Umbruch in Grossbritannien – Williams-Shapps Plan for Rail

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In diesen Tagen wurde eine grundlegende Reorganisation des Eisenbahnverkehrs in Grossbritannien angekündigt. Mit dem „Williams-Shapps Plan for Rail“  sollen die Schwächen der vor rund 25 Jahren erfolgten Privatisierung beseitigt werden. Keineswegs vorgesehen ist die Verstaatlichung des Betriebs der Eisenbahn.

Grundzüge der Reorganisation

Die Privatisierung hat Mitte der neunziger Jahre den seit dem Ende des zweiten Weltkrieges anhaltenden Niedergang des britischen Eisenbahnwesens gebrochen und zu einem eindrücklichen Aufschwung geführt. Trotz einigen Krisen, unter anderem das Debakel von Railtrack, der privaten Infrastrukturgesellschaft, ist die Privatisierung insgesamt eine Erfolgsgeschichte.

Mit der Privatisierung wurden an die privaten Betreibergesellschaften Franchisen vergeben. Das gab den Betreibern das Recht, ihr Angebot weitgehend frei zu gestalten. Sie trugen das volle Ertrags- und Kostenrisiko. Dieses Konzept führte zu einem ungeordneten Zustand, Fahrpläne und Tarife waren oft unzureichend abgestimmt und erschwerten systemübergreifende Reisen. Der Freiraum ermöglichte andererseits einigen EVU, ihre Preise an die Nachfrage anzupassen – Reisen in den Hauptverkehrszeiten verteuerten sich gegenüber den nachfragearmen Tageszeiten.

Bei systemübergreifenden Reisen wichen die Fahrgäste beim Kauf von Fahrausweisen häufig auf Train Line, eine einfach zu bedienende Plattform, aus. Die Aktienkurse dieses privaten Anbieters verzeichneten nach der Ankündigung von GBR einen veritablen Einbruch.

Unter der Führung von Grant Shapp, Transportminister der britischen Regierung wurde die Gründung einer mächtigen staatlichen Dachgesellschaft, der Great British Railways GBR, beschlossen. Unter Beibehaltung der Erfolgsfaktoren der Privatisierung soll GBR das landesweite Angebot definieren, das Tarifsystem vereinheitlichen und die volle Zuständigkeit für die Infrastruktur übernehmen. Damit verbunden ist die Ablösung des Franchisemodells durch die Vergabe von Transportaufträgen an EVU, so genannte „Passenger Service Contracts“– eine Lösung, die sich beispielsweise in zahlreichen europäischen Ländern im Nahverkehr durchgesetzt hat. Die Öffentlichkeit und die Kunden sollen mehr Einfluss erhalten. Ökologische Aspekte sollen verstärkt berücksichtigt werden.

Noch wenig konkret erscheinen die in Aussicht gestellten Massnahmen für die Förderung des Schienengüterverkehrs.

Die beschlossene Restrukturierung auf Landesebene entspricht weitgehend dem in London unter der Führung von TfL – Transport for London – seit 2001 erfolgreich funktionierenden Konzept. So kann GBR auf bestehenden Erfahrungen aufbauen.

Mit der Schaffung von GBR verfolgt die britische Regierung zehn Ziele:

  • Gewährleistung eines zeitgemässen Personenverkehrs auf der Schiene
  • Revolutionierung des Tarifsystems, unter anderem durch landesweite Tarife
  • Neuregelung der Kooperation mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU)
  • Prosperierende und nachhaltig tätige EVU
  • Mehr Einflussmöglichkeiten für Kunden und die Öffentlichkeit
  • Saubere und ökologische EVU
  • Setzen von starken Anreizen für den Schienengüterverkehr, unter anderem durch die landesweite Koordination der Angebote.
  • Verkürzung der Reisezeiten und Erhöhung der Effizienz
  • Gewinnung und Erhaltung von tüchtigen und innovativen Mitarbeitenden
  • Vereinfachung der Struktur des Eisenbahnsektors, unter anderem durch ein transparentes Abrechnungssystem und klare Entscheidungsregeln

Sonderregelungen wurden von den Regionalregierungen von Schottland und Wales beschlossen. In Wales wurde die Betreibergesellschaft Transport for Wales TfW von der Region übernommen und wird praktisch unverändert weiter geführt. Dafür bleibt in Wales die Infrastruktur im Gegensatz zum Rest des Landes weiter in privaten Händen.

Auch die schottische Regionalregierung hat unter anderem wegen den gravierenden finanziellen Konsequenzen von Corona die in Schottland wirkenden Betreibergesellschaften bis auf weiteres übernommen. Dies betrifft aber nur den innerschottischen Personenverkehr und gilt nicht für den Fernverkehr nach England.

Meinung des Autors

Die mit der Schaffung von GBR verbundenen und tiefgreifenden Neuerungen sind überfällig und weisen meines Erachtens in richtige Richtung. Entscheidend für den Erfolg der Massnahmen ist die Qualität der Umsetzung. Immerhin stehen mit dem Konzept von London und mit vielen Beispielen auf dem Kontinent erprobte Systeme im Raum.

Auffallend ist, dass dezidiert von einer (Wieder-) Verstaatlichung der Eisenbahn in Grossbritannien in weiten Teilen des Landes abgesehen wird. Offensichtlich sind die Erinnerungen der Entscheidungsträger an die verheerenden Verhältnisse bei British Rail in den Jahren vor der Privatisierung noch wach. Ich habe im Rahmen von zwei längeren Aufenthalten 1996 und 1997 zahlreiche Bahnfahrten in Mittel- und Nordengland unternommen und erinnere mich noch gut an die desolaten Zustände vor allem im Regionalverkehr.

Das Konzept von GBR sollte im Hinblick auf die Umsetzung in der Schweiz näher geprüft werden. Unter anderem liessen sich die auch von Spitzenvertretern der Schweizer Eisenbahnbranche beanstandeten Mängel im Tarifsystem dadurch vermutlich beseitigen. Anstelle eines Wildwuchses bestehend aus dem nationalen Verkehr, einem einzigen Verkehrsverbund und zahlreichen Tarifverbünden könnte die Schaffung eines einheitlichen nationalen Verkehrsverbundes nach dem Vorbild von GBR erwogen werden.

Bellinzona – viel Licht und viel Schatten

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Erfreulicherweise erfolgen zurzeit im Kanton Tessin intensive bauliche Massnahmen für die Attraktivitätssteigerung von Bahnhöfen und Busstationen. Das verdient Lob und Anerkennung. Wir haben mehrere Bahnhöfe besichtigt und uns vor Ort mit den Verhältnissen vertraut gemacht.

Leider haben wir neben viel Licht auch viel Schatten entdeckt. So vor allem in Bellinzona, wo sich grundsätzliche Fragen stellen. Mehr dazu in dieser Reportage.

Busstation

Vor wenigen Jahren noch hielten die zahlreichen Regional- und Fernbusse nordöstlich des Bahnhofgebäudes. Die Orientierung war nicht immer einfach, und die Busse fuhren über den Bahnhofvorplatz.

Neu befindet sich die überdachte und grosszügige Busstation südwestlich vom Bahnhof an der Stelle des früheren Postbahnhofs. Der vom Busverkehr befreite Bahnhofvorplatz präsentiert sich einladend. Auf dem Gelände der früheren Bushaltestellen wurden gedeckte Abstellplätze für Fahrräder eingerichtet.

Blick vom Bahnhofvorplatz auf die überdachte Busstation.
Blick von der Einfahrt auf die Busstation. Man beachte die repräsentative Ausstattung von Fahrbahn, Stützmauer und Schutzdach.
Veloständer am früheren Standort des Bushaltestelle.
Vom motorisierten Verkehr befreiter Bahnhofvorplatz.
Einladend gestalteter Bahnhofvorplatz mit Unterständen für die Fahrgäste der wenigen hier noch verkehrenden Ortsbusse.
Zugang von der Busstation zum Aufgang zum Bahnhof. Nicht erkennbar ist der Lift auf der rechten Seite des Zugangs.
Treppe aus dem Zugang zum Bahnhof.

Der Zugang zur neuen Busstation ist überdacht. Fahrgäste können trockenen Fusses zwischen Bahn und Bus wechseln.

Blick auf den vollständig überdachten Zugang aus der Busstation zum Bahnhof. Links erkennt man den erwähnten Lift.
Detailaufnahme des überdachten Zugangs.

Bahnhof

Der positive Eindruck vom Busbahnhof wird durch die Verhältnisse auf dem Bahnhof jedoch nachhaltig getrübt, wie die folgenden Bilder zeigen. Neben funktionalen Schwachstellen bestehen erhebliche konstruktive Mängel.

Rampe vom Zugang in die Unterführung. Die von den Bussen auf die Bahn umsteigenden Fahrgäste müssen somit zuerst eine Treppe hochsteigen, um sich nach einem Fussweg von rund 40 Metern über eine Rampe wieder nach unten zu begeben. Gemäss unseren Schätzungen betrifft dies rund 80 Prozent der umsteigenden Fahrgäste.
Weshalb wurde der Zugang nicht unterirdisch bzw. auf dem Niveau der Busstation konzipiert? Das hätte das Umsteigen erheblich erleichtert, Eine grosszügige unterirdische Verbindung hätte zudem zusätzliche Nutzungen wie beispielsweise Toiletten, Veloabstellanlagen, Schliessfächer etc. ermöglicht.
Blick von der Unterführung auf die Rampe.

Weit mehr Fragen werfen die Verhältnisse auf den Bahnsteigen auf. Die Bahnsteige sind nur teilweise überdacht, und in weniger als hundert Metern Entfernung wurde zusätzlich zur bestehenden Überführung eine verloren in der Gegend stehende zweite Überführung errichtet. Auch bei dieser Überführung wurden weder die Treppen noch die Passerelle überdacht. Dazu ein paar Bilder.

Blick auf den nur etwa zur Hälfte überdachten Mittelperron. Fahrgäste in der zweiten Einheit der in Stosszeiten doppelt geführten Giruno- oder ETR 610-Triebwagenzüge steht kein Perrondach zur Verfügung.
Blick auf die neu gebaute Überführung mit Liften. Diese Unterführung erschliesst zwar den hinteren Teil des Bahnhofvorplatzes, nicht jedoch den östlichen Stadtteil von Bellinzona. Das Perrondach erstreckt sich nicht einmal über die gesamte Länge eines einzigen Giruno-Triebwagenzugs.
Detail von der neu erstellten Überführung.
Blick von der neuen auf die bestehende Überführung, welche auch den östlichen Stadtteil von Bellinzona erschliesst. Dieses ältere und rege benutzte Bauwerk ist etwas eng und nicht behindertengerecht. Das Perrondach des zweiten Mittelperrons, der hauptsächlich von Regionalzügen bedient wird, ist noch kürzer als die Überdachung des rechten Perrons.
Blick auf die ältere Überführung. Dahinter erkennt man die bereits beschriebene neue und verloren in der Gegend stehende Überführung.
Nochmals ein Blick auf die gut platzierte alte Überführung.
Blick auf die bestehende ältere und enge Überführung, welche wie erwähnt eine wichtige Verbindungsfunktion zwischen den beiden Stadtteilen ist.

Wir haben die Ursachen für den Bau der zusätzlichen Überführung nicht abgeklärt. Wir können jedoch nicht nachvollziehen, weshalb man die Leistungsfähigkeit der seit vielen Jahren bestehenden und bewährten Verbindung nicht durch eine neue, grosszügige und behindertengerechte Überführung gesteigert hat. Haben die zuständigen Mitarbeiter der SBB einen minimalistischen Weg gewählt, statt – wahrscheinlich mühsamer – mit den Behörden der Stadt Bellinzona eine effiziente Lösung zu finden? Mit einer entsprechend gestalteten Überführung hätte man auch einen architektonischen Glanzpunkt setzen können.

Ausführungsmängel

Neben den oben ausführlich beschriebenen konzeptionellen Mängeln – unzureichende Überdachung der Perrons, Verbindungsweg von der Busstation in den Bahnhofsbereich und die im Niemandsland stehende zusätzliche Überführung – sind uns erhebliche Mängel bei der Materialisierung und der Ausführung aufgefallen. Dazu die folgenden Bilder.

Blick von der Bahnhofhalle auf den Bahnhofvorplatz. Offensichtlich birgt der Eingangsbereich bei starkem Niederschlag wegen dem glitschigen Bodenbelag Risiken – und Besucher müssen mit Warnsignalen auf diesen Umstand hingewiesen werden.
Blick auf die mit einem Verputz versehenen Wände im Eingangsbereich – an diesen Stellen eine völlig verfehlte Materialisierung.
Detail von der oben beschriebenen Wand. Nota bene – im Eingangsbereich des Bahnhofes einer gepflegten Kantonshauptstadt mit zahlreichen bemerkenswerten architektonischen Bauwerken. Die Frage nach der Befähigung der Bauherrenvertretung der SBB steht im Raum.
Risse im verhältnismässig neuen und teuren Natursteinboden in der Unterführung. Welcher Eigentümer würde sich in seinem Eigenheim mit einem derartigen Missstand abfinden?

Nachtrag

Auch die Bahnhöfe von Lugano und Mendrisio wurden aufwendig erneuert. Beeindruckt hat mich vor allem Mendrisio mit der neuen Busstation. Dazu ein paar Bilder vom Umbau in der Schlussphase.

Neue Busstation von Mendrisio, kurz vor dem Ende der Bauarbeiten.
Zugang zur neuen Busstation.
Ausführungsdetail von der neuen Busstation zur Verhinderung des unbefugten Parkierens.
Blick vom Hausperron auf die neue Busstation von Mendrisio. Diese lässt sich auf der rechten Seite geschützt erreichen.
Und zum Abschluss noch ein beispielhaft ausgeführtes Detail beim Abgang in die Bahnunterführung.

Auch Lugano präsentiert sich ansprechend. Aber auch hier wurden elementare Kundenbedürfnisse ausser Acht gelassen. So müssen Fahrgäste auch weiterhin ungeschützt zu den Zügen der Ferrovia Lugano-Ponte Tresa umsteigen. Und den Fahrgästen, die ihre Reise mit den Regionalbussen fortsetzen möchten, steht ein längeren und kaum signalisierten Weg zur Busstation bevor. Der neu gestaltete Bahnhof stand in der engeren Auswahl für die Verleihung des Flux-Preises – aus Kundensicht nicht nachvollziehbar.

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Neubaustrecken allein werden es nicht richten!

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Hans Bosshard hat am 10. Februar 2021 unter dem Titel „Neubaustrecken braucht das Land – ein Weckruf“ ein engagiertes Plädoyer für den Bau von Neubaustrecken in der Schweiz publiziert.

Der Veröffentlichung des Beitrages ging ein intensiver Schriftwechsel voraus, in dem sich Hans Bosshard für eine starke Rücksichtnahme auf geografische Gegebenheiten wie die Strecke durch die Lavaux und eine Beschleunigung der Strecke von Chiasso nach Mailand ausgesprochen hat. Zudem erinnerte Hans Bosshard an seinen Kampf gegen den Brüttener Tunnel und die Verlängerung des Zimmerbergtunnels in Richtung Baar.

Ich teile in diesen Aspekten die Meinung von Hans Bosshard nicht. Zudem vertrete ich die Auffassung, dass der überfällige Bau der Neubaustrecken zwar absolut notwendig ist, aber für die Modernisierung der Eisenbahn in der Schweiz bei weitem nicht ausreicht. Ich war so frei, meinen Überlegungen Hans Bosshard in einem Brief darzulegen, den ich hier gerne veröffentliche.

Inhalt des Briefes

Sehr geehrter Herr Bosshard

Vorab bedanke ich mich nochmals bestens für Ihren Beitrag auf unserer Website und für den damit verbundenen Schriftwechsel. Darf ich in diesem Exposé ergänzend zu Ihren Forderungen ein paar Überlegungen anstellen?

I       Vorbemerkungen

  1. Ich halte die von Ihnen vorgeschlagenen und überfälligen Neubaustrecken für absolut notwendig, aber für die Attraktivitätssteigerung der Eisenbahn und den Ausbau des Angebots bei Weitem für nicht hinreichend.
  2. Ergänzend sind meines Erachtens Ausbauten von Strecken mit einem grossen Fahrgastaufkommen und Verbesserungen bei den grossen Knotenbahnhöfen angezeigt.
  3. Des Weiteren erachte ich allgemein anerkannte Kriterien für den weiteren Ausbau des schweizerischen Eisenbahnnetzes als notwendig – so beispielsweise wie die in Deutschland vor vielen Jahren für den Bau von Neubaustrecken formulierte Regel „Doppelt so schnell wie das Auto, halb so schnell wie das Flugzeug“.
  4. An die Stelle des Denkens in Strecken sollte das Denken in Korridoren treten.
  5. In diesem Zusammenhang plädiere ich auch für die verstärkte Trennung der Verkehrsarten – vor allem in der Metropolitanregion Zürich. Auch deshalb halte ich den Zimmerberg II- und den Brüttenertunnel für unverzichtbar.
  6. Nicht teilen kann ich die Forderung, bei der Festlegung der Lage der Neubaustrecken auf geografische Gegebenheiten – so eindrücklich sie auch sein mögen – Rücksicht zu nehmen. Sie erwähnen in diesem Zusammenhang die Lavaux oder den Saane-Viadukt. Für mich stehen Effizienz und Betrieb im Vordergrund.

II      Korridore

  1. In Anbetracht des Verkehrsaufkommens und des Potentials plädiere ich für substantielle Verbesserungen im Korridor Luzern – Zug – Zürich zur Gewährleistung einer Fahrzeit von knapp unter dreissig Minuten. Das ist nur möglich, wenn sowohl der Zimmerbergtunnel II – ggf. verlängert bis nach Chlingen vor Baar – als auch der Tiefbahnhof Luzern mit einem Tunnel bis nach Honau – gebaut werden.
    Die Reisezeit „unter Tag“ im Zimmerberg-Tunnel II dürfte im Vergleich mit der kumulierten Verweilzeit im Zimmerberg-Scheiteltunnel und im Albistunnel eher kürzer sein.
  2. Eine ähnliche Situation besteht auch im Korridor Zürich – Bülach – Schaffhausen. Mit einer Neubaustrecke aus dem Raum Tössriedern vor Eglisau in die Stadtforen nach Hüntwangen, verbunden mit einer tiefer liegenden Brücke über den Rhein, und der grosszügigen Elimination der beiden bestehenden einspurigen Streckenabschnitte rückt eine Fahrzeit zwischen Zürich und Schaffhausen von knapp dreissig Minuten in den Bereich des Möglichen.

III     Grossraum Zürich

  1. Mir fällt auf, dass im Kernbereich einiger europäischer Grossstädte wie Mailand, Stuttgart, Wien oder München Fernverkehr und S-Bahn Verkehr weitgehend getrennt sind und oft auf Stadtbahnhöfen auf das S-Bahnnetz umgestiegen werden kann.
  2. Diesem Ansatz wurde bis dato in Zürich teilweise auch Rechnung getragen. Man denke an die Strecke von Killwangen-Spreitenbach nach Zürich und von Thalwil nach Zürich. Fatalerweise wurde diese für die Betriebsstabilität und die Schaffung von weiterem Potential wichtige Gegebenheit mit der DML nachhaltig verletzt.
  3. Eben deshalb sind die für die postulierte Trennung der Verkehrsarten unerlässlichen Zimmerberg II- und Brüttener-Tunnel notwendig – letzterer jedoch ohne den Seitenanschluss aus dem Raum Dietlikon. Letzterer ist gleichbedeutend mit der Rückverlagerung von Teilen des Fernverkehrs über Zürich-Oerlikon über Wallisellen nach Dietlikon – ein massiver Verstoss gegen Mensch und Umwelt.

IV    Festlegung der Lage der Neubaustrecken

  1. Die Forderung nach der Rücksichtnahme auf geografische Besonderheiten bei der Festlegung der Lage der Neubaustrecken teile ich nicht.
  2. Während meiner beruflichen Tätigkeit war ich oft in Lausanne und Genf. Dabei bin ich unzählige Male mit dem Zug durch die Lavaux gefahren – zu jeder Jahres- und Tageszeit. Ich erinnere mich gerne und dankbar an die grossartigen Ausblicke zwischen Lausanne und Puidoux-Chexbres. Ebenso häufig war ich vor der Inbetriebnahme des GBT im Tessin. Auch die Fahrten über die grossartige Gotthard-Bergstrecke habe ich noch in bester Erinnerung.
  3. Man entschuldige, aber mit der unter 1. zitierten Forderung hätte man auch den Bau des GBT bekämpfen müssen.
  4. Und ein Blick über die Landesgrenze hinaus zeigt den Megatrend beim Bau neuer Hochgeschwindigkeitsstrecken – Tieflegung und Kapazitätsausbau der Inntalbahn, Neubaustrecke St. Pölten-Wien, Neubaustrecke Roma-Napoli, Neu- und Ausbaustrecke Genova-Ventimiglia, um nur einige zu nennen.
Auszug aus dem Schlussbericht der „Gesamtverkehrskonzeption GVK-CH“ (Dezember 1977). Leider fehlt auf der Karte die von Daniel Mange vorgeschlagene NBS zwischen Genf und Lausanne, die auch wir als überfällig erachten.

V     Zusätzlicher Handlungsbedarf

  1. Der Bau der erwähnten Neubaustrecken bedingt meines Erachtens auch den qualitativen und quantitativen Ausbau der grossen Knotenbahnhöfe infolge des erwarteten Mehrverkehrs. Zürich steht aus meiner Sicht als mahnendes Beispiel im Raum, indem keinerlei Anpassungen des städtischen öffentlichen Verkehrssystems an den Bahnhof Löwenstrasse erfolgten.
  2. Nur am Rande erwähnen möchte ich die fehlenden leistungsfähigen und umweltgerechten Zulaufstrecken in der Schweiz für den europäischen Ferngüterverkehr zum und vom Gotthardbasistunnel. Hier besteht ein riesiger Investitionsbedarf, der wohl nur mit Hilfe der EU gedeckt werden kann.
  3. Ich teile auch die isolierte Forderung nach einer Beschleunigung des Verkehrs zwischen Chiasso und Mailand nicht. Ungleich wichtiger wäre eine proprietäre Güterzuglinie zwischen Bivio-Rosales und Milano Smistamento.
  4. Als fatale Unterlassung betrachte ich auch den Verzicht auf die Neubaustrecke der NEAT zwischen Pollegio und Giubiasco entlang der Nationalstrasse A2 – verbunden mit einem neuen Bahnhof Bellinzona am westlichen Stadtrand. Man mag das für utopisch halten. Aber eine vergleichbare Lösung wurde mit gutem Erfolg in Savona im Zuge des Ausbaus der Strecke zwischen Genova und Ventimiglia realisiert.
  5. Und – last but not least – auf längere Sicht erachte ich einen neuen direkten Basistunnel zwischen Giubiasco und Chiasso für notwendig. Nur so kann die Schweiz eine Voraussetzung für einen leistungsfähigen europäischen Fernverkehr – seien es Güter oder Personen – auf der Schiene schaffen. Und nur so würde die Gotthardachse zur behaupteten Flachbahn durch die Alpen.
  6. Und nur am Rande – auch das schweizerische Tarif- und Ticketing-System mit einem nationalen System, einem Verkehrsverbund und zahlreichen Tarifverbünden hat sich überlebt und bedarf einer grundlegenden Erneuerung.

Ich danke Ihnen für Ihre Kenntnisnahme.

Freundliche Grüsse

gez. Ernst Rota

Lichtblicke – Dankeschön, liebe SOB!

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Wem die miserablen Verhältnisse auf manchen Bahnhöfen im Grossraum Zürich zu sehr zu schaffen machen, dem stehen verschiedene Therapien offen – man kann Psychopharmaka einnehmen, psychiatrische Unterstützung in Anspruch nehmen oder den berühmten Griff zur Flasche tun.

Man kann sich aber auch für eine gesündere, erbaulichere und kostengünstigere Therapie entscheiden – nämlich einen Ausflug zur SOB. Exakt diesen Weg haben wir beschritten und möchten mit einer Fotoreportage darüber berichten. Bilder sagen bekanntlich mehr als Worte.

Beispiele

Überdachte Veloabstellanlage im Bahnhof Einsiedeln.
Detail der Veloabstellanlage – mit Kunststoffbändern versehene Eisenteile zum Schutz der Fahrräder gegen Kratzspuren.
Perrondächer im Bahnhof Einsiedeln, die selbst bei Doppelkompositionen von Flirt allen Fahrgästen ein geschütztes Ein- und Aussteigen ermöglichen. Auf der linken Seite des Bildes kann man die Veloabstellanlagen erkennen.
Perrondächer vom Prellbock her gesehen.
Geschützter Treppenabgang im Bahnhof Schindellegi-Feusisberg.
Die Fahrgäste sind nicht nur von oben, sondern auch seitlich geschützt.
Abstellraum für Velo und Motorräder im Bahnhof Schindellegi-Feusisberg.
Billettautomat und Informationstafeln im Bahnhof Samstagern.
Blend- und Sichtschutz beim Billettautomaten.
Flirt-Triebwagen im Bahnhof Schindellegi-Feusisberg – das Standardfahrzeug der SOB im Regionalverkehr. Daneben setzt die SOB – im Fernverkehr – nur noch den typenähnlichen Traverso sowie vereinzelt ältere Triebwagenzüge in der Linthebene ein.
Detail aus dem Wageninnern des SOB-Flirt – mittlere Armlehnen auch in der zweiten Klasse.
Eingang zur Toilettenanlage im Bahnhof Samstagern.
Innenraum der blitzblanken Toilettenanlage für Herren – zur kostenlosen Benutzung.
Wartehalle auf dem Perron im Bahnhof Samstagern. Man beachte die seitlichen Geländer und den Rahmen zum Schutz der wartenden Fahrgäste beim brüsken Öffnen der Türe.
Innenraum der beheizten Wartehalle auf dem Zwischenperron des Bahnhofs Biberbrugg.
Eingang zur Schalterhalle des Bahnhofs Samstagern – funktional und ästhetisch überzeugend.
Künstlerischer Schmuck beim Abgang vom Mittelperron in die Unterführung – einfach und effektvoll. Da fühlt man sich als Fahrgast wohl, und das Risiko von Vandalenakten ist gering.
Abfallbehälter im Bahnhof Biberbrugg – überzeugt durch Eleganz und verzichtet auf verwirrende Orgie von Klebefolien.

Beispiele von der grossen Schwester

Veloabstellanlage im Bahnhof Zürich-Wollishofen – bei warmen Temperaturen bestehen hier wegen den unzähligen Velos in der Regel chaotische Zustände.
Mittelperron im Bahnhof von Bellinzona – Hauptort des Kantons Tessin. Bei Doppelkompositionen von Fernverkehrs-Triebwagenzügen müssen die Fahrgäste der zweiten Komposition ohne Perrondach auskommen.
Perrondach im kürzlich umgebauten Bahnhof von Arth-Goldau. Das Perrondach ist so kurz, dass nicht einmal alle Passagiere eines einzigen ICN ungeschützt ein- und aussteigen können. Zudem verkehren ICN, Giruno und ETR 610 meist in Doppelkomposition.
Eindruck vom Perron im Bahnhof Zürich-Wollishofen. Das nicht sichtbare Perrondach ermöglicht nur den Fahrgästen eines vierteiligen S-Bahnzuges ein geschütztes Ein- oder Aussteigen. In den Hauptverkehrszeiten werden die S24 mit zwei und die S8 in der Regel mit drei Kompositionen geführt. Zudem hat es keine Wartehalle, und in den Stosszeiten sind die Züge oft verspätet. Auch die Schneeräumung war während vielen Tagen ungenügend, was für ältere Fahrgäste und solche mit Behinderung sehr problematisch war.

Was für ein Gegensatz zu den repräsentativen und komfortablen neuen Verwaltungsgebäuden der SBB beispielsweise in Zürich-Altstetten, Olten oder Bern. Hier wurde mit der ganz grossen Kelle angerichtet – die Fahrgäste und das Personal im Aussenbereich hingegen darben.

Der guten Ordnung weisen wir darauf hin, dass der Verfasser dieses Berichts Kleinaktionär der SOB ist.

Neubaustrecken braucht das Land – ein Weckruf

Europa fährt schnell Zug – Auch die Schweiz braucht einzelne Bahn-Neubaustrecken

Während in der Neuen Welt der wildeste Präsident aller Zeiten in seiner vierjährigen Amtszeit für sein Schienennetz weder einen Meter Hochgeschwindigkeitsstrecke eingeweiht noch zum Bau freigegeben hat, gehören auf dem alten Kontinent 300 km/h erreichende Züge heute zum Alltag. Verstopfte Strassen und überlastete Flughäfen haben Sachzwänge geschaffen.

Am schnellsten ist von den Asiaten Fahrt aufgenommen worden. Nach 1964 sind Japans 500 km langer Tokaido-Linie rasch weitere Hochgeschwindigkeitsstrecken gefolgt. Konnten die Japaner darauf ihre Technik nach Taiwan exportieren, orientierten sich die Koreaner auf der Strecke Seoul–Pusan am französischen TGV.

TGV Duplex im Bahnhof Champagne-Ardenne an der Linie Strassburg-Paris. Auf dem Nachbargleis passieren Züge mit 320 km/h. Dahinter warten Regionalzüge, und vom Bahnhof verdeckt elegante Trams nach Reims. Man beachte die gedeckte Passerelle und die überdachten Abgänge. (Bild Jakob Bosshard)

China an der Spitze

 

Das längste Schnellverkehrsnetz der Welt ist in bewundernswert kurzer Zeit mit Tausenden von Kilometern Hochgeschwindigkeitslinien von den Chinesen errichtet worden. In der Türkei wird die neue Linie von Istanbul nach Ankara und Konya in Richtung Sivas, Erzurum und Kars, mit Anschluss nach Aserbaidschan, fortgesetzt.

Auf dem afrikanischen Kontinent hat sich das frankophile Marokko für eine 200 km lange Strecke ab Tanger mit Ziel Casablanca vom TGV inspirieren lassen. In Südafrika mit ersten normalspurigen Vorortsstrecken im Raum Pretoria – Johannesburg ist eine Schnellverbindung nach Durban angedacht.

Deutschland erinnerte 1965 bei einer internationalen Verkehrsausstellung in München mit kurzen Extrazügen für 200 km/h, die nach Augsburg fuhren, an die «Fliegenden Hamburger» von 1933 für 160 km/h, die ab Berlin verkehrten. Der Effort schlief rasch ein, weckte aber die Franzosen, die an den Weltrekord zweier ihrer Lokomotiven mit 331 km/h aus dem Jahr 1955 in den Landes südlich von Bordeaux anknüpften. Bis Mitte 1967 entstanden durch Umbauten von Schnellzugskompositionen für 200 km/h die Züge Capitole du matin und Capitole du soir, die in genau sechs Stunden von Paris nach Toulouse (713 km) eilten.

Die erste, 261 km lange Direttissima Europas bauten von 1970 bis 1991 die Italiener, leider mit einem alten Stromsystem für 250 km/h, was sich im dichten Taktverkehr als zu langsam erweist. Auf allen seither errichteten Linien zwischen Turin, Venedig und Salerno schiessen komfortable Freccia-rossa-Züge (rote Pfeile) von Trenitalia mit 300 km/h selbst durch lange Tunnel.

In einer Wirtschaftskrise gebaut, steigerten die Trains à grande vitesse (TGV) Frankreichs ab 1981 ihre Höchstgeschwindigkeit in rascher Folge von 260 auf 320 km/h. Nach Paris und Lyon wurden dank der Eignung des TGV, auch «kleine» elektrifizierte Linien zu befahren, Regionen in allen Richtungen des Hexagons erschlossen. Wo der beliebte TGV noch fehlt, sind Politiker jeder Couleur gern bereit, sich für Anschubfinanzierungen einzusetzen.

Mit ihrem TGV-Netz von gut 2000 km sind die Franzosen von den Spaniern überholt worden, die schon auf deutlich über 3000 km Hochgeschwindigkeitsstrecken bauen und von der iberischen Breitspur zur europäischen Normalspur übergegangen sind. Belgien und die Niederlande haben mit Linien für 300 km/h den TGV-Verkehr nach London, Amsterdam und Deutschland ermöglicht. England, das Mutterland der Eisenbahnen, wird die begonnene Hochgeschwindigkeitslinie London–Birmingham in den Norden weiterführen.

Tunnel ohne Strecken

 

Aufgrund der grossen Kurvenradien, vieler Einsprachen, langer Bauzeiten und hoher Kosten für den Mischbetrieb (Reise- und Güterzüge) verzögerte sich in Deutschland die Betriebsaufnahme der ICE-Züge für 250 (in Verspätungsfällen 280) km/h mit zwei kurzen Neubaustrecken bis 1991. Der Vorstoss des ICE via TGV Est nach Paris mit ebenfalls 320 km/h gelang mit etlichen Geburtswehen.

Obgleich von vielen Pannen geplagt, operiert die 45 km lange Schweizer Bahn-2000-Neubaustrecke Mattstetten–Rothrist (zwischen Bern und Olten) seit 2004 erfolgreich mit 200 km/h. Die 55 km lange Fortsetzung ab Roggwil nach Zürich für IC-Züge auch von Biel und Basel, eine gute Alternative zum Ausbau der A 1 auf sechs Spuren, wird bis jetzt weder vom diesbezüglich führungslosen Bundesrat noch von den Grünen und Grünliberalen und auch nicht privat finanziert angestrebt.

Die SBB-Giruno-Triebzüge für 250 km/h sind für die 300-km/h-Verbindungen nach Genua, Venedig, Florenz und Rom von den Nachbarn als Hindernisse zurückgewiesen worden. Der längste Tunnel der Welt am Gotthard und der unter Wasserdruck teilweise eingestürzte Lötschberg-Basistunnel wirken ohne angemessene Zufahrten im In- und Ausland wie Kathedralen in der Wüste. Für die stark belasteten Abschnitte Liestal–Olten (von den Stimmberechtigten 1987 beschlossen), Genf–Renens im boomenden Léman-Bogen, Puidoux–Freiburg, Zofingen–Luzern und Winterthur–St. Gallen mit tiefen Durchschnittsgeschwindigkeiten drängen sich Neubaustrecken für 200 km/h auf.

Quellenhinweis zum Titelbild: Der Kartenausschnitt wurde dem im Dezember 1977 erschienenen Schlussbericht der „Gesamtverkehrskonzeption Schweiz“ entnommen. In diesem Bericht wurden unter dem Begriff „NHT – Neue Eisenbahn Haupttransversalen für hohe Leistung“ Neu- oder Ausbaustrecken vorgeschlagen.

Schutzlos – brandgefährliche Zustände in Zürich-Wollishofen

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Die misslichen Zustände im Bahnhof Zürich-Wollishofen wurden auf unserer Website schon mehrfach thematisiert. Zürich-Wollishofen hat sich erfreulicherweise zu einem stark frequentierten Umsteigebahnhof von der S-Bahn zum Stadt- und Regionalverkehr entwickelt. Die S-Bahnzüge verkehren alle Viertelstunden. In Zürich-Wollishofen kann auf die Tramlinie 7, den Stadtbus 70 nach Mittelleimbach und die Regionalbusse 184 und 185 nach Adliswil umgestiegen werden.

Im Zusammenhang mit den Schneefällen haben sich die Mängel einmal mehr gezeigt. Anlass, der Situation in Zürich-Wollishofen einen weiteren Bericht zu widmen.

Seitentreppe zur Unterführung

Am Samstag, 16. Januar 2021, war der Betrieb auf der Tramlinie 7 eingestellt. Zürich-Wollishofen war  nur noch mit den erwähnten Bussen erreichbar. Ich traf um 07.40 Uhr mit dem Bus Nummer 7 in Zürich-Wollishofen ein. Ich sah, dass die Stufen der nicht überdachten Treppe in die Unterführung wegen der grossen Kälte total vereist waren, und beging die Treppe mit grosser Sorgfalt. Ein jüngerer Mann übte weniger Sorgfalt, rutschte aus und stürzte die gesamte Treppe hinunter. Wie durch ein Wunder blieb er unverletzt. Eine ältere Person hätte bei einem solchen Sturz bestimmt ernsthafte Verletzungen erlitten. Ich schätze, dass dieser Seitenausgang an einem Werktag von tausend Personen benutzt wird – der Bus Nummer 7 nach Mittelleimbach verkehrt von morgen früh bis nach Mitternacht im Zehnminutentakt.

Nachstehend einige kommentierte Bilder zur beschriebenen Situation:

Blick auf den nicht überdachten Treppenaufgang und die Haltestelle der Regionalbusse. Der Stadtbus der Linie 70 hält weiter hinten. Dieses und die drei folgenden Bilder wurden einen Tag nach dem beschriebenen Vorfall und drei Tage nach den massiven Schneefällen aufgenommen.
Blick auf die nicht überdachte Treppe. Die SBB verzichten seit einigen Jahren, Treppenabgänge und Überführungen zu überdachen. Das war aber nicht immer so – so beispielsweise bei den gepflegten Abgängen im Bahnhof Glanzenberg.
Blick auf die Treppe.
Blick von oben die Treppe hinunter. Beinahe ein Wunder, einen Sturz auf dieser Treppe unverletzt zu überstehen.

Weitere Bilder von Zürich-Wollishofen

Die folgenden beiden Bilder wurden am 18. Januar 2021 um 13.00 Uhr aufgenommen. Seit den gewaltigen Schneefällen sind über 80 Stunden und seit dem eingangs beschriebenen Vorfall 54 Stunden vergangen.

Mittelperron in Zürich-Wollishofen mit zwei Zügen der S-Bahnlinie 24. In den Hauptverkehrszeiten verkehren die Züge der hier haltenden S-Bahnen in Doppelkomposition, bei der S8 sind sogar Dreifachkompositionen möglich. Das bedeutet, dass zwei Drittel der Fahrgäste auf den schneebedeckten und oft vereisten Bahnsteig aussteigen müssen.
Zugang zur Unterführung von der Tramhaltestelle her kommend. Fahrgäste müssen sich durch den dreissig Zentimeter tiefen Schneematsch kämpfen.

75 zu 100 – und niemand ärgert sich!

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Wer mit der Eisenbahn von Klosters nach Zürich unterwegs ist, durchfährt zwei höchst unterschiedlich ausgestaltete Streckenabschnitte, nämlich denjenigen der RhB zwischen Malans und Landquart und denjenigen der SBB zwischen Murg und Mühlehorn. Diese sind auf ihre Weise symptomatisch für den Stand und die Entwicklungen in der schweizerischen Eisenbahnlandschaft.

In diesem Beitrag möchten wir diese Aussage konkretisieren und unsere Beurteilung der Situation darlegen.

Malans-Landquart

Quelle: Eisenbahnatlas Schweiz (Schweers+Wall).

Diese heute noch einspurige Strecke wird gegenwärtig im Zusammenhang mit der Modernisierung der Infrastruktur der RhB im Raum Landquart auf Doppelspur ausgebaut. Der Bahnhof Malans selbst wurde bereits vor einigen Jahren aufwendig renoviert und präsentiert sich heute sehr ansprechend. Die heutigen Verhältnisse in Malans ermöglichen durchaus Kreuzungen von Schnellzügen und Regionalzügen. Landquart und Malans sind zusätzlich durch die Buslinie nach Maienfeld und Bad Ragaz verbunden. Der Bus erschliesst das Zentrum von Malans mit mehreren Haltestellen. Allerdings habe ich bei unzähligen Fahrten durch Malans kaum je einen Regelzug auf Gleis 2 stehen gesehen.

Insgesamt investieren die RhB im Raum Landquart in diesen Jahren rund CHF 500 Millionen in ihre Infrastruktur und in Betriebsgebäude. Zum Vergleich: 2019 betrugen die Verkehrserlöse der RhB aus dem Personen- und Güterverkehr sowie aus dem Autoverlad (ohne Glacier Express) rund CHF 130 Mio.

In jeder Richtung verkehren zwischen Landquart und Malans stündlich zwei oder drei Schnellzüge und ein Regionalzug. Dazu kommen täglich vereinzelte Güterzüge.

Blick aus dem fahrenden Zug kurz nach Malans in Richtung Landquart.
Mutmassliche Einfahrt in die zukünftige Doppelspurstrecke.
Trasse des zukünftigen Doppelspurabschnitts östlich von Malans.
Blick von Osten auf den Bahnhof von Malans.
Ausstattung des Bahnhofs Malans.
Bis heute nur in Ausnahmefällen benutztes Gleis 2 des Bahnhofs von Malans.

Die Ausbauten beeindrucken durch ihre Grosszügigkeit. Der Doppelspurausbau beschränkt sich nicht auf Ausbauten bei der Ausfahrt aus dem Bahnhof Landquart und den Einbau eines zweiten Gleis bis nach Malans – die Doppelspur wird gemäss unseren Beobachtungen über 500 Meter über Malans hinaus verlängert. Dadurch kann die Durchfahrtgeschwindigkeit von heute 65 km/h um etwa 30 Prozent gesteigert werden.

Bemerkenswert  ist die Streckung der heute mit 80 km/h befahrbaren Kurve im Gebiet Sagen etwa 1.5 Kilometer von Malans entfernt in Richtung Schiers zur Erhöhung der Streckengeschwindigkeit auf 100 km/h.

Dem Vernehmen nach soll die Streckengeschwindigkeit zwischen Chur und Reichenau in wenigen Jahren auf 120 km/h erhöht werden (Ergänzung am 25. Juni 2022 eingefügt).

Trasse der zukünftig gestreckten Kurve bei Sagen (1. Bild).
Trasse der zukünftig gestreckten Kurve bei Sagen (2. Bild).
Trasse der zukünftig gestreckten Kurve bei Sagen (3. Bild).

Mühlehorn – Tiefenwinkel (-Murg)

Quelle: Eisenbahnatlas Schweiz (Schweers + Wall).

Die Strecke zwischen Mühlehorn-Höreli und Tiefenwinkel ist auf einer Länge von knapp 900 Metern einspurig. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt für die meisten Züge zwischen Tiefenwinkel und Mühlehorn-Höreli 75 km/h – zwischen Höreli und dem Portal des Kerenzerbergtunnels sind immerhin 80 km/h zulässig. Entlang dem Walensee kann meist mit 105 km/h gefahren werden, und im Kerenzerbergtunnel sind 160 km/h zulässig.

Print Screen aus dem Railnet des Railjet (In den Railjet steht nicht nur WLAN zur Verfügung. Das kostenlose Railnet bietet darüber hinaus Unterhaltungsprogramme und zahlreiche Informationen an. Unter anderem kann man jederzeit die Position und die Geschwindigkeit des Zuges ersehen).
Print Screen aus dem gleichen Railjet. Üblicherweise erreichen die Railjet zwischen Innsbruck und Wörgl „nur“ eine Geschwindigkeit von 220 km/h – zwischen St. Pölten und Wien hingegen eine solche von 230 km/h.
Streckenabschnitt unmittelbar vor der westlichen Einfahrt in den „Stutz“-Tunnel.
Östliches Portal des „Stutz“-Tunnels.
Streckenabschnitt unmittelbar nach dem „Stutz“-Tunnel.

Die Strecke zwischen Zürich und Sargans mit dem hier beschriebenen Abschnitt zwischen Mühlehorn und Murg gehört zu den ganz wichtigen Eisenbahnlinien der Schweiz. In der Regel fahren pro Stunde durchschnittlich zwei IC oder EC, ein RE, ein Regionalzug – dieser parallel zu einer Busverbindung – und zahlreiche nationale und internationale Güterzüge. In internationalen Linienplänen ist diese Strecke jeweils mit einem dicken Strich als bedeutende Verbindung gekennzeichnet.

So quälen sich in Deutschland bis zu 250 km/h schnelle ICE, in Österreich bis 230 km/h fahrende Railjets und für 200 km/h zugelassene schweizerische IC mit 75 km/h durch dieses Nadelöhr. Selbst geringe Verspätungen von einzelnen Zügen können infolge des dichten Taktverkehrs zwischen Ziegelbrücke und Zürich auf das nationale Netz durchschlagen.

ICE4 fährt mit 80 km/h durch den Bahnhof Mühlehorn – zwischen Hannover und Fulda war der Zug mit 250 km/h unterwegs. Im einspurigen Abschnitt muss der ICE auf 75 km/h abbremsen.
Railjet nach Wien bei der Durchfahrt in Mühlehorn mit 80 km/h . In ein paar Stunden wird der Zug zwischen St. Pölten und Wien 230 km/h erreichen. Auch dem Railjet bleibt die Verlangsamung auf 75 km/h im einspurigen Abschnitt nicht erspart.
Auch Schweizer Züge könnten es schneller. Immerhin hat der Twindexx die quälende Einspurstrecke hinter sich gebracht und wird im Kerenzerbergtunnel auf flotte 160 km/h beschleunigen.

Kommentar

Als Bahnfreund kann man sich über derartige Verhältnisse nicht einmal mehr ärgern, sondern sich nur noch dafür schämen. Die Tatsache, dass derartige Schwachstellen an zahlreichen anderen Stellen der Schweiz bestehen, macht die Situation am Walensee nicht erträglicher.

Welch ein Kontrast zur „Kleinen Roten“, wie die RhB von ihren unzähligen Verehrerinnen und Verehrern genannt wird. Da scheint Geld überhaupt keine Rolle zu spielen. Nicht umsonst erhält die RhB in den Sozialen Medien bedeutend mehr „Likes“ als die weitaus grössere SBB. Eine andere Welt – da verzeiht man der RhB sogar unverhältnismässige Ausbauten wie beispielsweise den Umbau des Bahnhofs Zernez.

Ist Mühlehorn in der Ostschweiz von der Konzernzentrale der SBB in Bern-Wankdorf einfach zu weit entfernt, oder haben ihre zuständigen Stellen oder die Politiker die Übersicht verloren? Erstaunlich, ja geradezu bedenklich, sind für uns die Gleichgültigkeit und die Nonchalance, mit der Bahnfreunde über die Zustände am Walensee hinwegsehen.

Dazu abschliessend ein Beispiel aus unserem östlichen Nachbarland, wie dort Situationen à la Walensee – und erst noch mit bedeutend weniger Verkehr – gelöst wurden.

Ausfahrt aus dem Bahnhof Leoben nach St. Michael in Obersteiermark / Quelle: Eisenbahnatlas Österreich (Schweers + Wall).

Avenir Mobilité – Wettbewerb und Kooperation: Wohin steuert das schweizerische öV-System?

Topics

Die öffentlichen Dienste – neudeutsch als Public Services bezeichnet – stehen seit längerem im Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Kooperation. Dies gilt im Besonderen für den öffentlichen Verkehr. Auch in der Schweiz haben sich die oft von unterschiedlichen weltanschaulichen Standpunkten geprägten Diskussionen intensiviert.

Avenir Mobilité hat der Thematik am 22. September 2020 im Zentrum Paul Klee in Bern eine gut besuchte Dialogveranstaltung gewidmet. Gerne berichten wir hier über die unter dem Arbeitstitel «Wettbewerb und Kooperation – Wohin steuert das schweizerische öV-System» durchgeführte Veranstaltung.

Nach der Begrüssung durch Dr. Hans Werder, Präsident von Avenir Mobilité werden die rund hundert Teilnehmenden mit drei Kurzreferaten auf die Thematik eingestimmt.

«Beispiel Luftverkehr – was hat die Liberalisierung gebracht?»

Marcel Zuckschwerdt, stellvertretender Direktor beim Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL und dort Leiter der Abteilung Luftfahrtentwicklung, fasst in seinem Referat die Entwicklung des zivilen Luftverkehrs seit dem Zweiten Weltkrieg zusammen.

Wesentliche Meilensteine waren die Gründung der ICAO als Sonderorganisation der UN im Jahre 1944, verbunden mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen für die Entwicklung des Luftverkehrs. Mit der Ratifikation 1947 übernahm die Schweiz diese Bestimmungen.

Zwischen 1950 und 1970 wurde die Entwicklung der Luftfahrt auch in der Schweiz vom Staat durch ein Bündel von Subventionen, Beihilfen und Regelungen nach Kräften gefördert. So entwickelte sich die Swissair als Monopolbetrieb zu einer der weltweit führenden Luftverkehrsgesellschaften. Die Märkte wurden durch staatlich regulierte Tarife und Luftverkehrsabkommen geschützt.

Die Ära zwischen 1970 und 1990 war, ausgehend von den USA, gekennzeichnet durch eine Liberalisierung der Märkte. Die bereits 1945 gegründete IATA gewann an Einfluss. Monopole und Kartelle begannen zu wanken, und der Wettbewerb verstärkte sich. Die EU begründete zwischen 1987 und 1992 den  europäischen Luftverkehrsbinnenmarkt. Die Schweiz musste sich dem Druck von aussen beugen, setzte 1998 das Monopol der Swissair ausser Kraft und schloss 2002 im Rahmen der Bilateralen Verträge I das Luftverkehrsabkommen mit der EU ab.

Der Druck auf die Swissair stieg ab 1990 stetig. Die Swissair versuchte, ihre Position durch Kooperationen zu erhalten oder zu stärken. Leider ohne Erfolg. Sie scheiterte 1993 kurz vor dem Abschluss Alcazar, und die verzweifelte Hunter-Strategie erschöpfte die Kräfte der Swissair und führte das Unternehmen an den Rand des Abgrunds. Das Grounding im Jahr 2001 bedeutete den Konkurs des einst stolzen Unternehmens. Mit Unterstützung des Bundes entstand aus den Resten der Swissair die Nachfolgegesellschaft Swiss, die zwischen 2005 und 2007 als Tochtergesellschaft von der Lufthansa übernommen wurde.

Die Liberalisierung und damit das ungestüme Wachstum des Luftverkehrs wurden durch die ICAO durch die Schaffung von Standards ermöglicht. So wurden im Rahmen der IATA für den Betrieb, die Infrastruktur, die Flugzeuge, die Ausbildung und das Ticketings einheitliche Normen entwickelt. Unter anderem wurden gesellschaftsübergreifende Tickets und das Code Sharing eingeführt. Das Clearing wurde der IATA übertragen.

Als Folge der Liberalisierung zerfiel unter anderem das Preisgefüge. Auf stark frequentierten Strecken setzte ein starker Preiszerfall ein. Besonders bei frühzeitigen Buchungen sind die Preise sehr tief. Wer erst kurz vor dem Abflug bucht, zahlt oft ein Mehrfaches des günstigsten Preises. Einige europäische Bahnen haben die Preispolitik des Luftverkehrs übernommen, so beispielsweise DB und SNCF.

Die realen Erlöse pro Personenkilometer haben sich zwischen 1995 und 2015 halbiert. Der Kostendruck hat zu grossen und eng zusammenarbeitenden Verbünden geführt. In Star Alliance sind 26, in Sky Team 19 und in One World sind 13 Gesellschaften verbunden. Mit der Bildung dieser Verbünde verbunden ist die Nutzung von Synergien aller Art.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Liberalisierung das Wachstum und die Internationalisierung entscheidend gefördert hat. Die Luftfahrtindustrie ist auch in der Schweiz zu einem bedeutenden Wirtschaftsbereich herangewachsen. 1995 wurden in den Schweizer Flughäfen 25 Millionen Passagiere gezählt, und 2018 waren es bereits 58 Millionen Passagiere. 2018 betrug der Beitrag der Luftfahrt zum Bruttosozialprodukt der Schweiz rund CHF 30 Milliarden oder vier Prozent des BSP (Zahlen nachträglich korrigiert).

Die anfängliche Euphorie für den Luftverkehr ist einer zunehmenden Skepsis gewichen. Die negativen Auswirkungen treten zunehmend ins Bewusstsein. Der Luftfahrt weht ein steifer Wind entgegen, der Druck für die Abgeltung der negativen externen Effekte steigt. Eine Abflachung des Wachstums ist zu erwarten. Im Zuge der Internationalisierung sinkt der Einfluss des Bundes. Das heute erst teilweise realisierte Postulat des Open Sky wird sich weiter entwickeln.

Digitalisierung in der Mobilität

Corinne Vogel,  Mitgründerin und Chief Business Officer von Bond Mobility, stellt uns ihr erfolgreich gestartetes Technologie Start Up vor. Bond Mobility will durch das Sharing von E-Bikes die Mobilität in mensch- und umweltgerechte Bahnen lenken und setzt dazu stark auf neue Technologien und Prozesse.

Ausgehend von der Tatsache, dass viele Fahrten mit dem PW über weniger als zehn Kilometer erfolgen, sieht Corinne Vogel ein hohes Potential für neue Mobilitätsformen. Mit robusten, leistungsstarken und bis zu 45 km/h Stunde schnellen E-Bikes will Bond für Fahrten bis zu sechs Kilometern eine ideale Alternative zu den traditionellen Verkehrsmitteln bieten. Das Besondere an Bond ist die differenzierte Preisgestaltung, die den Verzicht auf eine aufwendige rückwärtige Logistik ermöglicht. Fahrten von wenig attraktiven Standorten sind viel günstiger als in der Gegenrichtung. So gelangen die E-Bikes durch die Benutzer zu den attraktiven Standorten, an denen ein grosse Nachfrage besteht – ein geniales und umweltfreundliches Konzept. Bond hat es geschafft, ihre Dienstleistungen mit den Angeboten von SBB und dem Berner Libero Verkehrsverbund zu verknüpfen, was einfache und effiziente verkehrsträgerübergreifende Transportketten ermöglicht. Zudem strebt Bond an, ihre Mobilitätslösung Firmen mit festen Kooperationen zur Verfügung zu stellen.

Corinne Vogel bemängelt abschliessend, dass Bond als privates Unternehmen in einigen Städten durch restriktive Vorschriften behindert wird. Zudem werden öffentlich-rechtliche Konkurrenten wie Publibike unter anderem bei der Vergabe von Standorten privilegiert.

Ausschreibungen im regionalen Personenverkehr – Erfahrungen aus Bayern

Thomas Prechtl, Sprecher der Geschäftsführung der Bayrischen Eisenbahngesellschaft BEG, kann wegen den Corona-bedingten Restriktionen nicht persönlich teilnehmen und ist auf elektronischem Weg zugeschaltet.

In der EU sind Ausschreibungen und Vergaben im öffentlichen Nahverkehr weit fortgeschritten. Das in München domizilierte Unternehmen gehört dem Freistaat Bayern und wird je zur Hälfte durch staatliche Beiträge sowie durch Billetterlöse finanziert. Die zur Verfügung stehenden Mittel und die Qualität der Leistungen sollen unter anderem durch den Wettbewerb gesichert werden. Damit sollen das Image und die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel nachhaltig gefördert werden. Zudem investiert die BEG beträchtliche Mittel in den Erhalt und den Ausbau der Infrastruktur. Auf mehreren stillgelegten Strecken wurde der Betrieb wieder aufgenommen, und weitere Wiederinbetriebnahmen sind in Abklärung.

Die Massnahmen der BEG seit ihrer Gründung sind erfolgreich. Der Wettbewerb hat bis dato die angestrebte Wirkung erreicht. Zurzeit bestehen 83 Verträge mit Eisenbahnen, 77 von 128 Millionen Zugskilometer werden damit jährlich gefahren. BEG strebt an, bis 2023 den gesamten Personennahverkehr auf der Schiene auf der Grundlage von Vergaben abwickeln zu lassen. Im Betrachtungszeitraum wurde mit einem um 50 Prozent erhöhten Angebot die Nachfrage über 75 Prozent gesteigert. Vom Benutzerentgelt entfallen 70 Prozent auf die Infrastrukturbenutzung. Die Qualität des Angebots wird durch ein vom BEG entwickeltes Messsystem überwacht und ist in ein Bonus-/Malus-System eingebunden. Während 2008 erst acht Vertragsverhältnisse bonusberechtigt waren, waren es 2019 bereits 31 Verträge. In diesem System liegt gemäss Thomas Prechtl einer der entscheidenden Erfolgsfaktoren für die Qualität des SPNV in Bayern.

Diesen Fortschritten stehen aber auch gewichtige Nachteile entgegen. So ist die Finanzierung durch den Staat schwieriger geworden. EVU sind manchmal nicht so leistungsfähig wie versprochen. Die Fahrzeugindustrie liefert die bestellten Fahrzeuge verspätet. Der Fachkräftemangel beim Betriebspersonal verschärft sich. Nettoverträge führen zu finanziellen Engpässen bei den EVU. Der erhoffte Innovationsschub ist kaum eingetreten, und die zahlreichen Schnittstellen wirken sich negativ aus. Gelegentlich ergeben sich Abstimm- und Abgrenzungsprobleme, unter anderem bei den Fahrausweisen.

Die BEG will die Stabilität und die Qualität durch ein Massnahmenpaket unter anderem aus Bürgschaften, verbindliche Personalübernahmen beim Wechsel des Auftrages, weiterer Ausbau des Bonus-/Malus-Systems, Infrastrukturausbauten und Absicherung der Erlöse der EVU weiter fördern.

Thomas Prechtl ist unsicher, ob sich die Erfahrungen und das in Bayern angewandte Verfahren auf die Schweiz übertragen lässt. Die Ausgangslage von Bayern – wo der Wettbewerb die angestrebten Ergebnisse durchaus erreicht hat – und diejenigen der Schweiz sind sehr verschieden.

Panel I

Am ersten Panel beteiligen sich Antonio Massa, CFO der Transports publics du Canton du Jura, Christian Plüss, CEO von Postauto Schweiz AG, Regula Hermann, Leiterin der Sektion Marktzugang beim BAV, Thomas Prechtl, Sprecher der Geschäftsführung der BEG, und Ueli Stückelberger, Direktor des VöV.

Antonio Massa lobt die kürzlich mit der Vergabe an Postauto abgeschlossene Ausschreibung des öffentlichen Busverkehrs im Kanton Jura. So sei es mit dem Vertrag mit Postauto mit einem jährlichen Volumen von CHF 200 Mio. gelungen, bedeutende Mehrleistungen zu erhalten, Kosten zu sparen und die Transparenz zu erhöhen.

Christian Plüss erwähnt, dass Postauto monatlich durchschnittlich an ein bis zwei Ausschreibungen teilnimmt. Man sei gewohnt, sich im Wettbewerb zu behaupten. Im Jura, wo zum ersten Mal ein gesamtheitlicher Ansatz gewählt wurde, sei es gelungen, bei gleichen Preisen und bei stabilen Löhnen zwanzig Prozent Mehrleistungen anzubieten, unter anderem dank Optimierungen beim Fahrzeugeinsatz.

Kritisch beurteilt Christian Plüss die Margen (und damit implizit das Gewinnverbot im öffentlichen Nahverkehr). Postauto vertritt eine andere Position als das BAV. Der Vertrag für den Kanton Jura, wo Postauto im vollen Risiko steht, basiert auf der vollen Kostendeckung und den aktuellen Preisen für Treibstoffe. So stellt der Vertrag in einem gewissen Sinn eine Wette auf den Dieselpreis dar. Sollte der Preis steigen, wird Postauto einen Verlust erzielen. Ist das fair? Als Replik auf die Kritik von Corinne Vogel verweist Christian Plüss auf die enormen Vorleistungen für Publibike und betont, dass diese Dienstleistung bis dato nicht kostendeckend ist.

Ueli Stückelberger stellt beim öffentlichen Verkehr den Kundennutzen als zentrale Determinante für den öffentlichen Verkehr ins Zentrum. Mit Wettbewerb lasse sich der Kundennutzen aber nicht steigern. Die Qualität des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz sei so gut, dass die Risiken bei wettbewerblichen Strukturen grösser seien als der zu erwartende Gewinn. Wettbewerb – wenn schon – dann in Form eines Ideenwettbewerbs.

Gemäss Regula Herrmann wird man bewegt, wenn man sich nicht bewegt. So haben die SOB unter Thomas Küchler vieles in einem guten Sinn angestossen und somit auch bewegt. Die Freiräume sollen gemäss der in Entstehung begriffenen Vorlage für die Reform des regionalen Personenverkehrs durch neue Elemente vergrössert werden. Die Frage nach der Gewinnberechtigung steht im Raum. Zielvereinbarungen können flankierend bei Direktvergaben berücksichtigt werden.

Christian Plüss plädiert für die Vergabe von ganzen Netzen mit Gesamtangeboten, die auch verkehrsträgerübergreifend sein können, mit Normabgeltungen und einem ausgefeilten Bonus-/Malus-System. Wesentlich sind auch klare Vergleichswerte auf der Grundlage eines einheitlichen Benchmarkings. Die Berechtigung und die Verwendung von Überschüssen sind zu diskutieren. Antonio Massa unterstützt die Forderung nach Globalvergaben.

Bei der Frage, ob und wie viel Wettbewerb angebracht sei, muss man vom aktuellen Zustand und den Erfahrungen in der Vergangenheit ausgehen. Zudem müssen die Erwartungen und die Ziele klar sein. Der Kundennutzen ist ins Zentrum der Überlegungen zu stellen – effiziente Bonus-/Malus-Systeme können als Steuerungsinstrument unterstützen.

Thomas Küchler verlangt, dass die Öffnung der Schieneninfrastruktur vor der Schaffung von wettbewerblichen Strukturen als entscheidende Voraussetzung zu gewährleisten sei. Der Hebel müsse auch beim unübersichtlichen und teilweise verzerrten Tarifsystem angesetzt werden. Wie gewährleistet man echte Multifunktionalität?

Ueli Stückelberger kontert, dass Wettbewerb die Kooperation erschweren würde, und betont den Nutzen von Zielvereinbarungen als wirkungsvolles Gestaltungselement.

Panel II

Am zweiten Panelgespräch, das von Hans Werder moderiert wird, nehmen Peter Füglistaler, Leiter BAV, Thomas Küchler, CEO SOB AG, und Vincent Ducrot, CEO SBB AG, teil. Bernard Guillelmon, scheidender CEO BLS AG, hat sich abgemeldet.

In einem kurzen Eintretensvotum beschreibt Peter Füglistaler das auf Michael Porter zurückgehende Konzept des Subventionsteichs. Dieses Konzept besagt, dass sich in einem Markt mit wenigen grossen Anbietern monopolähnliche Situationen ergeben und die kleinen Anbieter ihre Möglichkeiten optimieren. Dies ist beim schweizerischen öffentlichen Verkehr der Fall.

Vincent Ducrot beanstandet die Überregulierung des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz. Es gibt zu viele und sich gelegentlich widersprechenden Kontrollinstanzen. Insbesondere bemängelt Vincent Ducrot die fehlende unternehmerische Freiheit der SBB. Was würde geschehen, wenn die SBB für den Markteintritt als Strassentransportunternehmen plötzlich 500 Tesla-Lastwagen kaufen würde?

Thomas Küchler plädiert grundsätzlich für mehr Wettbewerb. Nicht primär aus Sicht der Liberalisierung oder als Marktordnung, sondern zur Förderung von Innovationen und zur Optimierung des Gesamtsystems. Liberaler und nur aus finanziellen Überlegungen erfolgender Wettbewerb hingegen würde das bewährte System des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz zerstören.

Die Frage von Hans Werder, ob man im öffentlichen Personennahverkehr Wettbewerb zulassen soll, wird wie folgt beantwortet:

  • Peter Füglistaler begrüsst den Wettbewerb bei der Ausschreibung von Busnetzen. Beim schienengebundenen Nahverkehr ist er zurückhaltender. Der Fernverkehr basiere auf der Vergabe von Konzessionen, und im internationalen Personenverkehr müsse man zuerst Märkte schaffen.

  • Thomas Küchler erinnert daran, dass die Ausschreibung der S-Bahn St. Gallen auf eine Anregung von Benedikt Würth, heutiger Ständerat von St. Gallen, hin erfolgte.

  • Vincent Ducrot schätzt Herausforderungen. Die ehemalige Mittelthurgau Bahn MThB hat viel aufgebrochen – die Übernahme von Regionalverkehr am Bodensee durch Thurbo war ein grosser Schock für die SBB und hat zu einem Umdenken geführt.

  • Hans Werder hält Ausschreibungen als letztes Mittel für denkbar. Thomas Küchler pflichtet ihm bei und betont, dass Thurbo den Regionalverkehr sehr positiv befruchtet hat.

  • Vincent Ducrot fragt sich, welche Absichten und Ziele man mit Ausschreibungen verfolgen will.

  • Peter Füglistaler betont, dass aus strukturellen Gründen meist kein Markt vorhanden sei, und erinnert daran, dass die SOB beim Verkehr über die Gotthard Bergstrecke erst aktiv geworden war, nachdem die SBB diesen (Fern-) Verkehr trotz Gewinnen im Fernverkehr abgeben wollte.

  • Thomas Küchler begründet die Übernahme des Verkehrs auf der Gotthard Bergstrecke mit dem Verantwortungsbewusstsein der SOB für das System Eisenbahn und mit dem Dienst an der Allgemeinheit. Zudem können die seit der Übernahme der MThB vorhandenen freien Kapazitäten genutzt werden. Thomas Küchler weist auf die Unterstützung durch das Gotthard Komitee hin und erinnert sich dankbar an die Unterstützung durch das BAV. Die SOB kann den Verkehr über die Gotthard Bergstrecke 18 Prozent günstiger betreiben als ihre Vorgängerin. Dadurch profitieren die Steuerzahler und der Fiskus.

Systemveränderungen im Tarifsystem müssen beschleunigt werden. Die Übertragung der Systemführerschaft für das Tarifsystem an das BAV wurde verworfen. Bei den Partnern am System des Direkten Verkehrs bestehen Befürchtungen, etwas zu verlieren – möglicherweise als Folge der Arbeiten von EOBI (Expertengruppe Organisation Bahn Infrastruktur).

Gemäss Vincent Ducrot ist CH-Direct zu föderalistisch strukturiert. Der Spagat zwischen den Verbünden und dem nationalen System ist kaum mehr haltbar. Man muss sich bewegen, konkrete Vorschläge liegen auf dem Tisch. Leider sind erste Ansätze vor vier Jahren gescheitert.

Der SOB waren mit ihren innovativen Ideen die Hände sehr lange gebunden. Reine Optimierungen reichen nicht. Grundlegende Neuerungen tun not. Multimodalität und neue Anbieter für Multimodalitätslösungen stehen vor der Tür. Neue Köpfe sind gefragt, nachdem sich in der Besetzung der relevanten Gremien in den letzten Jahren nichts geändert hat.

Vincent Ducrot erinnert daran, dass Christopher Franz bei der DB mit seinem neuen Tarifsystem vor Jahren gescheitert ist. Zudem muss die Mobilität gesamtheitlich und verkehrsträgerübergreifend betrachtet werden. Unter anderem stellt sich die Frage nach dem Mobility Pricing.

Peter Füglistaler betont abschliessend, dass das Tarifsystem nicht nur für Kunden intransparent geworden ist, auch der Clearing- und Verrechnungsprozess hat eine enorme Komplexität erreicht.

Diskussionsrunde zum Panel II

Ein Teilnehmer spricht sich dafür aus, dass der Auslastungsgrad verstärkt als Messgrösse berücksichtigt werden soll.

Benedikt Würth weist darauf hin, dass beim komplexeren Finanzausgleich eine funktionierende Lösung gefunden wurde. Dies sollte auch beim Tarif- und Verrechnungssystem des öffentlichen Verkehrs möglich sein.

Es wird gefragt, ob das föderale System der Schweiz einen grossen Wurf überhaupt zulasse.

Ein Teilnehmer fordert, dass das Tarifsystem mit der Raumplanung abgestimmt werden muss. Dem Vernehmen nach hat sich ein entsprechendes System in Singapur bewährt. In einem derartigen System müsste der Staat die Sachmittel beschaffen.

Werner Stohler spricht sich dezidiert gegen die Berücksichtigung des Auslastungsgrades aus. Im Vordergrund steht das integrierte und abgestimmte Gesamtsystem.

In abschliessenden Statements weist Thomas Küchler nochmals auf die Komplexität des Gesamtsystems hin und sieht einen riesigen und vordringlichen Handlungsbedarf. Für Benedikt Würth ist das Bestellverfahren zu kompliziert. Peter Füglistaler ist zuversichtlich – man kenne die Probleme und habe die richtigen Köpfe. Das Eisen sei heiss.

Persönlicher Kommentar

  • Gemäss der aktuellen Gesetzeslage ist es verboten, im Regionalverkehr Gewinne zu erzielen. Soweit so gut. Hingegen erhalten die SBB beispielsweise vom ZVV unter gewissen Voraussetzungen Boni und somit finanzielle Anreize. Diese führen ceteris paribus in der Sparte Regionalverkehr zu einem Gewinn. Werden Vincent Ducrot und seine Kollegen in einem solchen Fall entlassen oder gar angeklagt? Und arbeiten die zahlreichen privaten Anbieter im regionalen Busverkehr tatsächlich ohne Gewinnabsichten? Das Gewinnverbot gehört abgeschafft – bei wirklichem Wettbewerb ergeben sich kaum übermässige Gewinne.

  • Viele sprechen sich gegen einen mit finanziellen Interessen begründeten Wettbewerb aus. Hingegen soll ein Ideenwettbewerb möglich sein. Sonderbar! Wenn ein EVU dem Konkurrenten durch bessere Ideen Marktanteile wegnimmt, schlägt sich das im Geschäftsergebnis der beiden Firmen nieder – der Ertrag des Siegers steigt, und der Ertrag des Verlierers sinkt. Zwar werden die Konsequenzen durch allfälligen Mehrverkehr reduziert.

    Die Ergebnisse von Sieger und Verlierer werden schon durch die Fixkosten beeinflusst. Und Mitarbeiter des Verlierers verlieren ihre Stelle oder müssen zum Sieger wechseln. Ergo – Ideenwettbewerb wirkt sich in letzter Konsequenz gleich aus wie der allgemeine Wettbewerb.

 

Totalversagen – Umbau Bahnhof Arth-Goldau

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Im Rahmen einer Wanderung fuhren wir kürzlich mit dem Zug nach Arth-Goldau. Wir nahmen in Zürich Platz in der vorderen Einheit der aus zwei Triebwagenzügen bestehenden Komposition und erreichten den Zielbahnhof am Ende des Zuges. Beim Aussteigen in Arth-Goldau auf dem Hausperron verloren wir ein paar Minuten mit der Suche des Ausgangs. Wir vermissten eine einigermassen hinreichende Signalisation. Ein älteres Ehepaar – der Mann benutzte einen Rollator – versuchte, auf dem behelfsmässigen Durchgang vor dem Bahnhofgebäude zu den Billettschaltern zu gelangen.

Die Beobachtungen bewogen mich, den Bahnhof Arth-Goldau nochmals zu besuchen, um die Verhältnisse im Detail zu studieren. Bei dieser Gelegenheit konnte ich mich auch mit den Konturen der weitgehend abgeschlossenen Umbaumassnahmen vertraut machen. Ich war sehr enttäuscht, und zwar sowohl über die Massnahmen während dem Umbau als auch über das erkennbare Ergebnis des Umbaus.

Mehr über den ernüchternden Befund in diesem Bericht.

Massnahmen während des Umbaus

Die Benutzerführung – wie bereits erwähnt – ist absolut unzureichend. Dazu ein paar Bilder mit Kommentaren sowie zum Vergleich ein paar Bilder vom Umbau des Bahnhofs Feldkirch.

einziger und kaum erkennbarer Ausgang Richtung Stadt
Durchgang zur Stadt
einziger Hinweis Richtung Tierpark für die am Schluss des Zugs aussteigende Fahrgäste
Durchgang vor dem Bahnhofgebäude (wurde inzwischen im Zuge der Bauarbeiten geschlossen)
Zustand des während mehreren Monaten benutzten Durchgangs
ein weiteres Bild vom desolaten und stolpergefährlichen Durchgang
Bahnhof Feldkirch, Zugang zur geschützten und während dem Betrieb hell beleuchteten Fussgängerpassage zur Autoverladestelle während dem Umbau – täglich verkehren zwei Zugspaare und zusätzlich gibt es eine Zufahrtsstrasse zur Verladeanlage.
Innenansicht des Durchgangs
Hinterausgang der Passage
Wartehalle für die Fahrgäste der Autotransportzüge

Konturen des erneuerten Bahnhofs Arth-Goldau

Positiv aufgefallen ist mir, dass der nördliche Hausperron um mehrere Meter verbreitert wurde. Auch präsentiert sich die Unterführung zum nördlichen Ausgang grosszügig und mit künstlerischem Schmuck versehen.

grosszügig verbreiteter Hausperron im Rohbauzustand
Detail aus der neuen Unterführung zum Tierpark, mit ansprechendem künstlerischen Schmuck
ein weiteres Bild aus der neuen Unterführung

Unbefriedigend jedoch sind, wie die Bilder zeigen, folgende Gegebenheiten:

  • Die Perrondächer decken nur einen Teil der Perrons ab. Das Perrondach östlich des Bahnhofgebäudes wurde gegenüber dem Zustand vor dem Umbau verkürzt.
  • Es wurde keine zusätzliche Unterführung gebaut – weder östlich noch westlich.
  • Ein Aufgang vom südlichen Zwischenperron zur Passerelle der Arth-Rigi Bahn fehlt weiterhin.
Zwischenperron Richtung Zug, nur im mittleren Bereich überdacht, und ohne Abgang oder Unterführungen am vorderen Ende.
Blick auf den nur teilweise überdachten Hausperron, an dem besonders an Wochenende häufig und aus sehr langen Zügen umgestiegen wird. Umsteigende Fahrgäste müssen oft einige Minuten auf den Folgezug warten.
Blick vom Kopf des Hausperrons Richtung Bahnhofgebäude. Das Perrondach ist 220 Schritt und die Unterführung 250 Schritte entfernt. Umsteigende Fahrgäste müssen im Extremfall über 300 Meter zurücklegen.
Blick vom Zwischenperron auf die Passerelle mit integriertem Bahnhof der Arth-Rigi Bahn. Wer am Ende eines einfahrenden aussteigt, muss gut und gerne 400 Meter bis zum Bahnhof der Arth-Rigi-Bahn zurücklegen. Nicht nachvollziehbar, weshalb hier kein direkter Zugang gebaut wurde.

Kommentar

Abschliessend ein kurzer Kommentar:

  • Einmal mehr fällt ein Bahnhof der SBB weit von vergleichbaren Bahnhöfen im Ausland ab. Arth-Goldau hat als Umsteigebahnhof und als Visitenkarte für Touristen eine grosse Bedeutung.
  • Die Massnahmen während der Bauzeit – Benutzerführung, Qualität der behelfsmässigen Massnahmen – sind höchst unzureichend. Minimalismus und Unvermögen pur.
  • Der Komfort für die umsteigenden Passagiere ist völlig ungenügend. Das Umsteigen von oft rund 400 langen Kompositionen in andere Züge kann zu langen Wegen führen. Zusätzliche Unterführungen hätten diese Wege verkürzt und den Komfort für die umsteigenden Fahrgäste markant verbessert.
  • Das gleiche gilt für die viel zu kurzen Perrondächer.
  • Das dem Umbau zugrunde liegende Konzept mag für den Normalbetrieb genügen. Bei Spitzenbelastungen und Störungen gilt dies nicht. Das ist nicht nur eine Frage des Komforts, sondern auch eine Frage der Betriebsstabilität und der Sicherheit. Bei oft sehr langen Wegen und zahlreichen Fahrgästen mit Gepäck reichen die Übergangszeiten nicht.
  • Erstaunlich ist, dass im vergleichbaren Bahnhof von Bellinzona neben der Unterführung zwei Passerellen zur Verfügung stehen – eine davon jedoch völlig im Abseits stehend und ohne erkennbare Funktionalität. Auch fällt Arth-Goldau in Bezug auf die architektonische Gestaltung gegenüber Bellinzona stark ab. Dazu ein paar Bilder:
Blick von der seit vielen Jahren bestehenden Überführung im Bahnhof Bellinzona. Diese verbindet die Perrons mit dem Bahnhofvorplatz und dem Stadtteil östlich des Bahnhofs und wird rege benutzt. Hinten ist die neue Überführung erkennbar.
Blich auf die neue und grosszügige und mit Liften ausgestattete Überführung. Die Überführung und die Treppen sind wie der Zugang nicht überdacht.
Ein weiteres Bild der neuen und etwa 90 Meter von der bestehenden Anlage entfernten neuen Überführung. Die neue Überführung ist vom Perron 2 kaum sichtbar und verfügt über keine Anbindung nach aussen. Zudem sind die Perrons wie in Arth-Goldau nur teilweise überdacht. Es fällt auf, dass dem Fahrgast im vergleichbaren Bahnhof Arth-Goldau nur eine und hier drei Querverbindungen zur Verfügung stehen – wobei eine etwas verloren im Raum steht. Man fragt sich unwillkürlich nach den Kriterien für solche Dispositionen.

Dumpingpreise im Verkehr

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In der Diskussion bezüglich Beschränkungen des Luftverkehrs werden immer wieder die teilweise sehr tiefen Ticketpreise beanstandet. In der Tat verlocken die tiefen Preise möglicherweise zu unnötigen Flügen.

In der Diskussion wird jedoch ausgeblendet, dass tiefe Preise – eben Dumpingpreise – auch in anderen Sektoren des öffentlichen Verkehrs gang und gäbe sind.

Als Bahnkunde nutze ich die oft unglaublich günstigen Ticketpreise häufig – sei es für mich privat, für Studienreisen nach Stuttgart oder für Wanderungen im Elsass. Ein schlechtes Gewissen wegen den kaum die Grenzkosten der Reisen deckenden Preisen fährt dabei regelmässig mit.

Dumpingpreise im öffentlichen Verkehr

Nachstehend ein paar Beispiele aus dem Ausland und aus der Schweiz.

  • Die Region Elsass bietet am Wochenende die Carte Groupe Evasion für EUR 39.10 an. Mit dieser Tageskarte können bis zu fünf Personen mit Ausnahme der TGV alle öffentlichen Verkehrsmittel im Elsass und den Städten benutzen. Man bedenke, die mit 200 Stundenkilometern fahrenden TER200 bieten dem Reisenden den höheren Fahrkomfort als die TGV selbst.

    So kann eine Gruppe von fünf Personen ab Basel beispielsweise einen eintägigen Ausflug nach Strassburg unternehmen und dort beliebig mit den Strassenbahnen herumfahren – umgerechnet für weniger als CHF 9.- pro Person.

  • Im Bundesland Baden-Württemberg ist das Baden-Württemberg Ticket erhältlich. Als Tageskarte berechtigt das bw-Ticket an Werktagen ab 09.00 Uhr und an Feiertagen und am Wochenende ab 00.00 Uhr bis zum Folgetag um 03.00 Uhr zu beliebig vielen Fahrten mit der Eisenbahn und mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln im ganzen Bundesland und den Städten. Ausgenommen sind ICE und IC. Speziell ist, dass die IRE oft die gleiche Fahrplanlage haben wie die Züge des hochwertigeren Fernverkehrs und gewisse IC – so auch die IC der SBB zwischen Singen Hohentwil und Stuttgart – für das bw-Ticket frei gegeben wurden.

    Das bw-Ticket kostet für fünf Personen EUR 48.- in der zweiten und EUR 88.- in der ersten Klasse. Ab zwei zahlenden Fahrgästen können beliebig viele Kinder mitfahren. So können fünf Personen ab Konstanz einen eintägigen Ausflug nach Stuttgart unternehmen und dort alle städtischen Verkehrsmittel benutzen – für umgerechnet rund CHF 11.- pro Person.

  • Auch die Bayerische Regiobahn BRB – eine Tochter von Transdev – bietet in Zusammenarbeit mit der Westbahn sehr günstige Gruppentickets an. So kostet an Werktagen die ab 09.00 Uhr und den übrigen Tagen ab 00.00 Uhr gültige Tageskarte von München nach Wien und zurück für fünf Personen nur EUR 147.-. Bis zu drei Kinder können gratis mitreisen. Die Reisezeit von München nach Wien dauert zwar etwas länger als mit den auf dieser Relation verkehrenden Railjets der ÖBB, aber der Preis pro Person von rund CHF 32.- ist ungleich günstiger.

  • Sowohl die DB mit ihrem Sparpreissortiment als auch die ÖBB mit ihrem Sparschienen-Angebot bieten enorm günstige Tarife für Einzelreisende an. Zwar besteht Zugbindung, dafür gilt das Angebot auch für die meisten ICE oder Railjets. Ich fahre regelmässig für EUR 9.- in der zweiten oder für EUR 19.- in der ersten Klasse von Buchs SG nach Innsbruck. Nur gratis wäre für diese komfortable Reise günstiger.

  • Dumpingpreise gibt es auch in der Schweiz. Wenn man frühzeitig bucht, kann man beispielsweise mit den frühmorgendlichen IC für CHF 5.20 von Zürich nach Basel reisen. Damit kostet diese hochwertige Transportleistung weniger als ein Latte Macchiato in einem Café an der Bahnhofstrasse in Zürich.

Kommentar

Vor allem Bahnkreise sollten davon absehen, dem Luftverkehr ständig Dumpingpreise vorzuwerfen. Diese gelten im Allgemeinen nur für bestimmte Flüge und nur bis zum Erreichen einer geplanten Auslastung. Die oben erwähnten günstigen Tickets für Gruppenreisen sind uneingeschränkt erhältlich.

Zudem wird ausgeblendet, dass die Swiss gemäss dem Artikel der NZZ vom 1. September 2020 ihre Flugzeuge im Schnitt zu 85 Prozent auslasten kann, während dieser Wert bei den SBB in den Zügen des Fernverkehrs bei 33 Prozent und bei den Zügen des Regionalverkehrs bei nur 22 Prozent liegt.

Was ich mit diesen Ausführungen zum Ausdruck bringen möchte:

  1. Es wäre nicht zuletzt aus ökologischen Überlegungen an der Zeit, dass der Grad der Auslastung verstärkt als Zielgrösse des Handelns der SBB Beachtung findet. Das ist sehr wohl ohne grössere Einschränkungen des Angebots möglich. Allein durch einen bedarfsgerechten Rollmaterialeinsatz liesse sich viel erreichen. Als Beispiel sei die Weiterführung der IC8 von Zürich nach Romanshorn erwähnt oder das massive Überangebot zwischen Sitten und Brig.

  2. Vor allem ist eine konstruktive und offensive Strategie angezeigt. Man stärkt die Eisenbahn nicht, indem man Konkurrenten mit zutreffenden Argumenten wie beispielsweise die steuerliche Privilegierung des Luftverkehrs oder mit unredlichen Argumenten wie die eben zitierte Dumpingpreispolitik, zu schwächen versucht.

    Vielmehr muss die Attraktivität der Eisenbahn durch ein Bündel von Massnahmen dezidiert gesteigert werden. Aus dem umfangreichen Katalog der Massnahmen sind dies die Verkürzung der Reisezeit unter anderem durch den Aus- und Neubau von Strecken – Spanien und Frankreich machen es vor -, die Steigerung des Komforts, repräsentative und gepflegte Bahnhöfe und moderne Ticketsysteme.