Zukunft Mobilität – „Verpasst der Verkehr die digitale Revolution?“

Am Donnerstag, 4. Februar 2016, fand auf Einladung der Dialog-Plattform „Avenir Mobilité – Zukunft Mobilität“ im Auditorium der Swisscom in Worblaufen eine gut besuchte Veranstaltung zum Einsatz der Informatik im Verkehr statt. Das Teilnehmerfeld war ausgesprochen prominent besetzt. Nach sechs Impulsreferaten, über die nachstehend kurz berichtet wird, fand eine lebhafte Plenumsdiskussion statt.

Dr. Hans Werder, Präsident der Dialog-Plattform, und ehemaliger Generalsekretär des UVEK, begrüsste die Teilnehmenden und übergab die Leitung der Veranstaltung Prof. Dr. Matthias Finger, der sicher durch die Veranstaltung führte.

Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamtes für Strassen ASTRA, wies einleitend auf die grosse Bedeutung des motorisierten Individualverkehrs hin. 43 Prozent des MIV wird auf dem Netz der Nationalstrassen zurückgelegt, dessen Anteil an der Länge der schweizerischen Strassen nur 2,5 Prozent beträgt. Das enorme Wachstum des MIV hat praktisch nur auf dem Nationalstrassennetz stattgefunden. Die Kostendeckungsgrade im Strassenverkehr sind etwa doppelt so hoch wie im öffentlichen Verkehr. Die Teilhaber am MIV sind offensichtlich bereit, mehr zu bezahlen als die Kunden des öffentlichen Verkehrs. Dank den enorm kurzen Abständen zwischen den Ein- und Ausfahrten kann man die Nationalstrassen auch als gross angelegte Ortsumfahrungen bezeichnen. Problematisch am Verkehr ist generell, dass er doppelt so stark wächst wie das Bruttoinlandprodukt. Des Weiteren wird die technische Kapazität der Nationalstrassen während den Stosszeiten auf Kosten der Sicherheit regemässig überschritten, indem die gesetzlich vorgeschriebenen Abstände zwischen den Fahrzeugen nicht eingehalten werden.

Bereits heute ist die Informatik auf zahlreichen Einsatzgebieten im Vormarsch. Sie berge jedoch das Risiko, dass die Attraktivität des Automobils reduziert werde und die Zahlungsbereitschaft der Autofahrer abnehme. Der Einsatz der Informatik könne unter anderem die „Shared Economy“ fördern, was unter anderem die Belegung pro Fahrzeug – heute nur rund 1,2 Personen pro Wagen – und die Einsatzdauer pro Fahrzeug von gegenwärtig einer Stunde pro Tag steigere. Auch biete die Informatik bezüglich der Sicherheit auf den Strassen und der Steuerung der Verkehrsströme ein grosses und erst teilweise genutztes Potential.

Peter Kummer, Chief Information Officer der SBB AG, führte aus, dass sich die SBB im letzten Jahr eine neue Unternehmensstrategie gegeben hätten, die stark von der Informatik als rotem Faden geprägt sei. Peter Kummer wies darauf hin, dass die Gesamtsystemkosten der Eisenbahn ständig steigen. Es gelte, diese Kosten mittelfristig um 20 Prozent zu reduzieren. Auch der Auslastungsgrad der Züge pro Tag von lediglich 30 Prozent sei problematisch. Als konkrete Beispiele des Informatikeinsatzes nannte er das seit drei Jahren laufende Projekt „Rail Control System“, das für den Lokomotivführer eine Art „grüne Welle“ schaffe und bei einer Einsparung an Traktionsenergie von 40 Prozent die Fahrzeit um fünf Prozent reduziere. Der Anteil der über die mobilen Kanäle abgesetzten Billette soll bis in Jahr 2020 von heute 15 Prozent auf 50 Prozent gesteigert werden. Zudem soll die mobile Erreichbarkeit der Passagiere in den Zügen nochmals erhöht und kostenfreies WLAN eingeführt werden. Die Zusammenarbeit mit der Informatikplattform „Viadi“ soll ausgebaut werden. Keine Erwähnung fanden hingegen die Probleme bei der Einführung von ETCS, Level 2.

Daniel Weder, CEO von Skyguide, räumte Vorurteile bezüglich dem Einsatz der Informatik bei der Flugsicherung aus. Das heutige Kontrollsystem basiere auf fünfzigjährigen Konzepten und auf mündlicher Kommunikation zwischen den Piloten und den Leitstellen. In Europa gäbe er zurzeit über sechzig Leitstellen. Beim Übergang zwischen den Leitstellen müssen beispielsweise die Übertragungsfrequenzen der Flugzeuge umgestellt werden. Die Abstimmung zwischen den Leitstellen sei schwierig. Immerhin versuchen die heute getrennten Leitstellen von Genf und Zürich, einen virtuellen gemeinsamen Luftraum zu schaffen. Problematisch bei Skyguide sei, dass auch militärische Flugbewegungen überwacht würden, was der Geheimhaltung der militärischen Einsatzkonzepte abträglich sei.

Daniel Weder äusserte Skepsis, ob die EU eine Verbesserung der unbefriedigenden Situation und eine Vereinheitlichung der Systeme herbeiführen könne. Vielmehr hält er die Einführung einer völlig neuen Technologie – er erwähnte als Beispiel Drohnen und deren Steuerung – und die partielle Auslagerung von Sicherheitsfunktionen an die einzelnen Flugzeuge für möglich.

Susanne Ruoff, CEO der Post AG, stellte ihr Unternehmen bezugnehmend auf die vielen Angebote als Hochleistungsbetrieb vor. Zahlreiche Prozesse seien bereits heute vollständig digitalisiert. Dies stelle jedoch hohe Anforderungen an die Stabilität der Prozesse, die zudem nur im Verbund mit den Partnern gewährleistet werden könne. So führe die Post täglich 42 Eisenbahnzüge mit Paketen und 15 Zügen mit Briefpost.

Unter dem Stichwort „E-Commerce“ biete die Post bereits heute dank der Digitalisierung neuartige Dienstleistungen an und plane weitere Projekte zur Individualisierung ihrer Angebote. Zudem sei nach den erfolgreichen Tests in Sitten ein vollautomatischer Postautodienst in Vorbereitung. Funktionieren können dieses Vorhaben jedoch nur im Verbund mit allen Beteiligten, und werfe unter anderem zahlreiche regulatorische und rechtliche Fragen auf.

Robert Gebel, Head Business Development Swisscom Enterprise Customer, bezeichnete das Smartphone als Symbol der Digitalen Revolution. Das Smartphone fasse heute in einem Gerät viele der früher von mehreren Systemen bereitgestellte Funktionen zusammen. Die Beherrschung der Digitalisierung sei anspruchsvoller geworden und betreffe die Kette von Geräten, Infrastruktur, Plattform und Software. Interessant sei, dass die grossen Innovationen bei den Fahrzeugen von Tesla vor allem bei den Batterien und bei der Software erfolgen. Bis vor kurzem hätten die Autos von Tesla keine Rückfahrsperre am Berg gehabt. Als dieses Problem aus der Schweiz als wesentlich erkannt wurde, hätte Tesla innert wenigen Minuten bei allen Fahrzeugen durch einen Softwareeingriff weltweit eine Rückfahrsperre implementiert, ohne dass die Teslafahrer aktiv werden mussten.

Als nachhaltig von der Digitalisierung geförderte Trends bezeichnete Robert Gebel die Elektromobilität, das Mobility Pricing, Smart Cars, Big Data, Autonomes Fahren und Connected Cars.

Rasoul Jalali, General Manager von UBER Deutschland, Österreich und Schweiz, stellte sein Unternehmen vor. In weniger als sechs Jahren hat sich aus einem bescheidenen Projekt ein weltumspannendes Unternehmen entwickelt, das in über 300 Städten und 62 Ländern präsent ist. Am Anfang standen eine Idee und eine leistungsfähige App. Diese App sei einfach und funktioniere gut und zuverlässig. Die mit UBER abgewickelten Dienstleistungen seien sicher, effizient und nachvollziehbar. Sie seien für viele Anbieter offen, seien es konventionelle Taxifahrer oder freie Anbieter. Jedermann könne sowohl Kunde als auch Anbieter sein. Man verstehe in Anlehnung an die Kennzahlen von Jürg Röthlisberger das Auto als Fahr- und nicht als Stehzeug und wolle auch die Auslastung pro Fahrzeug steigern.

In den USA würden drei Kategorien von Fahrzeugen angeboten. Die Wartezeiten seien sehr kurz und betrügen in New York beispielsweise wenig mehr als zwei Minuten. UBER habe deshalb auf Vorausbestellung von Fahrten verzichtet. Rasoul Jalali schloss mit Beispielen von Behinderungen, mit denen UBER konfrontiert worden sei, und mit Hinweisen auf regulatorische Konsequenzen.

In der anschliessend intensiven Plenumsdiskussion wurden während sechzig Minuten Hinderungsgründe gegen die in Einführung der neuen Technologien, regulatorische Fragen und der Datenschutz diskutiert. Im Allgemeinen bietet die Schweiz bei beträchtlichen kantonalen Unterschieden ein offenes und innovationsbereites Umfeld. Man muss die Regulatoren und Stake Holders jedoch frühzeitig einbinden sowie auf kulturelle und arbeitsrechtliche Aspekte Rücksicht nehmen. Breit diskutiert wurden datenschutztechnische Aspekte. Wem gehören beispielsweise die individuellen Daten? Problematisch sei, dass die technischen Möglichkeiten der Anpassung der Rechtsnormen oft weit voraus sei und gelegentlich vollendete Tatsachen schaffe.

Dr. Hans Werder schloss die interessante Tagung mit dem Hinweis auf zwei Folgeveranstaltungen der Dialog-Plattform „Avenir Mobilité/Zukunft Mobilität“. Am 29. Juni 2016 findet eine Veranstaltung zur City Logistik statt, und am 3. November 2016 ist ein Symposium über die Möglichkeiten der Automatisierung im Verkehr vorgesehen.

 

 

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