Üppiger BIF? – falsche Wahrnehmung bei der NZZ!

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Der Bundesrat hat am 10. Januar 2024 die Botschaft zur Revision des Gütertransportgesetzes verabschiedet.

Fabian Schäfer hat auf Seite 10 der Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 11. Januar 2024 unter dem Titel «Millionen für den Güterverkehr» einen Kommentar publiziert, in dem unter anderem die üppige Dotierung des 2014 eingeführten Bahninfrastrukturfonds (BIF) behauptet wird.

Auszug aus dem referenzierten Artikel aus der NZZ.

Ich teile diese Auffassung in hohem Masse nicht und möchte meine Meinung in diesem Beitrag darlegen.

Ausgangslage

Der BIF wurde im Rahmen der Vorlage FABI beschlossen. FABI steht für «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur».

Der Bundesrat schlägt vor, die Mittel für die Subventionen des Einzelwagenladungsverkehrs (EWLV) aus dem BIF zu finanzieren. In den ersten vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Beschlusses sollen CHF 260 Millionen investiert werden. Weitere CHF 180 Millionen sind für die Einführung der automatischen Kupplung vorgesehen. Zusätzlich soll der EWLV unbefristet mit CHF 60 Millionen pro Jahr subventioniert werden. Das führt in den nächsten zehn Jahren zu Ausgaben von einer Milliarde Franken.

Vollständiger referenzierter Artikel der NZZ.

Und wenn es nach dem Willen des Bundesrates geht, sollen die Einlagen in den BIF 2025 um CHF 300 Mio. und 2026 um weitere CHF 150 Mio. gekürzt werden.

Zum BIF

Martin Stuber hat nach umfangreichen Abklärungen bereits 2017 prognostiziert, dass die Mittel des BIF längerfristig nur noch für die Instandhaltung der bestehenden Infrastruktur ausreichen werden. Das ist keine gute Aussicht.

Grafische Darstellung der mutmasslichen Entwicklung des BIF aus dem Jahr 2017 und basieren auf den Informationen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Die Grafik wurde mit bestem Dank an den Autor dem Beitrag von Martin Stuber aus seinem Beitrag in der Ausgabe II/2017 des Info Forums von Pro Bahn entnommen.

Zudem bestehen im Schweizer Normalspurnetz weiterhin empfindliche Schwachstellen. Eine Arbeitsgruppe hat vor einigen Jahren eine Liste über die Schwachstellen erarbeitet. Dieser Link führt zur nicht mehr topaktuellen Übersicht: Schwachstellen

Die Finanzierung der von Swiss Railvolution vorgeschlagenen leistungsfähigen Neubaustrecken, im Besonderen das «Verkehrskreuz Schweiz», ist völlig offen und würde gewiss einen höheren zweistelligen Milliardenbetrag kosten. Dazu kommt, dass zahlreiche Bahnhöfe der SBB bezüglich Kundenfreundlichkeit zu wünschen offenlassen.

Klare Vorstellungen über den langfristigen Ausbaubedarf liegen nicht mit der notwendigen Verbindlichkeit vor. Zudem verzögert sich die Weiterentwicklung des Normalspurnetzes durch den langwierigen Entscheidungsprozess und die Vielzahl der Mitwirkenden. Das führt dazu, dass die Mittel des BIF oft für fragwürdige Investitionen bei den sogenannten Privatbahnen verwendet werden.

Dazu kommt, dass der Widerstand in der Bevölkerung gegen Infrastrukturausbauten generell zunimmt, und die Baukosten durch die zunehmende Reglementierung ständig steigen.

Kommentar

Der Beitrag von Fabian Schäfer nimmt auf diese Realität nicht nur keinen Bezug, sondern vermittelt ein völlig falsches Bild vom tatsächlichen Finanzbedarf für den Ausbau des schweizerischen Normalspurnetzes. Ich vertrete die Auffassung, dass unser Normalspurnetz im internationalen Vergleich immer weiter zurückfällt.

Die Situation tritt auch in anderen Infrastrukturbereichen auf. Sie ist typisch für alternde Gesellschaften, wo zu viel für den laufenden Betrieb ausgegeben und zu wenig in die Zukunft investiert wird.

In dieses Bild passt auch der folgende Ausschnitt aus dem Interview der NZZ mit Rolf Dörig in der Ausgabe vom 27. Januar 2024.

Die Kreation des BIF erfolgte wohl mit der Absicht, die Finanzierung des Unterhalts und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu gewährleisten. Und nun vergreift sich der Bundesrat beim ersten kühlen Lüftchen an den Mitteln des BIF. Die Frage steht im Raum, ob eine Verfassungsgerichtsbarkeit oder ein (Bundes-) Rechnungshof wie in Deutschland diesen Griff in die Kasse des BIF zugelassen hätten.

8 Gedanken zu „Üppiger BIF? – falsche Wahrnehmung bei der NZZ!

  1. Angesichts dieser Entwicklung ist der Moment gekommen, um über zwei kospielige Projekte ernsthaft zu diskutieren und sie durch deutlich kostengünstigere und damit wirtschaftlichere Alternativen zu ersetzen.
    Brüttener Tunnel: der Engpass besteht zwischen Winterthur und Effretikon und nicht zwischen Winterthur und Bassersdorf/Dietlikon. Dieses Monsterprojekt ruiniert die SBB, nicht nur beim Bau, sondern auch im Betrieb und Unterhalt. Eine Doppelspur zwischen Winterthur und Effretikon kostet vielleicht 500 bis 700 Millionen Franken (je ein neues Gleis neben der bestehenden Doppelspur).. Der Brüttener kostet in der Zwischenzei deutlich über 3 Milliarden Franken.
    Zimmerberg-Basistunnel: Diese Fehlplanung mit Kosten von inzwischen auch über 2 Milliarden Franken ist unnötig. Der Engpass besteht auch hier bei den beiden Einspurtunnels (Zimmerberg- und Albistunnel) und nicht zwischen Thalwil und Litti. Eine durchgehende Doppelspur Horgen Oberdorf – Litti kostet ca. 500 Millionen. Mit einer Südumfahrung von Thalwil ab dem (vorinvestierten) Abzweiger Nidelbad kann der Bahnhof Thalwil wiksam entlastet werden. Mit dieser Lösung kann auch auf den milliardenschweren, 12 km langen Meilibachtunnel verzichtet werden, dessen Zweck sowieso nicht begründet werden kann.
    Paul Stopper

    • Lieber Paul

      Vielen Dank für Dein Interesse an unserer Website und für Deinen Kommentar. Leider kann ich hier aus technischen Gründen nur sehr knapp auf Deinen Kommentar eintreten.

      Die Variante „Zimmerberg light“ weist gravierende Mängel auf, auf die wir schon mehrfach hingewiesen haben. Vielmehr müsste man a) den Korridor „Zürich-Zug-Luzern“ betrachten sowie b) das aktuelle Projekt „Zimmerberg II“ überarbeiten (Südportal viel näher an Baar, Streckengeschwindigkeit bei 200 km/h und vorbereitende Massnahmen für den Anschluss des Meilibachtunnels.

      Mehr Verständnis habe ich für die Kritik am Brüttener-Tunnel. Der Raum zwischen Zürich und Winterthur wird überzogen von einem wirren Netz an Eisenbahnstrecken. Zudem werden der Fernverkehr und der Nahverkehr nicht getrennt – dies eine Folge der fehlgeplanten DML. Ungleich gescheiter wäre eine direkter Tunnel von Zürich HB bis vor den Flughafenbahnhof, der für den durchfahrenden Verkehr mit zwei seitlichen Tunnels zu ergänzen wäre. Die beiden „Überholgeleise“ wären in den direkt und ohne weiteren Anschlusswerke nach Winterthur zu führenden Brüttener-Tunnel einzubinden. Einfach, sauber und logisch.

      Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Es darf nicht sein, dass nur SBB Cargo für den „Einzelwagenverkehr“ gefördert wird. Es hat die Förderung des Bahngüterverkehrs zu erfolgen. Das können auch „private“ Bahnen sein. In Deutschland wird heute über 60 % des Bahngüterverkehrs durch „private“ Bahnen erbracht, Tendenz weiter zunehmend.
    Alle neuen Bahnstrecken einfach in Tunnels zu verlegen, um so Auseinandersetzungen mit Anwohnern zu entgehen, löst längerfristig eine kaum stemmbare Kostenstruktur aus.
    Wer will verdichtetes bauen? Eigentlich niemand. Also hat ein Zuwanderungsstopp zu erfolgen. Das lindert zumindest den Ausbaubedarf.

    • Lieber Jürg

      Vielen Dank für Deinen Kommentar.

      Meines Erachtens sollte man den Bogen beim Güterverkehr viel weiter spannen. Tragisch ist, dass dem Güterverkehr in Europa über lange Distanzen die heutigen Staatsbahne entgegen stehen. Und bezüglich Deutschland wurde ich schon darauf hingewiesen, dass sich die Konkurrenten der DB auf die Filetstücke stürzen und der DB die weniger attraktiven Verkehre überlassen. Ich bin nicht in der Lage, diese Meinung zu überprüfen.

      Nicht alle neuen Bahnstrecken gehören in Tunnels. Immerhin haben die langen Tunnels der NEAT und – als Beispiel – die NBS zwischen Thalwil und Zürich einen grossen Nutzen gestiftet.

      Natürlich ist die Bevölkerungszunahme in der Schweiz beängstigend. Aber die Defizite im Normalspurnetz sind einiges älter. Die GVK 75 ist bald fünfzig Jahre alt. Für mich besteht höchstens ein loser Zusammenhang zwischen einem zeitgemässen Normalspurnetz und der Zuwanderung.

      Nochmals besten Dank für Deinen Kommentar und weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Ich bin der Meinung, dass die Privatisierung der Bahninfrastruktur schlecht war und ist. Jeder will nur Geld verdienen und die Infrastruktur wird vernachlässigt. Die Schweizerische Bundesbahr täte gut daran, wieder die Schweizerische Bundesbahn zu werden, mit allem zusammen.
    Claude Piola, Zürich

    • Sehr geehrter Herr Piola

      Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Website und für Ihren Kommentar.

      Man kann sich füglich streiten, ob die Privatisierung der Eisenbahnen sinnvoll ist. Immerhin hat der Wettbewerb zwischen den schweizerischen Normalspurbahnen – man denke etwa an die SOB – Positives bewirkt (obschon der Prozess sehr aufwendig war).

      Hingegen befürworte ich die konsequente Trennung von Betrieb und Infrastruktur. Meines Erachtens hat sie im Güterverkehr einiges bewirkt.

      Nochmals besten Dank für Ihren Kommentar und weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  4. Lieber Jürg

    Vielen Dank für Deinen Kommentar.

    Meines Erachtens sollte man den Bogen beim Güterverkehr viel weiter spannen. Tragisch ist, dass dem Güterverkehr in Europa über lange Distanzen die heutigen Staatsbahne entgegen stehen. Und bezüglich Deutschland wurde ich schon darauf hingewiesen, dass sich die Konkurrenten der DB auf die Filetstücke stürzen und der DB die weniger attraktiven Verkehre überlassen. Ich bin nicht in der Lage, diese Meinung zu überprüfen.

    Nicht alle neuen Bahnstrecken gehören in Tunnels. Immerhin haben die langen Tunnels der NEAT und – als Beispiel – die NBS zwischen Thalwil und Zürich einen grossen Nutzen gestiftet.

    Natürlich ist die Bevölkerungszunahme in der Schweiz beängstigend. Aber die Defizite im Normalspurnetz sind einiges älter. Die GVK 75 ist bald fünfzig Jahre alt. Für mich besteht höchstens ein loser Zusammenhang zwischen einem zeitgemässen Normalspurnetz und der Zuwanderung.

    Nochmals besten Dank für Deinen Kommentar und weiterhin viel Freude an unserer Website.

    Freundliche Grüsse

    Ernst Rota

  5. Nachstehend ein Auszug aus einem Kommentar von einem ungenannt sein wollenden Leser:

    Der BIF verdient durchaus eine kritische Würdigung, aber bloss mit den Ausgaben mit Prognosedatum 2017 ist das nicht sinnvoll. Man müsste aktuelle Prognosen für Einnahmen und Ausgaben für den BIF kennen. Das BAV dürfte solche Daten haben und müsste sie, gestützt auf das Öffentlichkeitsprinzip, auch herausgeben.

    Eine wichtige BIF-Mechanik ist, dass die Einnahmen des BIF zusammen mit der Wirtschaft wachsen: MwSt-Promille, Anteil Direkte Bundessteuer und indexierter Anteile am allgemeinen Bundeshaushalt. Richtig ist, dass mit dem laufenden Ausbau der Anteil Betrieb und Substanzerhalt wächst. Gemäss Art. 4 Ziff. 2 BIFG haben die Mittel [des BIF] vorrangig den Bedarf für den Betrieb und den Substanzerhalt sicherzustellen.

    Hier meine Antwort: Martin Stuber – er hat mir die Grafik zur Verfügung gestellt – hat mich vorgängig auf die nicht mehr ganz zutreffenden Daten hingewiesen. Ich habe versucht, das im Kommentar zum Ausdruck zu bringen.

    In Anbetracht der vielen dringenden Vorhaben – von Swiss Railvolution vorgeschlagene Neubaustrecken, Nord- und Südzufahren zur NEAT etc. – und der mutmasslichen Kostensteigerungen durch immer neue Vorschriften bezüglich dem Bauen – dürften die Aussagen in meinem Beitrag im grossen Ganzen leider zutreffen.

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