Licht und Schatten / Schaan vs. Sargans

Topics

In den letzten Monaten musste ich ein einige Male in Schaan und/oder in Sargans umsteigen. Dabei sind mir verschiedene Gegebenheiten aufgefallen. Diese waren Anlass, sowohl den Busbahnhof von Schaan als auch den Busbahnhof von Sargans näher zu besichtigen.

Auszug aus der Landeskarte der Schweiz

Die beiden Ortschaften liegen nur wenige Kilometer auseinander. Dennoch trennen die beiden Ortschaften bezüglich ihren Busbahnhöfen Welten – die Unterschiede könnten nicht grösser sein. Neben verkehrlichen stellen sich aber auch städtebauliche Fragen.

Mehr darüber und ein kurzer Kommentar in diesem Bericht.

Busbahnhof Schaan

Der Busbahnhof im liechtensteinischen Schaan liegt unmittelbar neben dem gepflegten Bahnhof Schaan-Vaduz der ÖBB. Der Busbahnhof wird von mehreren Buslinien bedient. Unter dem Busbahnhof befindet sich ein grosszügiges öffentliches Parkhaus, das sowohl den Busbahnhof als auch den Bahnhof Schaan-Vaduz der ÖBB bestens erschliesst.

Dazu ein paar Bilder mit Kommentar:

Blick auf den Busbahnhof von Schaan Richtung Nordwesten.
Blick in Richtung Nordosten.
Blick in den Innenraum. Man beachte die Farbe und die Ausstattung (Tartan) des Bodenbelags.
Blick auf die Wartehalle.
Zugang zur Wartehalle.
Innenraum der Wartehalle.
Servicezone mit Toiletten.
Abgang zur Tiefgarage.
Ausgang in die Tiefgarage.
Blick zurück zum Abgang in die Tiefgarage.
Eindruck aus der Tiefgarage.
Velounterstand neben dem Busbahnhof.

Busbahnhof Sargans

In Sargans befindet sich zwischen dem Bahnhof der SBB und einem grossen Geschäftshaus – unter anderem mit einer Gaststätte – ein Busbahnhof. Im Sommer und bei gutem Wetter bietet der Aufenthalt auf dem öffentlichen Platz Ruhe und Entspannung. Auf dem Gelände des Bahnhofs und des Busbahnhofs befinden sich nur wenige öffentliche Parkplätze. Die Pflege des Platzes und der wenig Schutz bietenden Wartehalle ist höchst unzureichend und entspricht auf keinen Fall mitteleuropäischen Verhältnissen.

Ein Bahnhof ist das Eingangstor zu einer Ortschaft und auch deren Visitenkarte. In Österreich legt man ungleich mehr Wert auf gefällige und funktional überzeugede Anlagen.

Dazu ein paar kommentierte Bilder:

Blick in die Wartehalle am 11. November 2021 um 20.00 Uhr. Der Boden war mit Erbrochenem verschmutzt.
Wartehalle am 13. November 2021 um 12.00 Uhr. Der Boden war immer noch schmutzig.
Wartehalle am 15. November 2021.
Wartehalle am 15. November 2021.
Sitzbank am 15. November 2021. Wer möchte sich auf diese schmutzige Fehlkonstruktion setzen?
Blick auf die schmucklose und wenig kundenfreundliche Anlage am 15. November 2021. Ob die Planer oder die Behörden von Sargans die Gegebenheiten von Schaan kennen?

Kommentar

Die Unterschiede zwischen Schaan und Sargans sind riesig. In Schaan in Sichtweite der Schweizer Grenze eine gepflegte und attraktive Anlage mit geschütztem Warteraum, hell beleuchtet und mit hygienischen Toiletten. Darunter ein Parkhaus, welches von einem sorgfältigen Umgang mit der kostbaren Ressource Boden zeugt. In jeder Hinsicht vorbildlich. Architektur vom Feinsten. Fahrgäste können trockenen Fusses umsteigen. Das Schutzdach deckt überdeckt auch die Perronkante,

In Sargans praktisch das absolute Gegenteil. Eine vernachlässigte und bei Regen und Kälte keinen Schutz bietende Wartehalle, in die sich kein Fahrgast gerne begibt. Schutzdächer fehlen – die ein- und aussteigenden Fahrgäste stehen regelmässig im Regen. Die Beleuchtung in der Dunkelheit ist ungenügend. Eine überdachte Verbindung zum Bahnhofsgebäude fehlt.

Der Raum unter der ganzen Anlage bleibt in geradezu verschwenderischer Art ungenutzt – dies im Gegensatz zu Schaan und – wie kürzlich in diesem Forum berichtet – auch in Feldkirch. Die Frage, ob die Behörden von Sargans überhaupt wissen, wie man zeitgemässe Publikumsanlagen baut, erübrigt sich. Für uns fällt die Gestaltung der Anlage in Sargans in die Kategorie „Sauglattismus“. Und zudem – die Verhältnisse in der Wartehalle sind entsprechend. Zudem stehen in Sargans viel zu wenig Kurzeitparkplätze zur Verfügung, was in den Hauptverkehrszeiten regelmässig zu chaotischen Zuständen führt.

Dabei sind die Fahrgastzahlen in Sargans weitaus höher als in Schaan. Am Bahnhof Sargans halten täglich über 200 Züge und 200 Busse.

Und zum Abschluss eine Aufnahme vom perfekten Bahnhof von Bruck an der Mur sowie zwei mit dem Smartphone bei Nacht aufgenommene Bilder vom Busbahnhof von Schaan. Da bleibt nur Bewunderung – und ein bisschen Neid.

Bushaltestelle vor dem Bahnhofsgebäude von Bruck an der Mur – der in unserem Bericht vom 28. Dezember 2015 als „Kronjuwel“ bezeichneten Anlage,
Busbahnhof von Schaan bei Nacht. Da steigen Frauen und Mädchen selbst bei Nacht sicher um.
Lichtspiel bei einem Fahrplanaushang an einer Säule im Busbahnhof von Schaan.

Schweiz: Verkehrsperspektiven 2050

Topics

An der Medienkonferenz vom 16. November 2021 im Medienzentrum des Bundes präsentierten Vertreter aus dem UVEK – federführend das Bundesamt für Raumentwicklung ARE – die „Verkehrsperspektiven 2050“.

Gerne treten wir in diesem Beitrag auf den Inhalt und den Zweck der „Verkehrsperspektiven 2050“ ein. Wir meinen, dass diese grosse Arbeit eine intensive Diskussion in der Öffentlichkeit verdient.

Nach dem grossen Verkehrswachstum in der Vergangenheit – bis zum Beginn der Corona-Pandemie – zeichnet sich beim Personenverkehr eine Trendwende ab.

Fazit aus dem Schlussbericht.

Der informative und umfangreiche Schlussbericht steht auf der Website des Bundesamtes für Raumentwicklung als PDF-Datei zum Download zur Verfügung.

Zweck der Verkehrsperspektiven

Die „Verkehrsperspektiven 2050“- nachstehend VP 2050 – sind die strategische Grundlage des UVEK – Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation – für die Planung der nationalen Verkehrsinfrastrukturen. Auf den VP 2050 basieren unter anderem die „Strategischen Entwicklungsprogramme STEP“ für den Ausbau der nationalen Strassen- und Schienennetze. Die Ergebnisse der VP 2050 fliessen auch in andere wichtige Pläne des UVEK ein, so etwa in Energiefragen und Untersuchungen über Gesundheits- und Umweltauswirkungen des Verkehrs.

Entstehungsgeschichte VP 2050

Basisjahr für die VP 2050 ist 2017. Die VP 2050 bedeuten eine Ablösung der bisher gültigen VP 2040, welche im August 2016 publiziert wurden, und fokussieren auf den innerschweizerischen Verkehr. Fahrleistungen vom Ausland in die Schweiz bzw. von der Schweiz ins Ausland wurden aber in vereinfachter Form ebenso berücksichtigt, wie auch der Transitverkehr.

Die Ergebnisse von einschlägigen Forschungsprojekten und gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen wie die Bevölkerungsszenarien des Bundesamtes für Statistik (BFS) und die Branchenszenarien, erarbeitet unter anderem vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) wurden berücksichtigt. Auch die Auswirkungen der Corona-Epidemie zum Beispiel mit Annahmen zum Homeoffice und zum Online-Handel sind in die VP 2050 eingeflossen. Berücksichtigt wurden auch die im UVEK verwendeten Modelle. Namentlich erwähnt werden sollen das Flächennutzungsmodell (FLNM, www.are.admin.ch/flnm), die Aggregierte Methode Güterverkehr (AMG, www.are.admin.ch/ngvm) und das Nationale Personenverkehrsmodell (NPVM, www.are.admin.ch/npvm).

Die VP 2050 wurden durch alle betroffenen Bundesämter im UVEK erarbeitet. Die Arbeiten wurden vom Bundesamt für Raumentwicklung ARE koordiniert.

Bei der Erarbeitung der VP 2050 wurden vier Szenarien untersucht, nämlich

  • das Szenario „Basis“, welches sich an den Stossrichtungen des Sachplan Verkehrs, Teil Programm orientiert, die Nachhaltigkeit und ressourceneffiziente Mobilität begünstigt sowie eine behutsamere Flächennutzung unterstellt,
  • das Szenario „Individualisierte Gesellschaft“, bei dem die Verkehrsteilnehmer die neuen Technologien primär für den privaten Nutzen einsetzen und ökologische Aspekte weniger beachten, und bei dem sich Zersiedelungstendenzen verstärken,
  • das Szenario „Nachhaltige Gesellschaft“, bei dem das Umweltbewusstsein und soziales Agieren wie Shared Economy und Siedlungsentwicklung nach Innen durch die Verdichtung des Wohnens stärker gewichtet werden,
  • das Szenario „Weiter-Wie-Bisher“, welches auf der Fortschreibung des Ist-Zustandes ohne stärkeren Einfluss regulativer Massnahmen oder Aspekten nachhaltigen Verhaltens basiert.
Einordnung der Szenarien (Quelle: Schlussbericht).

Das Szenario „Basis“ ist Grundlage für die Infrastruktur- und Angebotsentwicklung für die Schiene (BAV) und für die Strasse (Astra) sowie für die Beurteilung der Agglomerationsprogramme durch das ARE. Die übrigen drei Szenarien sollen das Spektrum von möglichen Entwicklungen darstellen und die Konsequenzen von Handlungsmaximen aufzeigen.

Wesentliche Aspekte des Szenario „Basis“ sind unter anderem die zunehmende Nutzung von Fahrrädern, die Auswirkungen von Home-Office, die Verlagerung vom Berufs- zum Freizeitverkehr, die demographische Alterung der Gesellschaft, Veränderungen im Güterverkehr sowie technologische und gesellschaftliche Entwicklungen.

Das Szenario „Basis“ geht von einem weiteren Bevölkerungswachstum zwischen 2017 und 2050 von 21 Prozent auf dann 10,4 Mio. aus, sowie von einem Anstieg der des Bruttoinlandprodukts BIP von 57 Prozent.

Ergebnisse Personenverkehr

Gemäss dem Szenario „Basis“ wird der Personenverkehr (gemessen in Personenkilometern) zwischen 2017 und 2050 mit 11 Prozent weniger stark wachsen als die Bevölkerung mit 21 Prozent. Gründe sind unter anderem weniger Arbeitswege, ein zurückgehender Anteil Erwerbstätiger sowie eine Verlagerung hin zu kürzeren Freizeitwegen, die vermehrt zu Fuss oder mit dem Velo realisiert werden.

Entwicklung des Personenverkehrs in den vier Szenarien.
Entwicklung des Personenverkehrs beim Szenario „Basis“.
Anteil der Wege nach dem Fahrtzweck (Quelle: Schlussbericht).

Der Modal Split verschiebt sich zugunsten des öffentlichen Verkehrs sowie des Fuss- und Veloverkehrs, und fast jede dritte Fahrt mit dem Auto erfolgt in einem automatisierten Fahrzeug. Der Anteil der Elektromobilität steigt stark an, was sich unter anderem in einem Rückgang der Treibstoffimporte auswirkt.

Modalsplit beim Szenario „Basis“ (Quelle: Schlussbericht).

Ergebnisse Güterverkehr

Im Gegensatz zum Personenverkehr wächst der Güterverkehr (gemessen in Tonnenkilometern) mit 31 Prozent stärker als die Bevölkerung – dies auch als Folge des zunehmenden Einkaufsverhaltens durch Online Shopping. Die Anzahl Paketsendungen soll sich von täglich 647‘000 auf 1‘730‘000 fast verdreifachen. Dies führt zu einer starken Zunahme der von Lieferwagen zurückgelegten Kilometer im KEP-Segment.

Entwicklung des Güterverkehrs in den vier Szenarien.
Entwicklung des Güterverkehrs beim Szenario „Basis“ (Quelle: Schlussbericht).
Modalsplit Güterverkehr im Szenario „Basis“ (Quelle: Schlussbericht).

Bemerkenswert sind auch die Veränderungen der Transportmengen nach Güterkategorie. Während die Energieträgertransporte stark rückläufig sind, steigt der Transport von Stückgut- und Sammelguttransporten stark an, als Folge des fortwährenden Güterstruktureffekts sowie des geänderten Einkaufsverhaltens.

Entwicklung der Transport- und Fahrleistung von Lastwagen und Lieferwagen beim Szenario „Basis“ (Quelle: Schlussbericht).
Entwicklung der Transporte mit Lieferwagen beim Szenario „Basis“ (Quelle: Schlussbericht).

Stellungnahmen der Vertreter des Bundes an der Medienkonferenz

Erwin Wieland, stellvertretender Direktor im Bundesamt für Strassen ASTRA, führt aus, dass trotz dem geringer projizierten Wachstum des Strassenverkehrs Optimierungsmassnahmen notwendig sind. Diese erfolgen in drei Stossrichtungen, nämlich a) Erhöhung der Verträglichkeit, etwa durch Elektromobilität, b) Kapazitätssteigerung, unter anderem durch Verkehrslenkungsmassnahmen auf den bestehenden Nationalstrassen sowie c) punktuelle Ausbauten im Nationalstrassennetz. Der Bundesrat will Vorschläge zum weiteren Ausbau anfangs 2022 in Vernehmlassung geben.

Barbara Remund, Vizedirektorin im Bundesamt für Verkehr BAV, begrüsst die prognostizierte Verschiebung des Modal Splits zugunsten des öffentlichen Verkehrs. Die Ausbauschritte 2025 und 2035 sind voranzutreiben und/oder in die Wege zu leiten. Die Eisenbahn soll dort gefördert werden, wo ihre Stärken liegen. Voraussichtlich seien über die erwähnten Ausbauschritte hinaus weitere Ausbauten notwendig. Gegenwärtig wird an der „Perspektive Bahn 2050“ gearbeitet, die sich auf die VP 2050 abstützen.

Fragen der Medienvertreter

Ein Medienvertreter erkundigt sich, ob und wie weit das Mobility Pricing berücksichtigt wurde. Ulrich Seewer, Vizedirektor im Bundesamt für Raumentwicklung, führt aus, dass Mobility Pricing im Szenario «Basis» ab 2030 zwar angenommen wurde, aber ohne Einfluss auf die mittleren Mobilitätskosten. Der Bundesrat hat 2021 Überlegungen zum weiteren Vorgehen im Dossier Mobility Pricing in die Vernehmlassung gegeben, deren Ergebnis zurzeit ausgewertet wird.

Ein weiterer Votant weist darauf hin, dass die Verkehrsperspektiven 2040 von einer Zunahme der Personenverkehrsleistungen von zwischen 18 Prozent (MIV) bis über 50 Prozent (ÖV) projizierten, die VP 2050 gehen mit für den Gesamtverkehr 11 Prozent von einem weniger dynamischen Wachstum aus. Ulrich Seewer und der Projektleiter der VP 2050, Andreas Justen, erläutern, dass dies auf neuere Entwicklungen seit 2016 wie etwa das Home Office, das veränderte Einkaufsverhalten und das automatisierte Fahren zurückzuführen sind. Auch die in den VP 2050 hinterlegte Siedlungsentwicklung nach Innen wirkt dämpfend auf die Entwicklung der Verkehrsleistung.

Ein Medienvertreter aus der Westschweiz fragt vor dem Hintergrund des signifikanten Verkehrswachstums zwischen Lausanne und Genf, ob und wie weit dies bei der Erarbeitung der VP 2050 berücksichtigt wurde. Die VP 2050 stellen eine gesamtschweizerische Sicht dar, bei der Umsetzung der Massnahmen werden selbstverständlich regionale Bedürfnisse und Entwicklungen berücksichtigt.

Die Arbeiten basieren auf einem räumlich differenzierten Verkehrsmodell. So wurden für die Berechnung der Nachfrage im Personenverkehr im zugrundeliegenden NVPM 100 Personengruppen sowie 8‘000 Verkehrszonen im Inland und 700 im umliegenden Ausland gebildet. Auf der Grundlage der verfügbaren Modellresultate könnten Aussagen für tiefere Ebenen gemacht oder Netzbelastungen für Strasse und Schiene abgeleitet werden.

Kommentar ROE

Mit den „Verkehrsperspektiven 2050“ haben die Bundesämter des UVEK ein beeindruckendes Werk vorgelegt. Es wird spannend sein zu verfolgen, ob und wie weit die Daten im politischen Entscheidungsprozess berücksichtigt werden.

Im Gegensatz zur Gesamtverkehrskonzeption 1975 wird unseres Erachtens ein anderer Weg beschritten. Die seinerzeitige auch mit einflussreichen Parlamentariern besetzte Kommission hatte ein nationales Gesamtkonzept für alle Verkehrsträger erarbeitet. Datenerhebung, Prognosen und Konzepterstellung erfolgten synchron. Von den Vorschlägen der Gesamtverkehrskonzeption wurde schlussendlich höchstens ein kleiner Teil umgesetzt. Hoffentlich ist das bei den laufenden Arbeiten anders.

Fünfzig Jahre später kommt unseres Erachtens ein anderer Ansatz zum Zug, bei dem die zuständigen Bundesämter – und damit die Exekutive – federführend sind. Auf der Grundlage der VP 2050 und anderer wichtiger Planungsgrundlagen werden durch das BAV und das ASTRA konkrete Ausbau- und Massnahmenpläne erarbeitet, die in relativ konkreter Form in den politischen Entscheidungsprozess kommen.

Bei den VP 2050 wurden ausschliesslich quantitativ arbeitende Verkehrs- und Flächennutzungsmodelle eingesetzt. Mitunter lieferten Experteneinschätzungen Input für die Modelle – aber auch dabei gilt, dass qualitative Einschätzungen letztlich in quantitative Parameter für die Modelle übersetzt werden mussten.

Die Modelle berücksichtigen vielfältige Einflussgrössen in quantitativer Art und Weise, dazu gehören unter anderem die mit der Nutzung der Verkehrsmittel verbundenen Reisezeiten und Fahrtkosten.

Auch der bodengebundene Verkehr zu und von den Flughäfen wurde berücksichtigt. Die Luftverkehrsprognose als solche ist Aufgabe des BAZL und wird gesondert von den VP erstellt.

HB Zürich – Pfuscherei ohne Ende

Topics

Wir haben auf unserer Website mehrmals auf Missstände in einigen Bahnhöfen der SBB hingewiesen. Mit diesem Bericht möchten wir über besonders krasse und unhaltbare Zustände im Hauptbahnhof Zürich berichten und unsere Beobachtungen in einen weiteren Zusammenhang stellen. Weiter vergleichen wir die monierten Zustände mit vergleichbaren Situationen bei nicht-SBB Bauvorhaben.

Situation im HB Zürich

Zurzeit wird der Gebäudeteil am Bahnhofplatz „Südtrakt“ umfassend saniert. Die aufwendigen Massnahmen begannen im zweiten Quartal 2018 und erstrecken sich voraussichtlich bis in den Sommer 2023. Die budgetierten Kosten belaufen sich auf über CHF 141 Millionen. Der Umbau ist für die Besucher und die Mieter mit grösseren Einschränkungen verbunden.

Der Start dieses teuren Bauvorhabens wurde öffentlichkeitswirksam mit einem Festakt gefeiert, und das Baugerüst gegen den Bahnhofplatz wurde mit einem riesigen Transparent geschmückt – auch die Uhr durfte nicht fehlen.

Blick von der Bahnhofstrasse auf das Transparent am Gerüst am Südtrakt.

Eigentlich würde man in Anbetracht der Ausgangslage erwarten, dass auch die flankierenden Massnahmen – Benutzerführung, Information über das Projekt, Sauberkeit, Sicherheit, etc. – während der langen Bauphase der Bedeutung des Projekts und der Würde des historischen Gebäudes entsprechen.

Wie die folgenden Bilder zeigen, trifft dies nicht zu. Dieser ernüchternde Sachverhalt gibt zu Fragen Anlass. Man bedenke, dass der in diesem Beitrag beschriebene Durchgang die kürzeste oberirdische Verbindung zwischen der Bahnhofstrasse und der Haupthalle bildet und täglich von unzähligen Besuchern benutzt wird.

Blick aus der altehrwürdigen Halle in Richtung Südtrakt.
Blick auf den Durchgang durch den Südtrakt.
Blick aus dem Durchgang auf den Alfred Escher-Brunnen und die Bahnhofstrasse.
Ungeschützte Stützen im Durchgang. Die heruntergefallene Absperrlatte im Vordergrund befindet sich seit über zwei Wochen in dieser Lage.
Linke Ecke vor dem Durchgang. Man beachte die Informationstafel und den Unrat hinter dem Abfallbehälter.
Wand im Durchgang.
Wand in der Haupthalle entlang des Südtrakts.
Zum Vergleich: Geschützte Stützen vor einer Baustelle an der Tramhaltestelle Bahnhofstrasse – funktional überzeugend und etwas grobschlächtig mit den Absperrlatten der Bauunternehmung ausgeführt.
Zum Vergleich: Bauwand im Hauptbahnhof von Stuttgart – auch hier wird mit dem Bonatzbau ein denkmalgeschützter Gebäudeteil umfassend umgebaut.

Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb die schmucklosen Bauwände im HB Zürich nicht genutzt werden – sei es mit Bildern für die Eigenwerbung oder für die Vermietung als Werbeflächen an Dritte. So wurden beispielsweise in Stuttgart die Wände der beiden provisorischen Durchgänge vom Bonatzbau zur Gleishalle mit grossformatigen Bildern von Bahnstrecken auf der ganzen Welt geschmückt.

Sonderbarerweise wurden an der Wand rechts vom Durchgang bis zur Gleishalle mehrere kleine Ladenlokale mit Verpflegungsmöglichkeiten errichtet, wodurch die Breite der Zirkulationsfläche an einer heiklen Stelle reduziert und die Fussgängerströme in den Stosszeiten behindert werden. An der besagten Stelle kreuzen sich zwei wichtige Fussgängerachsen, nämlich diejenige von der südlichen Hälfte der Gleishalle zur Tramhaltestelle Bahnhofquai mit fünf Tramlinien sowie die oberirdische von der Bahnhofstrasse in die Gleishalle. Zudem befinden sich im Engnis zwei Eingänge zu den seitlichen Ladenlokalen.

In den Stosszeiten sehr stark frequerentierter Druchgang.

Noch bedenklicher ist ein anderer Missstand in Zürich HB. In der Unterführung unter dem Südtrakt wird die Gebäudeinfrastruktur erneuert. Die Deckenverkleidung wurde vorübergehend entfernt. Täglich strömen Tausende durch diese Unterführung, welcher die Bahnhofstrasse mit dem Bahnhofteil „Museumsstrasse“ verbindet.

Gelegentlich lösen sich Teile der Isolation aus Steinwolle und fallen herunter – manchmal auf die Köpfe der Passanten. Noch weniger nachvollziehbar ist, dass sich ein Kabelbündel gelöst hat und nur noch knapp zwei Meter über dem Boden hängt. Eine grossgewachsene Person kann sich in diesem Kabelbündel durchaus verfangen. Der Mangel wurde am Sonntag, 31. Oktober 2021, zum ersten Mal beobachtet und war auch 48 Stunden später noch nicht behoben.

Sechs Tage später, am 5. November 2021 befand sich das Kabelbündel imer noch in der gleichen Lage. Gemäss meiner Messung lag der tiefste Punkt des Kabelbündels 1,95 Meter über dem Boden. Nicht nur eine grossgewachsene Person, sondern auch eine Skifahrerin oder ein Skifahrer können mit ihren Skiern an den Kabel hängen bleiben. Gang abgesehen von Vandalenakten von frustierten oder alkoholisierten Zeitgenossen. Als letzte Hoffnung bleibt, dass die Kabel keine wichtigen Geräte oder Einrichtungen mit Strom versorgen.

Situation am Abend des 31. Oktobers 2021.
Situation einen Tag später.
Situation zwei Tage später.
Gleiche Stelle, sechs Tage später mit einem Doppelmeter zur Messung der Durchgangshöhe.

Nicht nur im Zürcher Hauptbahnhof ….

Die unhaltbaren Zustände im HB Zürich reihen sich nahtlos an ähnliche Beobachtungen bei anderen Bahnhöfen im Grossraum Zürich, über die wir auf unserer Website berichtet haben. Ich denke an das während vielen Monaten offen liegende Erdungskabel im Bahnhof Kilchberg, die unappetitlichen Zustände im kürzlich erweiterten Bahnhof Zürich-Wollishofen oder in dem erst vor wenigen Jahren neu gebauten Bahnhof Wallisellen.

Detail aus der vor wenigen Jahren erweiterten Unterführung im Bahnhof Zürich-Wollishofen.
Ablaufgitter am Fuss der Treppe zum Bahnsteig in Zürich-Wollishofen.
Wassereindringung in der Seitenwand der Rampe zum Mittelperron von Wallisellen. Sofern die Wassereindringung nicht gestoppt werden konnte, hätte man die unappetitliche Stelle mit einem Aluminiumblech abdecken können.
Wasserindringung in der Seitenwand der Rampe zur Bushaltestelle beim Bahnhof Wallisellen. Das aggressive Wasser hat bei den Armierungseisen bereits zu Korrosionsschäden geführt.

Aber auch ausserhalb von Zürich ist nicht alles zum Besten bestellt, wie dieses Bild aus der Schalterhalle des Bahnhofs Sargans zeigt.

Absperrung der Sitzbank in der Schalterhalle des Bahnhofs Sargans, die wegen den Corona-Restriktionen nicht benutzt werden durfte.

Die behelfsmässige Absperrung war während mehreren Tagen am Ort. Die primitiven Knoten lassen vermuten, dass das Absperrband mehrmals riss. Links – im Bild nicht sichtbar – war das Band an einem Prospektständer der SBB befestigt. Auf der rechten Seite diente die Werbetafel eines Detailhandelsgeschäfts zu Befestigung.

Die Frage nach dem Verantwortungsbewusstsein und der Arbeitshaltung der meist zu zweit in der Schalterhalle anwesenden Mitarbeiter – sie blicken über das Absperrband ins Freie – steht im Raum. Wer hat hier versagt?

Kommentar

Die mangelnde Sorgfalt bei der Pflege und beim Unterhalt von Publikumsanlagen zieht sich wie ein roter Faden durch die Landschaft. Qualitätsmängel gibt es aber auch beim Unterhalt des Rollmaterials, wie zum Beispiel bei den mangelhaften Türschliessungen bei zahlreichen Personenwagen des Typs EW IV, bei den manipulierten Bremsbacken bei Eisenbahnwagen oder bei Triebfahrzeugen. Offensichtlich liegt eine systemische Schwachstelle vor, die nach personellen Veränderungen ruft.

Zudem stimmen uns diese Beobachtung für die Zukunft wenig zuversichtlich. Wie sollen beispielsweise dereinst die Wartung und der Unterhalt der komplexen Twindexx-Triebwagenzüge funktionieren, wenn die Qualitätsmängel selbst bei einfacheren Objekten nicht enden wollen?

 

Bahnprojekte in der Region Greyerz – visionär oder übermässig?

Topics

Bei Aufenthalten in der Region Greyerz stellten wir eine intensive Bautätigkeit an der Eisenbahninfrastruktur fest. So kürzlich auch im Rahmen einer Wanderung von Châtel-St-Denis nach Montbovon. Dies war Anlass, in diesen Tagen einige der abgeschlossenen und laufenden Projekte zu besichtigen – und auf unserer Website darüber zu berichten.

Die Projekte zeichnen sich durch eine ausserordentliche Grosszügigkeit aus. Das führt zu kritischen Fragen – auch solche staatspolitischer Natur.

Karte der Region Greyerz (bei Romont und bei Châtel-St-Denis sind die in diesem Beitrag beschriebenen „Spangen“ schematisch eingezeichnet).

Châtel-St-Denis

Vor der Inbetriebnahme der neuen Bahnhofanlagen mussten die Züge im alten Bahnhof von Châtel-St-Denis die Fahrtrichtung ändern. Früher verkehrten von Châtel-St-Denis über Saint-Légier direkte Züge nach Vevey. Diese rund acht Kilometer lange Bahnlinie wurde 1969 stillgelegt und abgebrochen. Das dem Kanton Freiburg gehörende Transportunternehmen Gruyères-Fribourg-Morat GFM stellt seit der Umstellung den Busbetrieb sicher. Mit der Übernahme der Freiburger Verkehrsbetriebe im Jahr 2000 firmierte die GFM zu Transports Publics Fribourgeoise TPF um. Zwischen Palézieux verkehren über Châtel-St-Denis halbstündlich Regionalzüge nach Bulle. Ab Bulle fahren die Züge stündlich nach Montbovon.

Gerne halte ich meine Eindrücke auf den folgenden Bildern fest und verweise auf die Kommentare bei den Aufnahmen.

Einfahrt in den neuen Bahnhof aus Süd-West.
Überblick über den neuen Bahnhof.
Eindruck von den Bahnsteigen.
Östlicher Bahnsteig mit der überdachten Treppe zur zukünftigen Busstation unter dem Bahnhof.
Lift zur zukünftigen Busstation.
Lift oder Rampe? Keine Frage – Beides!
Wartehalle auf dem Bahnsteig.
Luftzuführung zur mutmasslich klimatisierten Wartehalle.
Wartehalle bei der zukünftigen Busstation mit direktem Abgang zur Tiefgarage (schlecht erkennbar).
Kostenlos zu benutzende und hygienische Toilette unter dem Bahnhof.
Reste des Trasse der früheren Bahnverbindung nach Saint-Légier (und weiter nach Vevey).
Ausschnitt aus der Landeskarte der Schweiz 1:50’000 aus dem Jahr 1965 – Blatt 262 Rochers de Naye – mit der Lage der einstigen Bahnlinie nach Saint-Légier und Vevey.
Busparkplatz auf dem Gelände des früheren Bahnhofs.
Zwei sich im Bahnhof von Châtel-St-Denis kreuzende neue Züge von Stadler (die zwischen 09.43 Uhr und 10.43 Uhr beobachteten sechs Züge waren praktisch leer).
Eindruck aus dem um 11.00 Uhr von Châtel-St-Denis nach Bulle fahrenden Zug.

Montbovon

Montbovon als Knotenpunkt liegt an der von den „Golden Pass-Expresszügen“ der MOB befahrenen Strecke von Montreux nach Zweisimmen. Diese weitgehend dem touristischen Verkehr dienenden Züge verkehren stündlich. Montbovon ist ein kleines Dorf und zähle 2004 265 Einwohner. Von Montbovon fährt jede Stunde ein Regionalzug über Gruyères (Greyerz) nach Bulle. Besonders an schönen Tagen ist die Nachfrage zwischen dem historischen Städtchen Greyerz und Bulle sehr hoch.

In Montbovon steigen höchst spärlich Fahrgäste aus oder um. Dem Bahnhof angegliedert ist ein kleines Depot der MOB.

Nachstehend eine kommentierte Bildreportage.

Karte mit der Lage von Montbovon (der Golden Pass-Express verkehrt von Montreux nach Zweisimmen und Interlaken).
Schmucke Bahnhofbeschriftung, wie sie an den meisten Bahnhöfen in der Region zu sehen sind.
Blick auf das Bahnhofgebäude mit dem Hausperron.
Bild auf den Bahnhof mit dem Mittelperron.
Abgang vom Mittelperron in die Unterführung. Man beachte die formschöne Dachkonstruktion.
Eines von drei künstlerischen Wandmosaiken in der Unterführung. Allein diese lohnen eine Besichtigung des Bahnhofs.
Details der Dachkonstruktion beim Abgang vom Hausperron in die Unterführung.
Seitenausgang aus der Unterführung in Richtung des Depots – selbstverständlich auch überdacht. Aber nur vereinzelte Fahrgäste dürften diesen Ausgang je benutzen!
Mittelperron mit einem Golden Pass-Express und einem Regionalzug nach Bulle.
Elektronische und formschöne Fahrplananzeige auf dem Mittelperron – für eine geringe Anzahl von Fahrgästen.

Wenige Fahrminuten oberhalb Montbovon liegt die weitab vom kleinen Dorf gelegene Haltestelle von Les Sciernes. Perfekt hergerichtet, aber ich habe bei meinen Besuchen dort ausser uns noch nie Fahrgäste aus- oder einsteigen gesehen.

Komfortable Wartehalle und vorbildlich geschützte Zugänge zu den Bahnsteigen. Bei den auf dem Bild sichtbaren Personen handelt es sich um Mitglieder unserer Wandergruppe.

Bulle

Bulle hat sich in den letzten Jahren als Folge des Baus der Nationalstrasse A12 dynamisch entwickelt und präsentiert sich heute als modernes Zentrum. Im Grossraum Bulle sind mehrere Industriebetriebe angesiedelt. Bis vor einigen Jahren verkehrten zwischen Fribourg und Bulle über die Autobahn direkte Schnellbusse mit einer Fahrzeit von etwa einer halben Stunde. Der Busverkehr wurde zugunsten von Regionalexpress-Zügen aufgegeben. Diese Züge halten nur in Romont. Jeder zweite Zug verkehrt, abgesehen von den Randstunden, von Fribourg weiter nach Bern – wenige Minuten vor den Interregio-Zügen der SBB, und entlastet so in den Stosszeiten die IR der SBB.

Bemerkenswert – und zu Fragen Anlass bietend – sind jedoch die Verlegung und der Abbruch des vor etwas mehr als zwanzig Jahren grundlegend erneuerten Bahnhofs von Bulle. Dieser nahe beim Ortszentrum gelegene Bahnhof hat mich bei früheren Besuchen durch seine  Modernität und seine Kundenfreundlichkeit beeindruckt. Die direkt zur grosszügigen und repräsentativen Busstation – die Rückwand ist auf einer Länge von rund 100 Metern mit einem grossen Wandgemälde verziert – führende Unterführung ist auf beiden Enden mit Rolltreppen und mit grosszügigen Treppen ausgestattet.

Ansicht des bestehenden Bahnhofs von Bulle in unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum. Diese rund 20 Jahre alten Anlagen müssen in naher Zukunft einem im Bau befindenden neuen Bahnhof weichen. Dieser befindet sich links vom Beobachter in etwa 250 Metern Entfernung vom bestehenden Bahnhof.
Ansicht auf die Bahnsteige von Bulle.
Repräsentatives Bahnhofgebäude von Bulle.
Blick aus der Bahnhofhalle des bestehenden Bahnhofs auf die Bahnsteige und den Abgang in die Unterführung (man entschuldige die schlechte Bildqualität).
Kunst am Bau in der Unterführung.
Aufgang aus der Unterführung mit Mitteltreppe und Rolltreppen.
Flüchtiger Blick hinter die Absperrung auf das Dach eines Bahnsteiges des zukünftigen Bahnhofs. Man beachte die atemberaubende und höchst aufwendige Gestaltung des Unterdachs.
Detail von der Rampe in die Unterführung des zukünftigen Bahnhofs.

Broc Fabrique

In Broc Fabrique befinden sich ein attraktives und stark frequentiertes Museum von Nestlé sowie eine noch aktive Schokoladefabrik von Nestlé. Broc Fabrique war mit Bulle mit einer schmalspurigen Eisenbahnlinie verbunden, auf der in der Regel jede Stunde ein Regionalzug verkehrte. Diese Strecke diente bis vor wenigen Jahren auch der Zulieferung von Rohstoffen für die Schokoladenproduktion und dem Transport der Fertigprodukte.

Diese ausserhalb von Bulle von der Strecke nach Montbovon abzweigende Zweigstrecke ist rund 5 Kilometer lang und wird gegenwärtig auf Normalspur ausgebaut. Das macht wegen den östlich von Bulle entstehenden neuen Siedlungen und der Weiterführung der Züge aus Romont nach Broc zwar durchaus Sinn. Auffallend ist jedoch, dass auf der neuen Normalspurstrecke kein Güterverkehr angedacht ist und Bulle von den SBB trotz den zahlreichen Gewerbebetrieben als Bedienpunkt für den Güterverkehr aufgegeben wird.

Kürzlich erneuerte Fahrleistungsmaste der abgebrochenen Schmalspurbahn. Möglicherweise werden sie für die Montage der neuen Fahrleitung (15’000 Volt Wechselstrom statt 900 Volt Gleichstrom) der Normalspurbahn teilweise wieder verwendet.
Güterverkehr adieu.
Tanklastwagen aus Belgien vor der Schokoladefabrik von Nestlé.
Lagergebäude von Nestlé.
Lastwagenzug aus der Niederlande vor dem Lagergebäude.
Nummernschild auf dem Zugfahrzeug des Lastwagenzuges – zugelassen in Zagreb (Kroatien). Was der Chauffeur wohl verdienen mag?
Nummernschild auf dem Auflieger des Lastwagenzuges.

Spange von Romont nach Vuisternes-devant-Romont

Die bestehende Strecke führt ausserhalb von Romont in einem grossen Bogen nach Vuisternes-devant-Romont. Die Streckengeschwindigkeit liegt etwa bei 100 km/h. Nun soll die grosse und schutzwürdige Mulde ausserhalb von Romont zur Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h und zur Verkürzung der Reisezeit um drei Minuten mit einer knapp ein Kilometer langen Talbrücke durchquert werden. Die budgetierten Kosten für dieses Bauwerk betragen über CHF 72 Mio. und werden vollständig vom BIF, dem Bahninfrastrukturfonds der Schweiz, getragen. Beiträge des Kantons Freiburg sind nicht vorgesehen.

Übersichtskarte und Ansicht des Projekts. Und was – liebe Leserin, lieber Leser – planen die Fachleute der SBB bezüglich des Ausbaus der musealen Einspurstrecke am Walensee zwischen Mühlehorn und Tiefenwinkel?
Blick aus dem fahrenden Zug von Osten auf das Gelände der zukünftigen Talbrücke.
Blick zurück aus dem fahrenden Zug auf das Gelände der zuküntigen Talbrücke.

Kommentar

Natürlich sind die Modernisierung der Eisenbahninfrastruktur in der Region Greyerz und der Ersatz des Rollmaterials zu befürworten. Ich halte den Ausbaustandard und gewisse Projekte wie die Spange von Romont jedoch für übertrieben. Und ob der Ersatz eines relativ neuen, gut funktionierenden und modernen Bahnhofs wie Bulle sinnvoll ist, bleibe dahingestellt.

Ausserdem wurden meines Erachtens mit dem Verzicht auf den Wiederaufbau der Eisenbahnverbindung zwischen Châtel-St-Denis und Saint-Légier (und weiter nach Vevey) die Interessen des Kantons Freiburg über diejenigen der Schweiz gestellt. In der Agglomeration Vevey-Montreux wohnen über 70‘000 Menschen. Wurden mit Mitteln des BIF über die Bedürfnisse der Eisenbahn hinaus nicht einfach Standortpolitik und Wirtschaftsförderung betrieben?

Und ist es gerecht, wenn im Greyerzerland für letztlich doch überschaubare Fahrgastzahlen zwischen CHF 600 Mio. und CHF 700 Mio. in den Ausbau der Bahninfrastruktur investiert werden, während im Kanton Zürich an vielen Orten auf den Bahnhöfen unzumutbare Zustände bestehen? Man vergleiche beispielsweise Montobovon mit Zürich-Wollishofen oder Wallisellen – auch letztere beiden wurden in den letzten Jahren umgebaut und weisen sehr viel höhere Passagierzahlen auf.

Und abschliessend – aber nicht zu guter Letzt – was will SBB Cargo in der Schweiz überhaupt noch befördern, wenn die Region Bulle vom Güterverkehr abgehängt wird?

Die Hoffnung lebt!

Unter der Leitung von Vincent Ducrot – er war zwischen 2011 und 2018 Generaldirektor der TPF – entwickelte sich dieses Unternehmen offensichtlich prächtig. Ein gutes Omen für die SBB, denn Vincent Ducrot übernahm am 1. April 2020 als CEO die Leitung unserer Staatsbahn.

Quellenhinweise

Die Bilder stammen vom Verfasser. Die Kartenausschnitte wurden mit dem besten Dank dem „Eisenbahnatlas Schweiz“ von Schweers+Wall oder der Landeskarte der Schweiz entnommen. Das Bild und die Karte der Talbrücke bei Romont wurden aus der Website der TPF kopiert. Trotz sorgfältiger Recherche besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.

Schienenverkehr Balkan III – kraftvolle Zeichen in Kroatien

Topics

Mit diesem Beitrag schliessen wir unsere Berichterstattung über das Eisenbahnwesen im Balkan ab. Wie in Serbien sind auch in Kroatien grosse Anstrengungen für die Revitalisierung der Eisenbahn im Gang. Im Gegensatz zu Serbien, wo die Erneuerung vor allem mit chinesischen und russischen Investitionen erfolgt, finanziert Kroatien als EU-Mitglied seine Projekte vor allem mit Unterstützung der EU.

Zagreb Hauptbahnhof

In seiner Gesamtheit hinterlässt der Bahnhof von Zagreb einen guten Eindruck. Das repräsentative Gebäude liegt im Stadtzentrum und wird gut unterhalten. Alle in einem grossen Bahnhof üblichen Dienstleistungen sind vorhanden. Auch eine kleine Kapelle steht zur Verfügung.

Frontalansicht des Hauptbahnhofs von Zagreb.
Hausperron des Hauptbahnhofs von Zagreb.
Kapelle im Hauptbahnhof von Zagreb.

Bei meinen Besuchen sah ich ausschliesslich neues und gepflegtes Rollmaterial. Allerdings sind die Anlagen nicht behindertengerecht ausgebaut. Besucher werden mit zahlreichen Plakaten über Ausbauprojekte im nationalen Eisenbahnnetz informiert.

Triebwagenzug von Koncar – entspricht in vielem den Flirt von Stadler.
Ein weiterer und etwas längerer Triebwagenzug von Koncar.
Firmenschild des Herstellers an einem der beiden Triebwagenzüge.
Aus Zürich eintreffender Nachtzug, verstärkt mit Sitzwagen aus Österreich und Slowenien.
Eines der zahlreichen Informationsplakate über Ausbauten am Schienennetz.
(Man entschuldige die schlechte Aufnahme).

Nicht mitteleuropäischen Verhältnissen entspricht das Angebot an Zügen, wie die folgenden Bilder zeigen. Das geringe Angebot an internationalen Eisenbahnverbindungen überrascht. Nach Budapest besteht nur eine einzige Direktverbindung. Der Eisenbahnverkehr nach Belgrad ist eingestellt.

Elektronische Anzeigetafel in der Eingangshalle des Hauptbahnhofs von Zagreb.
Fahrplan im Hauptbahnhof von Zagreb mit knapp 200 Einträgen.
(Man entschuldige die schlechte Aufnahme – es geht nur um einen Gesamteindruck).

Am Sonntag, 9. August 2021, beobachtete ich den aus Zürich. eintreffenden Nachtzug. Es stiegen trotz der Hochsaison nur wenige Fahrgäste aus. Zudem traf der Zug mit einer Verspätung von siebzig Minuten ein, was vermutlich auf umbaubedingte Langsamfahrstrecken in Slowenien und Kroatien zurückzuführen waren.

Aus dem Schlafwagen aussteigende Fahrgäste des Nachtzuges aus Zürich.
Anzeigetafel für den Nachtzug aus Zürich.

Der Anschluss des Hauptbahnhofes an das städtische Tramnetz von Zagreb ist vorzüglich. Die Wege vom Zug zur Strassenbahn sind kurz. Gut präsentiert sich auch das Rollmaterial der Strassenbahn. Im Gegensatz zu Belgrad und Sarajewo sah ich nur neue und saubere Fahrzeuge.

Tramgarnitur in Zagreb.
Innenraum eines Tramzuges.

Funktion Kroatiens im europäischen Ferngüterverkehr

In Kroatien kreuzen sich zwei Korridore des europäischen Ferngüterverkehrs.

Überblick über die europäischen Güterverkehrskorridore. in Zagreb kreuzen sich der Korridor 5 und der Korridor 10.

Details zu den Kroatischen Staatsbahnen

Gemäss einer Untersuchung der EU weisen in Europa nur wenige Länder wie etwa Bulgarien und Rumänien oder die baltischen Staaten eine schlechtere Eisenbahninfrastruktur auf als Kroatien.

Kennzahlen zu den kroatischen Staatsbahnen. Drastisch ist der Rückgang der Anzahl der beförderten Personen zwischen 2008 – mit rund 46 Mio. Fahrgästen – und 2018 mit noch 20,7 Mio. Fahrgästen.
Schienennetz von Kroatien.
rot: Internationale Hauptstrecken
blau: Weitere Fernverkehrstrecken mit internationalem Verkehr
gelb: Wichtige Regionalstrecken
grün: Lokalbahnen
Die beiden durch Bosnien-Herzegowina führenden und bis auf Weiteres stillgelegten Strecken an die Adriaküste fehlen auf der Darstellung.

Mit zahlreichen von der EU mitfinanzierten Projekten soll das Eisenbahnnetz weitgehend erneuert werden. Die Renaissance der Eisenbahn ist auf gutem Weg. Im Fokus stehen vor allem der Ausbau der Strecken der europäischen Güterverkehrskorridore und des Regionalverkehrs im Raum Zagreb. Auch die Hafenanlagen von Rijeka werden umfassend saniert und erweitert.

Überblick über abgeschlossene und laufende Projekte am Schienennetz von Kroatien. Für weitere Informationen und eine bessere Darstellung verweise ich auf das Internet.

Wenige Veränderungen sind im Verkehr mit den übrigen Balkanstaaten erkennbar. Wichtige in Ex-Jugoslawien bestehende Verbindungen, wie etwa durch Bosnien-Herzegowina an die Adria, bleiben offensichtlich weiter unterbrochen. Dabei könnte die Wiederinbetriebnahme dieser Strecken den Balkanstaaten willkommene Anstösse für die Entwicklung geben.

Auszuge aus der Statistik über die Fahrgäste im grenzüberschreitenden Verkehr. 2019 sind ins Ausland 135’269 Personen ausgereist bzw.166’486 eingereist. Der Überschuss ist weitgehend im Verkehr mit Ungarn entstanden. Mutmasslich wurden aus Ungarn Asylanten in den Westen abgeschoben. Im Durchschnitt reisten täglich 25 Personen aus der Schweiz ein bzw. aus. In der Regel führt der Nachtzug aus Zürich drei Wagen. Coronabedingt war 2020 ein enormer Einbruch im grenzüberschreitenden Verkehr zu verzeichnen. So fielen die Ein- und Ausreisen von bzw. in die Schweiz auf nur acht pro Tag.

Überrascht haben die Fülle und der Detaillierungsgrad der von den kroatischen Staatsbahnen in der Landessprache und teilweise auch in Englisch veröffentlichten Informationen. So werden in einem statistischen Bericht umfassende betriebliche Kennzahlen und Fakten präsentiert, wie etwa die Anzahl Reisende im internationalen Fernverkehr.

Deckblatt der rund 90 Seiten umfassenden Jahresstatistik der kroatischen Staatsbahnen. Daneben sind unter anderem Geschäftsberichte, Finanzpläne und Revisionsberichte frei verfügbar.

Kommentar

Mit der Fertigstellung und der vollständigen Inbetriebnahme der Güterverkehrskorridore und der Leistungssteigerung der Häfen an der Adria werden sich – wohl zu Lasten der Häfen an der Nord- und Ostsee – die Transportwege und -zeiten für Güter aus Asien nach Mittel- und Osteuropa substantiell verkürzen.

Besorgnis verursacht der Sachverhalt, dass kaum Bestrebungen für die Wiederbelebung des zwischenstaatlichen Eisenbahnverkehrs auf dem Balkan erkennbar sind, abgesehen vom Ausbau der Strecken am Güterverkehrskorridor 10. Offensichtlich fehlt weiterhin die Bereitschaft zur Kooperation zwischen den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens – keine gute Situation und kein Erfolgsrezept für die Zukunft,

Quellenhinweise

Die Bilder wurden vom Verfasser mit einem Smartphone aufgenommen. Die Informationen wurden der Dokumentation der kroatischen Staatsbahnen und dem Internet entnommen. Trotz sorgfältiger Recherche besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Informationen.

Schienenverkehr Balkan II – Aufbruch in Serbien

Topics

Gemäss der Ankündigung im Beitrag „Schienenverkehr Balkan I – Sarajewo“ folgen in diesem Beitrag Informationen und Einschätzungen über die Eisenbahn in Serbien. Im Gegensatz zu Bosnien-Herzegowina sind Massnahmen für die Revitalisierung und für den Ausbau des Eisenbahnwesens im Gang. Mehr dazu am Ende des Beitrages.

Kraljevo

Der Weg zur Stätte eines schrecklichen Ereignisses im zweiten Weltkrieg führte am Bahnhof vorbei. Dabei beobachtete ich einen einfahrenden Triebwagenzug von Stadler. Anlass also, auf dem Rückweg einen kurzen Abstecher zum Bahnhof zu unternehmen und dort einen Augenschein vorzunehmen. Abgesehen vom eher geringen Angebot an Zügen war ich positiv überrascht. Dazu ein paar Bilder und der dem Internet entnommene Fahrplan der Serbischen Staatsbahnen.

Frontansicht des Bahnhofs von Kraljevo.
Ansicht des Bahnhofs von Kraljevo von den Fahrsteigen.
Fahrplan im Bahnhof von Kraljevo.
In den Bahnhof von Kraljevo einfahrender Zug von Stadler (Flirt).
Anschriften auf dem Zug von Stadler.
Auf diesem Feld unmittelbar hinter dem Bahnhof von Kraljevo ereignete sich 1942 ein schreckliches Massaker.

Novi Beograd

Auf der Führung durch die repräsentative und gepflegte Altstadt von Belgrad erfuhr ich von unserem Führer, dass im neuen Stadtteil von Belgrad ein neuer Bahnhof im Bau sei. Mein Interesse war geweckt. Nach einem Ausflug nach Novi Sad, bei dem von der Autobahn aus Teile einer Neubaustrecke und eine eindrückliche neue Brücke über die Donau für den Eisenbahn- und Autoverkehr zu sehen waren, begab ich mich am Abend zum Bahnhof von Novi Beograd. Leider reichte die Zeit für die Besichtigung von Beograd Centar, dem Hauptbahnhof von Belgrad, nicht.

Novi Beograd liegt in einem stark wachsenden und modernen neuen Stadtteil von Belgrad. Die Umgebung des Bahnhofs ist erst teilweise überbaut. Unter dem Bahnhof durch führt eine vom mehreren Linien befahrene Tramstrecke. Ein Bahnhofgebäude fehlt noch. Der erste Eindruck war miserabel – grob und schmucklos ausgeführte Betontreppen und viel Unrat unter den Stützen des aufgeständerten Bahnhofs. Rolltreppen und Lifte fehlten.

Zugang zu dem vom öffentlichen Stadtverkehr ideal erschlossenen Bahnhof von Novi Beograd.
Abweisender Aufgang zu den Bahnsteigen des Bahnhofs Novi Beograd.

Ganz anders waren jedoch die Eindrücke auf den repräsentativen Bahnsteigen. Die Arbeiten sind noch im Gang. In Betrieb sind erst zwei Geleise. Ein weiteres Gleis ist verlegt, und für zwei weitere Geleise sind die Wannen erstellt. Die Konstruktion wirkte fremd. In den Böden der Betonwannen sind im Abstand von etwa sechzig Zentimeter Hülsen für Befestigungsschrauben für die Schienen eingegossen. Vereinzelte Bauarbeiter waren an diesem Samstagabend zu später Stunde noch an der Arbeit.

Blick vom Ende der Bahnsteige von Novi Beograd auf den Wartebereich.
Wartenische für Fahrgäste.
Bautrupp an einem Samstagabend kurz vor 20.00 Uhr an der Arbeit.
Repräsentatives Bürogebäude unmittelbar neben dem mutmasslichen Areal des zukünftigen Bahnhofgebäudes von Novi Beograd.

Während meinem kurzen Aufenthalt hielten zwei ältere und saubere Triebwagenzüge am Bahnhof. Die ein- oder aussteigenden Fahrgäste liessen sich an zwei Händen abzählen. Wie der Fahrplan zeigt, ist die Zugdichte relativ dicht, ohne jedoch mitteleuropäischen oder gar schweizerischen Verhältnissen zu entsprechen.

Ende des abfahrbereiten Regionalzuges.
Der gleiche Zug von vorne. Man beachte die repräsentativen Schutzdächer auf den Bahnsteigen.
Angebot am Bahnhof von Novi Beograd.
Fahrplan einer Regionalverbindung vom Bahnhof Novi Beograd.

Nach dem Erstellen von ein paar Fotos entdeckte ich am Ende des Bahnhofs drei Informationstafeln über den Bau dieses Bahnhofs. Offensichtlich ist Novi Beograd Bestandteil der unter anderem von China gebauten Neubaustrecke von Belgrad nach Budapest. Interessant war auch die Herkunft von Baumaterial auf einem Güterwagen.

Informationstafel über die Neubau-/Ausbaustrecke von Belgrad nach Budapest.
Informationstafel über den Verlauf der Neubau-/Ausbaustrecke von Belgrad nach Budapest.
Informationstafel zur Entstehung der Neubau-/Ausbaustrecke von Belgrad nach Budapest.
Anschrift auf einem Paket mit Baumaterial.
Anschrift auf einem weiteren Paket mit Baumaterial.

Ein paar Angaben zu den Serbischen Staatsbahnen und ihrer Projekte

Teile der Website der Serbischen Staatsbahnen ermöglichen auch in englischer Sprache einen guten Überblick über das Eisenbahnwesen in Serbien. Ganz offensichtlich sind Bestrebungen für den grenzüberschreitenden Ausbau der Eisenbahn im Gang, obschon heute beispielsweise keine Züge nach Zagreb in Kroatien verkehren.

Eine besondere Bedeutung gilt dem europäischen Güterverkehrskorridor X, dem „Alpine-Western Balkan Freight Corridor“, der von Linz und Salzburg durch den Balkan an die türkische Grenze führt.

Informationen über die Produktion der Serbischen Staatsbahn sind kaum erhältlich. Hier ein Auszug aus Wikipedia: „Rail transport remains a popular form of freight transportation with 12.3 million tons carried in 2018, while being fairly uncommon for passenger transport, carrying just over 16 million passengers in 2018 (5 million if Belgrade urban rail system is excluded).“

Netzplan der Serbischen Staatsbahn.
Streckenlängen und Betriebsarten der Serbischen Staatsbahn.
Erneuerungen im Netz der Serbischen Staatsbahn (Stand Ende 2018).
Aktuelle Übersicht über den Stand der Erneuerungen.
Stand der Neubau-/Ausbaustrecke von Belgrad nach Budapest, die 2025 in Betrieb gehen soll.

Kommentar

Ganz offensichtlich wird in Serbien – aber auch in weiteren Staaten auf dem Balkan – mit grossem Einsatz an der Revitalisierung der Eisenbahn gearbeitet. Vor allem der Güterverkehr wird stark gefördert. Weitere Informationen können der Präsentation „Current status of railway system in Republic of Serbia and policies for better transport connectivity“ von Laza Radakovic, assistant minister, entnommen werden. Zusätzlich zum Ausbau der Infrastruktur werden in Serbien auch die Gesetze im Verkehrswesen und die Organisation der Eisenbahn den Normen der EU angeglichen.

Hier der Link zu dieser Präsentation: SBR Präsentation

Bei unseren Fahrten auf der Autobahn zwischen Belgrad und Zagreb stellten wir einen intensiven internationalen Lastwagenverkehr fest. Etwa ein Viertel der Lastwagen war mit türkischen Autokennzeichen gekennzeichnet.

Die ehrgeizigen und aufwendigen Projekte werden zu einem grossen Teil mit ausländischen Mitteln finanziert. Auch werden viele der Arbeiten von ausländischen Firmen mit eigenem Personal ausgeführt. Auffallend ist das grosse Engagement von China und – etwas weniger – von Russland. Der Eindruck besteht, dass die EU bestrebt ist, den beiden Konkurrenten aus dem Osten mit eigenen Anstrengungen zu begegnen.

Interessant wird sein, ob und wie die grenzüberschreitenden Projekte für Strasse und Schiene die latent vorhandenen Spannungen zwischen den Balkanstaaten auflösen und die noch kaum verheilten Wunden aus den schrecklichen Kriegen nach der Auflösung des einstigen Jugoslawien heilen können. Zudem stellt sich die Frage, ob sich der erhoffte Ertrag aus den immensen Investitionen einstellt und ob Serbien die Kredite zurückzahlen kann.

Quellenhinweise

Die Fotos wurden vom Verfasser mit dem Smartphone aufgenommen. Die Daten zu einigen Projekten wurden den im Internet verfügbaren Publikationen des Serbischen Ministeriums für den Bau, den Verkehr und die Infrastruktur entnommen. Teilweise musste auf oberflächliche oder widersprüchliche Pressemitteilungen ausgewichen werden. Alle Daten wurden mit grosser Sorgfalt zusammengetragen. Eine Gewährleistung für die absolute Richtigkeit ist ausgeschlossen.

 

Ein überfälliger Kraftakt – Modernisierung Napoli-Bari

Topics

Nicht nur im Norden mit den Grossprojekten Terzo Valico und Fertigstellung der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Milano nach Venezia wird in Italien tatkräftig an der Modernisierung der Eisenbahninfrastruktur gebaut – auch die wenig leistungsfähige und dennoch bedeutende Eisenbahnlinie zwischen Napoli und Bari wird in den nächsten Jahren für über sechs Milliarden Euro modernisiert. Durch die neue Strecke verkürzt sich die Fahrzeit zwischen Napoli und Bari von heute 3 Stunden und 40 Minuten auf knapp 2 Stunden. Bari wird von Roma aus in drei Stunden erreichbar.

Perronende in Napoli Centrale mit Absperrbändern wegen Corona.
Bahnhofgebäude von Foggia. In diesem Bahnhof erfolgt der Richtungswechsel der Züge aus Westen nach Bari und Lecce.

Dieses Projekt – ein Abschnitt davon ist bereits in Betrieb und ein weiterer wurde vor Jahren ausgebaut – ist insofern bemerkenswert, als zwischen Napoli und Bari seit vielen Jahren gar keine direkte Zugverbindung mehr besteht. Hingegen verkehren von Roma aus zwischen Caserta und Foggia mehrere Fernzüge von Trenitalia und NTV über die zu modernisierende Strecke nach Apulien.

Der öffentliche Personenverkehr von Napoli nach Foggia, Bari oder nach Lecce ist deshalb auf Busse abgewandert. Trotz der längeren Fahrzeit der Züge kostet die Busfahrt einen Bruchteil der Bahnreise.

Durch den seit vielen Jahren überfälligen Ausbau von Napoli-Bari entsteht überdies die erste leistungsfähige Eisenbahnverbindung durch den Apennin zwischen dem Mittelmeer und der Adria.

Ich habe mich im Juli 2021 näher mit diesem grossartigen Projekt vertraut gemacht und den Verlauf der neuen Strecke auf den meisten Abschnitten studiert. Gerne informiere ich darüber in diesem Bericht.

Verlauf der bestehenden Strecke

Wie der Auszug aus dem „Eisenbahnatlas Italien und Slowenien“ Schweers+Wall zeigt, ist die Strecke im Abschnitt zwischen Apice und Bovino kurvenreich und weist mehrere längere Tunnels auf. Sie überwindet mit Steigungen bis zu 23 Promillen rund 400 Meter Höhenunterschied. Die Bahnhöfe liegen oft weitab von den dazu gehörenden Ortschaften, und die Strecke verläuft im mittleren Bereich in einem oft sehr engen Tal.

Die Strecke verläuft meist in engen Tälern, etwa vergleichbar mit derjenigen zwischen Bern und Luzern durch das Emmental und das Entlebuch.
Bald nur noch Geschichte – der gepflegte Bahnhof von Ariano-Irpinio. Die Das Zentrum dieser Stadt mit über 22’000 Einwohnern ist etwa 3 Kilometer vom Bahnhof entfernt.

Die Geometrie der Strecke mit wenigen Ausweichmöglichkeiten macht die Einhaltung des Fahrplans schwierig. Selbst kleinere Verspätungen haben grosse Auswirkungen auf den gesamten Fernverkehr in der Region – während meiner Studienreise verkehrte der überwiegende Teil der Fernverkehrszüge mit Verspätungen. Während zwischen Benevento und Caserta mehrere und in der Regel gut besetzte Regionalzüge verkehren, besteht zwischen Benevento und Foggia Bahnersatzverkehr mit Bussen. Die Busfahrt über die kurvenreiche Staatsstrasse 90 mit Abstechern zu Bahnhöfen im Talgrund zwischen Benevento und Foggia dauert 2 Stunden und 20 Minuten.

Die Zugfahrt im Mittelabschnitt war faszinierend – für Freunde von landschaftlich schönen Zugreisen ein Genuss. Als Element einer wichtigen italienischen Fernverbindung ist die Strecke ist die Strecke nicht mehr zeitgemäss.

 Überblick über das Projekt

Die Angaben in den konsultierten Dokumenten von RFI waren teilweise widersprüchlich. Ich halte mich im Folgenden an die neusten verfügbaren Informationen.

Nicht berücksichtigt sind seit 2017 erfolgte Projektanpassungen, hauptsächlich im Abschnitt 5.

In den Projektbeschreibungen wird von einem Doppelspurausbau und von einem Kapazitätsausbau geschrieben. Möglicherweise abgesehen von kurzen Abschnitten auf dem Abschnitt von Frasso Telesino nach Vitulano – hier wird die bestehende Strecke auf Doppelspur erweitert – entsteht eine Neubaustrecke. Insgesamt werden in die fünf Abschnitte EUR 6,2 Milliarden investiert.

Einzelne Abschnitte im Überblick

Abschnitt 1 – Napoli-Cancello

Gemäss Informationen von webuild sind die Bauarbeiten im Gang. Kürzlich wurde eine 2‘500 Tonnen schwere Eisenbahnbrücke über eine Autobahn montiert.

Im Bahnhof von Cancello lagern bereits Berge von Schwellen für die neuen Strecken.

Abschnitt 2 – Cancello-Frasso Telesino

Nord-östlich von Cancello sind grössere Teile einer Überwerfung fertig gestellt. Ab der Ebene ins Tal von Maddaloni wird ein etwa vier Kilometer langer Tunnel gebaut.

Bei Maddaloni Superiore sind die Arbeiten an Teilen des Trasses und an ein paar Brücken abgeschlossen. Weiter nord-östlich sind Brückenfundamente in Arbeit.

Abschnitt 3 – Frasso Telesino-Telese-Vitulano

Die Aufträge für die beiden Teilstücke Frasso Telesino –Telese und Telese–Vitulano wurden an die Firma Ghella vergeben. Die Bauarbeiten werden im Herbst 2021 aufgenommen.

Abschnitt 4 – Apice-Hirpinia-Orsara

Dieser Abschnitt verläuft zum überwiegenden Teil in Tunnels und weitab von der Bestandesstrecke. Die Bestandesstrecke wird nach Inbetriebnahme der Neubaustrecke abgebaut – Irpino-Orsara und weitere Ortschaften werden neu vom südlich gelegenen Bahnhof Hirpinia erschlossen.

Bereich, in dem die neue Strecke – überwiegend in Tunnels – ungefähr zu liegen kommt.

Die Bauarbeiten am rund 17 Kilometer langen und EUR 608 Millionen teuren Teilstück von Apice nach Hirpinia durch ein Konsortium unter der Leitung von Salini Impregilo sind seit 2018 im Gang. In den Kosten nicht enthalten sind die eisenbahntechnischen Infrastrukturen, wohl aber der Bau des grosszügigen Bahnhofs Hirpinia.

In diesen Tagen hat ein Konsortium unter der Führung von webuild den Auftrag für das zweite Teilstück erhalten. Die Offerte für den Bau einer 28 Kilometer langen doppelspurigen Hochgeschwindigkeitsstrecke – davon 27 Kilometer im Tunnel – beträgt EUR 1,032 Milliarden. Unter Berücksichtigung der Kosten für die eisenbahntechnischen Anlagen belaufen sich die Investitionen auf knapp EUR 1,5 Milliarden – entsprechend EUR 54 Millionen pro Kilometer.

Abschnitt 5 – Orsara-Bovino

Gemäss einer Pressemitteilung vom 14. Juni 2021 von RFI wurde der Auftrag für das bereinigte und einen höheren Tunnelanteil aufweisende Projekt für EUR 367 Mio. an ein Konsortium unter der Führung von webuild vergeben. Die gesamten Investitionen betragen EUR 562 Mio. Der Baubeginn erfolgt noch im laufenden Jahr.

Abschliessende Bemerkungen und Kommentar

Endlich, müsste man sagen, erfolgt auch in Süditalien ein Kraftakt für den Ausbau der Eisenbahn. Fairerweise sei erwähnt, dass längere Abschnitte der Strecke von Bologna nach Lecce entlang der Adriaküste in den letzten Jahren modernisiert wurden.

Bemerkenswert ist der ganzheitliche Ansatz. Anstatt sich auf den Abschnitt 4 von Apice nach Orsara zu beschränken und ein paar Tunnels zu bauen, wird der gesamte Korridor aufwendig modernisiert. Was für ein Gegensatz zu den hiesigen Verhältnissen, wo sich Jahrhundertwerke auf lange Tunnels beschränken.

Auffallend sind auch die erstaunlich tiefen Kosten von rund sechs Milliarden Euro für eine rund 122 Kilometer lange Neubaustrecke, von der 60 Kilometer in Tunnels und 13 Kilometer auf oft aufwendigen Talbrücken liegen. Entsprechend also rund EUR 50 Millionen pro Kilometer. Zum Vergleich – die in den Medien erwähnten Kosten für die angedachten Durchmesserlinie in Basel liegen bei sechs Milliarden Schweizer Franken, entsprechend etwa 5 ½ Milliarden Euro.

 

Avenir Mobilité – Vision Mobilität 2050

Topics

Avenir Mobilité führte am 29. Juni 2021 eine interessante und aktuelle Veranstaltung über die zukünftige Ausrichtung der Schweizerischen Verkehrsinfrastruktur und zum Mobilitätsverhalten durch. Unter der Bezeichnung „Vision Mobilität 2050“ fanden mehrere Inputreferate statt, deren Aussagen in lebhaften Podiumsdiskussionen vertieft wurden. Auffallend war die Abwesenheit von Vertretern des Bundesamtes für Verkehr und der SBB.

Grundlage der Veranstaltung waren die Ergebnisse der drei Workshops von Avenir Mobilité zur Vision Mobilité 2050, deren Ergebnisse im Ergebnisprotokoll vom 4. Dezember 2020 festgehalten wurden.

Überblick über die drei Workshops von Avenir Mobilité

Workshop vom 17. Juni 2019

Persönliche Inputs ergaben einen guten Input in die Thematik. Die Technik wurde als grosser Einflussfaktor erkannt. Grosse Auswirkungen werden das automatisierte Fahren und die Shared Economy haben. Der öffentliche Verkehr wird weiter ausgebaut. Als Folge wird sich das Stadtbild verändern – die Lebensqualität in den urbanen Räumen nimmt zu. Teile des Verkehrs werden sich in den Untergrund verlagern – sie es für den Schnellverkehr oder den Güterverkehr. Hohe Erwartungen bestehen im Hinblick auf die bessere Umweltverträglichkeit des Verkehrs. Allerdings führt die Qualitätssteigerung wahrscheinlich zu höheren Kosten. Nicht auszuschliessen sind zusätzliche Einschränkungen für Verkehrsteilnehmer.

Workshop vom 21. August 2019

Einleitend diskutierten die Teilnehmer die Rolle der Mobilität und die Funktion des Verkehrs in der Gesellschaft. Man fand, dass Gesellschaft, Wirtschaft, Technik, Umwelt und Verkehr stark ineinander verzahnt sind. Der Erfolg von Massnahmen zur Optimierung des Verkehrssystems wird bestimmt durch

  • Innovative und intelligente Lösungen
  • Adäquate Rahmenbedingungen
  • Hinreichende finanzielle Ressourcen
  • Gesellschaftliche Akzeptanz und Verständnis

Die Dekarbonisierung des Verkehrssystems ist eine der grossen Herausforderungen. Das erfordert eine weitere Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene. Die Ablösung des Verbrennungsmotors ist eine weitere Massnahme. Die technischen Massnahmen müssen durch ein griffiges Fördersystem unterstützt werden. Hier besteht aufgrund der Meinung von Experten noch Handlungsbedarf. Entscheidend für Effizienz und Umweltverträglichkeit des Verkehrssystems ist eine verstärkte Abstimmung von Raum- und Verkehrsplanung. Eine weitere Massnahme für die Effizienz der Massnahme wäre nach der Meinung von ein paar Experten der Zusammenzug der Bundesämter für die einzelnen Verkehrsträger in einem mächtigen Bundesamt für Mobilität.

Man hält zudem eine potente und alle Stakeholders umfassende Plattform für wünschbar, welche die Visionen gemeinsam mit den staatlichen Instanzen durchsetzen und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit befruchten kann.

Workshop vom 21. Januar 2020

Die Teilnehmenden waren sich einig über den Bedarf nach einer landesweiten, konsistenten, branchenübergreifenden und unbefangenen Mobilitätsstrategie. Staatliche Stellen und Bevölkerung sind als Akteure und Betroffene für die Gewährleistung einer hohen Akzeptanz mit einzubeziehen. Das erschwert zwar die Strategieerarbeitung, erleichtert aber die zukünftige Durchsetzung der Massnahmen.

Die Mobilitätsstrategie muss folgenden Ansprüchen entsprechen:

  • Konkreter Massnahmenkatalog
  • Ressourcenbedarf und Mittelherkunft
  • Nationaler Bezug mit Rücksicht auf weltweite Entwicklungen
  • Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit

Die Mobilitätsstrategie kann ergänzend auch nachgelagerte Aspekte beinhalten und die Abhängigkeit von Rahmenbedingungen aufzeigen. Zwischen dem für die Erarbeitung der Strategie zuständigen Sounding-Board und einem noch zu bezeichnenden Bundesamt sollte eine engere Verbindung bestehen. Man erwartet, dass die ersten Massnahmen der Mobilitätsstrategie ab 2030 umgesetzt werden könnten.

Stellungnahmen zu den Aussagen des Ergebnisprotokolls

Im Anschluss an die Präsentation der Mobilitätsstrategie nehmen Fachleute kurz Stellung zu den Aussagen.

Nicole Mathy, Sektionschefin im Bundesamt für Raumentwicklung ARE, ist zufrieden mit der Arbeit und den Ergebnissen der Workshops. Die Teilnehmenden verfügten über ein grosses Vorwissen und einen breiten Fächer. Sie verweist auf die einschlägigen Publikationen des ARE und den Sachplan Verkehr. Das Verkehrsverhalten werde durch die Demografie, die Kosten und die Wechselwirkung mit den Arbeitsformen beeinflusst. Sie erläutert das Potential des Home Office.

Basil Amman, Senior Researcher bei Avenir Suisse, stellt fest, dass eine eigentliche Revolution der Mobilität im Gang ist. Der Ausgang ist ungewiss, der Weg wird geprägt durch Überraschungen. Die Schweiz sollte ihre gute Ausgangslage nutzen und eine weltweit führende Rolle einnehmen. Visionen, Unvoreingenommenheit und integrale, gesamtheitliche Ansätze sind gefragt.

Andreas Burgener, Direktor von Auto-Schweiz, betont den Erfolg des Strassenverkehrs. Unter Einbezug der Busse werden auf der Strasse fast neunzig Prozent der Verkehrsleistungen erbracht. Die Mobilität bleibt ein Wachstumsmarkt. Andreas Burgener spricht sich dezidiert gegen Einschränkungen aus. Es braucht neue Infrastrukturen – explizit auch für den Luftverkehr – sowie neue Prozesse und technische Massnahmen zur Erhöhung der Kapazität der Strassen. Neue Regulierungen sollen jeweils erst nach Abschluss der Versuchsphase eingeführt werden.

Luciana Franceschina, COO der Firma Teralytics AG, diskutiert die Auswirkungen des steten Wandels auf die Mobilität. Die Verkehrsteilnehmer verfügen über zunehmende Optionen, haben ständig steigende Ansprüche und sind offen für neuartige Lösungen. Die Nutzung der umfangreichen Daten sind ein entscheidender Erfolgsfaktor. Teralytics AG erstellt detaillierte Analysen des Verkehrsverhaltens auf der Basis von Daten aus Mobilfunknetzen.

Matthias Finger, emeritierter Professor an der EPFL, nimmt eine Zusammenfassung der Stellungnahme vor. Er hält einleitend fest, dass als unabhängig bezeichneten Theorien oft verkappte Ideologien sind. Der Ergebnisbericht enthält klare und umfassende Aussagen. Hingegen vermisst Matthias Finger eine klare Vision zu folgenden Themen:

  • CO2-Neutralität
  • Externe Kosten
  • Digitalisierung

Matthias Finger beschreibt drei Szenarien für die zukünftige Entwicklung der Schweiz, nämlich eine grosse Metropolitanregion, mehrere Wirtschaftsräume oder Zerfall und Eingang in benachbarte Metropolitanräume. Wer führt diesen Prozess?

Diskussion der Stellungnahmen

In einer von Martin Bütikofer moderierten Runde melden sich zahlreiche Votanten. So weist Jürg Röthlisberger auf ein hohes Anspruchsniveau und das mutmassliche Bevölkerungswachstum der Schweiz bis 2050 um 1,8 Millionen Menschen hin. Das erfordert rasche Entscheidungen. Für Basil Ammann von Avenir Suisse ist das gute Mobilitätssystem der Schweiz ein wichtiger Standortvorteil, den es zu erhalten gelte. Das gute Image der Branche fördert auch die Attraktivität der Verkehrsunternehmen auf dem Arbeitsmarkt. Der restriktive Datenschutz hingegen bremst innovative Entwicklungen. Werner Stohler ist unsicher, ob sich die Selbsteinschätzung und die Realität entsprechen. Er nennt Japan und Singapore und die dort herrschende Nullprozent-Fehlertoleranz als beispielhaft. Für Hans Werder ist eine leistungsfähige multimodale Plattform vordringlich. Diese Auffassung wird von Matthias Finger unterstützt. Ein anderer Votant ist eher skeptisch und weist darauf hin, dass in Finnland eine stark beworbene Mobility as a Service-Plattform ausser Betrieb gesetzt wurde.

Basil Amman fordert die rasche Umsetzung von Mobility-Pricing. Für Paul Schneeberger vom Städteverband ist eine bessere Verzahnung von Raumplanung und Verkehrsplanung vordringlich. Er spricht sich zudem für ein Denken in Szenarien aus. Halten der Wachstumstrend und die ungebrochene Entwicklung tatsächlich an? Ein Votant weist darauf hin, dass der Flächenkonsum im Kanton Aargau für Wohnen denjenigen für Verkehrsinfrastrukturen seit 1996 um das Hundertfache überstiegen hat.

In einem Schlussvotum postuliert Luciano Franceschina ein flexibleres und stärker nachfrageorientierteres Angebot im öffentlichen Verkehr, eine Realisierung von Cargo Souterrain und ein Pilotbetrieb von Mobility Pricing.

Sachplan Verkehr – Mobilität und Raum im Jahr 2050

Nach der Pause stellt Ulrich Seewer, Bundesamt für Raumentwicklung, den Teil „Programm“ des Sachplans Verkehr vor, der im UVEK in Zusammenarbeit mit Kantonen und Gemeinden erarbeitet wird. Der Bundesrat will im Herbst 2021 darüber entscheiden. Der Sachplan Verkehr wird voraussichtlich gegen Ende 2021 veröffentlicht. Nicht abschliessend geklärt ist die Frage nach der Verbindlichkeit sowie ob und in welcher Form das Parlament mit in die Entscheidungsfindung einbezogen werden soll. Auf der Grundlage eines Zielsystems, Räumen und Erschliessungsarten wird ein gesamtheitliches Gesamtverkehrssystem entworfen. Mit berücksichtigt werden Umweltschutzaspekte und verfügbare Ressourcen.

Workshops in Arbeitsgruppen

Nach den Ausführungen von Ulrich Seewer ziehen sich die Anwesenden entsprechend ihren Präferenzen zu einem der vier im Schema aufgelisteten Workshops zurück.

Übersicht über die vier Workshops

Der Autor beteiligt sich am Workshop „Europäische Mobilitätsvisionen“, der von Matthias Finger moderiert wird. Es ergibt sich rasch eine interessante und angeregte Diskussion.

Einleitend wird darauf hingewiesen, dass ein Viertel der Schweizer Bevölkerung über einen EU-Pass verfügt. Matthias Finger berichtet, dass die 2020 veröffentlichte Strategie der EU für eine nachhaltige und umweltgerechte Mobilität weitreichende Forderungen enthält und das Verkehrssystem tiefgreifend verändern will. Stichworte sind Elektrifizierung und Dekarbonisierung, alternative Energien, Multimodalität und Internalisierung der externen Kosten. Mit einer verstärkten Digitalisierung sollen Innovationen und Effizienzsteigerungen forciert werden. Unter anderem sollen leistungsfähige Korridore/Achsen für den Personen- und den Güterverkehr gefördert und ein einheitlicher europäischer Luftraum „Single European Sky“ entstehen.

Für die Schweiz stellt sich die Frage, wie man auf diese Entwicklungen reagieren will und wie und welche Massnahmen bei uns umgesetzt werden sollen. Aus dem Kreis der Teilnehmenden am Workshop werden zahlreiche Massnahmen vorgeschlagen.

Berichterstattung der Arbeitsgruppen

 Lokale Mobilitätsvisionen

Roman Cueni, Verwaltungsleiter Aesch, fasst die Ergebnisse des Workshops zu den lokalen Mobilitätsvisionen zusammen. Man darf sich nicht nur auf Städte konzentrieren, sondern soll den Fokus auf Mobilitätsräume richten. Die Vision muss zur Schaffung einer hohen Akzeptanz breit abgestützt sein. Die Flächen müssen effizient genutzt werden. Idealerweise müssten die Nutzungen für Arbeit, Wohnen und Freizeit in unmittelbarer Nachbarschaft erfolgen. Sowohl der Ziel- als auch der Quellverkehr in bzw. aus den Städten müssen berücksichtigt werden. Technologie und Wettbewerb können flankierend unterstützen. Selbst grosse Visionen erfordern eine schrittweise Umsetzung.

Kantonale Mobilitätsvisionen

Rita Nenninger, Innovationsverantwortliche bei Postauto Schweiz AG, stellt die Erkenntnisse des Workshops zu den kantonalen Mobilitätsvisionen vor. Adäquate kantonale Konzepte sind zweckmässig, sollten aber in Einklang mit übergeordneten nationalen Konzepten stehen. Vorhandene Freiräume sind unbedingt zu nutzen. Synergien und Kooperationen mit den umliegenden Kantonen sind unerlässlich. Kantonale Mobilitätskonzepte können auch für die Standortförderung des Kantons genutzt werden.

Nationale Mobilitätsvisionen

Die Ergebnisse des Workshops zu den nationalen Mobilitätsvisionen werden von Erwin Wieland, Bundesamt für Strassen, präsentiert. Der Gestaltungszwang für nationale Mobilitätskonzepte betrifft zahlreiche Aspekte. Man fragte sich, ob der Programmteil des Sachplans Verkehr ausreichend konkret ist, und ortet einen gewissen Konkretisierungsbedarf. Die Rolle der Politik ist zu klären. Ein Aufbrechen in Teilprojekte kann die Realisierung erleichtern. Der Einfluss der Kantone ist zu sichern.

Internationale Mobilitätsvisionen

Andreas Kronawitter, its-ch, berichtet über die Ergebnisse des Workshops Internationale Mobilitätsvisionen und erläutert einleitend die Stossrichtungen der EU-Kommission wie Dekarbonisierung des Verkehrs, Erhöhung des Anteils des öffentlichen Verkehrs am Gesamtverkehr, Verlagerung von Teilen des Güterverkehrs auf die Schiene und Digitalisierung. Für die Schweiz stellt sich die Frage, ob man nachvollziehen, mitwirken oder vorausgehen will. Viele Mobilitätsvisionen der Schweiz sind grenzüberschreitend, man denke etwa an Basel oder Genf. Einschränkungen für die Schweiz ergeben sich durch das Roaming. Die Schweiz könnte auf der Grundlage ihres hoch entwickelten öffentlichen Verkehrs als Hot Spot in vielen Aspekten eine führende Rolle spielen. Wir haben viele Trümpfe.

Abschliessende Bemerkungen

Ulrich Seewer, Bundesamt für Raumentwicklung, äussert sich in einem kurzen Kommentar zu den Aussagen der Sprecher der Workshops. Er fragt sich, ob eine Gesamtsicht überhaupt möglich ist, und ob der Begriff des öffentlichen Verkehrs hinreichend präzis definiert und verstanden wird. Ein integraler Ansatz ist anspruchsvoll, besonders in der Umsetzung. Ulrich Seewer fragt sich, ob der Güterverkehr und insbesondere die City-Logistik genügend berücksichtigt wurden.

Aus der Sicht des Berichterstatters blieben die Verkehrsverbünde bzw. Tarifregionen als wichtige Gestaltungsräume der Mobilität in der Diskussion aussen vor. Dieser Sachverhalt tut dem guten Eindruck von der Veranstaltung keinen Abbruch – Avenir Mobilité hat es einmal mehr verstanden, eine anregende und attraktive Veranstaltung zu einem hoch aktuellen Thema durchzuführen. Dafür besten Dank.

Bald nur noch 6? – der Kampf um Kansas City Southern

Topics

Die Konzentration unter den grossen nordamerikanischen Güterbahnen hält unverändert an. In den letzten fünfundzwanzig Jahren erfolgten mehrere grosse Übernahmen – Firmen mit grossen Namen wie Illinois Central, Southern Pacific oder Western Pacific verschwanden.

Gegenwärtig streben die beiden kanadischen Güterbahnen Canadian National und Canadian Pacific die Übernahme von Kansas City Southern, der kleinsten der grossen Güterbahnen der USA, an. Nachdem Canadian Pacific für Kansas City Southern im Frühjahr 2021 USD 29 Milliarden geboten hatte, trat Canadian National ein paar Wochen später mit einem Angebot von USD 33,7 Milliarden auf den Plan.

Der Ausgang des Wettbewerbs ist zurzeit offen. Da Canadian National durch die Übernahme von Illinois Central bereits Nord/Süd-Verkehr in den USA betreibt, könnten sich wettbewerbsrechtliche Bedenken der angestrebten Übernahme von Kansas City Southern entgegen stellen.

Es ist zu erwarten, dass der Konzentrationsprozess anhalten wird und früher oder später auch in den USA transkontinentale Güterbahnen gebildet werden.

Der offene Bieterwettbewerb um Kansas City Southern war  Anlass, einen kurzen Überblick über die sieben grossen Güterbahnen in Nordamerika zu geben und ein paar Kennzahlen aufzubereiten. Zur Erhöhung der Vergleichbarkeit mit europäischen Güterbahnen wurden die Leistungswerte in metrische Grössen umgerechnet. Die finanziellen Werte wurden zu aktuellen Tageskursen in Schweizer Franken umgewandelt.

Auffallend ist die die eindrückliche Rentabilität der Class I-Railroads, die anhaltend hohen Investitionen sowie die Entwicklung der Börsenkurse ihrer Aktien seit der Jahrtausendwende.

Überblick über die nordamerikanischen Güterbahnen

Gegenwärtig bestehen in Nordamerika noch sieben grosse Güterbahnen. Sie werden als „Class I-Railroads“ bezeichnet. Sechs davon sind börsenkotiert. Die siebte, Burlington Northern Santa Fé wurde 2010 von Warren Buffet zum Preis von rund USD 34 Milliarden erworben, nota bene das grösste Einzelinvestments des legendären Investors. Eine andere Class I-Railroad nämlich Canadian National, war viele Jahre im Eigentum des kanadischen Staates und wurde 1995 privatisiert.

Ueberblick über die grossen Güterbahnen in Nordamerika. FXE – Ferrocarril Méxicano – zählt nicht zu den sieben Class I-Railroads.
Basisdaten 2019 der sieben Class I-Railroads. Die Tabelle kann mit dem Link am Ende dieses Beitrags als MS Excel-Datei heruntergeladen werden,
Streckenlängen der Class I-Railroads.
Leistungsdaten 2019 der Class I-Railroads. Die beförderten Mengen von KCS wurden geschätzt und sind deshalb kursiv gesetzt.
Umsatz, Gewinn und Investitionen 2019 der Class I-Railroads.

Neben den Class I-Railroads bestehen über 500 kleinere regionale Güterbahnen, die als Zubringer zu den grossen Güterbahnen wirken. Der überwiegende Teil dieser Kleinbahnen ist in grossen Holdings zusammengefasst.

Kansas City Southern als kleinste der Class I-Railroads bedient neben den USA auch Mexiko. Die Streckenlänge in Mexiko beträgt 3‘850 Meilen – für 3‘300 Meilen besitzt KCS eine Konzession des mexikanischen Staates und für 550 Meilen verfügt KCS über Durchfahrtsrechte, sogenannte „Trackage Rights“.

Während vielen Jahren betrieb nur Canadian National transkontinentalen Güterverkehr. Durch den Kauf von Güterbahnen im Nordosten der USA, unter anderem der Delaware & Hudson, wurde auch Canadian Pacific zu einer transkontinentalen Güterbahn.

Die übrigen fünf Class I-Railroads bedienen nur Teile der USA. Im Osten sind die Märkte von CSX und Norfolk Southern relativ klar abgegrenzt, im Westen überlappen sich die Märkte von Burlington Northern Santa Fé und Union Pacific.

Die beiden Offerten im Überblick

Streckennetz nach dem möglichen Zusammenschlusses von Canadian Pacific und Kansas City-Southern.
Streckennetz nach dem möglichen Zusammenschluss von Canadian National und Kansas City-Southern.

Die beiden Offerten im Überblick

Mit einem Entscheid in diesem Jahr ist zu rechnen. Nicht auszuschliessen ist, dass ein weiterer Interessent auf den Plan tritt. Mexiko hat als Produktionsstandort nach dem sich verstärkenden Zwist zwischen den USA und China weiter an Bedeutung gewonnen – am grössten Grenzübergang Laredo überqueren durchschnittlich 16‘000 Lastwagen die Grenze. Da besteht für die Eisenbahn ein grosses Potential für den grenzüberschreitenden Güterverkehr.

Abschliessende Bemerkungen

Die Ertragslage der Class I-Railroads ist enorm beeindruckend. Sie schlägt sich im vergleichsweise guten Lohnniveau der Mitarbeitenden und dem starken Anstieg der Börsenkurse der Güterbahnen seit 2000 nieder.

Entwicklung des Börsenkurses von Kansas City Southern seit 2000.
Entwicklung des Börsenkurses von Canadian Pacific seit 2000.
Entwicklung des Börsenkurses von Canadian National seit 2000.

Die Daten stammen aus verschiedenen Quellen. Für die in den USA domizilierten Class I-Railroads wurden die der Aufsichtsbehörde Surface Transportation Board STB einzureichenden umfangreichen Berichte R-1 konsultiert. Bei Kansas City Southern wurde der von der Stock Exchange Committee SEC eingeforderte Bericht 10-K herangezogen, da die R-1 Berichte die ausländische Geschäftstätigkeit in Mexiko nicht abdecken. Die R-1 Berichte beschränken sich im Gegensatz zu den 10-K Berichten auf den Güterverkehr.

Die Informationen über die beiden kanadischen Güterbahnen wurden den Geschäftsberichten der Firmen entnommen (Annual Reports).

Die der Übersicht zugrunde liegenden Daten und die Umrechnungsfaktoren können dieser Excel-Tabelle entnommen werden. Daten 2019 Class I Railroads

Umbruch in Grossbritannien – Williams-Shapps Plan for Rail

Topics

In diesen Tagen wurde eine grundlegende Reorganisation des Eisenbahnverkehrs in Grossbritannien angekündigt. Mit dem „Williams-Shapps Plan for Rail“  sollen die Schwächen der vor rund 25 Jahren erfolgten Privatisierung beseitigt werden. Keineswegs vorgesehen ist die Verstaatlichung des Betriebs der Eisenbahn.

Grundzüge der Reorganisation

Die Privatisierung hat Mitte der neunziger Jahre den seit dem Ende des zweiten Weltkrieges anhaltenden Niedergang des britischen Eisenbahnwesens gebrochen und zu einem eindrücklichen Aufschwung geführt. Trotz einigen Krisen, unter anderem das Debakel von Railtrack, der privaten Infrastrukturgesellschaft, ist die Privatisierung insgesamt eine Erfolgsgeschichte.

Mit der Privatisierung wurden an die privaten Betreibergesellschaften Franchisen vergeben. Das gab den Betreibern das Recht, ihr Angebot weitgehend frei zu gestalten. Sie trugen das volle Ertrags- und Kostenrisiko. Dieses Konzept führte zu einem ungeordneten Zustand, Fahrpläne und Tarife waren oft unzureichend abgestimmt und erschwerten systemübergreifende Reisen. Der Freiraum ermöglichte andererseits einigen EVU, ihre Preise an die Nachfrage anzupassen – Reisen in den Hauptverkehrszeiten verteuerten sich gegenüber den nachfragearmen Tageszeiten.

Bei systemübergreifenden Reisen wichen die Fahrgäste beim Kauf von Fahrausweisen häufig auf Train Line, eine einfach zu bedienende Plattform, aus. Die Aktienkurse dieses privaten Anbieters verzeichneten nach der Ankündigung von GBR einen veritablen Einbruch.

Unter der Führung von Grant Shapp, Transportminister der britischen Regierung wurde die Gründung einer mächtigen staatlichen Dachgesellschaft, der Great British Railways GBR, beschlossen. Unter Beibehaltung der Erfolgsfaktoren der Privatisierung soll GBR das landesweite Angebot definieren, das Tarifsystem vereinheitlichen und die volle Zuständigkeit für die Infrastruktur übernehmen. Damit verbunden ist die Ablösung des Franchisemodells durch die Vergabe von Transportaufträgen an EVU, so genannte „Passenger Service Contracts“– eine Lösung, die sich beispielsweise in zahlreichen europäischen Ländern im Nahverkehr durchgesetzt hat. Die Öffentlichkeit und die Kunden sollen mehr Einfluss erhalten. Ökologische Aspekte sollen verstärkt berücksichtigt werden.

Noch wenig konkret erscheinen die in Aussicht gestellten Massnahmen für die Förderung des Schienengüterverkehrs.

Die beschlossene Restrukturierung auf Landesebene entspricht weitgehend dem in London unter der Führung von TfL – Transport for London – seit 2001 erfolgreich funktionierenden Konzept. So kann GBR auf bestehenden Erfahrungen aufbauen.

Mit der Schaffung von GBR verfolgt die britische Regierung zehn Ziele:

  • Gewährleistung eines zeitgemässen Personenverkehrs auf der Schiene
  • Revolutionierung des Tarifsystems, unter anderem durch landesweite Tarife
  • Neuregelung der Kooperation mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU)
  • Prosperierende und nachhaltig tätige EVU
  • Mehr Einflussmöglichkeiten für Kunden und die Öffentlichkeit
  • Saubere und ökologische EVU
  • Setzen von starken Anreizen für den Schienengüterverkehr, unter anderem durch die landesweite Koordination der Angebote.
  • Verkürzung der Reisezeiten und Erhöhung der Effizienz
  • Gewinnung und Erhaltung von tüchtigen und innovativen Mitarbeitenden
  • Vereinfachung der Struktur des Eisenbahnsektors, unter anderem durch ein transparentes Abrechnungssystem und klare Entscheidungsregeln

Sonderregelungen wurden von den Regionalregierungen von Schottland und Wales beschlossen. In Wales wurde die Betreibergesellschaft Transport for Wales TfW von der Region übernommen und wird praktisch unverändert weiter geführt. Dafür bleibt in Wales die Infrastruktur im Gegensatz zum Rest des Landes weiter in privaten Händen.

Auch die schottische Regionalregierung hat unter anderem wegen den gravierenden finanziellen Konsequenzen von Corona die in Schottland wirkenden Betreibergesellschaften bis auf weiteres übernommen. Dies betrifft aber nur den innerschottischen Personenverkehr und gilt nicht für den Fernverkehr nach England.

Meinung des Autors

Die mit der Schaffung von GBR verbundenen und tiefgreifenden Neuerungen sind überfällig und weisen meines Erachtens in richtige Richtung. Entscheidend für den Erfolg der Massnahmen ist die Qualität der Umsetzung. Immerhin stehen mit dem Konzept von London und mit vielen Beispielen auf dem Kontinent erprobte Systeme im Raum.

Auffallend ist, dass dezidiert von einer (Wieder-) Verstaatlichung der Eisenbahn in Grossbritannien in weiten Teilen des Landes abgesehen wird. Offensichtlich sind die Erinnerungen der Entscheidungsträger an die verheerenden Verhältnisse bei British Rail in den Jahren vor der Privatisierung noch wach. Ich habe im Rahmen von zwei längeren Aufenthalten 1996 und 1997 zahlreiche Bahnfahrten in Mittel- und Nordengland unternommen und erinnere mich noch gut an die desolaten Zustände vor allem im Regionalverkehr.

Das Konzept von GBR sollte im Hinblick auf die Umsetzung in der Schweiz näher geprüft werden. Unter anderem liessen sich die auch von Spitzenvertretern der Schweizer Eisenbahnbranche beanstandeten Mängel im Tarifsystem dadurch vermutlich beseitigen. Anstelle eines Wildwuchses bestehend aus dem nationalen Verkehr, einem einzigen Verkehrsverbund und zahlreichen Tarifverbünden könnte die Schaffung eines einheitlichen nationalen Verkehrsverbundes nach dem Vorbild von GBR erwogen werden.