Aspern bei Wien ist den meisten wohl nur als Ort der ersten bedeutenden militärischen Niederlage von Napoleon I geläufig. 1809 massen sich in Aspern ein österreichisches und ein französischen Heer, beide mit einer Truppenstärke von gegen 100‘000 Soldaten.
Selbst in der Ausgabe 2010 des Eisenbahnatlas „Österreich“ von Schweers+Wall sucht man vergeblich nach dem Namen von Aspern.
Aber wie haben sich die Zeiten geändert! In den letzten zehn Jahren ist in Aspern im Zusammenhang mit dem Ausbau der „Marchegger-Linie“ – eine der beiden Eisenbahnstrecken zwischen Wien und Bratislava – sowie der Expansion von Wien in südöstlicher Richtung ein Verkehrsknotenpunkt entstanden, der seinesgleichen sucht.
Wir haben Wien-Aspern bereits während der Bauphase mehrmals besichtigt und möchten in diesem Beitrag den fertiggestellten Verkehrsknotenpunkt präsentieren.
Angebote in Wien-Aspern
Wien-Aspern Nord wird von der Eisenbahn, der U-Bahnlinie 2, vier Buslinien und einem Rufbus erschlossen.
Wien-Aspern ist Endbahnhof der alle 30 Minuten verkehrenden S-Bahn 80 nach Hütteldorf. Zudem halten in Wien-Aspern im Stundentakt die Regionalexpresszüge zwischen Wien HB und Bratislava und die S-Bahn 81 zwischen Wien HB und Marchegg an. Die letztgenannten beiden Züge werden mit Dieseltraktion betrieben.
Die U-Bahnlinie U2 fährt in einem dichteren Fahrplan von Seestadt über Wien-Aspern zum Karlsplatz. Zwischen Seestadt und Wien-Krieau ist die Strecke aufgeständert und ermöglicht einen guten Überblick über die neuen Stadtteile. In Wien-Stadlau – auch dieser Kontenpunkt verdient einen Besuch – besteht ein weiterer Übergang zwischen den Zügen auf der Marchegger-Linie und der U-Bahn.
Marchegger-Linie
Zurzeit wird die „Marchegger-Linie“ umfassend modernisiert. Die Arbeiten umfassen die Elektrifizierung, den weitgehenden Ausbau auf Doppelspur und die grosszügige Erneuerung aller Bahnhöfe. Die entsprechenden Arbeiten sind auf dem Gebiet der Stadt Wien bis nach Wien-Aspern abgeschlossen. Die gesamte Trasse wird für einen späteren Vollausbau auf Doppelspur vorbereitet.
Nach der Aufnahme des elektrischen Betriebs zwischen Wien-Aspern und Marchegg – voraussichtlich ab 2023 – reduziert sich die Fahrzeit der Regionalexpresszüge zwischen Wien und Bratislava gemäss den Angaben der ÖBB von heute 67 Minuten auf 40 Minuten.
Auf rund 33 Kilometern verläuft die Marchegger-Linie absolut gerade und ist damit derzeit die längste geradeaus führende Eisenbahnstrecke in Österreich.
Rundgang durch den Knotenpunkt
Der neue Verkehrsknotenpunkt Wien Aspern Nord beeindruckt durch seine Grosszügigkeit sowie durch die architektonische Gestaltung, die Infrastruktur, die Benutzerführung, die SIgnaletik und die Publikumsanlagen. Bemerkenswert ist auch der künstlerische Schmuck am Gebäude.
Mit den folgenden kommentierten Bilder laden wir zu einem Rundgang durch Wien-Aspern ein.
Kommentar
Die Bilder sprechen für sich. Man verlässt Wien-Aspern tief beeindruckt und voller Bewunderung. Auf der anderen Seite empfindet man fast ein wenig Neid.
Und man stellt unwillkürlich Vergleiche mit ähnlichen Verkehrsknotenpunkten in Mitteleuropa an. So etwa mit Zürich-Stettbach oder mit dem mit einem „Brunel Award“ ausgezeichneten Bahnhof Bern-Wankdorf. Ob die zuständige Jury Wien- Aspern oder die Bahnhöfe an der Pottendorfer-Linie kennt? Ich empfehle, vor der inskünftigen Vergabe von Preisen einen Abstecher in den Grossraum Wien zu unternehmen.
Auf der Rückfahrt aus Wien mussten wir infolge der baubedingten Sperrung der Strecke von Feldkirch nach Buchs SG in Feldkirch auf Bahnersatzbusse umsteigen. Beim Umsteigen sahen wir, dass die Halle des Bahnhofs Feldkirch umgebaut wird. Das dazu erforderliche Baugerüst beeindruckte uns sehr.
Die Arbeiten stehen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Bahnhofsgebäudes und des Vorplatzes. Unter dem Vorplatz mit dem repräsentativen Busbahnhof befindet sich eine grosse Einstellhalle mit direktem Zugang zur Unterführung und zu den neuen Gebäuden am Bahnhofplatz. Die umfangreichen Arbeiten stehen vor dem baldigen Abschluss.
Mit diesem Bericht möchten wir zeigen, wie in Vorarlberg behelfsmässige Massnahmen im Zusammenhang mit einem Umbau eines Bahnhofsgebäudes getroffen werden. Selbst das Baugerüst hinterlässt einen repräsentativen und gepflegten Eindruck.
Rundgang
Vorab ein Bild über die Bahnhofshalle von einem früheren Besuch. Die grosszügige und beheizte Halle diente vor dem Umbau auch als Warteraum. Von der Halle aus führen ein Lift und eine breite Treppe in eine der beiden Unterführungen.
Abschluss
Abschliessend noch ein paar Bilder aus der Umgebung des Bahnhofs. Gerne verweisen wir auf unseren Bericht von Oktober 2020.
Wir haben auf unserer Website mehrmals auf Missstände in einigen Bahnhöfen der SBB hingewiesen. Mit diesem Bericht möchten wir über besonders krasse und unhaltbare Zustände im Hauptbahnhof Zürich berichten und unsere Beobachtungen in einen weiteren Zusammenhang stellen. Weiter vergleichen wir die monierten Zustände mit vergleichbaren Situationen bei nicht-SBB Bauvorhaben.
Situation im HB Zürich
Zurzeit wird der Gebäudeteil am Bahnhofplatz „Südtrakt“ umfassend saniert. Die aufwendigen Massnahmen begannen im zweiten Quartal 2018 und erstrecken sich voraussichtlich bis in den Sommer 2023. Die budgetierten Kosten belaufen sich auf über CHF 141 Millionen. Der Umbau ist für die Besucher und die Mieter mit grösseren Einschränkungen verbunden.
Der Start dieses teuren Bauvorhabens wurde öffentlichkeitswirksam mit einem Festakt gefeiert, und das Baugerüst gegen den Bahnhofplatz wurde mit einem riesigen Transparent geschmückt – auch die Uhr durfte nicht fehlen.
Eigentlich würde man in Anbetracht der Ausgangslage erwarten, dass auch die flankierenden Massnahmen – Benutzerführung, Information über das Projekt, Sauberkeit, Sicherheit, etc. – während der langen Bauphase der Bedeutung des Projekts und der Würde des historischen Gebäudes entsprechen.
Wie die folgenden Bilder zeigen, trifft dies nicht zu. Dieser ernüchternde Sachverhalt gibt zu Fragen Anlass. Man bedenke, dass der in diesem Beitrag beschriebene Durchgang die kürzeste oberirdische Verbindung zwischen der Bahnhofstrasse und der Haupthalle bildet und täglich von unzähligen Besuchern benutzt wird.
Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb die schmucklosen Bauwände im HB Zürich nicht genutzt werden – sei es mit Bildern für die Eigenwerbung oder für die Vermietung als Werbeflächen an Dritte. So wurden beispielsweise in Stuttgart die Wände der beiden provisorischen Durchgänge vom Bonatzbau zur Gleishalle mit grossformatigen Bildern von Bahnstrecken auf der ganzen Welt geschmückt.
Sonderbarerweise wurden an der Wand rechts vom Durchgang bis zur Gleishalle mehrere kleine Ladenlokale mit Verpflegungsmöglichkeiten errichtet, wodurch die Breite der Zirkulationsfläche an einer heiklen Stelle reduziert und die Fussgängerströme in den Stosszeiten behindert werden. An der besagten Stelle kreuzen sich zwei wichtige Fussgängerachsen, nämlich diejenige von der südlichen Hälfte der Gleishalle zur Tramhaltestelle Bahnhofquai mit fünf Tramlinien sowie die oberirdische von der Bahnhofstrasse in die Gleishalle. Zudem befinden sich im Engnis zwei Eingänge zu den seitlichen Ladenlokalen.
Noch bedenklicher ist ein anderer Missstand in Zürich HB. In der Unterführung unter dem Südtrakt wird die Gebäudeinfrastruktur erneuert. Die Deckenverkleidung wurde vorübergehend entfernt. Täglich strömen Tausende durch diese Unterführung, welcher die Bahnhofstrasse mit dem Bahnhofteil „Museumsstrasse“ verbindet.
Gelegentlich lösen sich Teile der Isolation aus Steinwolle und fallen herunter – manchmal auf die Köpfe der Passanten. Noch weniger nachvollziehbar ist, dass sich ein Kabelbündel gelöst hat und nur noch knapp zwei Meter über dem Boden hängt. Eine grossgewachsene Person kann sich in diesem Kabelbündel durchaus verfangen. Der Mangel wurde am Sonntag, 31. Oktober 2021, zum ersten Mal beobachtet und war auch 48 Stunden später noch nicht behoben.
Sechs Tage später, am 5. November 2021 befand sich das Kabelbündel imer noch in der gleichen Lage. Gemäss meiner Messung lag der tiefste Punkt des Kabelbündels 1,95 Meter über dem Boden. Nicht nur eine grossgewachsene Person, sondern auch eine Skifahrerin oder ein Skifahrer können mit ihren Skiern an den Kabel hängen bleiben. Gang abgesehen von Vandalenakten von frustierten oder alkoholisierten Zeitgenossen. Als letzte Hoffnung bleibt, dass die Kabel keine wichtigen Geräte oder Einrichtungen mit Strom versorgen.
Nicht nur im Zürcher Hauptbahnhof ….
Die unhaltbaren Zustände im HB Zürich reihen sich nahtlos an ähnliche Beobachtungen bei anderen Bahnhöfen im Grossraum Zürich, über die wir auf unserer Website berichtet haben. Ich denke an das während vielen Monaten offen liegende Erdungskabel im Bahnhof Kilchberg, die unappetitlichen Zustände im kürzlich erweiterten Bahnhof Zürich-Wollishofen oder in dem erst vor wenigen Jahren neu gebauten Bahnhof Wallisellen.
Aber auch ausserhalb von Zürich ist nicht alles zum Besten bestellt, wie dieses Bild aus der Schalterhalle des Bahnhofs Sargans zeigt.
Die behelfsmässige Absperrung war während mehreren Tagen am Ort. Die primitiven Knoten lassen vermuten, dass das Absperrband mehrmals riss. Links – im Bild nicht sichtbar – war das Band an einem Prospektständer der SBB befestigt. Auf der rechten Seite diente die Werbetafel eines Detailhandelsgeschäfts zu Befestigung.
Die Frage nach dem Verantwortungsbewusstsein und der Arbeitshaltung der meist zu zweit in der Schalterhalle anwesenden Mitarbeiter – sie blicken über das Absperrband ins Freie – steht im Raum. Wer hat hier versagt?
Kommentar
Die mangelnde Sorgfalt bei der Pflege und beim Unterhalt von Publikumsanlagen zieht sich wie ein roter Faden durch die Landschaft. Qualitätsmängel gibt es aber auch beim Unterhalt des Rollmaterials, wie zum Beispiel bei den mangelhaften Türschliessungen bei zahlreichen Personenwagen des Typs EW IV, bei den manipulierten Bremsbacken bei Eisenbahnwagen oder bei Triebfahrzeugen. Offensichtlich liegt eine systemische Schwachstelle vor, die nach personellen Veränderungen ruft.
Zudem stimmen uns diese Beobachtung für die Zukunft wenig zuversichtlich. Wie sollen beispielsweise dereinst die Wartung und der Unterhalt der komplexen Twindexx-Triebwagenzüge funktionieren, wenn die Qualitätsmängel selbst bei einfacheren Objekten nicht enden wollen?
Bei Aufenthalten in der Region Greyerz stellten wir eine intensive Bautätigkeit an der Eisenbahninfrastruktur fest. So kürzlich auch im Rahmen einer Wanderung von Châtel-St-Denis nach Montbovon. Dies war Anlass, in diesen Tagen einige der abgeschlossenen und laufenden Projekte zu besichtigen – und auf unserer Website darüber zu berichten.
Die Projekte zeichnen sich durch eine ausserordentliche Grosszügigkeit aus. Das führt zu kritischen Fragen – auch solche staatspolitischer Natur.
Châtel-St-Denis
Vor der Inbetriebnahme der neuen Bahnhofanlagen mussten die Züge im alten Bahnhof von Châtel-St-Denis die Fahrtrichtung ändern. Früher verkehrten von Châtel-St-Denis über Saint-Légier direkte Züge nach Vevey. Diese rund acht Kilometer lange Bahnlinie wurde 1969 stillgelegt und abgebrochen. Das dem Kanton Freiburg gehörende Transportunternehmen Gruyères-Fribourg-Morat GFM stellt seit der Umstellung den Busbetrieb sicher. Mit der Übernahme der Freiburger Verkehrsbetriebe im Jahr 2000 firmierte die GFM zu Transports Publics Fribourgeoise TPF um. Zwischen Palézieux verkehren über Châtel-St-Denis halbstündlich Regionalzüge nach Bulle. Ab Bulle fahren die Züge stündlich nach Montbovon.
Gerne halte ich meine Eindrücke auf den folgenden Bildern fest und verweise auf die Kommentare bei den Aufnahmen.
Montbovon
Montbovon als Knotenpunkt liegt an der von den „Golden Pass-Expresszügen“ der MOB befahrenen Strecke von Montreux nach Zweisimmen. Diese weitgehend dem touristischen Verkehr dienenden Züge verkehren stündlich. Montbovon ist ein kleines Dorf und zähle 2004 265 Einwohner. Von Montbovon fährt jede Stunde ein Regionalzug über Gruyères (Greyerz) nach Bulle. Besonders an schönen Tagen ist die Nachfrage zwischen dem historischen Städtchen Greyerz und Bulle sehr hoch.
In Montbovon steigen höchst spärlich Fahrgäste aus oder um. Dem Bahnhof angegliedert ist ein kleines Depot der MOB.
Nachstehend eine kommentierte Bildreportage.
Wenige Fahrminuten oberhalb Montbovon liegt die weitab vom kleinen Dorf gelegene Haltestelle von Les Sciernes. Perfekt hergerichtet, aber ich habe bei meinen Besuchen dort ausser uns noch nie Fahrgäste aus- oder einsteigen gesehen.
Bulle
Bulle hat sich in den letzten Jahren als Folge des Baus der Nationalstrasse A12 dynamisch entwickelt und präsentiert sich heute als modernes Zentrum. Im Grossraum Bulle sind mehrere Industriebetriebe angesiedelt. Bis vor einigen Jahren verkehrten zwischen Fribourg und Bulle über die Autobahn direkte Schnellbusse mit einer Fahrzeit von etwa einer halben Stunde. Der Busverkehr wurde zugunsten von Regionalexpress-Zügen aufgegeben. Diese Züge halten nur in Romont. Jeder zweite Zug verkehrt, abgesehen von den Randstunden, von Fribourg weiter nach Bern – wenige Minuten vor den Interregio-Zügen der SBB, und entlastet so in den Stosszeiten die IR der SBB.
Bemerkenswert – und zu Fragen Anlass bietend – sind jedoch die Verlegung und der Abbruch des vor etwas mehr als zwanzig Jahren grundlegend erneuerten Bahnhofs von Bulle. Dieser nahe beim Ortszentrum gelegene Bahnhof hat mich bei früheren Besuchen durch seine Modernität und seine Kundenfreundlichkeit beeindruckt. Die direkt zur grosszügigen und repräsentativen Busstation – die Rückwand ist auf einer Länge von rund 100 Metern mit einem grossen Wandgemälde verziert – führende Unterführung ist auf beiden Enden mit Rolltreppen und mit grosszügigen Treppen ausgestattet.
Broc Fabrique
In Broc Fabrique befinden sich ein attraktives und stark frequentiertes Museum von Nestlé sowie eine noch aktive Schokoladefabrik von Nestlé. Broc Fabrique war mit Bulle mit einer schmalspurigen Eisenbahnlinie verbunden, auf der in der Regel jede Stunde ein Regionalzug verkehrte. Diese Strecke diente bis vor wenigen Jahren auch der Zulieferung von Rohstoffen für die Schokoladenproduktion und dem Transport der Fertigprodukte.
Diese ausserhalb von Bulle von der Strecke nach Montbovon abzweigende Zweigstrecke ist rund 5 Kilometer lang und wird gegenwärtig auf Normalspur ausgebaut. Das macht wegen den östlich von Bulle entstehenden neuen Siedlungen und der Weiterführung der Züge aus Romont nach Broc zwar durchaus Sinn. Auffallend ist jedoch, dass auf der neuen Normalspurstrecke kein Güterverkehr angedacht ist und Bulle von den SBB trotz den zahlreichen Gewerbebetrieben als Bedienpunkt für den Güterverkehr aufgegeben wird.
Spange von Romont nach Vuisternes-devant-Romont
Die bestehende Strecke führt ausserhalb von Romont in einem grossen Bogen nach Vuisternes-devant-Romont. Die Streckengeschwindigkeit liegt etwa bei 100 km/h. Nun soll die grosse und schutzwürdige Mulde ausserhalb von Romont zur Erhöhung der Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h und zur Verkürzung der Reisezeit um drei Minuten mit einer knapp ein Kilometer langen Talbrücke durchquert werden. Die budgetierten Kosten für dieses Bauwerk betragen über CHF 72 Mio. und werden vollständig vom BIF, dem Bahninfrastrukturfonds der Schweiz, getragen. Beiträge des Kantons Freiburg sind nicht vorgesehen.
Kommentar
Natürlich sind die Modernisierung der Eisenbahninfrastruktur in der Region Greyerz und der Ersatz des Rollmaterials zu befürworten. Ich halte den Ausbaustandard und gewisse Projekte wie die Spange von Romont jedoch für übertrieben. Und ob der Ersatz eines relativ neuen, gut funktionierenden und modernen Bahnhofs wie Bulle sinnvoll ist, bleibe dahingestellt.
Ausserdem wurden meines Erachtens mit dem Verzicht auf den Wiederaufbau der Eisenbahnverbindung zwischen Châtel-St-Denis und Saint-Légier (und weiter nach Vevey) die Interessen des Kantons Freiburg über diejenigen der Schweiz gestellt. In der Agglomeration Vevey-Montreux wohnen über 70‘000 Menschen. Wurden mit Mitteln des BIF über die Bedürfnisse der Eisenbahn hinaus nicht einfach Standortpolitik und Wirtschaftsförderung betrieben?
Und ist es gerecht, wenn im Greyerzerland für letztlich doch überschaubare Fahrgastzahlen zwischen CHF 600 Mio. und CHF 700 Mio. in den Ausbau der Bahninfrastruktur investiert werden, während im Kanton Zürich an vielen Orten auf den Bahnhöfen unzumutbare Zustände bestehen? Man vergleiche beispielsweise Montobovon mit Zürich-Wollishofen oder Wallisellen – auch letztere beiden wurden in den letzten Jahren umgebaut und weisen sehr viel höhere Passagierzahlen auf.
Und abschliessend – aber nicht zu guter Letzt – was will SBB Cargo in der Schweiz überhaupt noch befördern, wenn die Region Bulle vom Güterverkehr abgehängt wird?
Die Hoffnung lebt!
Unter der Leitung von Vincent Ducrot – er war zwischen 2011 und 2018 Generaldirektor der TPF – entwickelte sich dieses Unternehmen offensichtlich prächtig. Ein gutes Omen für die SBB, denn Vincent Ducrot übernahm am 1. April 2020 als CEO die Leitung unserer Staatsbahn.
Quellenhinweise
Die Bilder stammen vom Verfasser. Die Kartenausschnitte wurden mit dem besten Dank dem „Eisenbahnatlas Schweiz“ von Schweers+Wall oder der Landeskarte der Schweiz entnommen. Das Bild und die Karte der Talbrücke bei Romont wurden aus der Website der TPF kopiert. Trotz sorgfältiger Recherche besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Angaben.
Mit diesem Beitrag schliessen wir unsere Berichterstattung über das Eisenbahnwesen im Balkan ab. Wie in Serbien sind auch in Kroatien grosse Anstrengungen für die Revitalisierung der Eisenbahn im Gang. Im Gegensatz zu Serbien, wo die Erneuerung vor allem mit chinesischen und russischen Investitionen erfolgt, finanziert Kroatien als EU-Mitglied seine Projekte vor allem mit Unterstützung der EU.
Zagreb Hauptbahnhof
In seiner Gesamtheit hinterlässt der Bahnhof von Zagreb einen guten Eindruck. Das repräsentative Gebäude liegt im Stadtzentrum und wird gut unterhalten. Alle in einem grossen Bahnhof üblichen Dienstleistungen sind vorhanden. Auch eine kleine Kapelle steht zur Verfügung.
Bei meinen Besuchen sah ich ausschliesslich neues und gepflegtes Rollmaterial. Allerdings sind die Anlagen nicht behindertengerecht ausgebaut. Besucher werden mit zahlreichen Plakaten über Ausbauprojekte im nationalen Eisenbahnnetz informiert.
Nicht mitteleuropäischen Verhältnissen entspricht das Angebot an Zügen, wie die folgenden Bilder zeigen. Das geringe Angebot an internationalen Eisenbahnverbindungen überrascht. Nach Budapest besteht nur eine einzige Direktverbindung. Der Eisenbahnverkehr nach Belgrad ist eingestellt.
Am Sonntag, 9. August 2021, beobachtete ich den aus Zürich. eintreffenden Nachtzug. Es stiegen trotz der Hochsaison nur wenige Fahrgäste aus. Zudem traf der Zug mit einer Verspätung von siebzig Minuten ein, was vermutlich auf umbaubedingte Langsamfahrstrecken in Slowenien und Kroatien zurückzuführen waren.
Der Anschluss des Hauptbahnhofes an das städtische Tramnetz von Zagreb ist vorzüglich. Die Wege vom Zug zur Strassenbahn sind kurz. Gut präsentiert sich auch das Rollmaterial der Strassenbahn. Im Gegensatz zu Belgrad und Sarajewo sah ich nur neue und saubere Fahrzeuge.
Funktion Kroatiens im europäischen Ferngüterverkehr
In Kroatien kreuzen sich zwei Korridore des europäischen Ferngüterverkehrs.
Details zu den Kroatischen Staatsbahnen
Gemäss einer Untersuchung der EU weisen in Europa nur wenige Länder wie etwa Bulgarien und Rumänien oder die baltischen Staaten eine schlechtere Eisenbahninfrastruktur auf als Kroatien.
Mit zahlreichen von der EU mitfinanzierten Projekten soll das Eisenbahnnetz weitgehend erneuert werden. Die Renaissance der Eisenbahn ist auf gutem Weg. Im Fokus stehen vor allem der Ausbau der Strecken der europäischen Güterverkehrskorridore und des Regionalverkehrs im Raum Zagreb. Auch die Hafenanlagen von Rijeka werden umfassend saniert und erweitert.
Wenige Veränderungen sind im Verkehr mit den übrigen Balkanstaaten erkennbar. Wichtige in Ex-Jugoslawien bestehende Verbindungen, wie etwa durch Bosnien-Herzegowina an die Adria, bleiben offensichtlich weiter unterbrochen. Dabei könnte die Wiederinbetriebnahme dieser Strecken den Balkanstaaten willkommene Anstösse für die Entwicklung geben.
Überrascht haben die Fülle und der Detaillierungsgrad der von den kroatischen Staatsbahnen in der Landessprache und teilweise auch in Englisch veröffentlichten Informationen. So werden in einem statistischen Bericht umfassende betriebliche Kennzahlen und Fakten präsentiert, wie etwa die Anzahl Reisende im internationalen Fernverkehr.
Kommentar
Mit der Fertigstellung und der vollständigen Inbetriebnahme der Güterverkehrskorridore und der Leistungssteigerung der Häfen an der Adria werden sich – wohl zu Lasten der Häfen an der Nord- und Ostsee – die Transportwege und -zeiten für Güter aus Asien nach Mittel- und Osteuropa substantiell verkürzen.
Besorgnis verursacht der Sachverhalt, dass kaum Bestrebungen für die Wiederbelebung des zwischenstaatlichen Eisenbahnverkehrs auf dem Balkan erkennbar sind, abgesehen vom Ausbau der Strecken am Güterverkehrskorridor 10. Offensichtlich fehlt weiterhin die Bereitschaft zur Kooperation zwischen den Staaten des ehemaligen Jugoslawiens – keine gute Situation und kein Erfolgsrezept für die Zukunft,
Quellenhinweise
Die Bilder wurden vom Verfasser mit einem Smartphone aufgenommen. Die Informationen wurden der Dokumentation der kroatischen Staatsbahnen und dem Internet entnommen. Trotz sorgfältiger Recherche besteht keine Gewähr für die Richtigkeit der Informationen.
Gemäss der Ankündigung im Beitrag „Schienenverkehr Balkan I – Sarajewo“ folgen in diesem Beitrag Informationen und Einschätzungen über die Eisenbahn in Serbien. Im Gegensatz zu Bosnien-Herzegowina sind Massnahmen für die Revitalisierung und für den Ausbau des Eisenbahnwesens im Gang. Mehr dazu am Ende des Beitrages.
Kraljevo
Der Weg zur Stätte eines schrecklichen Ereignisses im zweiten Weltkrieg führte am Bahnhof vorbei. Dabei beobachtete ich einen einfahrenden Triebwagenzug von Stadler. Anlass also, auf dem Rückweg einen kurzen Abstecher zum Bahnhof zu unternehmen und dort einen Augenschein vorzunehmen. Abgesehen vom eher geringen Angebot an Zügen war ich positiv überrascht. Dazu ein paar Bilder und der dem Internet entnommene Fahrplan der Serbischen Staatsbahnen.
Novi Beograd
Auf der Führung durch die repräsentative und gepflegte Altstadt von Belgrad erfuhr ich von unserem Führer, dass im neuen Stadtteil von Belgrad ein neuer Bahnhof im Bau sei. Mein Interesse war geweckt. Nach einem Ausflug nach Novi Sad, bei dem von der Autobahn aus Teile einer Neubaustrecke und eine eindrückliche neue Brücke über die Donau für den Eisenbahn- und Autoverkehr zu sehen waren, begab ich mich am Abend zum Bahnhof von Novi Beograd. Leider reichte die Zeit für die Besichtigung von Beograd Centar, dem Hauptbahnhof von Belgrad, nicht.
Novi Beograd liegt in einem stark wachsenden und modernen neuen Stadtteil von Belgrad. Die Umgebung des Bahnhofs ist erst teilweise überbaut. Unter dem Bahnhof durch führt eine vom mehreren Linien befahrene Tramstrecke. Ein Bahnhofgebäude fehlt noch. Der erste Eindruck war miserabel – grob und schmucklos ausgeführte Betontreppen und viel Unrat unter den Stützen des aufgeständerten Bahnhofs. Rolltreppen und Lifte fehlten.
Ganz anders waren jedoch die Eindrücke auf den repräsentativen Bahnsteigen. Die Arbeiten sind noch im Gang. In Betrieb sind erst zwei Geleise. Ein weiteres Gleis ist verlegt, und für zwei weitere Geleise sind die Wannen erstellt. Die Konstruktion wirkte fremd. In den Böden der Betonwannen sind im Abstand von etwa sechzig Zentimeter Hülsen für Befestigungsschrauben für die Schienen eingegossen. Vereinzelte Bauarbeiter waren an diesem Samstagabend zu später Stunde noch an der Arbeit.
Während meinem kurzen Aufenthalt hielten zwei ältere und saubere Triebwagenzüge am Bahnhof. Die ein- oder aussteigenden Fahrgäste liessen sich an zwei Händen abzählen. Wie der Fahrplan zeigt, ist die Zugdichte relativ dicht, ohne jedoch mitteleuropäischen oder gar schweizerischen Verhältnissen zu entsprechen.
Nach dem Erstellen von ein paar Fotos entdeckte ich am Ende des Bahnhofs drei Informationstafeln über den Bau dieses Bahnhofs. Offensichtlich ist Novi Beograd Bestandteil der unter anderem von China gebauten Neubaustrecke von Belgrad nach Budapest. Interessant war auch die Herkunft von Baumaterial auf einem Güterwagen.
Ein paar Angaben zu den Serbischen Staatsbahnen und ihrer Projekte
Teile der Website der Serbischen Staatsbahnen ermöglichen auch in englischer Sprache einen guten Überblick über das Eisenbahnwesen in Serbien. Ganz offensichtlich sind Bestrebungen für den grenzüberschreitenden Ausbau der Eisenbahn im Gang, obschon heute beispielsweise keine Züge nach Zagreb in Kroatien verkehren.
Eine besondere Bedeutung gilt dem europäischen Güterverkehrskorridor X, dem „Alpine-Western Balkan Freight Corridor“, der von Linz und Salzburg durch den Balkan an die türkische Grenze führt.
Informationen über die Produktion der Serbischen Staatsbahn sind kaum erhältlich. Hier ein Auszug aus Wikipedia: „Rail transport remains a popular form of freight transportation with 12.3 million tons carried in 2018, while being fairly uncommon for passenger transport, carrying just over 16 million passengers in 2018 (5 million if Belgrade urban rail system is excluded).“
Kommentar
Ganz offensichtlich wird in Serbien – aber auch in weiteren Staaten auf dem Balkan – mit grossem Einsatz an der Revitalisierung der Eisenbahn gearbeitet. Vor allem der Güterverkehr wird stark gefördert. Weitere Informationen können der Präsentation „Current status of railway system in Republic of Serbia and policies for better transport connectivity“ von Laza Radakovic, assistant minister, entnommen werden. Zusätzlich zum Ausbau der Infrastruktur werden in Serbien auch die Gesetze im Verkehrswesen und die Organisation der Eisenbahn den Normen der EU angeglichen.
Bei unseren Fahrten auf der Autobahn zwischen Belgrad und Zagreb stellten wir einen intensiven internationalen Lastwagenverkehr fest. Etwa ein Viertel der Lastwagen war mit türkischen Autokennzeichen gekennzeichnet.
Die ehrgeizigen und aufwendigen Projekte werden zu einem grossen Teil mit ausländischen Mitteln finanziert. Auch werden viele der Arbeiten von ausländischen Firmen mit eigenem Personal ausgeführt. Auffallend ist das grosse Engagement von China und – etwas weniger – von Russland. Der Eindruck besteht, dass die EU bestrebt ist, den beiden Konkurrenten aus dem Osten mit eigenen Anstrengungen zu begegnen.
Interessant wird sein, ob und wie die grenzüberschreitenden Projekte für Strasse und Schiene die latent vorhandenen Spannungen zwischen den Balkanstaaten auflösen und die noch kaum verheilten Wunden aus den schrecklichen Kriegen nach der Auflösung des einstigen Jugoslawien heilen können. Zudem stellt sich die Frage, ob sich der erhoffte Ertrag aus den immensen Investitionen einstellt und ob Serbien die Kredite zurückzahlen kann.
Quellenhinweise
Die Fotos wurden vom Verfasser mit dem Smartphone aufgenommen. Die Daten zu einigen Projekten wurden den im Internet verfügbaren Publikationen des Serbischen Ministeriums für den Bau, den Verkehr und die Infrastruktur entnommen. Teilweise musste auf oberflächliche oder widersprüchliche Pressemitteilungen ausgewichen werden. Alle Daten wurden mit grosser Sorgfalt zusammengetragen. Eine Gewährleistung für die absolute Richtigkeit ist ausgeschlossen.
Nicht nur im Norden mit den Grossprojekten Terzo Valico und Fertigstellung der Hochgeschwindigkeitsstrecke von Milano nach Venezia wird in Italien tatkräftig an der Modernisierung der Eisenbahninfrastruktur gebaut – auch die wenig leistungsfähige und dennoch bedeutende Eisenbahnlinie zwischen Napoli und Bari wird in den nächsten Jahren für über sechs Milliarden Euro modernisiert. Durch die neue Strecke verkürzt sich die Fahrzeit zwischen Napoli und Bari von heute 3 Stunden und 40 Minuten auf knapp 2 Stunden. Bari wird von Roma aus in drei Stunden erreichbar.
Dieses Projekt – ein Abschnitt davon ist bereits in Betrieb und ein weiterer wurde vor Jahren ausgebaut – ist insofern bemerkenswert, als zwischen Napoli und Bari seit vielen Jahren gar keine direkte Zugverbindung mehr besteht. Hingegen verkehren von Roma aus zwischen Caserta und Foggia mehrere Fernzüge von Trenitalia und NTV über die zu modernisierende Strecke nach Apulien.
Der öffentliche Personenverkehr von Napoli nach Foggia, Bari oder nach Lecce ist deshalb auf Busse abgewandert. Trotz der längeren Fahrzeit der Züge kostet die Busfahrt einen Bruchteil der Bahnreise.
Durch den seit vielen Jahren überfälligen Ausbau von Napoli-Bari entsteht überdies die erste leistungsfähige Eisenbahnverbindung durch den Apennin zwischen dem Mittelmeer und der Adria.
Ich habe mich im Juli 2021 näher mit diesem grossartigen Projekt vertraut gemacht und den Verlauf der neuen Strecke auf den meisten Abschnitten studiert. Gerne informiere ich darüber in diesem Bericht.
Verlauf der bestehenden Strecke
Wie der Auszug aus dem „Eisenbahnatlas Italien und Slowenien“ Schweers+Wall zeigt, ist die Strecke im Abschnitt zwischen Apice und Bovino kurvenreich und weist mehrere längere Tunnels auf. Sie überwindet mit Steigungen bis zu 23 Promillen rund 400 Meter Höhenunterschied. Die Bahnhöfe liegen oft weitab von den dazu gehörenden Ortschaften, und die Strecke verläuft im mittleren Bereich in einem oft sehr engen Tal.
Die Geometrie der Strecke mit wenigen Ausweichmöglichkeiten macht die Einhaltung des Fahrplans schwierig. Selbst kleinere Verspätungen haben grosse Auswirkungen auf den gesamten Fernverkehr in der Region – während meiner Studienreise verkehrte der überwiegende Teil der Fernverkehrszüge mit Verspätungen. Während zwischen Benevento und Caserta mehrere und in der Regel gut besetzte Regionalzüge verkehren, besteht zwischen Benevento und Foggia Bahnersatzverkehr mit Bussen. Die Busfahrt über die kurvenreiche Staatsstrasse 90 mit Abstechern zu Bahnhöfen im Talgrund zwischen Benevento und Foggia dauert 2 Stunden und 20 Minuten.
Die Zugfahrt im Mittelabschnitt war faszinierend – für Freunde von landschaftlich schönen Zugreisen ein Genuss. Als Element einer wichtigen italienischen Fernverbindung ist die Strecke ist die Strecke nicht mehr zeitgemäss.
Überblick über das Projekt
Die Angaben in den konsultierten Dokumenten von RFI waren teilweise widersprüchlich. Ich halte mich im Folgenden an die neusten verfügbaren Informationen.
In den Projektbeschreibungen wird von einem Doppelspurausbau und von einem Kapazitätsausbau geschrieben. Möglicherweise abgesehen von kurzen Abschnitten auf dem Abschnitt von Frasso Telesino nach Vitulano – hier wird die bestehende Strecke auf Doppelspur erweitert – entsteht eine Neubaustrecke. Insgesamt werden in die fünf Abschnitte EUR 6,2 Milliarden investiert.
Einzelne Abschnitte im Überblick
Abschnitt 1 – Napoli-Cancello
Gemäss Informationen von webuild sind die Bauarbeiten im Gang. Kürzlich wurde eine 2‘500 Tonnen schwere Eisenbahnbrücke über eine Autobahn montiert.
Abschnitt 2 – Cancello-Frasso Telesino
Nord-östlich von Cancello sind grössere Teile einer Überwerfung fertig gestellt. Ab der Ebene ins Tal von Maddaloni wird ein etwa vier Kilometer langer Tunnel gebaut.
Bei Maddaloni Superiore sind die Arbeiten an Teilen des Trasses und an ein paar Brücken abgeschlossen. Weiter nord-östlich sind Brückenfundamente in Arbeit.
Abschnitt 3 – Frasso Telesino-Telese-Vitulano
Die Aufträge für die beiden Teilstücke Frasso Telesino –Telese und Telese–Vitulano wurden an die Firma Ghella vergeben. Die Bauarbeiten werden im Herbst 2021 aufgenommen.
Abschnitt 4 – Apice-Hirpinia-Orsara
Dieser Abschnitt verläuft zum überwiegenden Teil in Tunnels und weitab von der Bestandesstrecke. Die Bestandesstrecke wird nach Inbetriebnahme der Neubaustrecke abgebaut – Irpino-Orsara und weitere Ortschaften werden neu vom südlich gelegenen Bahnhof Hirpinia erschlossen.
Die Bauarbeiten am rund 17 Kilometer langen und EUR 608 Millionen teuren Teilstück von Apice nach Hirpinia durch ein Konsortium unter der Leitung von Salini Impregilo sind seit 2018 im Gang. In den Kosten nicht enthalten sind die eisenbahntechnischen Infrastrukturen, wohl aber der Bau des grosszügigen Bahnhofs Hirpinia.
In diesen Tagen hat ein Konsortium unter der Führung von webuild den Auftrag für das zweite Teilstück erhalten. Die Offerte für den Bau einer 28 Kilometer langen doppelspurigen Hochgeschwindigkeitsstrecke – davon 27 Kilometer im Tunnel – beträgt EUR 1,032 Milliarden. Unter Berücksichtigung der Kosten für die eisenbahntechnischen Anlagen belaufen sich die Investitionen auf knapp EUR 1,5 Milliarden – entsprechend EUR 54 Millionen pro Kilometer.
Abschnitt 5 – Orsara-Bovino
Gemäss einer Pressemitteilung vom 14. Juni 2021 von RFI wurde der Auftrag für das bereinigte und einen höheren Tunnelanteil aufweisende Projekt für EUR 367 Mio. an ein Konsortium unter der Führung von webuild vergeben. Die gesamten Investitionen betragen EUR 562 Mio. Der Baubeginn erfolgt noch im laufenden Jahr.
Abschliessende Bemerkungen und Kommentar
Endlich, müsste man sagen, erfolgt auch in Süditalien ein Kraftakt für den Ausbau der Eisenbahn. Fairerweise sei erwähnt, dass längere Abschnitte der Strecke von Bologna nach Lecce entlang der Adriaküste in den letzten Jahren modernisiert wurden.
Bemerkenswert ist der ganzheitliche Ansatz. Anstatt sich auf den Abschnitt 4 von Apice nach Orsara zu beschränken und ein paar Tunnels zu bauen, wird der gesamte Korridor aufwendig modernisiert. Was für ein Gegensatz zu den hiesigen Verhältnissen, wo sich Jahrhundertwerke auf lange Tunnels beschränken.
Auffallend sind auch die erstaunlich tiefen Kosten von rund sechs Milliarden Euro für eine rund 122 Kilometer lange Neubaustrecke, von der 60 Kilometer in Tunnels und 13 Kilometer auf oft aufwendigen Talbrücken liegen. Entsprechend also rund EUR 50 Millionen pro Kilometer. Zum Vergleich – die in den Medien erwähnten Kosten für die angedachten Durchmesserlinie in Basel liegen bei sechs Milliarden Schweizer Franken, entsprechend etwa 5 ½ Milliarden Euro.
Politik, Verbände und Bahnfreunde fordern seit vielen Jahren den Ausbau der Gäubahn in Baden-Württemberg – insbesondere des einspurigen Streckenabschnitt zwischen Horb und der Abzweigung bei Hattingen. Das zweite Gleis dieser bis zum Zweiten Weltkrieg doppelspurigen Strecke wurde nach dem Kriegsende als Reparationsleistung abgebaut. Argumentiert für den Ausbau wird mit der Erhöhung der Kapazität dieses Abschnitts entlang dem Neckar.
In dieser Diskussion werden wesentliche Sachverhalte ausgeblendet, auf die wir in diesem Beitrag eintreten.
Erfahrungen
Meine Erfahrungen stützen sich auf unzählige Fahrten zwischen Zürich, und Schaffhausen sowie zahlreiche Reisen von Zürich nach Stuttgart sowie auf zwei Radtouren entlang dem Neckar. Ich bin mit den örtlichen Verhältnissen auf der ganzen Strecke sehr gut vertraut.
Als Eisenbahnliebhaber bin ich vor einigen Jahren oft mit den ICE-T von Zürich nach Schaffhausen oder zurück gefahren. Diese luxuriösen Züge erreichten Schaffhausen von Zürich aus über Stettbach, Winterthur und Andelfingen. Besonders genossen habe ich jeweils die bogenschnelle und deshalb spektakuläre Fahrt zwischen Winterthur und Schaffhausen aus dem verglasten Abteil hinter dem Führerstand.
Bitter waren jedoch meine Beobachtungen über die Belegung dieser wunderbaren Züge nota bene mit Speisewagenabteil – für mich zu ihrer Zeit die hochwertigsten Züge in Europa. Oft befanden sich zwischen Winterthur und Zürich kaum ein Dutzend Fahrgäste im Zug.
Auch in jüngerer Zeit ist die Belegung der Fernzüge nach Stuttgart im grenzüberschreitenden Verkehr meist deprimierend gering, obschon die Fahrpreise in Deutschland dank den auch in den IC akzeptierten Baden-Württemberg-Ticket äusserst günstig sind. So reist eine Gruppe von fünf Personen für rund neunzig Euro von Singen nach Stuttgart und zurück – in der ersten Klasse. In der zweiten Klasse sogar nur für rund fünfzig Euro. Auf der Rückreise von einer Werksbesichtigung in Böblingen zählte ich vor ein paar Jahren in der Spätverbindung von Stuttgart nach Zürich zwischen Singen und Schaffhausen mit uns noch elf Fahrgäste.
Dazu kommt, dass der Service in den von der DB eingesetzten IC2-Zügen ungleich höher ist als in den Zügen der SBB – Verpflegungsservice im Zug und in der ersten Klasse auch am Platz. Unverständlich, weshalb die SBB in ihren IC für die rund dreistündige Fahrt keinen Verpflegung anbieten. Dadurch ist man als Anbieter im internationalen Personenverkehr unglaubwürdig.
Im Übrigen weist die Strecke zwischen der Abzweigung bei Hattingen und Horb zahlreiche und ohne nennenswerte Geschwindigkeitsreduktionen zu befahrene Ausweichmöglichkeiten auf.
Leistungsparameter
Streckenprofil
Gemäss der Tabelle liegen die Strecken mit den tiefsten Reisegeschwindigkeiten in der Schweiz. Zwischen Singen und Stuttgart erreichen sie rund akzeptable 88,7 Kilometer pro Stunde. In der ersten Fassung wurde die Distanz der Strecke zwischen Singen und Stuttgart um 13,1 Kilometer zu hoch angegeben. Ich danke für den Hinweis aus unserer Leserschaft und bitte um Entschuldigung.
Belegung
Die Daten wurden am Auslaufen der Restriktionen wegen Covid 19 ermittelt. Diese Einschränkungen mögen sich negativ auf die Belegung der Züge ausgewirkt haben. Viel höher lagen sie gemäss meinen Beobachtungen auf zahlreichen Reisen aber auch unter normalen Bedingungen nicht. In der Regel steigen die meisten Fahrgäste aus Stuttgart in Singen aus – das gilt in besonderem für die vermehrt haltenden IC der Deutschen Bahn.
Kommentar
Die wesentlichen Engpässe für einen effizienten Eisenbahnverkehr zwischen Zürich und Stuttgart liegen nicht Deutschland, sondern befinden sich in der Schweiz. So bestehen zwischen Eglisau und Neuhausen/Schaffhausen drei einspurige Abschnitte, auf deren zwei die Züge ihre Geschwindigkeit auf rund 70 Kilometer pro Stunde reduzieren müssen. Auch ist Zugsdichte zwischen Zürich und Schaffhausen doppelt so hoch wie zwischen Horb und Tuttlingen, was einen Ausbau der Strecke auf Schweizer Seite nahelegt.
Unverständlich ist zudem die unterschiedliche Haltepolitik der Fernverkehrszüge der DB und der SBB. Im Gegensatz zu den IC der SBB halten die IC der DB unter Inkaufnahme vertretbarer Fahrzeitverlängerungen in mehreren grössere Ortschaften wie Spaichingen und Herrenberg. Und noch kritischer sehe ich, dass die IC im schweizerischen Bülach ohne Halt durchfahren.
Empfehlungen
Diese Feststellungen führen mich zu folgenden Folgerungen:
Es wäre zuträglicher, anstelle der wenig substantiierten Forderungen an Deutschland endlich die Leistungsfähigkeit der Strecke zwischen Eglisau und Neuhausen/Schaffhausen zu steigern. Als Massnahmen drängen sich eine Neutrassierung der Strecke zwischen Glattfelden und Hüntwangen-Wil – entsprechend dem Konzept des Kantons Zürich für die neue Strassenverbindung auf dieser Relation – sowie ein direkter Tunnel zwischen Altenburg-Rheinau und Schaffhausen auf.
Auf den beabsichtigten Stundentakt zwischen Stuttgart und Zürich mit direkten Züge ist mangels Marktfähigkeit zu verzichten. Der IC-Verkehr zwischen Zürich und Schaffhausen ist einzustellen. Dafür sind die heute stündlich zwischen Zürich und Schaffhausen verkehrenden RE halbstündlich und neu bis nach Singen zu führen. Dort könnte jede Stunde ein schlanker Anschluss an die neu stündlich zu führenden IC der DB nach Stuttgart – letztere idealerweise ab Konstanz – geschaffen werden. Das Umsteigen am gleichen Fahrsteig von einem Regioexpress auf einen IC der DB ist absolut zumutbar. Zu prüfen sind zudem der Halt aller RE aus Zürich in Thayngen sowie der Verzicht auf die (Weiter-) Führung der auf diesem Abschnitt meist leeren Zügen der S24 aus Zug/Zürich nach Thayngen.
Der Tarifverbund Ostwind und der Verkehrsverbund Singen (Hohentwiel) sind für den grenzüberschreitenden Verkehr durch das Angebot von preiswerten Fahrkarten zu kombinieren. Als Alternative könnte die Strecke zwischen Thayngen und Singen ins innerschweizerische Tarifsystem aufgenommen werden, wie das beispielsweise für Reisen nach Domodossola, Konstanz oder Waldshut seit vielen Jahren der Fall ist.
Erfreulicherweise erfolgen zurzeit im Kanton Tessin intensive bauliche Massnahmen für die Attraktivitätssteigerung von Bahnhöfen und Busstationen. Das verdient Lob und Anerkennung. Wir haben mehrere Bahnhöfe besichtigt und uns vor Ort mit den Verhältnissen vertraut gemacht.
Leider haben wir neben viel Licht auch viel Schatten entdeckt. So vor allem in Bellinzona, wo sich grundsätzliche Fragen stellen. Mehr dazu in dieser Reportage.
Busstation
Vor wenigen Jahren noch hielten die zahlreichen Regional- und Fernbusse nordöstlich des Bahnhofgebäudes. Die Orientierung war nicht immer einfach, und die Busse fuhren über den Bahnhofvorplatz.
Neu befindet sich die überdachte und grosszügige Busstation südwestlich vom Bahnhof an der Stelle des früheren Postbahnhofs. Der vom Busverkehr befreite Bahnhofvorplatz präsentiert sich einladend. Auf dem Gelände der früheren Bushaltestellen wurden gedeckte Abstellplätze für Fahrräder eingerichtet.
Der Zugang zur neuen Busstation ist überdacht. Fahrgäste können trockenen Fusses zwischen Bahn und Bus wechseln.
Bahnhof
Der positive Eindruck vom Busbahnhof wird durch die Verhältnisse auf dem Bahnhof jedoch nachhaltig getrübt, wie die folgenden Bilder zeigen. Neben funktionalen Schwachstellen bestehen erhebliche konstruktive Mängel.
Weit mehr Fragen werfen die Verhältnisse auf den Bahnsteigen auf. Die Bahnsteige sind nur teilweise überdacht, und in weniger als hundert Metern Entfernung wurde zusätzlich zur bestehenden Überführung eine verloren in der Gegend stehende zweite Überführung errichtet. Auch bei dieser Überführung wurden weder die Treppen noch die Passerelle überdacht. Dazu ein paar Bilder.
Wir haben die Ursachen für den Bau der zusätzlichen Überführung nicht abgeklärt. Wir können jedoch nicht nachvollziehen, weshalb man die Leistungsfähigkeit der seit vielen Jahren bestehenden und bewährten Verbindung nicht durch eine neue, grosszügige und behindertengerechte Überführung gesteigert hat. Haben die zuständigen Mitarbeiter der SBB einen minimalistischen Weg gewählt, statt – wahrscheinlich mühsamer – mit den Behörden der Stadt Bellinzona eine effiziente Lösung zu finden? Mit einer entsprechend gestalteten Überführung hätte man auch einen architektonischen Glanzpunkt setzen können.
Ausführungsmängel
Neben den oben ausführlich beschriebenen konzeptionellen Mängeln – unzureichende Überdachung der Perrons, Verbindungsweg von der Busstation in den Bahnhofsbereich und die im Niemandsland stehende zusätzliche Überführung – sind uns erhebliche Mängel bei der Materialisierung und der Ausführung aufgefallen. Dazu die folgenden Bilder.
Nachtrag
Auch die Bahnhöfe von Lugano und Mendrisio wurden aufwendig erneuert. Beeindruckt hat mich vor allem Mendrisio mit der neuen Busstation. Dazu ein paar Bilder vom Umbau in der Schlussphase.
Auch Lugano präsentiert sich ansprechend. Aber auch hier wurden elementare Kundenbedürfnisse ausser Acht gelassen. So müssen Fahrgäste auch weiterhin ungeschützt zu den Zügen der Ferrovia Lugano-Ponte Tresa umsteigen. Und den Fahrgästen, die ihre Reise mit den Regionalbussen fortsetzen möchten, steht ein längeren und kaum signalisierten Weg zur Busstation bevor. Der neu gestaltete Bahnhof stand in der engeren Auswahl für die Verleihung des Flux-Preises – aus Kundensicht nicht nachvollziehbar.
Hans Bosshard hat am 10. Februar 2021 unter dem Titel „Neubaustrecken braucht das Land – ein Weckruf“ ein engagiertes Plädoyer für den Bau von Neubaustrecken in der Schweiz publiziert.
Der Veröffentlichung des Beitrages ging ein intensiver Schriftwechsel voraus, in dem sich Hans Bosshard für eine starke Rücksichtnahme auf geografische Gegebenheiten wie die Strecke durch die Lavaux und eine Beschleunigung der Strecke von Chiasso nach Mailand ausgesprochen hat. Zudem erinnerte Hans Bosshard an seinen Kampf gegen den Brüttener Tunnel und die Verlängerung des Zimmerbergtunnels in Richtung Baar.
Ich teile in diesen Aspekten die Meinung von Hans Bosshard nicht. Zudem vertrete ich die Auffassung, dass der überfällige Bau der Neubaustrecken zwar absolut notwendig ist, aber für die Modernisierung der Eisenbahn in der Schweiz bei weitem nicht ausreicht. Ich war so frei, meinen Überlegungen Hans Bosshard in einem Brief darzulegen, den ich hier gerne veröffentliche.
Inhalt des Briefes
Sehr geehrter Herr Bosshard
Vorab bedanke ich mich nochmals bestens für Ihren Beitrag auf unserer Website und für den damit verbundenen Schriftwechsel. Darf ich in diesem Exposé ergänzend zu Ihren Forderungen ein paar Überlegungen anstellen?
I Vorbemerkungen
Ich halte die von Ihnen vorgeschlagenen und überfälligen Neubaustrecken für absolut notwendig, aber für die Attraktivitätssteigerung der Eisenbahn und den Ausbau des Angebots bei Weitem für nicht hinreichend.
Ergänzend sind meines Erachtens Ausbauten von Strecken mit einem grossen Fahrgastaufkommen und Verbesserungen bei den grossen Knotenbahnhöfen angezeigt.
Des Weiteren erachte ich allgemein anerkannte Kriterien für den weiteren Ausbau des schweizerischen Eisenbahnnetzes als notwendig – so beispielsweise wie die in Deutschland vor vielen Jahren für den Bau von Neubaustrecken formulierte Regel „Doppelt so schnell wie das Auto, halb so schnell wie das Flugzeug“.
An die Stelle des Denkens in Strecken sollte das Denken in Korridoren treten.
In diesem Zusammenhang plädiere ich auch für die verstärkte Trennung der Verkehrsarten – vor allem in der Metropolitanregion Zürich. Auch deshalb halte ich den Zimmerberg II- und den Brüttenertunnel für unverzichtbar.
Nicht teilen kann ich die Forderung, bei der Festlegung der Lage der Neubaustrecken auf geografische Gegebenheiten – so eindrücklich sie auch sein mögen – Rücksicht zu nehmen. Sie erwähnen in diesem Zusammenhang die Lavaux oder den Saane-Viadukt. Für mich stehen Effizienz und Betrieb im Vordergrund.
II Korridore
In Anbetracht des Verkehrsaufkommens und des Potentials plädiere ich für substantielle Verbesserungen im Korridor Luzern – Zug – Zürich zur Gewährleistung einer Fahrzeit von knapp unter dreissig Minuten. Das ist nur möglich, wenn sowohl der Zimmerbergtunnel II – ggf. verlängert bis nach Chlingen vor Baar – als auch der Tiefbahnhof Luzern mit einem Tunnel bis nach Honau – gebaut werden. Die Reisezeit „unter Tag“ im Zimmerberg-Tunnel II dürfte im Vergleich mit der kumulierten Verweilzeit im Zimmerberg-Scheiteltunnel und im Albistunnel eher kürzer sein.
Eine ähnliche Situation besteht auch im Korridor Zürich – Bülach – Schaffhausen. Mit einer Neubaustrecke aus dem Raum Tössriedern vor Eglisau in die Stadtforen nach Hüntwangen, verbunden mit einer tiefer liegenden Brücke über den Rhein, und der grosszügigen Elimination der beiden bestehenden einspurigen Streckenabschnitte rückt eine Fahrzeit zwischen Zürich und Schaffhausen von knapp dreissig Minuten in den Bereich des Möglichen.
III Grossraum Zürich
Mir fällt auf, dass im Kernbereich einiger europäischer Grossstädte wie Mailand, Stuttgart, Wien oder München Fernverkehr und S-Bahn Verkehr weitgehend getrennt sind und oft auf Stadtbahnhöfen auf das S-Bahnnetz umgestiegen werden kann.
Diesem Ansatz wurde bis dato in Zürich teilweise auch Rechnung getragen. Man denke an die Strecke von Killwangen-Spreitenbach nach Zürich und von Thalwil nach Zürich. Fatalerweise wurde diese für die Betriebsstabilität und die Schaffung von weiterem Potential wichtige Gegebenheit mit der DML nachhaltig verletzt.
Eben deshalb sind die für die postulierte Trennung der Verkehrsarten unerlässlichen Zimmerberg II- und Brüttener-Tunnel notwendig – letzterer jedoch ohne den Seitenanschluss aus dem Raum Dietlikon. Letzterer ist gleichbedeutend mit der Rückverlagerung von Teilen des Fernverkehrs über Zürich-Oerlikon über Wallisellen nach Dietlikon – ein massiver Verstoss gegen Mensch und Umwelt.
IV Festlegung der Lage der Neubaustrecken
Die Forderung nach der Rücksichtnahme auf geografische Besonderheiten bei der Festlegung der Lage der Neubaustrecken teile ich nicht.
Während meiner beruflichen Tätigkeit war ich oft in Lausanne und Genf. Dabei bin ich unzählige Male mit dem Zug durch die Lavaux gefahren – zu jeder Jahres- und Tageszeit. Ich erinnere mich gerne und dankbar an die grossartigen Ausblicke zwischen Lausanne und Puidoux-Chexbres. Ebenso häufig war ich vor der Inbetriebnahme des GBT im Tessin. Auch die Fahrten über die grossartige Gotthard-Bergstrecke habe ich noch in bester Erinnerung.
Man entschuldige, aber mit der unter 1. zitierten Forderung hätte man auch den Bau des GBT bekämpfen müssen.
Und ein Blick über die Landesgrenze hinaus zeigt den Megatrend beim Bau neuer Hochgeschwindigkeitsstrecken – Tieflegung und Kapazitätsausbau der Inntalbahn, Neubaustrecke St. Pölten-Wien, Neubaustrecke Roma-Napoli, Neu- und Ausbaustrecke Genova-Ventimiglia, um nur einige zu nennen.
V Zusätzlicher Handlungsbedarf
Der Bau der erwähnten Neubaustrecken bedingt meines Erachtens auch den qualitativen und quantitativen Ausbau der grossen Knotenbahnhöfe infolge des erwarteten Mehrverkehrs. Zürich steht aus meiner Sicht als mahnendes Beispiel im Raum, indem keinerlei Anpassungen des städtischen öffentlichen Verkehrssystems an den Bahnhof Löwenstrasse erfolgten.
Nur am Rande erwähnen möchte ich die fehlenden leistungsfähigen und umweltgerechten Zulaufstrecken in der Schweiz für den europäischen Ferngüterverkehr zum und vom Gotthardbasistunnel. Hier besteht ein riesiger Investitionsbedarf, der wohl nur mit Hilfe der EU gedeckt werden kann.
Ich teile auch die isolierte Forderung nach einer Beschleunigung des Verkehrs zwischen Chiasso und Mailand nicht. Ungleich wichtiger wäre eine proprietäre Güterzuglinie zwischen Bivio-Rosales und Milano Smistamento.
Als fatale Unterlassung betrachte ich auch den Verzicht auf die Neubaustrecke der NEAT zwischen Pollegio und Giubiasco entlang der Nationalstrasse A2 – verbunden mit einem neuen Bahnhof Bellinzona am westlichen Stadtrand. Man mag das für utopisch halten. Aber eine vergleichbare Lösung wurde mit gutem Erfolg in Savona im Zuge des Ausbaus der Strecke zwischen Genova und Ventimiglia realisiert.
Und – last but not least – auf längere Sicht erachte ich einen neuen direkten Basistunnel zwischen Giubiasco und Chiasso für notwendig. Nur so kann die Schweiz eine Voraussetzung für einen leistungsfähigen europäischen Fernverkehr – seien es Güter oder Personen – auf der Schiene schaffen. Und nur so würde die Gotthardachse zur behaupteten Flachbahn durch die Alpen.
Und nur am Rande – auch das schweizerische Tarif- und Ticketing-System mit einem nationalen System, einem Verkehrsverbund und zahlreichen Tarifverbünden hat sich überlebt und bedarf einer grundlegenden Erneuerung.