Studienreise BBT & Inntal / Kurzbericht

Am Samstag, 21. April 2018, fuhren zwölf am öffentlichen Verkehr interessierte Kollegen am Morgen früh nach Innsbruck. Hier traf sich die Gruppe mit Dr. Arthur Pohl, der sich freundlicherweise bereit erklärt hatte, die Studienreise als Begleiter mit seinen höchst fachkundigen Erläuterungen und wertvollen historischen Bezügen zu bereichern.

Gruppenbild vor dem neuen Rathaus von Steinach am Brenner

Der erste Höhepunkt war die Bahnreise nach Steinach am Brenner. Kurz nach der Ausfahrt aus Innsbruck sah man zur linken das Tunnelportal der bereits 1994 eröffneten Güterzugsumfahrung von Innsbruck.

In Steinach am Brenner bot sich Gelegenheit, den hohen Ausbaustandard des schmucken Bahnhofgebäudes zu besichtigen. Zwischen Steinach und dem Inntal verkehrt alle dreissig Minuten ein S-Bahn-Zug. Jeder zweite Zug fährt weiter nach Brenner, wo schlanke Anschlüsse nach Bozen bestehen. Bemerkenswert ist auch die ins Bahnhofgebäude integrierte unterirdische Parkgarage für Bahnkunden bei einem eher kleinen Ort. Nachstehend ein paar Bilder vom Bahnhof von Steinach

Bahnhofgebäude von Steinach am Brenner

Eindrücke aus dem geheizten und luxuriösen Wartsaal

Bahnhof von Steinach am Brenner mit Perronanlage, rechts der hier endende Zug

Nach der Besichtigung spazierte die Gruppe zum etwa einen Kilometer entfernten Besucherzentrum des Projekts Brenner Basis-Tunnel. Unterwegs bot sich Gelegenheit zu einem Blick auf die hoch über der Ortschaft durchführenden Brennerautobahn. Auf dem Bild nicht erkennbar sind die sich in kürzesten Abständen und ohne Unterbruch folgenden Lastwagen.

Während knapp einer Stunde hatten die Teilnehmer Gelegenheit, sich im informativen Besucherzentrum mit dem Projekt des Brenner Basis-Tunnels vertraut zu machen. Rund ein Viertel der Arbeiten sind bereits abgeschlossen, und man rechnet mit der Fertigstellung bis 2025. Schon die Gestaltung des Besucherzentrum lohnt einen Besuch von Steinach am Brenner. Es ist wesentlich freundlicher gestaltet als vergleichbare Ausstellungen im In- und Ausland.

Aussenansicht des Besucherzentrums

Nach der Besichtigung und dem Mittagessen kehrte die Gruppe nach Innsbruck zurück. Auf dem kurzen Aufenthalt wurde die Handhabung der Ticketautomaten der ÖBB erläutert. Die Benutzeroberfläche und die Transaktionen sind weitgehend identisch mit derjenigen auf dem PC und auf den Smart Phones. Eindrücklich und sehr benutzerfreundlich. Auch Billette nach Zielen im Ausland können einfach und im Nu erworben werden.

Blick auf die Perronanlage von Innsbruck

Anschliessend erfolgte eine kurze Fahrt nach Volders/Baumkirchen. Unterwegs sah man die eindrücklicheTalbrücke, welche das Ostportal des rund zehn Kilometer langenTunnels der Güterzugsumfahrung mit der Bestandesstrecke verbindet. In Volders/Baumkirchen besichtigte man die Einfahrt in den Terfenertunnel, dem ersten Teilstück der tief gelegten zweiten Doppelspur im Inntal. Infolge der mittlerweile sommerlichen Hitze sah man vom geplanten Marsch zum Anfang der Rampe ab.

Blick auf die Einfahrt in den Terfener Tunnel

Nach dieser Besichtigung fuhr die Gruppe weiter nach Jenbach. Nach einem Rundgang durch den Bahnhof wurden die benachbarten Bahnhöfe der Zillertal- und der Achenseebahn besichtigt und das Angebot der verschiedenen Bahnen studiert.

Die letzte Etappen führte nach Wörgl. Nach der Einkehr in einer Gaststätte in der autofreien Bahnhofstrasse wanderten die Teilnehmer zur Zugförderungsanlage von Wörgl. Hier empfing uns Martin Widner, der Chef der Werkstätte von Wörgl. Martin Widner hatte es sich nicht nehmen lassen, uns seinen Verantwortungsbereich nach seinem Feierabend zu zeigen.

Martin Widner hält die Zuhörer mit seinen Erläuterungen im Bann

In der Zugförderungsanlage werden hauptsächlich die Wagen für die Rollende Landstrasse gewartet. Martin Widner erläuterte sehr anschaulich den hohen Verschleiss, dem die mit kleinen Rädern ausgestatteten Drehgestelle ausgesetzt sind. Die Achsen müssen oft nach 80’000 Kilometern ersetzt und die Drehgestelle nach 160’000 Kilometern völlig überarbeitet werden.“

Der hohe Verschleiss hat dazu geführt, dass die Höchstgeschwindigkeit der RoLa-Züge von 120 km/h auf 100 km/h reduziert wurde.

Tragelement eines Wagens der Rollenden Landstrasse

Eher erstaunt hat der Sachverhalt, dass der Transport der Achsen zum rund 300 Kilometern entfernten Ausbesserungswerk bei Knittelfeld auf der Strasse erfolgt.

Auf dem Rückweg besichtigte die Gruppe einen mächtigen „Klima-Schneepflug“. Dieser hat sich bestens bewährt und wird auch heute noch eingesetzt. Der „Klima-Schneepflug“ wurde nach dem zweiten Weltkrieg nach den Plänen des begnadeten österreichischen Ingenieurs Rudolf Klima auf Teilen des Fahrwerks einer schweren Kriegsdampflokomotive der Reihe 52 gebaut.

Die mächtige Schneeschleuder, welche mit den Seitenarmen auch Fahrsteige räumen kann

Die letzte Etappe führte die Teilnehmenden in die Kommandozentrale des Fahrdienstleiters im Bahnhof Wörgl. Der diensthabende Fahrdienstleiter, Thomas Halder, präsentierte seinen Arbeitsbereich und den Aufbau und die Funktionsweise der technischen Einrichtungen.

Für weitere Informationen über den bemerkenswerten Bahnhof von Wörgl verweisen wir auf folgenden Bericht von Franz-Josef Innthaler http://fokus-oev-schweiz.ch/2016/02/22/woergl-hauptbahnhof-noch-ein-eisenbahnjuwel-in-oesterreich/

Tief beeindruckt und den Referenten, Dr. Arthur Pohl, Thomas Halder und Martin Widner zu grossem Dank verpflichtet, verliess die Gruppe kurz nach 19.34 Uhr Wörgl und traf eine Viertelstunde vor der befürchteten sehr späten Ankunft des Railjet in Zürich HB ein.

Ich schliesse mit dem besten Dank an alle, welche an dieser intensiven und eindrücklichen Studienreise teilgenommen haben. Vielen Dank auch für die zur Verfügung gestellten Fotos und für die Unterstützung beim Verfassen dieses Berichts, Servus und auf Wiedersehen!

 

Lärmprobleme – Hütet Euch am Morgarten!

Vorbemerkungen

Gegenwärtig befinden sich in der Schweiz verschiedene Projekte für den Ausbau der Bahninfrastruktur in der Planungsphase, sind blockiert oder stehen vor der Realisierung.

Auffallend ist, wie wenig dabei Rücksicht auf Mensch und Umwelt genommen wird. Entwicklungen in der Rechtsprechung und in den umliegenden Ländern werden ignoriert oder sind nicht bekannt.

Dazu kommen seit vielen Jahren bestehende Situationen, wie beispielsweise die unmittelbar neben der stark belasteten Osteinfahrt in den Bahnhof Bern stehenden Mehrfamilienhäuser ohne Lärmschutz – so etwas steht einem entwickelten Land ganz einfach nicht an.

Wir erachten diese Missstände als bedrohlich und empfehlen eine Neuorientierung.

Stetig steigende Bedeutung der Lärmprävention

Das Bundesgericht hat die Stadt Zürich ausdrücklich berechtigt, zur Lärmprävention auch auf stark befahrenen Strassen die Geschwindigkeit auf 30 km/h zu reduzieren.

Das ist für den motorisierten Individualverkehr und möglicherweise auch für den öffentlichen Verkehr ein schwerwiegender Eingriff.

Zur Vermeidung von Lärm- und weiteren Immissionen wurden in den letzten Jahren trotz erheblichen Mehrkosten Nationalstrassenabschnitte in Tunnels verlegt oder überdeckt.

Weitere teure Vorhaben stehen vor der Realisierung.

Geradezu vorbildlich ist die Lärmprävention bei den österreichischen Bahnprojekten, wie die Tieflegung der Inntalbahn oder die Güterzugsumfahrungen von St. Pölten oder Innsbruck. Bemerkenswert ist ferner die Tieflegung der Eisenbahnlinien im Raum Varese oder im Grossraum Mailand.

Der Eindruck besteht, dass die für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur zuständigen Stellen in den Ämtern oder bei den SBB diese Entwicklungen ignorieren oder nicht wahrhaben wollen.

Kritik an aktuellen Projekten

Wir haben unseren schwerwiegenden Bedenken gegenüber dem vierspurigen Ausbau der Eisenbahnlinie im Raum Liestal einen Beitrag auf unserer Website gewidmet. Hier der Link zum Beitrag http://fokus-oev-schweiz.ch/2017/11/26/eisenbahn-im-unterinntal-eine-andere-welt/

Nicht die Zeichen der Zeit erkannt haben auch die Befürworter der Variante Zimmerberg light für die überfällige Beseitigung des Engpasses zwischen Thalwil und Baar.

Gemäss einer Informationsveranstaltung der SBB ist der Abzweiger von der Stammstrecke nach Winterthur in den Brüttenertunnel nördlich vom Bahnhof Dietlikon oberirdisch über einen Viadukt vorgesehen. Ein haarsträubender Vorschlag! Dazu kommt, dass die neu auch für den Schnellzugsverkehr gedachte Strecke vom Bahnhof Oerlikon über Wallisellen nach Dietlikon durch dicht bebaute Wohngebiete führt.

Ins gleiche Kapitel gehört die Absicht, die Leistungsfähigkeit der Linie von Zug über Walchwil nach Arth-Goldau zu steigern – zuerst mit bald 250 km/h durch den Gotthard Basis-Tunnel und dann über diese museale Bahnstrecke.

Ungleich unverständlicher ist jedoch, dass die im Rahmen des Projekts AlpTransit beschlossene Direktverbindung zwischen dem Südportal des Gotthard Basis-Tunnels und Giubiasco entlang der Nationalstrasse A2 auf unbestimmte Zeit zurückgestellt wurde. Der dichte Verkehr wird weiterhin auf der Stammstrecke entlang dem Fuss des Pizzo di Claro sowie durch Arbedo und Bellinzona zum Nordportal des Ceneri Basis-Tunnels abgewickelt. Wie kann ein Verkehrsmittel vor diesem Hintergrund seine ökologische Überlegenheit und Umweltfreundlichkeit behaupten?

Risiken für den weiteren Ausbau der Eisenbahninfrastruktur in der Schweiz

Das Risiko, dass die oben beschriebene kurzsichtige Rücksichtslosigkeit aktuelle Projekte behindern oder verzögern kann oder längerfristig der anhaltend hohe Goodwill für den Ausbau der Schweizer Eisenbahninfrastruktur gefährdet, ist gross. Ein rasches Umdenken tut not.

10’000 Boeing B-737 – und die SBB?

Vorbemerkungen

In der neusten Ausgabe von TRAINS wurde berichtet, dass der Rumpf des 10’000. Boeing B 737-Jets mit der Eisenbahn von Wichita im Bundesstaat Kansas nach dem rund 3’000 Kilometer entfernten Werk in Renton im Bundesstaat Washington befördert wurde. Hier der Auszug aus TRAINS:

Triebfahrzeuge bei den SBB

Der kurze Bericht machte mich stutzig. Das zehntausendste Flugzeug vom gleichen Typ?

Erst kürzlich entdeckte ich in Sargans zwei abgestellte Twindexx-Triebzüge. Vor wenigen Tagen berichtete SRF, dass ein Giruno-Triebzug im Gotthard Basis-Tunnel eine Geschwindigkeit von 275 km/h erreicht habe. Bei Bombardier wurden in drei verschiedenen Ausführungen total 62 Twindexx-Züge bestellt – von dem von Stadler Rail eigens für die SBB entwickelten Giruno 29 Züge.

Die Fahrzeugpalette der SBB für den Fernverkehr wächst. Nachstehend eine möglicherweise unvollständige Übersicht über das im Fernverkehr eingesetzte Rollmaterial. Dazu kommt, dass die Ausrüstung der Triebfahrzeuge (ETCS) teilweise unterschiedlich ist.

  • Giruno
  • Twindexx
  • ETR 610
  • ICN
  • IC DS mit Re 460
  • EW IV-Pendelzüge mit Re 460
  • vier- und sechsteilige KISS
  • Pendelzüge mit EW II und Re 420
  • EW IV-Züge mit Re 420 nach Destinationen in Deutschland
  • Nachtzüge nach Deutschland und Österreich, in der Regel mit Re 420
  • von ausländischen Bahngesellschaften 2 Typen von TGV, Railjet und ICE
  • also mindestens 12 verschiedene Fahrzeuge

Im S-Bahn und Regionalverkehr ist die Vielfalt etwas geringer, nämlich

  • vier- und sechsteilige KISS
  • DS-Züge von Siemens
  • DS-Züge der ersten Generation
  • Flirt
  • GTW
  • Domino
  • Einsatzzüge mit sechs DS und zwei Re 420

Im Güterverkehr kommt SBB Cargo mit weniger Typen aus, nämlich

  • Re 420/421/430
  • Re 620
  • Re 474
  • Re 482
  • Re 484
  • Diesellokomotiven

Nicht enthalten in den obigen Zahlen sind Rangierlokomotiven und Spezialfahrzeuge, Triebfahrzeuge von „Privatbahnen“ und historische Lokomotiven.

Und was das bedeutet

Die breite Vielfalt von Triebfahrzeugen mag die Hersteller von Modelleisenbahnen und Eisenbahnromantiker erfreuen – die Eigentümer von Modelleisenbahnen wegen der Belastung des Budgets möglicherweise etwas weniger.

In der betrieblichen Realität wirkt sich die Vielfalt aus folgenden Gründen aber negativ aus.

  • Die Bedienung und das Fahrverhalten der Triebfahrzeuge ist unterschiedlich.
  • Die Lokomotivführer müssen in der Regel für jedenTyp geschult werden. Wer nicht über die notwendige Ausbildung verfügt, darf die entsprechende Lokomotive nicht fahren.
  • Für jede Lokomotive muss eine umfassende Dokumentation bereit gestellt werden.
  • Auch bei der Wartung und dem Unterhalt sind für jeden Typ ein spezielles Know How, Ersatzteile und teilweise Spezialinstrumente erforderlich.
  • Die Entwicklungs- und Inbetriebsetzungskosten müssen oft auf eine vergleichsweise kleine Fahrzeugflotte umgelegt werden.

Diese Vielfalt ist teuer. Abzuklären wäre, ob diese Aspekte bei der Beschaffung des jeweiligen Triebfahrzeugtyps hinreichend berücksichtigt wurden.

Auch für die Fahrgäste sind von der Vielfalt betroffen. Fast bei jedem Zug müssen sich die Fahrgäste beim Einsteigen anders orientieren.

Blick ins Ausland

Wie sieht es bei ausländischen Eisenbahnen aus? Unterschiedlich!

Ziehen wir für den Vergleich die ÖBB heran! Hier ist die Vielfalt bedeutend geringer. Abgesehen von mit Diesel betriebenen Fahrzeugen sieht man im Personenfernverkehr, und zwar sowohl für den nationalen und internationalen Verkehr, und im Güterverkehr praktisch nur noch Lokomotiven der Typen

  • 1142 (nur noch wenige im Einsatz)
  • 1044 (nur noch wenige im Einsatz)
  • Vectron (nur Güterverkehr)
  • Taurus, in verschiedenen Ausprägungen, auch für den internationalen Personenverkehr nach Deutschland, Italien, Schweiz, Tschechien und Ungarn
  • wenige ICE-T Triebwagenzüge

Im Regional- und S-Bahnverkehr kommen im dominierenden elektrischen Betrieb folgende Fahrzeuge zum Einsatz:

  • Talent-Triebzüge, in verschiedenen Ausprägungen
  • Desiro-Triebwagenzüge, in zwei Ausprägungen
  • ältere 4020-Triebwagenzügen
  • in der Regel mit 1044-Lokomotiven, seltener mit 1142-Lokomotiven, motorisierte Pendelzüge
  • in den Metropolitanräumen meist von Taurus-Lokomotiven geführte DS-Züge.

Im dieselbetriebenen Verkehr werden im Personen- und im Güterverkehr hauptsächlich folgende Fahrzeuge eingesetzt:

  • Desiro-Triebwagen
  • zweiteilige Triebwagenzüge
  • 5047-Einzeltriebwagen
  • 2016-Lokomotiven
  • 2043- und 2143-Lokomotiven

Kommentar

Auf europäischer Ebene ist die Vielfalt noch viel grösser. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht dürfte ein enormes Einsparungspotential vorliegen. Es wäre interessant, dieses zu kennen. Kundinnen und Kunden sowie Steuerzahlende wären dankbar, wenn das Einsparungspotential auch ausgeschöpft würde.

Bemerkenswert ist der Sachverhalt, dass die Vielfalt der eingesetzten Lokomotiven im stark liberalisierten und dem Wettbewerb ausgesetzten Güterverkehr im Vergleich zum Personenverkehr ungleich geringer ist.

Und – last but not least – lassen sich aus der Vielfalt in der Schweiz Rückschlüsse auf die strategische Weitsicht der Unternehmensleitung und der Eigentümerschaft ziehen?

Das im Personenfernverkehr eingesetzte Rollmaterial weist aus betrieblicher Sicht bedeutsame Unterschiede auf – Züge ohne Neigetechnik, Züge mit passiver Neigetechnik und Züge mit aktiver Neigevorrichtung, und diese erst noch in zwei verschiedenen Ausprägungen.

Mit der passiven Neigetechnik der Twindexx-Züge strebte man unter anderem an, die Fahrzeit zwischen Bern und Lausanne und zwischen St. Gallen und Zürich auf eine Stunde zu reduzieren und so auf Streckenneubauten zu verzichten. Ich erachte dieses Konzept als nicht zukunftstauglich. Es wird zwischen St. Gallen und Zürich infolge der dichten Streckenbelegung mittelfristig nicht funktionieren. Der Fahrplan im Personenfernverkehr zwischen St. Gallen und Zürich ist bereits heute wirr – recht eigentlich entgleist. Die DS-Züge stellen den schnellen Intercity-Verkehr sicher, und die stark motorisierten und für bogenschnelles Fahren gebauten Intercity-Neigezüge folgen ein paar Minuten später für den langsameren Verkehr. Eigentlich kaum zu glauben.

Das Konzept ist aber auch Ausdruck von Geiz und Kurzsichtigkeit, indem die schweizerische Verkehrsinfrastruktur sowohl für die Strasse als auch für die Schiene im europäischen Vergleich immer weiter zurück fällt.

Abschliessend noch ein paar Bemerkungen zur Einsatzfähigkeit der Triebwagenzüge im Fernverkehr. Die SBB haben in Zusammenarbeit mit den Herstellern schmerzlich bewiesen, dass sie die ETR 470- und ETR 610-Triebwagenzüge nie mit der notwendigen Qualität betreiben konnten. Und nun kommen demnächst zwei völlig neue Typen von Triebwagenzügen zum Einsatz – einer davon mit mehrjähriger Verzögerung und einer enorm problembehafteten Inbetriebsetzungsphase. Man wird sehen – aber die Hoffnung stirbt zuletzt.

 

 

MEV – ein Bahndienstleistungsunternehmen stellt sich vor

Topics

MEV Schweiz AG lud am Freitag, 23. März 2018, Kunden, Medienschaffende und Meinungsbildnern zu einem „Tag der offenen Tür“ an den Sitz der Gesellschaft in Basel ein.

MEV und prominente Referenten boten den zahlreichen Gästen einen intensiven und hoch interessanten Vormittag. Wer Zeit fand, konnte im Anschluss die Ausstellung „Warnanlagen“ besuchen und einer Demonstration der Ausbildungssimulatoren für Lokomotivführer beiwohnen.

Der Veranstalterin und den Referenten gebührt Dank und Anerkennung für das Gebotene. MEV hat die Präsentationen über folgenden Link zur Verfügung gestellt:
http://www.m-e-v.ch/de/unternehmen/mev-aktuell.

Die in diesem Beitrag verwendeten Präsentationen wurden mit dem besten Dank an die Verfasser den Präsentationen entnommen. Besten Dank auch an Kurt Metz, der die Bahnjournalisten auf diese Veranstaltung aufmerksam machte.

Rastatt danach – Podiumsdiskussion

In einer Podiumsdiskussion äusserten sich Tomaso di Benedetto, Geschäftsführer von MEV Schweiz AG, Thomas Jau, SBB Infrastruktur AG, und Markus Zgraggen, BLS Cargo AG, zum Verlauf und zu den Lehren aus dem fatalen Unglück bei Rastatt, welches eine mehrwöchige Sperrung eine der wichtigsten europäischen Eisenbahnstrecken nach sich zog. Nachstehend in Stichworten zentrale Aussagen aus der Diskussion und der anschliessenden Fragerunde:

  • Die EVU müssen sich für alle Schadensereignisse wappnen. Mitarbeitende und Instrumente müssen noch sorgfältiger evaluiert werden.
  • Dank der guten Konjunktur hielten sich die Auswirkungen auf den Geschäftserfolg in 2017 für die BLS Cargo AG und die SBB Cargo International AG im Rahmen. Bei der BLS waren während der Sperrung 60 Prozent des Transportvolumens betroffen.
  • Man stand dem Ereignis anfänglich ohnmächtig gegenüber und hatte den Eindruck, dass die zuständigen Stellen in Deutschland die Auswirkungen anfänglich unterschätzten und die Reparaturen zu zögerlich anliefen. Aus heutiger Sicht erscheint die Dauer der Sperrung von sieben Wochen als viel zu lang.
  • Die intensive Zusammenarbeit der betroffenen EVU hat die internationale Kooperation intensiviert und zu neuen Kontakten geführt. Erfreulicherweise haben sich die Mitbewerber gegenseitig unterstützt.
  • Man erwartet, dass das Management des Güterverkehrs-Korridors das Ereignis sorgfältig analysiert und das Dispositiv für derart gravierende Vorfälle verbessert.
  • Auch MEV war von Rastatt stark betroffen, da das Unternehmen rund die Hälfte seines Umsatzes auf diesem Korridor erarbeitet. MEV war jedoch in der Lage, innert kürzester Zeit 15 streckenkundige Lokomotivführer nach Singen für den Einsatz auf der Gäubahn als Ausweichroute zu entsenden. Dies hat die Beeinträchtigungen für die EVU spürbar reduziert.
  • In den Tagen seit Rastatt haben weitere Ereignisse das Funktionieren des Eisenbahnverkehrs in Europa kurzfristig empfindlich gestört, wie Stürme oder Streiks.
  • Es wird darauf hingewiesen, dass Rastatt eigentlich auf europäischer Ebene zu lösen wäre. Das Ausweichen auf benachbarte Güterverkehrskorridore müsse gefördert werden. Leider standen für den Ausweichverkehr durch das Elsass zu wenige Lokomotiven und streckenkundige Lokomotivführer zur Verfügung. Einmal mehr zeigten sich die Schwächen der durch nationale Gegebenheiten bedingten zu geringen Interoperabilität.
  • Die verstärkte Standardisierung der europäischen Güterverkehrskorridore ist überfällig.
  • Die Organisation des europäischen Schienengüterverkehrs wird auf Anfrage als zweckmässig bezeichnet. Die zahlreichen kleinen EVU, oft Tochterunternehmen der grossen Staatsbahnen, haben durch ihre Innovationen den Markt belebt.
  • Man ist zusammenfassend zuversichtlich, dass die Erkenntnisse aus Rastatt die Reaktion bei ähnlichen und leider nicht auszuschliessenden Schadenfällen verbessern würden.

Automatisierung und autonomes Fahren

Wolfgang Hüppi, im Bundesamt für Verkehr als Sektionschef für die Sicherheitstechnik zuständig, referiert über den Stand der Automatisierung und des autonomen Fahrens. Er unterscheidet die folgenden vier Stufen des Automatisierungsgrades.

Beim verstärkten Einsatz der Informatik geht es nicht primär um Personaleinsparungen – vielmehr stehen die Kapazitätssteigerung, die Effizienzerhöhung und die Qualität im Fokus der Massnahmen. Bei der neuen Schnellverbindung Thameslink in London können im Regelbetrieb in jeder Richtung pro Stunde bis zu 24 Zügen fahren – bei Verspätungen sogar bis zu 30 Zügen.

Ein automatisierter Fahrbetrieb wird wohl noch lange folgende Voraussetzungen erfordern:

  • Artreiner Verkehr und kein Mischverkehr
  • Unabhängiger und geschützter Bahnkörper
  • Wenige und weitgehend einheitliche Fahrzeugtypen

Automatisiertes Fahren ist heute bei zahlreichen Untergrundbahnen eingeführt. Gemäss einem Hinweis aus dem Publikum ist automatisiertes Fahren bei den heute neu gebauten Untergrundbahnen die Regel.

Abschliessend zieht Wolfgang Hüppi folgendes Fazit für das automatisierte Fahren:

  • Die Industrie verfügt über ausgereifte Produkte und Fachwissen
  • Die Bahnen müssen den Nutzen und die Wirtschaftlichkeit mit stichfesten Geschäftsplänen nachweisen
  • Ein Einstieg in Etappen – beispielsweise bei Engpässen und Knoten sowie bei Neubaustrecken – ist sinnvoll
  • Das BAV will sich in der Planungsphase der Konzeptentwicklung einbringen.

Der für dieses Jahr geplante automatisierte Betrieb auf Teilstrecken wurde der Südostbahn verwehrt. Das BAV verlangt, dass die schweizerischen Normalspurbahnen koordiniert vorgehen und hat die Projektführerschaft den SBB übertragen. Die SBB haben für das automatisierte Fahren das Projekt „Smart Train“ aufgesetzt.

Technologische Herausforderungen bei einer kleinen Bahn

Martin Schindelholz, CEO der Oensingen Balsthal-Bahn OeBB, stellt sein Unternehmen kurz vor und erläutert, wie sein Unternehmen den technologischen Wandel bewältigt. Trotz der relativen Kleinheit und der beschränkten Mittel ist die OeBB gut unterwegs, wie der Referent anhand von konkreten Beispielen aus der Praxis darlegt. Eigentlich würde sich die OeBB trotz zahlreichen Bahnschranken für einen Pilotbetrieb mit automatisiertem Fahren gut eignen.

Die Ausrüstung der Triebfahrzeuge der OeBB mit ETCS wäre wegen der elektromechanischen Steuerung enorm aufwendig und kompliziert und fällt deshalb ausser Betracht. Hingegen erwägt die OeBB für den Gesellschaftsverkehr auf dem Schweizer Normalspurnetz die Anschaffung einer mit ETCS Level 2 ausgerüsteten Lokomotive.

Abschliessend beschreibt Martin Schindelholz die Schwierigkeiten, die sich der Einführung einer alle Verkehrsträger umfassenden elektronischen Fahrplananzeige im Bahnhof Oensingen ergeben haben.

ETCS – Stand heute

Hans Wyss, Ausbildner und Entwickler von Simulatoren bei MEV Schweiz AG, referiert über den Stand der Einführung von ETCS in der Schweiz. Wie seine Karte zeigt, ist das schweizerische Normalspurnetz weitgehend mit ETCS ausgerüstet. Auf Neubaustrecken ist ETCS Level 2 die Regel.

Innerhalb der Ebenen (Level) von ETCS bestehen verschiedene Abstufungen. In der Grundausprägung zeichnen sich die Ebenen von ETCS durch folgende Funktionalität aus:

  • ETCS Level 0 wird auf Strecken mit Aussensignalen und ohne infrastrukturseitige ETCS-Ausrüstung eingesetzt.
  • ETCS Level 1 wird auf Strecken mit Aussensignalisierung und infrastrukturseitiger ETCS-Ausrüstung verwendet. Die Übertragung der Signalstellung erfolgt punktuell. Es können mehr Informationen übertragen werden als mit der (punktbezogenen) PZB 90, aber weniger als LZB (Linienzugbeeinflussung).
  • Bei ETCS Level 2 werden alle Fahrinformationen funkbasiert in den Führerstand übertragen und dem Lokomotivführer auf einem Bildschirm angezeigt. Der Funktionsumfang von ETCS Level 2 entspricht in etwa demjenigen von LZB.
  • ETCS Level 3 funktioniert etwa wie ETCS Level 2. Hingegen existieren streckenseitig keine festen Blockabschnitte mehr, die Züge fahren auf Bremsdistanz und mit Sicherheitsmarge. Probleme ergeben sich dabei durch unterschiedliche Zugslängen.

Die Ausprägungen der Ebenen von ETCS werden durch die sogenannten Baseline (Stufen) definiert. In diesen Baseline sind unter anderem die nationalen Betriebskonzepte für die Abwicklung der verschiedenen Verkehrsarten beschrieben. Erst die Standardisierung dieser Betriebskonzepte würde den europaweiten und uneingeschränkten Einsatz von Triebfahrzeugen innerhalb des ETCS Level 2-Raums ermöglichen.

MEV – ein Bahndienstleister stellt sich vor

Stefan Zimmerman, Leiter Ausbildung bei MEV Schweiz AG, obliegt es, abschliessend sein Unternehmen vorzustellen.

MEV ist eine Tochtergesellschaft der TEX-Holding AG mit Sitz in Freienbach. Die TEX-Gruppe beschäftigt über 1‘000 qualifizierte Mitarbeitende.

MEV Schweiz AG ist seit 2002 in der Schweiz aktiv und ist heute der führende Anbieter von Eisenbahn-Betriebspersonal für befristete Einsätze. In Zusammenarbeit mit ihren Schwestergesellschaften in Deutschland, Österreich und den Niederlanden verfügt MEV über mehr als 600 ausgezeichnete Fachspezialisten. MEV ist in der Lage, auch grenzüberschreitende Verkehre durchzuführen. Die nachstehende Übersicht bietet einen guten Überblick über das Leistungsspektrum von MEV Schweiz AG.

Das Leistungsspektrum des Geschäftsbereichs Train Operating ist wie folgt charakterisiert:

  • Bereitstellung von Lokomotivführern für EVU primär in der Schweiz und in Deutschland
  • Lizenzen und Rollmaterial wird von den Kunden gestellt
  • Grundsätzlich werden unbefristete Rahmenverträge abgeschlossen
  • Die Personalplanung im Rahmen der einzelnen Aufträge obliegt MEV
  • 60 Prozent der Leistungen werden im Güter- oder Baustellenverkehr erbracht, der Rest im Personenverkehr
  • 2017 wurden mit 70 Lokomotivführern während ca. 107‘500 Stunden rund drei Millionen Zugkilometer zurück gelegt.

MEV stellt hohe Anforderungen an seine Lokomotivführer. Sie werden mit festen und unbefristeten Arbeitsverträgen angestellt und ständig weitergebildet. Es werden nur mit dem jeweiligen Fahrzeugtyp vertraute und streckenkundige Lokomotivführer eingesetzt.

Eine aufschlussreiche Übersicht von Stefan Zimmermann zeigt die Vielfalt von Anforderungsprofilen wie Vertrautheit mit Fahrzeugen und Streckenkundigkeit. Dies kompliziert die Personaldisposition ganz erheblich. Eigentlich eine dringende Aufforderung an die Bahnen und die Bahnindustrie, sich bezüglich der Bedienung der Fahrzeugen für eine weitgehende Standardisierung einzusetzen.
Stefan Zimmermann rundet seine Ausführungen mit einem Überblick über das weitere und breite Leistungsspektrum von MEV ab.

Konklusion aus Sicht des Verfassers dieses Beitrages

Tatsächlich eine hoch interessante und informative Veranstaltung. Nochmals ein grosses Dankeschön an MEV und die Referenten.

Aus meiner Sicht bleibt offen, ob die Organisationsform des europäischen Schienengüterverkehrs in Anbetracht der zahlreichen Partner tatsächlich zweckmässig und zukunftstauglich ist. Zahlreiche der heute angesprochenen Probleme und Herausforderungen liessen sich meines Erachtens im Rahmen von nur noch wenigen europäischen Gütereisenbahnen besser lösen oder würden sich gar nicht ergeben.