Für eine Wanderwoche in der Mala Fatra im Herzen der Slowakei reisten wir im Herbst 2021 per Bahn nach Zilina. Die Fahrkarten ab Bratislava zum Zielbahnhof konnten einfach über die Website der Slowakischen Staatsbahnen gelöst werden.
Von früheren Bahnreisen von Wien über Marchegg nach Bratislava war ich mit dem Zustand dieser Strecke vertraut. Wichtige Bahnhöfe ohne Perrons, vor sich dahinrostende Fahrleitungsmaste und ins Lichtraumprofil der Züge reichendes Gebüsch hinterliessen keinen guten Eindruck von der Eisenbahninfrastruktur in der Slowakei.
So waren unsere Erwartungen für die über 200 Kilometer lange Bahnfahrt von Bratislava nach Zilina bescheiden. Für die Hin- und Rückfahrt reservierten wir Sitzplätze in den stündlich verkehrenden R-Zügen. Gross war die Überraschung, als anstelle des erwarteten älteren Rollmaterials ein gepflegter und komfortabler Zug heranrollte. Unterwegs konnten wir beobachteten, dass zahlreiche Züge aus ehemaligen Fernverkehrswagen der ÖBB zusammengesetzt waren und von Vectron-Lokomotiven gezogen wurden.
Und noch grösser war die Überraschung, als wir vom exzellenten Zustand des grössten Teils der Strecke Kenntnis nahmen. Längere Abschnitte waren oft aufwendig neu trassiert worden, und der überwiegende Teil der Bahnhöfe und Stationen waren neu. Bei Horny Milochov zwischen Puchov und Zilina waren im November 2021 die eisenbahntechnischen Anlagen in einem neu gebauten längeren Tunnel im Bau. In Zilina waren die Arbeiten für die Totalerneuerung der Gleisanlagen und der Bahnsteige im Gang.
Die positiven Eindrücke aus dem Zugfenster waren im Spätherbst 2021 Anlass für eine weitere Reise nach Zilina. Dabei wurden Züge unterschiedlicher Zugskategorien benutzt, und einige Bahnhöfe näher besichtigt. Die Eindrücke waren vorzüglich.
Mehr darüber mit den folgenden Bildern und den Kommentaren.
Bahnhöfe und Anlagen
Bahnhof Nove Mesto nad Vahom (Einwohnerzahl 2021 der Stadt ca. 62’000)
Bahnhof Trencin (Einwohnerzahl 2021 der Stadt ca. 110’000)
Bahnhof Povaszka (Einwohnerzahl 2021 der Stadt ca. 39’000)
Haltestelle Nosice
Haltestelle Plevnik
Bahnhof Zilina (Einwohnerzahl 2021 der Stadt ca. 83’000)
Unterführung für Behinderte im Hauptbahnhof von Bratislava (Einwohnerzahl 2021 der Stadt ca. 440’000)
Eine Auswahl von Bildern vom höchst unterschiedlichen Rollmaterial
Kommentar
Die Bilder sprechen für sich. Sie dokumentieren, dass auch in der Slowakei intensive Bestrebungen für die Revitalisierung der Eisenbahn im Gang sind. Auffallend ist nicht nur bei der Eisenbahn, dass mit oft geringem Aufwand nicht nur die Funktionalität der Anlagen erhöht wird, sondern auch deren Erscheinungsbild verbessert wird. Kultur im Alltag. Von Menschen für Menschen – und nicht nur von Mitarbeitern für so genannte Kunden.
Auch der öffentliche Busverkehr im Gebiet der Mala Fatra erreicht durchaus das Niveau der Erschliessung in den hiesigen Randregionen – saubere und pünktlich verkehrende Fahrzeuge, ein relativ dichtes Angebot sowie klare und gut lesbare Fahrpläne. Und Fahrgäste, welche das siebzigste Altersjahr überschritten haben, sind mit der Eisenbahn praktisch gratis unterwegs.
An der Medienkonferenz vom 16. November 2021 im Medienzentrum des Bundes präsentierten Vertreter aus dem UVEK – federführend das Bundesamt für Raumentwicklung ARE – die „Verkehrsperspektiven 2050“.
Gerne treten wir in diesem Beitrag auf den Inhalt und den Zweck der „Verkehrsperspektiven 2050“ ein. Wir meinen, dass diese grosse Arbeit eine intensive Diskussion in der Öffentlichkeit verdient.
Nach dem grossen Verkehrswachstum in der Vergangenheit – bis zum Beginn der Corona-Pandemie – zeichnet sich beim Personenverkehr eine Trendwende ab.
Der informative und umfangreiche Schlussbericht steht auf der Website des Bundesamtes für Raumentwicklung als PDF-Datei zum Download zur Verfügung.
Zweck der Verkehrsperspektiven
Die „Verkehrsperspektiven 2050“- nachstehend VP 2050 – sind die strategische Grundlage des UVEK – Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation – für die Planung der nationalen Verkehrsinfrastrukturen. Auf den VP 2050 basieren unter anderem die „Strategischen Entwicklungsprogramme STEP“ für den Ausbau der nationalen Strassen- und Schienennetze. Die Ergebnisse der VP 2050 fliessen auch in andere wichtige Pläne des UVEK ein, so etwa in Energiefragen und Untersuchungen über Gesundheits- und Umweltauswirkungen des Verkehrs.
Entstehungsgeschichte VP 2050
Basisjahr für die VP 2050 ist 2017. Die VP 2050 bedeuten eine Ablösung der bisher gültigen VP 2040, welche im August 2016 publiziert wurden, und fokussieren auf den innerschweizerischen Verkehr. Fahrleistungen vom Ausland in die Schweiz bzw. von der Schweiz ins Ausland wurden aber in vereinfachter Form ebenso berücksichtigt, wie auch der Transitverkehr.
Die Ergebnisse von einschlägigen Forschungsprojekten und gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen wie die Bevölkerungsszenarien des Bundesamtes für Statistik (BFS) und die Branchenszenarien, erarbeitet unter anderem vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) wurden berücksichtigt. Auch die Auswirkungen der Corona-Epidemie zum Beispiel mit Annahmen zum Homeoffice und zum Online-Handel sind in die VP 2050 eingeflossen. Berücksichtigt wurden auch die im UVEK verwendeten Modelle. Namentlich erwähnt werden sollen das Flächennutzungsmodell (FLNM, www.are.admin.ch/flnm), die Aggregierte Methode Güterverkehr (AMG, www.are.admin.ch/ngvm) und das Nationale Personenverkehrsmodell (NPVM, www.are.admin.ch/npvm).
Die VP 2050 wurden durch alle betroffenen Bundesämter im UVEK erarbeitet. Die Arbeiten wurden vom Bundesamt für Raumentwicklung ARE koordiniert.
Bei der Erarbeitung der VP 2050 wurden vier Szenarien untersucht, nämlich
das Szenario „Basis“, welches sich an den Stossrichtungen des Sachplan Verkehrs, Teil Programm orientiert, die Nachhaltigkeit und ressourceneffiziente Mobilität begünstigt sowie eine behutsamere Flächennutzung unterstellt,
das Szenario „Individualisierte Gesellschaft“, bei dem die Verkehrsteilnehmer die neuen Technologien primär für den privaten Nutzen einsetzen und ökologische Aspekte weniger beachten, und bei dem sich Zersiedelungstendenzen verstärken,
das Szenario „Nachhaltige Gesellschaft“, bei dem das Umweltbewusstsein und soziales Agieren wie Shared Economy und Siedlungsentwicklung nach Innen durch die Verdichtung des Wohnens stärker gewichtet werden,
das Szenario „Weiter-Wie-Bisher“, welches auf der Fortschreibung des Ist-Zustandes ohne stärkeren Einfluss regulativer Massnahmen oder Aspekten nachhaltigen Verhaltens basiert.
Das Szenario „Basis“ ist Grundlage für die Infrastruktur- und Angebotsentwicklung für die Schiene (BAV) und für die Strasse (Astra) sowie für die Beurteilung der Agglomerationsprogramme durch das ARE. Die übrigen drei Szenarien sollen das Spektrum von möglichen Entwicklungen darstellen und die Konsequenzen von Handlungsmaximen aufzeigen.
Wesentliche Aspekte des Szenario „Basis“ sind unter anderem die zunehmende Nutzung von Fahrrädern, die Auswirkungen von Home-Office, die Verlagerung vom Berufs- zum Freizeitverkehr, die demographische Alterung der Gesellschaft, Veränderungen im Güterverkehr sowie technologische und gesellschaftliche Entwicklungen.
Das Szenario „Basis“ geht von einem weiteren Bevölkerungswachstum zwischen 2017 und 2050 von 21 Prozent auf dann 10,4 Mio. aus, sowie von einem Anstieg der des Bruttoinlandprodukts BIP von 57 Prozent.
Ergebnisse Personenverkehr
Gemäss dem Szenario „Basis“ wird der Personenverkehr (gemessen in Personenkilometern) zwischen 2017 und 2050 mit 11 Prozent weniger stark wachsen als die Bevölkerung mit 21 Prozent. Gründe sind unter anderem weniger Arbeitswege, ein zurückgehender Anteil Erwerbstätiger sowie eine Verlagerung hin zu kürzeren Freizeitwegen, die vermehrt zu Fuss oder mit dem Velo realisiert werden.
Der Modal Split verschiebt sich zugunsten des öffentlichen Verkehrs sowie des Fuss- und Veloverkehrs, und fast jede dritte Fahrt mit dem Auto erfolgt in einem automatisierten Fahrzeug. Der Anteil der Elektromobilität steigt stark an, was sich unter anderem in einem Rückgang der Treibstoffimporte auswirkt.
Ergebnisse Güterverkehr
Im Gegensatz zum Personenverkehr wächst der Güterverkehr (gemessen in Tonnenkilometern) mit 31 Prozent stärker als die Bevölkerung – dies auch als Folge des zunehmenden Einkaufsverhaltens durch Online Shopping. Die Anzahl Paketsendungen soll sich von täglich 647‘000 auf 1‘730‘000 fast verdreifachen. Dies führt zu einer starken Zunahme der von Lieferwagen zurückgelegten Kilometer im KEP-Segment.
Bemerkenswert sind auch die Veränderungen der Transportmengen nach Güterkategorie. Während die Energieträgertransporte stark rückläufig sind, steigt der Transport von Stückgut- und Sammelguttransporten stark an, als Folge des fortwährenden Güterstruktureffekts sowie des geänderten Einkaufsverhaltens.
Stellungnahmen der Vertreter des Bundes an der Medienkonferenz
Erwin Wieland, stellvertretender Direktor im Bundesamt für Strassen ASTRA, führt aus, dass trotz dem geringer projizierten Wachstum des Strassenverkehrs Optimierungsmassnahmen notwendig sind. Diese erfolgen in drei Stossrichtungen, nämlich a) Erhöhung der Verträglichkeit, etwa durch Elektromobilität, b) Kapazitätssteigerung, unter anderem durch Verkehrslenkungsmassnahmen auf den bestehenden Nationalstrassen sowie c) punktuelle Ausbauten im Nationalstrassennetz. Der Bundesrat will Vorschläge zum weiteren Ausbau anfangs 2022 in Vernehmlassung geben.
Barbara Remund, Vizedirektorin im Bundesamt für Verkehr BAV, begrüsst die prognostizierte Verschiebung des Modal Splits zugunsten des öffentlichen Verkehrs. Die Ausbauschritte 2025 und 2035 sind voranzutreiben und/oder in die Wege zu leiten. Die Eisenbahn soll dort gefördert werden, wo ihre Stärken liegen. Voraussichtlich seien über die erwähnten Ausbauschritte hinaus weitere Ausbauten notwendig. Gegenwärtig wird an der „Perspektive Bahn 2050“ gearbeitet, die sich auf die VP 2050 abstützen.
Fragen der Medienvertreter
Ein Medienvertreter erkundigt sich, ob und wie weit das Mobility Pricing berücksichtigt wurde. Ulrich Seewer, Vizedirektor im Bundesamt für Raumentwicklung, führt aus, dass Mobility Pricing im Szenario «Basis» ab 2030 zwar angenommen wurde, aber ohne Einfluss auf die mittleren Mobilitätskosten. Der Bundesrat hat 2021 Überlegungen zum weiteren Vorgehen im Dossier Mobility Pricing in die Vernehmlassung gegeben, deren Ergebnis zurzeit ausgewertet wird.
Ein weiterer Votant weist darauf hin, dass die Verkehrsperspektiven 2040 von einer Zunahme der Personenverkehrsleistungen von zwischen 18 Prozent (MIV) bis über 50 Prozent (ÖV) projizierten, die VP 2050 gehen mit für den Gesamtverkehr 11 Prozent von einem weniger dynamischen Wachstum aus. Ulrich Seewer und der Projektleiter der VP 2050, Andreas Justen, erläutern, dass dies auf neuere Entwicklungen seit 2016 wie etwa das Home Office, das veränderte Einkaufsverhalten und das automatisierte Fahren zurückzuführen sind. Auch die in den VP 2050 hinterlegte Siedlungsentwicklung nach Innen wirkt dämpfend auf die Entwicklung der Verkehrsleistung.
Ein Medienvertreter aus der Westschweiz fragt vor dem Hintergrund des signifikanten Verkehrswachstums zwischen Lausanne und Genf, ob und wie weit dies bei der Erarbeitung der VP 2050 berücksichtigt wurde. Die VP 2050 stellen eine gesamtschweizerische Sicht dar, bei der Umsetzung der Massnahmen werden selbstverständlich regionale Bedürfnisse und Entwicklungen berücksichtigt.
Die Arbeiten basieren auf einem räumlich differenzierten Verkehrsmodell. So wurden für die Berechnung der Nachfrage im Personenverkehr im zugrundeliegenden NVPM 100 Personengruppen sowie 8‘000 Verkehrszonen im Inland und 700 im umliegenden Ausland gebildet. Auf der Grundlage der verfügbaren Modellresultate könnten Aussagen für tiefere Ebenen gemacht oder Netzbelastungen für Strasse und Schiene abgeleitet werden.
Kommentar ROE
Mit den „Verkehrsperspektiven 2050“ haben die Bundesämter des UVEK ein beeindruckendes Werk vorgelegt. Es wird spannend sein zu verfolgen, ob und wie weit die Daten im politischen Entscheidungsprozess berücksichtigt werden.
Im Gegensatz zur Gesamtverkehrskonzeption 1975 wird unseres Erachtens ein anderer Weg beschritten. Die seinerzeitige auch mit einflussreichen Parlamentariern besetzte Kommission hatte ein nationales Gesamtkonzept für alle Verkehrsträger erarbeitet. Datenerhebung, Prognosen und Konzepterstellung erfolgten synchron. Von den Vorschlägen der Gesamtverkehrskonzeption wurde schlussendlich höchstens ein kleiner Teil umgesetzt. Hoffentlich ist das bei den laufenden Arbeiten anders.
Fünfzig Jahre später kommt unseres Erachtens ein anderer Ansatz zum Zug, bei dem die zuständigen Bundesämter – und damit die Exekutive – federführend sind. Auf der Grundlage der VP 2050 und anderer wichtiger Planungsgrundlagen werden durch das BAV und das ASTRA konkrete Ausbau- und Massnahmenpläne erarbeitet, die in relativ konkreter Form in den politischen Entscheidungsprozess kommen.
Bei den VP 2050 wurden ausschliesslich quantitativ arbeitende Verkehrs- und Flächennutzungsmodelle eingesetzt. Mitunter lieferten Experteneinschätzungen Input für die Modelle – aber auch dabei gilt, dass qualitative Einschätzungen letztlich in quantitative Parameter für die Modelle übersetzt werden mussten.
Die Modelle berücksichtigen vielfältige Einflussgrössen in quantitativer Art und Weise, dazu gehören unter anderem die mit der Nutzung der Verkehrsmittel verbundenen Reisezeiten und Fahrtkosten.
Auch der bodengebundene Verkehr zu und von den Flughäfen wurde berücksichtigt. Die Luftverkehrsprognose als solche ist Aufgabe des BAZL und wird gesondert von den VP erstellt.
Aspern bei Wien ist den meisten wohl nur als Ort der ersten bedeutenden militärischen Niederlage von Napoleon I geläufig. 1809 massen sich in Aspern ein österreichisches und ein französischen Heer, beide mit einer Truppenstärke von gegen 100‘000 Soldaten.
Selbst in der Ausgabe 2010 des Eisenbahnatlas „Österreich“ von Schweers+Wall sucht man vergeblich nach dem Namen von Aspern.
Aber wie haben sich die Zeiten geändert! In den letzten zehn Jahren ist in Aspern im Zusammenhang mit dem Ausbau der „Marchegger-Linie“ – eine der beiden Eisenbahnstrecken zwischen Wien und Bratislava – sowie der Expansion von Wien in südöstlicher Richtung ein Verkehrsknotenpunkt entstanden, der seinesgleichen sucht.
Wir haben Wien-Aspern bereits während der Bauphase mehrmals besichtigt und möchten in diesem Beitrag den fertiggestellten Verkehrsknotenpunkt präsentieren.
Angebote in Wien-Aspern
Wien-Aspern Nord wird von der Eisenbahn, der U-Bahnlinie 2, vier Buslinien und einem Rufbus erschlossen.
Wien-Aspern ist Endbahnhof der alle 30 Minuten verkehrenden S-Bahn 80 nach Hütteldorf. Zudem halten in Wien-Aspern im Stundentakt die Regionalexpresszüge zwischen Wien HB und Bratislava und die S-Bahn 81 zwischen Wien HB und Marchegg an. Die letztgenannten beiden Züge werden mit Dieseltraktion betrieben.
Die U-Bahnlinie U2 fährt in einem dichteren Fahrplan von Seestadt über Wien-Aspern zum Karlsplatz. Zwischen Seestadt und Wien-Krieau ist die Strecke aufgeständert und ermöglicht einen guten Überblick über die neuen Stadtteile. In Wien-Stadlau – auch dieser Kontenpunkt verdient einen Besuch – besteht ein weiterer Übergang zwischen den Zügen auf der Marchegger-Linie und der U-Bahn.
Marchegger-Linie
Zurzeit wird die „Marchegger-Linie“ umfassend modernisiert. Die Arbeiten umfassen die Elektrifizierung, den weitgehenden Ausbau auf Doppelspur und die grosszügige Erneuerung aller Bahnhöfe. Die entsprechenden Arbeiten sind auf dem Gebiet der Stadt Wien bis nach Wien-Aspern abgeschlossen. Die gesamte Trasse wird für einen späteren Vollausbau auf Doppelspur vorbereitet.
Nach der Aufnahme des elektrischen Betriebs zwischen Wien-Aspern und Marchegg – voraussichtlich ab 2023 – reduziert sich die Fahrzeit der Regionalexpresszüge zwischen Wien und Bratislava gemäss den Angaben der ÖBB von heute 67 Minuten auf 40 Minuten.
Auf rund 33 Kilometern verläuft die Marchegger-Linie absolut gerade und ist damit derzeit die längste geradeaus führende Eisenbahnstrecke in Österreich.
Rundgang durch den Knotenpunkt
Der neue Verkehrsknotenpunkt Wien Aspern Nord beeindruckt durch seine Grosszügigkeit sowie durch die architektonische Gestaltung, die Infrastruktur, die Benutzerführung, die SIgnaletik und die Publikumsanlagen. Bemerkenswert ist auch der künstlerische Schmuck am Gebäude.
Mit den folgenden kommentierten Bilder laden wir zu einem Rundgang durch Wien-Aspern ein.
Kommentar
Die Bilder sprechen für sich. Man verlässt Wien-Aspern tief beeindruckt und voller Bewunderung. Auf der anderen Seite empfindet man fast ein wenig Neid.
Und man stellt unwillkürlich Vergleiche mit ähnlichen Verkehrsknotenpunkten in Mitteleuropa an. So etwa mit Zürich-Stettbach oder mit dem mit einem „Brunel Award“ ausgezeichneten Bahnhof Bern-Wankdorf. Ob die zuständige Jury Wien- Aspern oder die Bahnhöfe an der Pottendorfer-Linie kennt? Ich empfehle, vor der inskünftigen Vergabe von Preisen einen Abstecher in den Grossraum Wien zu unternehmen.
Auf der Rückfahrt aus Wien mussten wir infolge der baubedingten Sperrung der Strecke von Feldkirch nach Buchs SG in Feldkirch auf Bahnersatzbusse umsteigen. Beim Umsteigen sahen wir, dass die Halle des Bahnhofs Feldkirch umgebaut wird. Das dazu erforderliche Baugerüst beeindruckte uns sehr.
Die Arbeiten stehen im Zusammenhang mit dem Ausbau des Bahnhofsgebäudes und des Vorplatzes. Unter dem Vorplatz mit dem repräsentativen Busbahnhof befindet sich eine grosse Einstellhalle mit direktem Zugang zur Unterführung und zu den neuen Gebäuden am Bahnhofplatz. Die umfangreichen Arbeiten stehen vor dem baldigen Abschluss.
Mit diesem Bericht möchten wir zeigen, wie in Vorarlberg behelfsmässige Massnahmen im Zusammenhang mit einem Umbau eines Bahnhofsgebäudes getroffen werden. Selbst das Baugerüst hinterlässt einen repräsentativen und gepflegten Eindruck.
Rundgang
Vorab ein Bild über die Bahnhofshalle von einem früheren Besuch. Die grosszügige und beheizte Halle diente vor dem Umbau auch als Warteraum. Von der Halle aus führen ein Lift und eine breite Treppe in eine der beiden Unterführungen.
Abschluss
Abschliessend noch ein paar Bilder aus der Umgebung des Bahnhofs. Gerne verweisen wir auf unseren Bericht von Oktober 2020.
Wir haben auf unserer Website mehrmals auf Missstände in einigen Bahnhöfen der SBB hingewiesen. Mit diesem Bericht möchten wir über besonders krasse und unhaltbare Zustände im Hauptbahnhof Zürich berichten und unsere Beobachtungen in einen weiteren Zusammenhang stellen. Weiter vergleichen wir die monierten Zustände mit vergleichbaren Situationen bei nicht-SBB Bauvorhaben.
Situation im HB Zürich
Zurzeit wird der Gebäudeteil am Bahnhofplatz „Südtrakt“ umfassend saniert. Die aufwendigen Massnahmen begannen im zweiten Quartal 2018 und erstrecken sich voraussichtlich bis in den Sommer 2023. Die budgetierten Kosten belaufen sich auf über CHF 141 Millionen. Der Umbau ist für die Besucher und die Mieter mit grösseren Einschränkungen verbunden.
Der Start dieses teuren Bauvorhabens wurde öffentlichkeitswirksam mit einem Festakt gefeiert, und das Baugerüst gegen den Bahnhofplatz wurde mit einem riesigen Transparent geschmückt – auch die Uhr durfte nicht fehlen.
Eigentlich würde man in Anbetracht der Ausgangslage erwarten, dass auch die flankierenden Massnahmen – Benutzerführung, Information über das Projekt, Sauberkeit, Sicherheit, etc. – während der langen Bauphase der Bedeutung des Projekts und der Würde des historischen Gebäudes entsprechen.
Wie die folgenden Bilder zeigen, trifft dies nicht zu. Dieser ernüchternde Sachverhalt gibt zu Fragen Anlass. Man bedenke, dass der in diesem Beitrag beschriebene Durchgang die kürzeste oberirdische Verbindung zwischen der Bahnhofstrasse und der Haupthalle bildet und täglich von unzähligen Besuchern benutzt wird.
Ich kann nicht nachvollziehen, weshalb die schmucklosen Bauwände im HB Zürich nicht genutzt werden – sei es mit Bildern für die Eigenwerbung oder für die Vermietung als Werbeflächen an Dritte. So wurden beispielsweise in Stuttgart die Wände der beiden provisorischen Durchgänge vom Bonatzbau zur Gleishalle mit grossformatigen Bildern von Bahnstrecken auf der ganzen Welt geschmückt.
Sonderbarerweise wurden an der Wand rechts vom Durchgang bis zur Gleishalle mehrere kleine Ladenlokale mit Verpflegungsmöglichkeiten errichtet, wodurch die Breite der Zirkulationsfläche an einer heiklen Stelle reduziert und die Fussgängerströme in den Stosszeiten behindert werden. An der besagten Stelle kreuzen sich zwei wichtige Fussgängerachsen, nämlich diejenige von der südlichen Hälfte der Gleishalle zur Tramhaltestelle Bahnhofquai mit fünf Tramlinien sowie die oberirdische von der Bahnhofstrasse in die Gleishalle. Zudem befinden sich im Engnis zwei Eingänge zu den seitlichen Ladenlokalen.
Noch bedenklicher ist ein anderer Missstand in Zürich HB. In der Unterführung unter dem Südtrakt wird die Gebäudeinfrastruktur erneuert. Die Deckenverkleidung wurde vorübergehend entfernt. Täglich strömen Tausende durch diese Unterführung, welcher die Bahnhofstrasse mit dem Bahnhofteil „Museumsstrasse“ verbindet.
Gelegentlich lösen sich Teile der Isolation aus Steinwolle und fallen herunter – manchmal auf die Köpfe der Passanten. Noch weniger nachvollziehbar ist, dass sich ein Kabelbündel gelöst hat und nur noch knapp zwei Meter über dem Boden hängt. Eine grossgewachsene Person kann sich in diesem Kabelbündel durchaus verfangen. Der Mangel wurde am Sonntag, 31. Oktober 2021, zum ersten Mal beobachtet und war auch 48 Stunden später noch nicht behoben.
Sechs Tage später, am 5. November 2021 befand sich das Kabelbündel imer noch in der gleichen Lage. Gemäss meiner Messung lag der tiefste Punkt des Kabelbündels 1,95 Meter über dem Boden. Nicht nur eine grossgewachsene Person, sondern auch eine Skifahrerin oder ein Skifahrer können mit ihren Skiern an den Kabel hängen bleiben. Gang abgesehen von Vandalenakten von frustierten oder alkoholisierten Zeitgenossen. Als letzte Hoffnung bleibt, dass die Kabel keine wichtigen Geräte oder Einrichtungen mit Strom versorgen.
Nicht nur im Zürcher Hauptbahnhof ….
Die unhaltbaren Zustände im HB Zürich reihen sich nahtlos an ähnliche Beobachtungen bei anderen Bahnhöfen im Grossraum Zürich, über die wir auf unserer Website berichtet haben. Ich denke an das während vielen Monaten offen liegende Erdungskabel im Bahnhof Kilchberg, die unappetitlichen Zustände im kürzlich erweiterten Bahnhof Zürich-Wollishofen oder in dem erst vor wenigen Jahren neu gebauten Bahnhof Wallisellen.
Aber auch ausserhalb von Zürich ist nicht alles zum Besten bestellt, wie dieses Bild aus der Schalterhalle des Bahnhofs Sargans zeigt.
Die behelfsmässige Absperrung war während mehreren Tagen am Ort. Die primitiven Knoten lassen vermuten, dass das Absperrband mehrmals riss. Links – im Bild nicht sichtbar – war das Band an einem Prospektständer der SBB befestigt. Auf der rechten Seite diente die Werbetafel eines Detailhandelsgeschäfts zu Befestigung.
Die Frage nach dem Verantwortungsbewusstsein und der Arbeitshaltung der meist zu zweit in der Schalterhalle anwesenden Mitarbeiter – sie blicken über das Absperrband ins Freie – steht im Raum. Wer hat hier versagt?
Kommentar
Die mangelnde Sorgfalt bei der Pflege und beim Unterhalt von Publikumsanlagen zieht sich wie ein roter Faden durch die Landschaft. Qualitätsmängel gibt es aber auch beim Unterhalt des Rollmaterials, wie zum Beispiel bei den mangelhaften Türschliessungen bei zahlreichen Personenwagen des Typs EW IV, bei den manipulierten Bremsbacken bei Eisenbahnwagen oder bei Triebfahrzeugen. Offensichtlich liegt eine systemische Schwachstelle vor, die nach personellen Veränderungen ruft.
Zudem stimmen uns diese Beobachtung für die Zukunft wenig zuversichtlich. Wie sollen beispielsweise dereinst die Wartung und der Unterhalt der komplexen Twindexx-Triebwagenzüge funktionieren, wenn die Qualitätsmängel selbst bei einfacheren Objekten nicht enden wollen?
Auf einer Bahnreise in die Slowakei legten wir in Wien einen Zwischenhalt ein und mussten dabei Serviceleistungen im neuen Hauptbahnhof von Wien in Anspruch nehmen. Diese Serviceleistungen wie Gepäckaufbewahrung und Toiletten entsprechen absolut denjenigen im Hauptbahnhof Zürich. Krasse und Fragen aufwerfende Unterschiede bestehen hingegen bei den Preisen. Selbst wenn man die unterschiedliche Kaufkraft berücksichtigt, betragen die Preise für die absolut identischen Leistungen in Zürich das Mehrfache derjenigen von Wien.
Dazu zwei Beispiele:
Schliessfächer
In Wien mussten wir unser umfangreiches Gepäck in einem grossen Schliessfach aufbewahren. Der Preis für 24 Stunden betrug EUR 3,50 oder rund CHF 3,80.
In Zürich wären für das gleich grosse Schliessfach für 24 Stunden Benutzungsgebühren von CHF 21.- angefallen – also rund das Sechsfache des Betrages in Wien. Kaufkraftbereinigt immer noch etwa 3 ½ Mal mehr!
Toiletten
Auch in Wien Hauptbahnhof ist die Benutzung der fast baugleichen und hygienischen Toilettenanlagen wie in Zürich kostenpflichtig. Der Zugang kostet EUR -.50. Allerdings erhalten die Benutzer beim Bezahlen des Eintritts einen Wertgutschein der ÖBB in der gleichen Höhe. Ergo ist die Benutzung der Toiletten für Fahrgäste der ÖBB gratis.
Dagegen kostet im HB Zürich sogar das kleine Geschäft in der Toilette CHF 2.-. Und selbst die Benutzung der nicht bedienten und oft völlig verwahrlosten Toilette im Bahnhof Zürich Enge kostet noch CHF 1.-.
Kommentar
Eigentlich sprechen die Zahlen für sich. Dennoch hinterlassen geben die krassen Unterschiede der Preise für die Serviceleistungen zu Fragen Anlass – unter anderem nach dem Verständnis von Kundenfreundlichkeit bei den SBB.
Zurzeit wird das Umsteigen vom Flugzeug auf die Bahn im internationalen Personenverkehr postuliert. Aber im Gegensatz zu den Gegebenheiten auf den Bahnhöfen stehen auf den meisten Flughäfen auch im Ausland den Fluggästen in kurzen Abständen kostenlos saubere Toiletten zur Verfügung.
Und abschliessend zwei persönliche Erfahrung.
Vor etwa einem halben Jahr half ich einem jungen Inder – er hatte in der Jugendherberge von Zürich-Wollishofen übernachtet – auf der Fahrt zum Hauptbahnhof. Er beabsichtigte, mit dem 6.40 Uhr Railjet nach Innsbruck zu reisen und um 21.20 Uhr wieder in Zürich einzutreffen. Ich führte ihn im Hauptbahnhof Zürich zu den Schliessfächern, wo er sein umfangreiches Reisegepäck in einem grösseren Fach einlagerte. Als ich ihm die mutmasslichen Kosten von CHF 17.- für das Aufbewahren nannte, befiel mich Scham. Er wies mein Angebot, mich an den Kosten zu beteiligen, zurück.
Im Sommer 2020 verbrachten wir ein paar Tage in Brusio. Auf der Rückreise legten wir in Poschiavo einen Zwischenhalt für eine Besichtigung ein. Am Schalter im Bahnhof der RhB erkundigten wir uns nach Schliessfächern. Unsere Anfrage wurde abschlägig beantwortet. Dafür öffnete uns der freundliche Mitarbeiter die Türe zu einem Lagerraum, indem wir ohne jegliche Formalitäten unser Gepäck kostenlos für ein paar Stunden einlagern durften.
Eine Studienreise auf dem Balkan mit geschichtlichem Hintergrund bot die Möglichkeit, ein paar flüchtige Eindrücke vom Schienenverkehr in den besuchten Ländern zu gewinnen. Zusammenfassend muss man leider festhalten, dass die Eisenbahn auf dem Balkan keine bedeutende Rolle (mehr) spielt. Umso erfreulicher sind dafür die an mehreren Orten erkennbaren Massnahmen zur Revitalisierung der Eisenbahn, so etwa in Slowenien, Kroatien und Serbien.
Gerne fassen wir unsere Eindrücke in drei separaten Berichten zusammen. Beginnen möchten wir hier in einem Bericht aus Sarajewo, der Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina, und zwar über den Bahnhof und die Strassenbahn.
Bahnhof Sarajewo
Der Bahnhof liegt etwas abseits vom historischen Stadtzentrum. Er ist mit einer Stichstrecke an das Strassenbahnnetz angeschlossen.
Das Bahnhofgebäude und der Innenraum sind grosszügig, aber unbelebt. Die Unterführung zu den fünf Geleisen des Kopfbahnhofs ist zwar sauber, aber stark versprayt. Auch auf den Bahnsteigen und den Gleisanlagen liegt nur wenig Abfall. Die Betonsäulen der Perrondächer weisen teilweise erhebliche Schäden auf und bedürfen einer dringenden Sanierung.
Am späten Nachmittag sah man im Bahnhof und auf den Bahnsteigen kaum Fahrgäste oder Besucher. Die Mitarbeiter der Bahngesellschaft waren korrekt gekleidet und traten selbstsicher auf.
Das Angebot an Zügen ist gering – täglich verkehren nur drei Lokal- und drei Fernzüge. Von einem zeitgemässen Zugverkehr ist wohl nicht zu sprechen. Dem Vernehmen nach war der Bahnverkehr vor dem Zerfall von Jugoslawien sehr viel dichter.
Das Rollmaterial befindet sich abgesehen vom soeben angekommenen Talgo in einem miserablen Zustand. Die Aussenhaut eines Triebwagenzuges wies grosse Rostflächen auf. Dieser fuhr pünktlich um 15.38 Uhr ab. Um 15.48 Uhr folgte ein aus einem einzelnen Wagen bestehender weiterer Regionalzug.
Ganz offensichtlich ist die Eisenbahn in Bosnien-Herzegowina bedeutungslos geworden. Im Gegensatz etwa zu den nördlichen Staaten von Ex-Jugoslawien – mehr darüber in zwei separaten Berichten – sind keine Anzeichen einer Trendwende erkennbar.
Strassenbahn Sarajewo
Sarajewo verfügt über einen verhältnismässig dichten öffentlichen Stadtverkehr. Neben Bus- und Trolleybuslinien fahren auch Trams. Abgesehen von einem Abzweiger zum Bahnhof besteht ausserhalb des historischen Stadtzentrums nur eine einzige Strecke. Das historische Stadtzentrum wird von einer einspurigen Ringlinie umschlossen. Die Streckenlänge beträgt rund 12 Kilometer.
Die Fahrzeuge haben die zulässige Nutzungsdauer überschritten. Die Fahrt auf den stark vernachlässigten Geleisen in Normalspur auf einem separaten Trasse verlief höchst unruhig – ich rechnete ständig mit einer Entgleisung.
Offensichtlich haben sich die besonders in den Stosszeiten zahlreichen Fahrgäste mit den verschiedenen Unzulänglichkeiten abgefunden.
Fahrkarten können an Kiosken oder mit einem geringen Aufschlag beim Wagenführer gekauft werden. Die Einzelfahrt für einen Erwachsenen kostet etwa CHF -.80. Die Fahrkarten verfügen über einen Magnetstreifen und müssen nach dem Kauf bei einem Leser im Wageninnern entwertet werden.
Abschliessende Bemerkungen
Im Gegensatz zu Kroatien, Serbien und Slowenien sind im öffentlichen Verkehr von Bosnien-Herzegowina keine positiven Entwicklungen erkennbar. Das Land ist völlig gelähmt und wird von einer aufgeblähten nationalen und internationalen Bürokratie künstlich am Leben gehalten. Die Machtfülle des von der UNO eingesetzten Hohen Repräsentanten ist immens. Er kann wichtige Anordnungen für das Land treffen und damit die Souveränität von Bosnien-Herzegowina aushebeln.
Politik, Verbände und Bahnfreunde fordern seit vielen Jahren den Ausbau der Gäubahn in Baden-Württemberg – insbesondere des einspurigen Streckenabschnitt zwischen Horb und der Abzweigung bei Hattingen. Das zweite Gleis dieser bis zum Zweiten Weltkrieg doppelspurigen Strecke wurde nach dem Kriegsende als Reparationsleistung abgebaut. Argumentiert für den Ausbau wird mit der Erhöhung der Kapazität dieses Abschnitts entlang dem Neckar.
In dieser Diskussion werden wesentliche Sachverhalte ausgeblendet, auf die wir in diesem Beitrag eintreten.
Erfahrungen
Meine Erfahrungen stützen sich auf unzählige Fahrten zwischen Zürich, und Schaffhausen sowie zahlreiche Reisen von Zürich nach Stuttgart sowie auf zwei Radtouren entlang dem Neckar. Ich bin mit den örtlichen Verhältnissen auf der ganzen Strecke sehr gut vertraut.
Als Eisenbahnliebhaber bin ich vor einigen Jahren oft mit den ICE-T von Zürich nach Schaffhausen oder zurück gefahren. Diese luxuriösen Züge erreichten Schaffhausen von Zürich aus über Stettbach, Winterthur und Andelfingen. Besonders genossen habe ich jeweils die bogenschnelle und deshalb spektakuläre Fahrt zwischen Winterthur und Schaffhausen aus dem verglasten Abteil hinter dem Führerstand.
Bitter waren jedoch meine Beobachtungen über die Belegung dieser wunderbaren Züge nota bene mit Speisewagenabteil – für mich zu ihrer Zeit die hochwertigsten Züge in Europa. Oft befanden sich zwischen Winterthur und Zürich kaum ein Dutzend Fahrgäste im Zug.
Auch in jüngerer Zeit ist die Belegung der Fernzüge nach Stuttgart im grenzüberschreitenden Verkehr meist deprimierend gering, obschon die Fahrpreise in Deutschland dank den auch in den IC akzeptierten Baden-Württemberg-Ticket äusserst günstig sind. So reist eine Gruppe von fünf Personen für rund neunzig Euro von Singen nach Stuttgart und zurück – in der ersten Klasse. In der zweiten Klasse sogar nur für rund fünfzig Euro. Auf der Rückreise von einer Werksbesichtigung in Böblingen zählte ich vor ein paar Jahren in der Spätverbindung von Stuttgart nach Zürich zwischen Singen und Schaffhausen mit uns noch elf Fahrgäste.
Dazu kommt, dass der Service in den von der DB eingesetzten IC2-Zügen ungleich höher ist als in den Zügen der SBB – Verpflegungsservice im Zug und in der ersten Klasse auch am Platz. Unverständlich, weshalb die SBB in ihren IC für die rund dreistündige Fahrt keinen Verpflegung anbieten. Dadurch ist man als Anbieter im internationalen Personenverkehr unglaubwürdig.
Im Übrigen weist die Strecke zwischen der Abzweigung bei Hattingen und Horb zahlreiche und ohne nennenswerte Geschwindigkeitsreduktionen zu befahrene Ausweichmöglichkeiten auf.
Leistungsparameter
Streckenprofil
Gemäss der Tabelle liegen die Strecken mit den tiefsten Reisegeschwindigkeiten in der Schweiz. Zwischen Singen und Stuttgart erreichen sie rund akzeptable 88,7 Kilometer pro Stunde. In der ersten Fassung wurde die Distanz der Strecke zwischen Singen und Stuttgart um 13,1 Kilometer zu hoch angegeben. Ich danke für den Hinweis aus unserer Leserschaft und bitte um Entschuldigung.
Belegung
Die Daten wurden am Auslaufen der Restriktionen wegen Covid 19 ermittelt. Diese Einschränkungen mögen sich negativ auf die Belegung der Züge ausgewirkt haben. Viel höher lagen sie gemäss meinen Beobachtungen auf zahlreichen Reisen aber auch unter normalen Bedingungen nicht. In der Regel steigen die meisten Fahrgäste aus Stuttgart in Singen aus – das gilt in besonderem für die vermehrt haltenden IC der Deutschen Bahn.
Kommentar
Die wesentlichen Engpässe für einen effizienten Eisenbahnverkehr zwischen Zürich und Stuttgart liegen nicht Deutschland, sondern befinden sich in der Schweiz. So bestehen zwischen Eglisau und Neuhausen/Schaffhausen drei einspurige Abschnitte, auf deren zwei die Züge ihre Geschwindigkeit auf rund 70 Kilometer pro Stunde reduzieren müssen. Auch ist Zugsdichte zwischen Zürich und Schaffhausen doppelt so hoch wie zwischen Horb und Tuttlingen, was einen Ausbau der Strecke auf Schweizer Seite nahelegt.
Unverständlich ist zudem die unterschiedliche Haltepolitik der Fernverkehrszüge der DB und der SBB. Im Gegensatz zu den IC der SBB halten die IC der DB unter Inkaufnahme vertretbarer Fahrzeitverlängerungen in mehreren grössere Ortschaften wie Spaichingen und Herrenberg. Und noch kritischer sehe ich, dass die IC im schweizerischen Bülach ohne Halt durchfahren.
Empfehlungen
Diese Feststellungen führen mich zu folgenden Folgerungen:
Es wäre zuträglicher, anstelle der wenig substantiierten Forderungen an Deutschland endlich die Leistungsfähigkeit der Strecke zwischen Eglisau und Neuhausen/Schaffhausen zu steigern. Als Massnahmen drängen sich eine Neutrassierung der Strecke zwischen Glattfelden und Hüntwangen-Wil – entsprechend dem Konzept des Kantons Zürich für die neue Strassenverbindung auf dieser Relation – sowie ein direkter Tunnel zwischen Altenburg-Rheinau und Schaffhausen auf.
Auf den beabsichtigten Stundentakt zwischen Stuttgart und Zürich mit direkten Züge ist mangels Marktfähigkeit zu verzichten. Der IC-Verkehr zwischen Zürich und Schaffhausen ist einzustellen. Dafür sind die heute stündlich zwischen Zürich und Schaffhausen verkehrenden RE halbstündlich und neu bis nach Singen zu führen. Dort könnte jede Stunde ein schlanker Anschluss an die neu stündlich zu führenden IC der DB nach Stuttgart – letztere idealerweise ab Konstanz – geschaffen werden. Das Umsteigen am gleichen Fahrsteig von einem Regioexpress auf einen IC der DB ist absolut zumutbar. Zu prüfen sind zudem der Halt aller RE aus Zürich in Thayngen sowie der Verzicht auf die (Weiter-) Führung der auf diesem Abschnitt meist leeren Zügen der S24 aus Zug/Zürich nach Thayngen.
Der Tarifverbund Ostwind und der Verkehrsverbund Singen (Hohentwiel) sind für den grenzüberschreitenden Verkehr durch das Angebot von preiswerten Fahrkarten zu kombinieren. Als Alternative könnte die Strecke zwischen Thayngen und Singen ins innerschweizerische Tarifsystem aufgenommen werden, wie das beispielsweise für Reisen nach Domodossola, Konstanz oder Waldshut seit vielen Jahren der Fall ist.
In diesen Tagen wurde eine grundlegende Reorganisation des Eisenbahnverkehrs in Grossbritannien angekündigt. Mit dem „Williams-Shapps Plan for Rail“ sollen die Schwächen der vor rund 25 Jahren erfolgten Privatisierung beseitigt werden. Keineswegs vorgesehen ist die Verstaatlichung des Betriebs der Eisenbahn.
Grundzüge der Reorganisation
Die Privatisierung hat Mitte der neunziger Jahre den seit dem Ende des zweiten Weltkrieges anhaltenden Niedergang des britischen Eisenbahnwesens gebrochen und zu einem eindrücklichen Aufschwung geführt. Trotz einigen Krisen, unter anderem das Debakel von Railtrack, der privaten Infrastrukturgesellschaft, ist die Privatisierung insgesamt eine Erfolgsgeschichte.
Mit der Privatisierung wurden an die privaten Betreibergesellschaften Franchisen vergeben. Das gab den Betreibern das Recht, ihr Angebot weitgehend frei zu gestalten. Sie trugen das volle Ertrags- und Kostenrisiko. Dieses Konzept führte zu einem ungeordneten Zustand, Fahrpläne und Tarife waren oft unzureichend abgestimmt und erschwerten systemübergreifende Reisen. Der Freiraum ermöglichte andererseits einigen EVU, ihre Preise an die Nachfrage anzupassen – Reisen in den Hauptverkehrszeiten verteuerten sich gegenüber den nachfragearmen Tageszeiten.
Bei systemübergreifenden Reisen wichen die Fahrgäste beim Kauf von Fahrausweisen häufig auf Train Line, eine einfach zu bedienende Plattform, aus. Die Aktienkurse dieses privaten Anbieters verzeichneten nach der Ankündigung von GBR einen veritablen Einbruch.
Unter der Führung von Grant Shapp, Transportminister der britischen Regierung wurde die Gründung einer mächtigen staatlichen Dachgesellschaft, der Great British Railways GBR, beschlossen. Unter Beibehaltung der Erfolgsfaktoren der Privatisierung soll GBR das landesweite Angebot definieren, das Tarifsystem vereinheitlichen und die volle Zuständigkeit für die Infrastruktur übernehmen. Damit verbunden ist die Ablösung des Franchisemodells durch die Vergabe von Transportaufträgen an EVU, so genannte „Passenger Service Contracts“– eine Lösung, die sich beispielsweise in zahlreichen europäischen Ländern im Nahverkehr durchgesetzt hat. Die Öffentlichkeit und die Kunden sollen mehr Einfluss erhalten. Ökologische Aspekte sollen verstärkt berücksichtigt werden.
Noch wenig konkret erscheinen die in Aussicht gestellten Massnahmen für die Förderung des Schienengüterverkehrs.
Die beschlossene Restrukturierung auf Landesebene entspricht weitgehend dem in London unter der Führung von TfL – Transport for London – seit 2001 erfolgreich funktionierenden Konzept. So kann GBR auf bestehenden Erfahrungen aufbauen.
Mit der Schaffung von GBR verfolgt die britische Regierung zehn Ziele:
Gewährleistung eines zeitgemässen Personenverkehrs auf der Schiene
Revolutionierung des Tarifsystems, unter anderem durch landesweite Tarife
Neuregelung der Kooperation mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU)
Prosperierende und nachhaltig tätige EVU
Mehr Einflussmöglichkeiten für Kunden und die Öffentlichkeit
Saubere und ökologische EVU
Setzen von starken Anreizen für den Schienengüterverkehr, unter anderem durch die landesweite Koordination der Angebote.
Verkürzung der Reisezeiten und Erhöhung der Effizienz
Gewinnung und Erhaltung von tüchtigen und innovativen Mitarbeitenden
Vereinfachung der Struktur des Eisenbahnsektors, unter anderem durch ein transparentes Abrechnungssystem und klare Entscheidungsregeln
Sonderregelungen wurden von den Regionalregierungen von Schottland und Wales beschlossen. In Wales wurde die Betreibergesellschaft Transport for Wales TfW von der Region übernommen und wird praktisch unverändert weiter geführt. Dafür bleibt in Wales die Infrastruktur im Gegensatz zum Rest des Landes weiter in privaten Händen.
Auch die schottische Regionalregierung hat unter anderem wegen den gravierenden finanziellen Konsequenzen von Corona die in Schottland wirkenden Betreibergesellschaften bis auf weiteres übernommen. Dies betrifft aber nur den innerschottischen Personenverkehr und gilt nicht für den Fernverkehr nach England.
Meinung des Autors
Die mit der Schaffung von GBR verbundenen und tiefgreifenden Neuerungen sind überfällig und weisen meines Erachtens in richtige Richtung. Entscheidend für den Erfolg der Massnahmen ist die Qualität der Umsetzung. Immerhin stehen mit dem Konzept von London und mit vielen Beispielen auf dem Kontinent erprobte Systeme im Raum.
Auffallend ist, dass dezidiert von einer (Wieder-) Verstaatlichung der Eisenbahn in Grossbritannien in weiten Teilen des Landes abgesehen wird. Offensichtlich sind die Erinnerungen der Entscheidungsträger an die verheerenden Verhältnisse bei British Rail in den Jahren vor der Privatisierung noch wach. Ich habe im Rahmen von zwei längeren Aufenthalten 1996 und 1997 zahlreiche Bahnfahrten in Mittel- und Nordengland unternommen und erinnere mich noch gut an die desolaten Zustände vor allem im Regionalverkehr.
Das Konzept von GBR sollte im Hinblick auf die Umsetzung in der Schweiz näher geprüft werden. Unter anderem liessen sich die auch von Spitzenvertretern der Schweizer Eisenbahnbranche beanstandeten Mängel im Tarifsystem dadurch vermutlich beseitigen. Anstelle eines Wildwuchses bestehend aus dem nationalen Verkehr, einem einzigen Verkehrsverbund und zahlreichen Tarifverbünden könnte die Schaffung eines einheitlichen nationalen Verkehrsverbundes nach dem Vorbild von GBR erwogen werden.
Erfreulicherweise erfolgen zurzeit im Kanton Tessin intensive bauliche Massnahmen für die Attraktivitätssteigerung von Bahnhöfen und Busstationen. Das verdient Lob und Anerkennung. Wir haben mehrere Bahnhöfe besichtigt und uns vor Ort mit den Verhältnissen vertraut gemacht.
Leider haben wir neben viel Licht auch viel Schatten entdeckt. So vor allem in Bellinzona, wo sich grundsätzliche Fragen stellen. Mehr dazu in dieser Reportage.
Busstation
Vor wenigen Jahren noch hielten die zahlreichen Regional- und Fernbusse nordöstlich des Bahnhofgebäudes. Die Orientierung war nicht immer einfach, und die Busse fuhren über den Bahnhofvorplatz.
Neu befindet sich die überdachte und grosszügige Busstation südwestlich vom Bahnhof an der Stelle des früheren Postbahnhofs. Der vom Busverkehr befreite Bahnhofvorplatz präsentiert sich einladend. Auf dem Gelände der früheren Bushaltestellen wurden gedeckte Abstellplätze für Fahrräder eingerichtet.
Der Zugang zur neuen Busstation ist überdacht. Fahrgäste können trockenen Fusses zwischen Bahn und Bus wechseln.
Bahnhof
Der positive Eindruck vom Busbahnhof wird durch die Verhältnisse auf dem Bahnhof jedoch nachhaltig getrübt, wie die folgenden Bilder zeigen. Neben funktionalen Schwachstellen bestehen erhebliche konstruktive Mängel.
Weit mehr Fragen werfen die Verhältnisse auf den Bahnsteigen auf. Die Bahnsteige sind nur teilweise überdacht, und in weniger als hundert Metern Entfernung wurde zusätzlich zur bestehenden Überführung eine verloren in der Gegend stehende zweite Überführung errichtet. Auch bei dieser Überführung wurden weder die Treppen noch die Passerelle überdacht. Dazu ein paar Bilder.
Wir haben die Ursachen für den Bau der zusätzlichen Überführung nicht abgeklärt. Wir können jedoch nicht nachvollziehen, weshalb man die Leistungsfähigkeit der seit vielen Jahren bestehenden und bewährten Verbindung nicht durch eine neue, grosszügige und behindertengerechte Überführung gesteigert hat. Haben die zuständigen Mitarbeiter der SBB einen minimalistischen Weg gewählt, statt – wahrscheinlich mühsamer – mit den Behörden der Stadt Bellinzona eine effiziente Lösung zu finden? Mit einer entsprechend gestalteten Überführung hätte man auch einen architektonischen Glanzpunkt setzen können.
Ausführungsmängel
Neben den oben ausführlich beschriebenen konzeptionellen Mängeln – unzureichende Überdachung der Perrons, Verbindungsweg von der Busstation in den Bahnhofsbereich und die im Niemandsland stehende zusätzliche Überführung – sind uns erhebliche Mängel bei der Materialisierung und der Ausführung aufgefallen. Dazu die folgenden Bilder.
Nachtrag
Auch die Bahnhöfe von Lugano und Mendrisio wurden aufwendig erneuert. Beeindruckt hat mich vor allem Mendrisio mit der neuen Busstation. Dazu ein paar Bilder vom Umbau in der Schlussphase.
Auch Lugano präsentiert sich ansprechend. Aber auch hier wurden elementare Kundenbedürfnisse ausser Acht gelassen. So müssen Fahrgäste auch weiterhin ungeschützt zu den Zügen der Ferrovia Lugano-Ponte Tresa umsteigen. Und den Fahrgästen, die ihre Reise mit den Regionalbussen fortsetzen möchten, steht ein längeren und kaum signalisierten Weg zur Busstation bevor. Der neu gestaltete Bahnhof stand in der engeren Auswahl für die Verleihung des Flux-Preises – aus Kundensicht nicht nachvollziehbar.