus. Das führt zu kritischen Fragen – auch solche staatspolitischer Natur.

Karte der Region Greyerz (bei Romont und bei Châtel-St-Denis sind die in diesem Beitrag beschriebenen „Spangen“ schematisch eingezeichnet).

Châtel-St-Denis

Vor der Inbetriebnahme der neuen Bahnhofanlagen mussten die Züge im alten Bahnhof von Châtel-St-Denis die Fahrtrichtung ändern. Früher verkehrten von Châtel-St-Denis über Saint-Légier direkte Züge nach Vevey. Diese rund acht Kilometer lange Bahnlinie wurde 1969 stillgelegt und abgebrochen. Das dem Kanton Freiburg gehörende Transportunternehmen Gruyères-Fribourg-Morat GFM stellt seit der Umstellung den Busbetrieb sicher. Mit der Übernahme der Freiburger Verkehrsbetriebe im Jahr 2000 firmierte die GFM zu Transports Publics Fribourgeoise TPF um. Zwischen Palézieux verkehren über Châtel-St-Denis halbstündlich Regionalzüge nach Bulle. Ab Bulle fahren die Züge stündlich nach Montbovon.

Gerne halte ich meine Eindrücke auf den folgenden Bildern fest und verweise auf die Kommentare bei den Aufnahmen.

Einfahrt in den neuen Bahnhof aus Süd-West.
Überblick über den neuen Bahnhof.
Eindruck von den Bahnsteigen.
Östlicher Bahnsteig mit der überdachten Treppe zur zukünftigen Busstation unter dem Bahnhof.
Lift zur zukünftigen Busstation.
Lift oder Rampe? Keine Frage – Beides!
Wartehalle auf dem Bahnsteig.
Luftzuführung zur mutmasslich klimatisierten Wartehalle.
Wartehalle bei der zukünftigen Busstation mit direktem Abgang zur Tiefgarage (schlecht erkennbar).
Kostenlos zu benutzende und hygienische Toilette unter dem Bahnhof.
Reste des Trasse der früheren Bahnverbindung nach Saint-Légier (und weiter nach Vevey).
Ausschnitt aus der Landeskarte der Schweiz 1:50’000 aus dem Jahr 1965 – Blatt 262 Rochers de Naye – mit der Lage der einstigen Bahnlinie nach Saint-Légier und Vevey.
Busparkplatz auf dem Gelände des früheren Bahnhofs.
Zwei sich im Bahnhof von Châtel-St-Denis kreuzende neue Züge von Stadler (die zwischen 09.43 Uhr und 10.43 Uhr beobachteten sechs Züge waren praktisch leer).
Eindruck aus dem um 11.00 Uhr von Châtel-St-Denis nach Bulle fahrenden Zug.

Montbovon

Montbovon als Knotenpunkt liegt an der von den „Golden Pass-Expresszügen“ der MOB befahrenen Strecke von Montreux nach Zweisimmen. Diese weitgehend dem touristischen Verkehr dienenden Züge verkehren stündlich. Montbovon ist ein kleines Dorf und zähle 2004 265 Einwohner. Von Montbovon fährt jede Stunde ein Regionalzug über Gruyères (Greyerz) nach Bulle. Besonders an schönen Tagen ist die Nachfrage zwischen dem historischen Städtchen Greyerz und Bulle sehr hoch.

In Montbovon steigen höchst spärlich Fahrgäste aus oder um. Dem Bahnhof angegliedert ist ein kleines Depot der MOB.

Nachstehend eine kommentierte Bildreportage.

Karte mit der Lage von Montbovon (der Golden Pass-Express verkehrt von Montreux nach Zweisimmen und Interlaken).
Schmucke Bahnhofbeschriftung, wie sie an den meisten Bahnhöfen in der Region zu sehen sind.
Blick auf das Bahnhofgebäude mit dem Hausperron.
Bild auf den Bahnhof mit dem Mittelperron.
Abgang vom Mittelperron in die Unterführung. Man beachte die formschöne Dachkonstruktion.
Eines von drei künstlerischen Wandmosaiken in der Unterführung. Allein diese lohnen eine Besichtigung des Bahnhofs.
Details der Dachkonstruktion beim Abgang vom Hausperron in die Unterführung.
Seitenausgang aus der Unterführung in Richtung des Depots – selbstverständlich auch überdacht. Aber nur vereinzelte Fahrgäste dürften diesen Ausgang je benutzen!
Mittelperron mit einem Golden Pass-Express und einem Regionalzug nach Bulle.
Elektronische und formschöne Fahrplananzeige auf dem Mittelperron – für eine geringe Anzahl von Fahrgästen.

Wenige Fahrminuten oberhalb Montbovon liegt die weitab vom kleinen Dorf gelegene Haltestelle von Les Sciernes. Perfekt hergerichtet, aber ich habe bei meinen Besuchen dort ausser uns noch nie Fahrgäste aus- oder einsteigen gesehen.

Komfortable Wartehalle und vorbildlich geschützte Zugänge zu den Bahnsteigen. Bei den auf dem Bild sichtbaren Personen handelt es sich um Mitglieder unserer Wandergruppe.

Bulle

Bulle hat sich in den letzten Jahren als Folge des Baus der Nationalstrasse A12 dynamisch entwickelt und präsentiert sich heute als modernes Zentrum. Im Grossraum Bulle sind mehrere Industriebetriebe angesiedelt. Bis vor einigen Jahren verkehrten zwischen Fribourg und Bulle über die Autobahn direkte Schnellbusse mit einer Fahrzeit von etwa einer halben Stunde. Der Busverkehr wurde zugunsten von Regionalexpress-Zügen aufgegeben. Diese Züge halten nur in Romont. Jeder zweite Zug verkehrt, abgesehen von den Randstunden, von Fribourg weiter nach Bern – wenige Minuten vor den Interregio-Zügen der SBB, und entlastet so in den Stosszeiten die IR der SBB.

Bemerkenswert – und zu Fragen Anlass bietend – sind jedoch die Verlegung und der Abbruch des vor etwas mehr als zwanzig Jahren grundlegend erneuerten Bahnhofs von Bulle. Dieser nahe beim Ortszentrum gelegene Bahnhof hat mich bei früheren Besuchen durch seine  Modernität und seine Kundenfreundlichkeit beeindruckt. Die direkt zur grosszügigen und repräsentativen Busstation – die Rückwand ist auf einer Länge von rund 100 Metern mit einem grossen Wandgemälde verziert – führende Unterführung ist auf beiden Enden mit Rolltreppen und mit grosszügigen Treppen ausgestattet.

Ansicht des bestehenden Bahnhofs von Bulle in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum. Diese rund 20 Jahre alten Anlagen müssen in naher Zukunft einem im Bau befindenden neuen Bahnhof weichen. Dieser befindet sich links vom Beobachter in etwa 250 Metern Entfernung vom bestehenden Bahnhof.
Ansicht auf die Bahnsteige von Bulle.
Repräsentatives Bahnhofgebäude von Bulle.
Blick aus der Bahnhofhalle des bestehenden Bahnhofs auf die Bahnsteige und den Abgang in die Unterführung (man entschuldige die schlechte Bildqualität).
Kunst am Bau in der Unterführung.
Aufgang aus der Unterführung mit Mitteltreppe und Rolltreppen.
Flüchtiger Blick hinter die Absperrung auf das Dach eines Bahnsteiges des zukünftigen Bahnhofs. Man beachte die atemberaubende und höchst aufwendige Gestaltung des Unterdachs.
Detail von der Rampe in die Unterführung des zukünftigen Bahnhofs.

Broc Fabrique

In Broc Fabrique befinden sich ein attraktives und stark frequentiertes Museum von Nestlé sowie eine noch aktive Schokoladefabrik von Nestlé. Broc Fabrique war mit Bulle mit einer schmalspurigen Eisenbahnlinie verbunden, auf der in der Regel jede Stunde ein Regionalzug verkehrte. Diese Strecke diente bis vor wenigen Jahren auch der Zulieferung von Rohstoffen für die Schokoladenproduktion und dem Transport der Fertigprodukte.

Diese ausserhalb von Bulle von der Strecke nach Montbovon abzweigende Zweigstrecke ist rund 5 Kilometer lang und wird gegenwärtig auf Normalspur ausgebaut. Das macht wegen den östlich von Bulle entstehenden neuen Siedlungen und der Weiterführung der Züge aus Romont nach Broc zwar durchaus Sinn. Auffallend ist jedoch, dass auf der neuen Normalspurstrecke kein Güterverkehr angedacht ist und Bulle von den SBB trotz den zahlreichen Gewerbebetrieben als Bedienpunkt für den Güterverkehr aufgegeben wird.

Kürzlich erneuerte Fahrleistungsmaste der abgebrochenen Schmalspurbahn. Möglicherweise werden sie für die Montage der neuen Fahrleitung (15’000 Volt Wechselstrom statt 900 Volt Gleichstrom) der Normalspurbahn teilweise wieder verwendet.
Güterverkehr adieu.
Tanklastwagen aus Belgien vor der Schokoladefabrik von Nestlé.
Lagergebäude von Nestlé.
Lastwagenzug aus der Niederlande vor dem Lagergebäude.
Nummernschild auf dem Zugfahrzeug des Lastwagenzuges – zugelassen in Zagreb (Kroatien). Was der Chauffeur wohl verdienen mag?
Nummernschild auf dem Auflieger des Lastwagenzuges.

Spange von Romont nach Vuisternes-devant-Romont

Die bestehende Strecke führt ausserhalb von Romont in einem grossen Bogen nach Vuisternes-devant-Romont. Die Streckengeschwindigkeit liegt etwa bei 100 km/h. Nun soll die grosse und schutzwürdige Mulde ausserhalb von Romont zur Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h und zur Verkürzung der Reisezeit um drei Minuten mit einer knapp ein Kilometer langen Talbrücke durchquert werden. Die budgetierten Kosten für dieses Bauwerk betragen über CHF 72 Mio. und werden vollständig vom BIF, dem Bahninfrastrukturfonds der Schweiz, getragen. Beiträge des Kantons Freiburg sind nicht vorgesehen.

Übersichtskarte und Ansicht des Projekts. Und was – liebe Leserin, lieber Leser – planen die Fachleute der SBB bezüglich des Ausbaus der musealen Einspurstrecke am Walensee zwischen Mühlehorn und Tiefenwinkel?
Blick aus dem fahrenden Zug von Osten auf das Gelände der zukünftigen Talbrücke.
Blick zurück aus dem fahrenden Zug auf das Gelände der zuküntigen Talbrücke.

Kommentar

Natürlich sind die Modernisierung der Eisenbahninfrastruktur in der Region Greyerz und der Ersatz des Rollmaterials zu befürworten. Ich halte den Ausbaustandard und gewisse Projekte wie die Spange von Romont jedoch für übertrieben. Und ob der Ersatz eines relativ neuen, gut funktionierenden und modernen Bahnhofs wie Bulle sinnvoll ist, bleibe dahingestellt.

Ausserdem wurden meines Erachtens mit dem Verzicht auf den Wiederaufbau der Eisenbahnverbindung zwischen Châtel-St-Denis und Saint-Légier (und weiter nach Vevey) die Interessen des Kantons Freiburg über diejenigen der Schweiz gestellt. In der Agglomeration Vevey-Montreux wohnen über 70‘000 Menschen. Wurden mit Mitteln des BIF über die Bedürfnisse der Eisenbahn hinaus nicht einfach Standortpolitik und Wirtschaftsförderung betrieben?

Und ist es gerecht, wenn im Greyerzerland für letztlich doch überschaubare Fahrgastzahlen zwischen CHF 600 Mio. und CHF 700 Mio. in den Ausbau der Bahninfrastruktur investiert werden, während im Kanton Zürich an vielen Orten auf den Bahnhöfen unzumutbare Zustände bestehen? Man vergleiche beispielsweise Montobovon mit Zürich-Wollishofen oder Wallisellen – auch letztere beiden wurden in den letzten Jahren umgebaut und weisen sehr viel höhere Passagierzahlen auf.

Und abschliessend – aber nicht zu guter Letzt – was will SBB Cargo in der Schweiz überhaupt noch befördern, wenn die Region Bulle vom Güterverkehr abgehängt wird?

Die Hoffnung lebt!

Unter der Leitung von Vincent Ducrot – er war zwischen 2011 und 2018 Generaldirektor der TPF – entwickelte sich dieses Unternehmen offensichtlich prächtig. Ein gutes Omen für die SBB, denn Vincent Ducrot übernahm am 1. April 2020 als CEO die Leitung unserer Staatsbahn.

Quellenhinweise

Die Bilder stammen vom Verfasser. Die Kartenausschnitte wurden mit dem besten Dank dem „Eisenbahnatlas Schweiz“ von Schweers+Wall oder der Landeskarte der Schweiz entnommen. Das Bild und die Karte der Talbrücke bei Romont wurden aus der Website der TPF kopiert. Trotz sorgfältiger Recherche besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.