Bei Vergleichen von Bahnen wird unter anderem auch das Preisniveau der Fahrscheine berücksichtigt. Da schneidet die Schweiz meist sehr schlecht ab. Anfang 2025 wurde eine Publikation mit einem Vergleich von 27 Bahnen in Europa herausgegeben [Mind the gap! Europe’s Rail Operators: a Comparative Ranking. https://www.transportenvironment.org/articles/rail-ranking]. Die dort verwendeten Vergleichskriterien und die Vergleichsmethodik sind diskutabel.
Bezugnehmend auf den oben erwähnten Vergleich und das Ranking diverser europäischen Bahnen wurden die SBB auf Rang zwei gelistet. Laut NZZ sind die SBB jedoch nicht die zweitbeste Bahn Europas, da irrtümlicherweise die Halbtaxpreise für den Vergleich der Tarife zugrunde gelegt wurden. Sowohl die Ursprungspublikation als auch die «Korrektur» durch die NZZ liegen falsch. Es soll hier nur auf den Vergleich der Tarife eingegangen werden.
Was vergleichen wir überhaupt?
Ein Vergleich von Bahntarifen über Landesgrenzen hinweg ist stets problematisch. Was vergleicht man überhaupt?
Üblicherweise wird nur die Optik des Fahrgastes betrachtet, d.h. das was er direkt beim Kauf eines Fahrscheines bezahlt. Aus Sicht der Bahn nennen wir das «direkte Erlöse». Es werden etwa Einzelfahrten zwischen zwei Punkten verglichen. Das Ticketsortiment ist heutzutage aber derart vielfältig, dass ein solcher Vergleich untauglich ist. Es gibt die Einzeltickets zu den Normal- und Halbpreistarifen, Sparbillette, Sonderaktionen, Abonnemente, Klassen und andere. Meines Erachtens gibt es nur eine taugliche Vergleichsgrösse, nämlich den durchschnittlichen Tarif resp. Erlös für einen Personenkilometer (Pkm). Man erhält den durchschnittlichen Tarif für einen Personenkilometer, indem man die Gesamterlöse einer Bahn durch die gefahrenen Passagierkilometer eines Jahres dividiert. In dieser Grösse sind alle Arten von Fahrscheinen und deren Gewichtung berücksichtigt.
Ein zweiter Aspekt ist die Kaufkraft der Bewohner eines Landes. Wenn im Staat A und im Staat B der Personenkilometer je 10 Rp kostet, die Kaufkraft pro Person im Staat B jedoch doppelt so hoch ist, dann wird der Bewohner des Staates B beim Kauf eines Tickets relativ weit weniger belastet als der Bewohner des Staates A.
Ein weiterer Aspekt ist die volkswirtschaftliche Betrachtung. Je nach Staat werden mehr oder weniger hohe Abgeltungen oder Subventionen aus der Staatskasse gewährt. Wo hohe Abgeltungen bezahlt werden, ist der direkt bezahlte Aufwand des Passagiers geringer. Die Erlöse der Bahn hingegen steigen dank dieser Abgeltungen. Volkswirtschaftlich betrachtet sind die Gesamterlöse aus direkten Einnahmen und Abgeltungen von Bedeutung.
Methodik der Umrechnung
Üblicherweise werden nominelle Tarife verglichen. Wie schon oben aufgeführt, sollten die durchschnittlichen Kilometerpreise auf das Lohniveau eines Landes bezogen werden, denn es sind die Inländer, die den Hauptharst der Reisenden ausmachen. Wenn man etwa den Frankenkurs gegenüber dem Euro um 50% abwertet, so scheinen die Tarife der SBB aus Sicht des Euro-Raumes plötzlich nur noch halb so gross zu sein. Der Schweizer bezahlt aber in CHF immer noch gleich viel.
Das sei am Beispiel der ÖBB- und SBB-Tarife aufgezeigt, weil hier die Unterschiede der direkten Zahlungen resp. Erlöse besonders krass sind. Die jährlichen Einnahmen aus den direkten Erlösen und den Abgeltungen der beiden Bahnen lauten gemäss den Geschäftsberichten für das Jahr 2023 (ÖBB Seite 253, SBB Seiten 84 und 85):
Tabelle 1: Erlöse von ÖBB und SBB 2023 (Personenverkehr).
Nominell liegt der Gesamterlös (direkte Erlöse + Abgeltungen) pro Pkm bei den SBB beim derzeit aktuellen Wechselkurs von EUR zu CHF um rund 16% über demjenigen der ÖBB (Zeile 5 in Tabelle 1). Der vom Passagier beim Ticketkauf direkt bezahlte Tarif hingegen liegt bei den SBB nominell 122% höher als bei den ÖBB (Zeile 6).
Abbildung 1: Vergleich der nominellen Tarife pro Personenkilometer (Pkm) bei ÖBB und SBB.
Abbildung 1 zeigt, wohl bemerkt, den nominellen Vergleich. Der nominelle Vergleich sagt jedoch wenig aus. Er mag für einen ausländischen Geschäftsmann oder Touristen von Bedeutung sein, dessen Einkommen in der Währung des jeweils anderen Staates anfällt. Da der weitaus grösste Teil der Reisen jedoch innerhalb des Wohnstaates abgewickelt wird, ist ein Bezug der Tarife auf das Lohnniveau eines Landes sinnvoller. Damit erhält der Vergleich ein ganz anderes Gesicht.
Als Bezugsgrössen kommen für eine Umrechnung auf die Verhältnisse eines anderen Staates grundsätzlich folgende Aggregate in Frage:
Kaufkraftparität
BIP/Kopf
Median des Brutto- oder Nettolohns
Verfügbares Einkommen.
Kaufkraft
Gemäss Wikipedia beträgt die Kaufkraft in Österreich und der Schweiz:
Tabelle 2: Kaufkraft pro Kopf in Österreich und der Schweiz (2024, Wikipedia).
Die Kaufkraft basiert auf einem Warenkorb unterschiedlicher Produktegruppen und Produkten. Bei den Tarifen des öV handelt es sich jedoch um ein einzelnes Produkt, das mit dem Mittelwert des Warenkorbes wenig zu tun hat. Daher ist die Kaufkraftparität kein tauglicher Massstab zur Umrechnung.
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf (BIP/Kopf)
Das BIP pro Kopf kommt schon eher als Bezugsgrösse in Frage, da das Lohniveau eines Landes relativ eng mit dem BIP korreliert ist.
Tabelle 3: BIP pro Kopf in Österreich und der Schweiz (2024, Wikipedia).
Bruttolohn
Der Median des Brutto- oder Nettolohns hängt noch direkter mit dem Lohniveau zusammen.
Tabelle 4: Medianbruttolohn in Österreich und der Schweiz (2022, Wikipedia u.a.).
Verfügbares Einkommen
Beim verfügbaren Einkommen werden die direkten Lohnabzüge und die direkten Steuern vom Bruttolohn abgezogen (Nettoeinkommen). Basis ist somit das, was der Passagier tatsächlich zur freien Verfügung «im Portemonnaie» hat. Die Lohnabzüge können jedoch je nach Land unterschiedlich sein. Einerseits können mit diesen Abzügen unterschiedliche Sozialleistungen abgedeckt sein, etwa die Krankkassenprämien oder Altersrenten. Andererseits sind die Ticketsubventionen in den allgemeinen Steuern enthalten, erhöhen also die Staatsquote und damit die Steuerlast. Dies exakt herauszurechnen ist kompliziert und wird hier nicht weiter verfolgt.
Aus den genannten Gründen scheint uns der Bruttolohn, respektive der Median des Bruttolohns, die geeignetste Vergleichsgrösse.
Umrechnungsfaktoren
Der Zusammenzug der in den Tabellen 2 bis 4 genannten Umrechnungsfaktoren («Diskontierungsfaktoren») sieht wie folgt aus:
Tabelle 5: Zusammenzug der Umrechnungsfaktoren.
Wenn man den Median des Bruttolohns als Bezugsgrösse zugrunde legt, erhält man für den Vergleich die Darstellung in Abbildung 2, umgerechnet auf die Verhältnisse in Österreich.
Abbildung 2: Tarifvergleich der Pkm von ÖBB und SBB auf Basis des Medians der Bruttolöhne.
Befund
Man erkennt aus der Abbildung 2, dass die vom Fahrgast direkt bezahlten Ticketpreise (Pkm) bei den ÖBB bruttolohnbezogen um 23% tiefer als in der Schweiz liegen (blaue Säulen). Hingegen liegen die volkswirtschaftlich relevanten Gesamterlöse, die auch die Abgeltungen umfassen, bei den ÖBB um 43% oberhalb der Werte der SBB.
Würde in der Schweiz die gleiche Abgeltungshöhe wie in Österreich gelten (57%), so würde sich der vom Fahrgast bezahlte Pkm-Tarif auf 5.0 Ct/Pkm reduzieren. Im Gegenzug müssten aus allgemeinen Steuermitteln 2.13 Mrd. CHF zugeschossen werden. Die SBB produzieren also volkswirtschaftlich betrachtet deutlich günstiger als die ÖBB. Das zeigt sich u.a. auch an der tieferen Anzahl an Mitarbeitern gegenüber den ÖBB trotz höherer Transportleistung. Die optisch günstigen Ticketpreise (Pkm-Tarife) in Österreich basieren im Wesentlichen auf den sehr hohen Zuschüssen durch den Bund und die Länder.
In den obigen Zahlen ist nicht berücksichtigt, dass der teure 1.-Klasse-Anteil bei den SBB grösser als bei den ÖBB ist. Bei gleicher Inanspruchnahme der 1. Klasse wie in der Schweiz würde der durchschnittliche direkte Erlös resp. die vom Kunden direkt bezahlten Tarife bei den ÖBB um etwa 7% höher ausfallen und die direkten Erlöse resp. Tarife auf 7.6 Ct/Pkm ansteigen und damit nur noch 17% tiefer als in der Schweiz liegen.
Eine Schwierigkeit bei diesem Vergleich liegt darin, dass die Angaben im Geschäftsbericht 2023 der ÖBB widersprüchlich sind. So werden die Erlöse der ÖBB Personenverkehrs AG aus direkten Verkäufen und Abgeltungen im Jahr 2023 auf S. 63 mit 3.136 Mrd. EUR angegeben, auf Seite 253 jedoch mit nur 2.603 Mrd. EUR. Eine Rücksprache bei den ÖBB ergab, dass die tiefere Zahl gilt, jedoch auch die Erlöse der Postbus AG, einer Tochtergesellschaft der ÖBB Personenverkehr AG, im Umfang von 504 Mio. EUR enthält. Rechnet man diesen Umsatz heraus, verbleiben als Gesamteinnahmen aus direkten Ticketverkäufen und Abgeltungen 2.099 Mrd. EUR.
Vom 6. bis zum 7. Februar 2025 fand in Annemasse eine interessante Fachtagung über SERM statt. SERM ist die Abkürzung für das am 27. Dezember 2023 beschlossene französische Gesetz «Services Express Régionaux Métropolitains», mit dem in Frankreich in 24 Metropolitanräumen integrierte Nahverkehrssysteme eingeführt werden sollen. Die von der Interessengemeinschaft «Journées des Mobilités du Quotidien (JMQ)» organisierte Fachtagung wurde von über 300 Teilnehmenden besucht. Prominente Referierende aus Frankreich und der Schweiz boten einen interessanten Überblick über das anspruchsvolle Vorhaben.
Die Fachtagung legte aber auch Unterschiede bei den politischen Entscheidungs- und Durchsetzungsprozessen zwischen Frankreich und der Schweiz offen. Daneben bestehen aber auch Gemeinsamkeiten bei der verkehrspolitischen Ausrichtung. In der «Perspektive Bahn 2050» des Bundes wird nämlich der Förderung des öffentlichen Verkehrs in den grossen Schweizer Ballungszentren eine sehr hohe Wichtigkeit zugeordnet.
Mehr über diesen spannenden Anlass in diesem Bericht.
Fakten zu SERM
Ausgangslage
Am 27. Dezember 2023 trat das Gesetz zu SERM in Kraft. Es gilt für ganz Frankreich und lehnt sich teilweise an ein entsprechendes Gesetz für die «Ile de France», den Grossraum von Paris, an, das am 3. Juni 2010 eingeführt wurde.
Nachstehend der erste Abschnitt des Gesetzes zu SERM:
En dehors de la région d’Ile-de-France, un service express régional métropolitain est une offre multimodale des services de transports collectifs publics qui s’appuie prioritairement sur un renforcement de la desserte ferroviaire.
SERM ist also ein multimodaler regionaler Expressdienst für die Metropolitanregionen ausserhalb des Grossraums Paris und basiert vor allem auf einer Stärkung des Schienenverkehrs. Daneben sollen mit SERM gemäss dem Gesetz auch folgende Leistungen gefördert werden:
Einrichtung von Strassenverkehrsdiensten auf hohem Niveau
Fahrradnetze
Binnenschifffahrt
Förderung von Fahrgemeinschaften
Carsharing und Fahrdienste
Andere Transportmittel wie etwa Fahrräder
Bereitstellung von benutzerfreundlichen Bahnhöfen und Umsteigeknotenpunkten
SERM basiert auch auf dem Strassenverkehrsnetz, dem Fahrradnetz und dem Fusswegnetz.
Elemente von SERM.
Zweck
SERM will die Qualität des täglichen öffentlichen Verkehrs durch häufigere und zuverlässigere Verbindungen in die stadtnahen Gebiete steigern, die Luftverschmutzung reduzieren, den Alleinverkehr bekämpfen, die unzureichend an die an die Stadt angebundenen Gebiete in der Umgebung besser anbinden, die Zugänglichkeit generell und für Menschen mit Behinderung erhöhen und die Dekarbonisierung der Mobilität forcieren.
Charakteristiken von SERM.
Auch sollen emissionsarme Mobilitätszonen gefördert und die Zersiedelung reduziert werden. Die Raumnutzung und die städtebauliche Qualität der Projekte in der Nähe der Bahnhöfe sollen verbessert werden.
Ebenen von SERM.
SERM will den motorisierten Individualverkehr in den Metropolitanregionen einschränken, unter anderem durch die aktive Förderung von Fahrgemeinschaften und bedarfsweise auch durch die Umnutzung von Fahrspuren von Autobahnen und Schnellstrassen mit mehr als drei Fahrspuren für Fahrgemeinschaften und Busse.
Der Handlungsbedarf ist gross. SERM will den Trend brechen.Modalsplit in Frankreich zwischen 2012 und 2022.SERM ist auch ein Mittel für die angestrebte Klimaneutralität.
Umsetzung
In Frankreich sind 24 unterschiedlich grosse Regionen für SERM vorgesehen. Der Status einer als SERM qualifizierten Region wird vom französischen Verkehrsminister vergeben. Das Gesuch muss von der Metropolitanregion und den darin zuständigen Behörden für die Organisation der Mobilität gemeinsam eingereicht werden. Das Gesuch beinhaltet unter anderem auch eine Schätzung der Investitionen in die Infrastruktur, in die Fahrzeuge und in das Rollmaterial, die mutmasslichen jährlichen Betriebskosten und die Finanzierung.
Die anvisierten 24 Metropolitanregionen für SERM.
Innert zehn Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes, also bis 2033, sind mindestens zehn nicht näher bestimmte Regionalexpressdienste einzurichten.
Für die Einrichtung eines Regionalexpressdienstes ist in jeder Region ein «groupement d’intérêt public» (Zweckverband) zu bilden, der unter anderem die Gebietskörperschaft, öffentliche Einrichtungen, Unternehmen, Gruppen und weitere Institutionen umfasst, die von SERM betroffen sind. Diese Stellen schliessen eine für zehn Jahre gültige Vereinbarung ab, die in einem Abstand von drei Jahren aktualisiert wird, und die nach dem Ablauf auf unbestimmte Zeit verlängert werden kann.
Der Zweckverband wird von einem Aufsichtsrat überwacht, der von den juristischen Personen bestimmt wird, die zur Finanzierung des Projekts beitragen. Der operativ tätige Vorstand des Zweckverbandes untersteht dem Aufsichtsrat und besteht aus drei bis fünf Mitgliedern, die aus dem Kreis der Projektträger bestellt werden.
Die oben erwähnte Vereinbarung regelt insbesondere folgende Aspekte:
Festlegung von Leistungs- und Qualitätszielen für alle am Projekt mitwirkenden Stellen.
Festlegung eines Terminplans und Überwachung der Termine.
Überwachung der finanziellen Entwicklung des Projekts.
Einhaltung der Sicherheitsvorschriften für die Betriebssicherheit und Sicherstellung der Interoperabilität der geplanten Ausrüstung.
Umfassende jährliche Berichterstattung an alle am Projekt mitwirkenden Stellen
Kommentar
Offensichtlich wird in Frankreich mit SERM ein Quantensprung angestrebt. Man hat den Eindruck, dass Frankreich nicht nur die Zeichen der Zeit erkannt hat, sondern auch handeln will. Beeindruckend und für schweizerische Verhältnisse undenkbar ist der massive Eingriff des Zentralstaates in die Regionen.
Unklar ist für mich, wie weit die Erfahrungen von französischen und staatlich dominierten Anbietern von Mobilitätslösungen bei SERM eingeflossen sind. So betreibt beispielsweise Kéolis weltweit und auch in Frankreich in vielen Städten mit Erfolg integrierte Systeme des öffentlichen Verkehrs.
Allerdings bestehen in Anbetracht der grossen Verschuldung des französischen Staates eine gewisse Verunsicherung, ob und wie die enormen Investitionen für die Realisierung von SERM finanzierbar sind.
Interessant ist auch ein Blick nach Österreich, wo eine 1999 beschlossene und mehrfach angepasste «Gesamte Rechtsvorschrift für Öffentlicher Personennah- und Regionalverkehrsgesetz» in Kraft ist. Damit sind unter anderem die Grundzüge der Verkehrsverbünde festgelegt. Die Verkehrsverbünde nach österreichischem Recht decken sich in der Regel mit den Grenzen der Bundesländer, wobei auch ein Bundesländer- oder Staatsgrenzen übergreifendes Gebiet erschlossen werden kann.
Wie Rémy Burri, Directeur der staatlichen Genfer Gestion Communauté Tarifaires, im Anschluss an die Tagung im Workshop darlegte, waren bei der Festlegung des Tarif- und Abrechnungssystems für die grenzüberschreitende Metropolitanregion komplexe rechtliche und betriebliche Fragen zu klären.
Die Frage, ob und wie weit die in der Schweiz neben dem Zürcher Verkehrsverbund bestehenden rund zwanzig Tarifverbünde überhaupt gerechtfertigt sind und ob der Bund aus Effizienzgründen und aus Gründen des Kundennutzens nicht stärker regelnd eingreifen müsste, steht für mich im Raum. Unter Berücksichtigung der Anzahl Einwohner in den von den grossen Verbünden wie der ZVV, Ostwind, Libero, TNW abgedeckten Gebieten dürfte es wahrscheinlich Verbünde für Regionen mit weniger als 50’000 Einwohnern geben.
Eindrücke von der Tagung zu SERM in Annemasse
Vorbemerkungen
Die Tagung in Annemasse erstreckte sich über zwei volle Tage. Zudem bestand die Möglichkeit, sich am 8. Februar 2025 an einer Exkursion nach Lausanne anzuschliessen. Ich nahm nur am 6. Februar 2025 teil und besuchte am Abend den Workshop über Tarife und Verkauf. Über diesen gehaltvollen Workshop folgt ein separater Bericht.
Fazit
Alle vor Ort oder über Videos zugeschalteten Referierende aus Frankreich und aus der Schweiz äusserten sich begeistert über SERM. Das neue Gesetz wurde als «Game Changer» bezeichnet. Positiv gewürdigt wurde auch CEVA als erste wirklich erfolgreiches grenzüberschreitendes RER. So wurden an Spitzentagen über 80’000 Fahrgäste mit den Zügen des Léman Express befördert. Der überwiegende Teil der Fahrten erfolgte jedoch im innerschweizerischen Verkehr. Die Benutzung von CEVA durch Grenzgänger aus Frankreich kann noch gesteigert werden.
Trotzdem hat CEVA für den öffentlichen Verkehr im französischen Teil eine Schubwirkung entfaltet. Das öffentliche Verkehrsnetz im Grossraum Genf im Allgemeinen und der Schienenverkehr im Speziellen sollen weiter ausgebaut werden. So ist ein Anschluss von Annemasse an das Genfer Strassenbahnnetz im Bau. Auch in der Stadt Genf besteht ein klares Bekenntnis für den weiteren Ausbau des öffentlichen Verkehrs. So wird beabsichtigt, bis 2050 von Norden nach Süden durch das Stadtzentrum eine schienengebundene Neubaustrecke zu bauen.
Gemäss den Ausführungen von Anne-Céline Imbaud-de Trogoff, der Vertreterin der staatlichen Société des Grands Projets, sind über 150 Bahnhöfe an das grenzüberschreitende Regionalnetz angeschlossen.
Der französische Staat hat gemäss den Ausführungen von Thomas Allary, als Direktor bei den SNCF für das Programm SERM verantwortlich, für die erste Phase von SERM EUR 4 Milliarden vorgesehen. Der überwiegende Teil der Mittel für die weitaus teurere Realisierungsphase soll den üblichen Quellen entnommen werden. Gegenwärtig stehen der SNCF nur EUR 3 Milliarden für den Erhalt der Regionalnetze zur Verfügung. Man ist jedoch zuversichtlich, dass die notwendigen Mittel zu gegebener Zeit zur Verfügung stehen. Der Regierungswechsel in Frankreich könnte sich jedoch auch auf SERM auswirken.
Einige anwesende oder zugeschaltete Vertreter von französischen Regionen nehmen zu einzelnen Aspekten von SERM Stellung. Dabei zeigt sich, wie gross n Frankreich die Unterschiede der strukturellen Voraussetzungen für SERM sind. Während in einigen Regionen bereits heute mit SERM angestrebte Systeme funktionieren, ist dies bei anderen Regionen nicht der Fall.
Eindrücke von der Ausstellung
In der Halle vor dem Vortragssaal ist eine Ausstellung mit knapp zwei Dutzend Ausstellern aufgebaut. Darunter befinden sich mehrere grosse Ingenieurunternehmen, einige wenige Vertretungen von Regionen, sowie die SNCF, Kundenorganisationen wie ATE und Reiseanbieter. Offensichtlich wird SERM einen grossen Bedarf an Ingenieurs- und Planerleistungen aller Art nach sich ziehen.
Hinweise
Die Schaubilder wurden mit dem besten Dank der Broschüre der Firma Egis Projects SA entnommen, und das Bannerbild dem Tagungsprogramm.
Das Gesetz zu SERM kann mit den Stichworten «Loi» und «SERM» aus dem Internet heruntergeladen werden. Mit einem leistungsfähigen Übersetzungsdienst kann eine valable Übersetzung ins Deutsche erzeugt werden.
Die Aussagen in diesem Bericht erfolgen wie üblich mit grosser Sorgfalt. Trotzdem kann nicht zuletzt wegen meinen limitierten Kenntnissen der französischen Sprache keine absolute Gewähr übernommen werden.
Und vor allem danke ich den Organisatoren und Referierenden für den interessanten Anlass. Un grand Merci au JMQ (Journées des Mobilités du Quotidien).
Die von Kurt Metz am 25. Oktober 2024 organisierte Fachtagung «Nachfrage Topp! – Angebot Flopp?» über den internationalen Personenverkehr auf der Schiene in und aus der Schweiz im Sommer 2024 und im Jahr 2025 stiess auf ein grosses Interesse. 30 Teilnehmende und 14 Referierende kamen im Business Center in Zürich in den Genuss von spannenden Referaten und diskutierten über den internationalen Personenverkehr auf der Schiene in und aus der Schweiz.
Der überwiegende Teil der an der Fachtagung behandelten Themen sind von anhaltender Aktualität und sollen in diesem Beitrag zusammengefasst wiedergegeben werden.
Die Themen im Einzelnen
Einführung
Nach der Eröffnung der Tagung durch Kurt Metz begrüsst Gerhard Lob, Präsident der Bahnjournalisten Schweiz, die Anwesenden und unterstreicht die Aktualität des Themas. Während sich bei den Verbindungen von der Schweiz nach Deutschland oft dramatische Szenen abspielen, ist die Qualität des Bahnverkehrs dank TILO aus dem Tessin nach Italien besser geworden. Risiken bestehen hier durch häufige Streiks. Gerhard Lob sieht beim internationalen Personenverkehr grossen Handlungsbedarf, so unter anderem auch bei grenzüberschreitenden Fahrausweisen.
Optik von Pro Bahn Schweiz
Bastian Bommer, Vorstandsmitglied von Pro Bahn Schweiz, erläutert ausgehend von persönlichen Erfahrungen und von einer Lagebeurteilung die Position von Pro Bahn bezüglich des internationalen Personenverkehrs aus und in die Schweiz. Die internationalen Verbindungen sind gemäss der Perspektive Bahn 2050 auf denjenigen Strecken auszubauen, auf denen die Bahn im Vergleich zum motorisierten Individualverkehr und zum Flugverkehr bezüglich der Reisezeit nicht wettbewerbsfähig ist. Das gilt sowohl für den Verkehr in die Schweiz und aus der Schweiz als auch zum Transitverkehr.
Die Nachfrage hat sich mit einer Zunahme von sechzig Prozent in den letzten zehn Jahren erfreulich entwickelt. Während das Angebot auf einigen Relationen ein zufriedenstellendes Niveau erreicht hat, sind wichtige Ziele mit der Bahn aus der Schweiz immer noch nicht oder nur schwierig zu erreichen.
Beurteilung von ausgesuchten Relationen des internationalen Reiseverkehrs aus der Schweiz (grün: Angebot besteht, rot: Angebot fehlt).
Bastian Bommer veranschlagt das Potential für ein weiteres Wachstum bis 2050 auf 150 Prozent. Die Attraktivität des internationalen Personenverkehrs setzt gemäss Bastian Bommer folgende Massnahmen voraus:
Direkte Verbindungen aus allen Landesteilen der Schweiz zu vielen attraktiven Destinationen im Ausland
attraktiven Umsteigemöglichkeiten und kurze Wege in den Zwischenbahnhöfen
Genügend Liegeplätze in Nachtzügen durch neues Rollmaterial
Günstige Preise und transparentes Tarifsystem
Bedienerfreundliches Buchungssystem und Ausdehnung des Buchungszeitraums
Verbesserung der Kundenfreundlichkeit und der Kulanz bei Störungen
Bastian Bommer konkretisiert die Forderungen von Pro Bahn Schweiz mit dieser Übersicht:
Aktueller Stand und Zukunft des Internationalen Personenverkehrs der SBB
Werner Ebert, Leiter Markt Deutschland und Österreich bei den SBB, legt einleitend anhand einiger Kennzahlen die Bedeutung des Internationalen Personenverkehrs bei den SBB dar. Zugreisen mit der Bahn ins Ausland sind schon heute für viele Reisende und Destinationen eine gute Alternative.
Übersicht über die heute von der Schweiz aus verkehrenden direkten Züge ins Ausland. Bis 2050 wird eine Zunahme zwischen 100 Prozent und 150 Prozent angestrebt.
Die SBB ist gewillt, das Potential des internationalen Personenverkehrs auch weiter auszuschöpfen. Die erfreuliche Zunahme seit 2016 ist zugleich Ansporn und Verpflichtung. Folgende Eckpunkte stehen im Fokus der strategischen Massnahmen:
Strategische Eckpunkte der SBB für den Ausbau des internationalen Personenverkehrs.
Das heutige Erfolgsmodell der Internationalen Kooperation bietet mannigfache Vorteile und hat sich bewährt. Die SBB wollen an dieser Kooperation festhalten.
Wichtigste Kooperationspartner der SBB im internationalen Personenverkehr und der sich aus der Kooperation ergebende Nutzen.
In den letzten Jahren wurde einiges erreicht. So wurden Tagesverbindungen beispielsweise nach München ausgebaut, und die neuen Nachtzüge der ÖBB werden die Attraktivität des Nachtzugsverkehrs erhöhen. Neue Angebote sind in Prüfung. Auch das Lösen von Fahrausweisen in die umliegenden Länder ist seit 2023 mit gewissen Einschränkungen möglich. Die Standardisierung des Vertriebs auf der internationalen Ebene wird im Rahmen der «Ticketing Roadmap» der Community of European Railways and Infrastructure Companies (CER) aktiv mitgestaltet.
Beim Ausbau des Netzes gelten bei den SBB folgende Prioritäten:
Prioritäten der SBB für weitere Verbindungen für den internationalen Reiseverkehr.
Angebots- und Nachfrageentwicklung am Simplon und Entwicklungen im Incoming
Ilona Ott, Leiterin Relations Italien bei der BLS, zieht eine positive Bilanz über die Entwicklung des Italiengeschäfts der BLS AG seit 2016. Das neue Angebot wurde vom Markt gut aufgenommen, und der Mischverkehr mit den SBB hat sich bewährt. Die Kurzwende in Domodossola ermöglicht eine effiziente Produktion. Die Zunahme basiert auf dem Grenzgänger- und dem touristischen Verkehr.
Entwicklung der Nachfrage in den Zügen der BLS zwischen Brig und Domodossola.
Die Perspektiven für die kommenden Jahre sind günstig. Allerdings sind unter anderem als Folge von Bauarbeiten anspruchsvolle Herausforderungen zu bewältigen.
Perspektiven und Herausforderungen beim grenzüberschreitenden Personenverkehr der BLS.
Die betrieblichen Massnahmen wurden unter anderem mit der Schaffung von Spezialangeboten für den italienischen Markt bzw. mit grenzüberschreitenden Fahrausweisen und Tarifen ergänzt. Diese sind ausschliesslich auf den Transportmitteln der BLS AG gültig. Die Preise sind gegenüber den innerschweizerischen Tarifen günstiger. 2023 haben über 18’000 Kunden aus Italien von der zu CHF 62.- erhältlichen Tageskarte profitiert. Auch wird der italienische Markt mit gezielten Angeboten wie etwa den «Trenino Verde delle Alpi» bearbeitet.
Sorgen bereitet die ausgeprägte Saisonalität der Verkäufe. Dies führt an Spitzentagen zu Kapazitätsengpässen und gelegentlich zu Qualitätsproblemen.
Saisonale Entwicklung der Nachfrage zwischen 2023 und 2024.
Rückblick auf Olympia-Verkehre nach Paris, aktuelle Aktivitäten und Projekte
Gert Fässler, Chief Commercial Officer (CCO) von TGV Lyria, erläutert die Erfolgsfaktoren der TGV Reisen aus der Schweiz nach Paris während den Olympischen Sommerspielen. So nutzten über 650 Sportler und Funktionäre den TGV für die Reise nach Paris. Ein Zug wurde mit Emblemen der Spiele laminiert. Im ersten Semester 2024 wurden Reisen mit dem TGV an die Olympischen Spiele speziell beworben. Die Zuverlässigkeit des Bahnverkehrs wurde durch den Verzicht auf Unterhaltsarbeiten auf den TGV-Strecken wesentlich verbessert.
Die Verschiebung der Unterhalts- und Bauarbeiten in das laufende Jahr kann zu Qualitätsproblemen führen. Durch gezielte Massnahmen sollen die negativen Auswirkungen für die Reisenden minimiert werden. Bei Streckensperrungen sollen die Züge umgeleitet werden. Bei Zugsausfällen werden die unmittelbar vorausfahrenden oder folgenden Züge verstärkt.
Der Service im Zug soll durch eine bessere Bordgastronomie, Internet und Infotainment Angebote ausgebaut werden. Der TGV zwischen Genf und Marseille wird ab dem Sommer 2025 voraussichtlich nach Lausanne weitergeführt.
Sorgen bereit der zunehmende Mangel an TGV-Zugseinheiten in Frankreich. Da TGV Lyria aber über eigene Züge verfügt, wirken sich die Engpässe im Verkehr mit der Schweiz kaum aus. Auch sind die Trassenpreise in Frankreich relativ hoch.
Entwicklung des grenzüberschreitenden Regionalverkehrs mit Italien
Christoph Kölble, Direttore Dimensionamento Orari e Servizi bei TILO, stellt eine kurze Präsentation des grenzüberschreitenden Nahverkehrsunternehmen Treni Regionali Ticino-Lombardia SA, kurz TILO, an den Anfang seines Referats. Das Unternehmen wurde 2004 von den SBB und Trenitalia gegründet und hat seinen Sitz in Bellinzona.
TILO kann seit der Gründung auf eine beeindruckende Erfolgsgeschichte zurückblicken. Neben dem innerschweizerischen Regionalverkehr betreibt TILO mit grossem Erfolg grenzüberschreitenden Regionalverkehr mit direkten Zügen nach Mailand und zu den Flughäfen von Malpensa. Eingesetzt werden exklusiv mehrstromfähige Flirt-Züge aus dem Hause Stadler. Diese sind auch bei Pendlern im inneritalienischen Verkehr sehr beliebt.
Aktuelles Streckennetz von TILO.Entwicklung von TILO und Meilensteine seit der Gründung im Jahr 2004 (Teil 1).Entwicklung von TILO und Meilensteine seit der Gründung im Jahr 2004 (Teil 2).
In der Schweiz ist TILO eingebunden in den Tessiner Verkehrsverbund Arcobaleno. Für den grenzüberschreitenden Verkehr werden günstige Fahrausweise angeboten. So kostet eine Fahrt mit TILO von Chiasso nach Mailand etwa ein Drittel des Fernverkehrstarifs. Zudem dauert die Fahrt gleich lang wie mit den Zügen des Fernverkehrs und bietet vor allem für Reisende mit Gepäck mehr Komfort. In Italien können die Züge von TILO mit Fahrausweisen des lombardischen Verkehrsverbundes benutzt werden.
Das qualitativ hochstehende und laufend erweiterte Angebot von TILO hat sich in einer stürmischen Entwicklung der Fahrgastzahlen niedergeschlagen. Seit der Gründung hat sich die Anzahl der Reisenden mehr als verdreifacht. In den Statistiken erkennt man im August die Auswirkungen von Ferragosto, der landesweiten Ferienperiode in Italien.
Differenzierte Entwicklung der Nachfrage bei TILO in den letzten zehn Jahren.Entwicklung der Nachfrage bei TILO im Verlauf von 2022 und 2023.
TILO ist weit mehr als eine Pendler- und Schülerbahn. Die Züge werden im innerschweizerischen Verkehr mit steigender Tendenz auch an den Wochenenden benutzt.
Entwicklung der Personenfahrten (PF) von TILO an Werktagen und Wochenenden.
Das Angebot von TILO soll auch in den kommenden Jahren weiter ausgebaut werden. Endlich vorgesehen ist, dass mit einer neuen S-Bahn Linie S50 die heute viel zu lange Reisezeit von Lugano nach Malpensa spürbar verkürzt wird. Meines Erachtens wäre es besser, die heute nur bis Chiasso fahrenden Züge der S80 ab Mendrisio nach Malpensa umzuleiten und auf die S50 zu verzichten.
Eher skeptisch beurteile ich persönlich die Absicht, Züge aus der Schweiz über Molteno nach Lecco zu führen. Die vor einigen Jahren wieder eröffnete Regionalbahnstrecke ist zurzeit nicht elektrifiziert. Heute wird diese Relation von Como San Giovanni aus weitgehend mit dieselbetriebenen GTW der Firma Stadler Rail bedient.
Eigenheiten im grenzüberschreitenden Verkehr als grosse Herausforderungen wurden von TILO bis dato gut gemeistert. Ungelöst ist das Problem der für die italienische Passagiere viel zu teuren Fahrausweise für die relativ kurze Fahrt mit der direkten S40 von Como San Giovanni über Mendrisio nach Varese von CHF 8.70. Aus meiner Sicht bei Weitem kein marktfähiges Angebot.
Erfahrungen von TILO beim grenzüberschreitenden Verkehr mit Italien.
Christoph Kölble schliesst sein Referat mit einem Überblick über die Erfolgsfaktoren im grenzüberschreitenden Regionalverkehr.
Erfolgsfaktoren bei TILO für den grenzüberschreitenden Verkehr und die Kooperation mit den italienischen Partnern.
Railtour Suisse
René Böhlen, Head of Marketing von Railtour Suisse, schildert die Entwicklungen und die Erfahrungen von Railtour in der Sommersaison 2024 und stellt Forderungen an die Bahnen für 2025. Gemeinsam mit Partnerbahnen, Hotels und Veranstaltern fördert Railtour die nachhaltige Ferienmobilität in Europa.
Ein einzigartiges Buchungssystem ermöglicht Railtour eine Vielzahl von Vertriebskanälen zu nutzen und Kunden Paketlösungen anzubieten. Railtour ist spezialisiert auf Städtereisen in Europa und bietet darüber hinaus weltweite Bahnerlebnisse an. Die Kunden von Railtour profitieren von über 50 Jahre Erfahrung und geniessen eine optimale Betreuung vor und während der Reise.
Railtour verfügt über ein dichtes und bewährtes Netzwerk mit Bahnen, Tourismusorganisationen und ausgesuchten Regionen.
Partner von Railtour.
In den letzten Jahren hat Railtour von der steigenden Beliebtheit der Bahnreisen ins Ausland profitiert. Auch gegenüber dem Luftverkehr ist Railtour konkurrenzfähig. 2022 war die Anzahl Reisen mit der Bahn und mit dem Flugzeug etwa gleich hoch. Dennoch sind Reisen mit dem MIV – jedoch mit sinkendem Anteil – immer noch weitaus häufiger.
Modalsplit bei den Reisen von der Schweiz ins Ausland.
Was schon gut ist, kann immer noch besser werden, wie die Forderungen von Railtour an die Bahnen zeigen. Ein grosses Problem besteht darin, dass die Buchungsfristen von Angeboten von Railtour länger sind als diejenigen der Bahnen. Das führt dazu, dass Pauschalreisen angeboten werden müssen, hinter denen noch keine verbindlichen Reservationen der Bahnreisen stehen. Das ist für Railtour mit einem beträchtlichen Überwachungsaufwand und mit Risiken verbunden.
Forderungen von Railtour an die Partnerbahnen.
Ein weiteres Potential für seine Angebote sieht Railtour in einer generellen Förderung der Freizeitmobilität ins Ausland, im Besonderen durch die nachgenannten Massnahmen.
Massnahmen für die Förderung der umweltfreundlichen Auslandreisen per Bahn.
Simple Train
Marius Portmann, CEO, und Saskia Biland von Simple Train präsentieren ihr 2019 als einfache Buchungsplattform gegründetes Unternehmen. Gefördert wurde das Startup mit Mitteln aus dem Migros-Pionierfonds. Heute beschäftigt das auf die Vermittlung von internationalen Zugreisen ausgerichtete Unternehmen sieben Mitarbeitende.
Am 13. Januar 2025 wurden Simple Train und zwei weitere Organisationen durch den Zürcher Kantonsrat mit dem Förderpreis des Kantons Zürich ausgezeichnet. Beworben hatten sich 102 Organisationen, von denen acht in die engere Auswahl gelangten.
Saskia Biland orientiert mit folgender Graphik über die Kennzahlen 2024 von Simple Train. Simple Train verfügt über eine hohe Expertise über das europäische Bahnsystem und unterhält Partnerschaften mit Agenturen,
Reisen können entweder direkt über die leistungsfähige Website von Simple Train oder telefonisch gebucht werden. Für die Vermittlung der Reisen erhebt Simple Train eine Kommission zwischen vier und 18 Prozent.
Kennzahlen 2024 von Simple Train.
In den ersten drei Quartalen 2024 setzte Simple Train CHF 1.95 Mio. um. Hochgerechnet auf das ganze Jahr schätze ich den Umsatz auf CHF 2.80 Mio. Mit einer geschätzten durchschnittlichen Marge von zwölf Prozent dürfte ein Bruttoertrag von etwa CHF 340’000.- resultieren. Das zeigt, dass bei Simple Train viel Enthusiasmus und Herzblut vorhanden sind.
Schweiz Tourismus – Erwartungen an Bahnpartner und Perspektiven
Luciano Giordani, Head of Touring Tourism von Schweiz Tourismus, präsentiert sein Unternehmen. Schweiz Tourismus blickt auf eine über hundertjährige Vergangenheit zurück. 1996 wurde die Schweizerische Verkehrszentrale (SVZ) in Schweiz Tourismus umbenannt. Die Organisation steht unter der Aufsicht des Bundesrates und wird zur Hälfte aus den Mitteln des Bundes finanziert. Den Rest steuern Tourismusverbände und Ditte bei. Das Unternehmen mit Sitz in Zürich beschäftigt 240 Mitarbeitende und ist in 27 Ländern präsent.
Schweiz Tourismus verfügt über detaillierte Statistiken über den Tourismus in der Schweiz. Luciano Giordani präsentiert daraus ein paar interessante Fakten über die Herkunft und das Reiseverhalten der Touristen in der Schweiz.
Gemäss Wikipedia wurden 2023 in der Schweiz rund 23.3 Mio. Touristen gezählt, die für knapp 56 Millionen Übernachtungen sorgten – beide Werte stiegen das zweite Jahr in Folge deutlich an und erreichten damit fast wieder das Niveau vor Corona. Der Anteil der ausländischen Gäste lag bei 50.1 Prozent.
Wichtigste Herkunftsländer der ausländischen Touristen in der Schweiz.
Etwa ein Fünftel der ausländischen Touristen reisten mit der Bahn an. Mit je rund 35 Prozent erfolgten die Anreisen mit dem Flugzeug oder dem Auto.
Modalsplit der Reisen der ausländischen Gäste in die Schweiz.Charakteristika der mit der Bahn aus dem Ausland anreisenden Touristen in die Schweiz.
Der Verkehr ist für rund ein Viertel der touristischen Wertschöpfung in der Schweiz verantwortlich. Bei der An- und der Rückreise entfällt jedoch knapp die Hälfte davon auf den Luftverkehr. Bedeutend höher jedoch ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs an den innerschweizerischen Reisen der Touristen – wohl nicht zuletzt wegen den weltberühmten Fernzügen auf dem Meterspurnetz und dem dichten Netz an Bergbahnen. Erfreulich ist, dass die Bahngesellschaften im umliegenden Europa, so vor allem die DB, bestrebt sind, mehr Touristen in die Schweiz zu befördern.
Bruttowertschöpfung des Tourismus in der Schweiz nach Produkten im Jahr 2017.
Schweiz Tourismus ist bestrebt, die lokalen und saisonalen Spitzen in den Tourismusdestinationen zu glätten, und hat diesbezüglich einiges erreicht. So nimmt die Nutzungsdauer des Swiss Travel-Passes seit einigen Jahren kontinuierlich zu.
Entwicklung der Nutzungsdauer des Swiss Travel Pass als Indikator für die Dauer des Aufenthalts.
Zeitersparnispotentiale durch eine kontinentale Fahrplanoptimierung der IPV-Korridore in Europa
Matthias Garcia, Doktorand an der ETH Zürich, hat eine beeindruckende Analyse vorgelegt, welche das grosse Potential für Fahrzeitverkürzungen durch eine bessere Abstimmung der Fahrpläne im internationalen Personenverkehr Europas zeigt. Die Arbeit wurde am 18. September 2024 mit dem renommierten Prix Litra 2024 ausgezeichnet.
Matthias Garcia hat aus den Fahrplänen aller europäischen Eisenbahngesellschaften eine umfangreiche Datenbasis über den internationalen Personenverkehr erarbeitet. Darauf ausbauend wurden die möglichen Fahrzeitverkürzungen errechnet, die sich durch die Verkürzung der Aufenthaltszeiten beim Grenzüberschritt ergeben würden.
Die Ergebnisse dieser Analyse zeigen, dass der Nutzen der verhältnismässig günstigen Fahrplanoptimierung höher ist als die Zeitersparnis durch den teuren Bau von nationalen Hochgeschwindigkeitsstrecken.
Kosten und Nutzen der Optimierungsansätze (Fahrpläne und Bau von HG-Strecken).
Anhand von Schaubildern zeigt Matthias Garcia den Nutzen des Ausbaus des Hochgeschwindigkeitsnetzes, der Fahrplanoptimierung und der kombinierten Anwendung beider Massnahmen.
Grafische Modellierung des Nutzens der Optimierungsansätze.
Für mich nicht erkennbar war, wie weit die Kosten der Anpassungen der nationalen Fahrpläne für die Verkürzung von grenzüberschreitenden Zugreisen, die gelegentlich zeitaufwendigen Formalitäten beim Grenzübertritt oder bauliche Massnahmen für rasches Umsteigen berücksichtigt wurden. Die in englischer Sprache vorliegende Arbeit kann bei mir bestellt werden.
Twiliner – komfortable Nachtbusse als Ergänzung zu Nachtzügen
Luca Bortolani, Mitgründer und CEO von Twiliner, präsentiert sein Unternehmen und das Angebot. Twiliner ist ein junges und aus verschiedenen Quellen finanziertes Startup. Mit komfortablen und modernen Nachtbussen will Twiliner eine Alternative zu den Nachtzügen bieten.
In diesem Jahr soll der Verkehr auf einer Testverbindung zwischen Amsterdam und Barcelona aufgenommen werden. Der Fahrpreis pro Weg ist gestaffelt und beträgt mindestens CHF 180.-. Ab 2027 soll das Netz ausgebaut werden.
Ab 2027 angestrebtes Streckennetz von Twiliner.
Twiliner verfügt über keine eigenen Fahrzeuge. Die Busse werden vom luxemburgischen Carunternehmen Emile Weber und vom belgischen Carbetreiber Staf Cars betrieben. Der für den Pilotbetrieb bereitstehende Bus verfügt über 21 Schlafsitze und eine geräumige Toilette. Duschen ist nicht möglich.
Luca Bortolani kritisiert die steuerliche Begünstigung des Flugpetrols in der Schweiz. Durch die Befreiung von der MWST und die fehlende Unterstellung unter den Treibstoffzoll entgehen der Schweiz jährlich je etwa CHF 1.3 Mia. Die Nachtbusse von Twiliner weisen bei Vollbesetzung im Vergleich zur Eisenbahn eine überraschend günstige CO2-Bilanz pro Personenkilometer aus.
Anfall von Treibhausgasen bei Twiliner im Vergleich mit anderen Verkehrsmitteln.
Mit Twiliner vergleichbare Angebote existieren weltweit in mehreren Ländern. Interessant wird sein, wie Flixbus als mächtiger Anbieter von in der Nacht verkehrenden Bussen auf das Angebot von Twiliner reagieren wird. Twiliner erwägt bis auf weiteres keine Tagbusse.
European Sleeper: Starting up a Night Train
Rob Gelissen, Operations Manager von European Sleeper, ist leider unabkömmlich. Kurt Metz hat sich mit ihm abgesprochen und präsentiert an der Stelle von Rob Gelissen das Unternehmen European Sleeper.
European Sleeper wurde am 14. Januar 2021 in Utrecht als belgisch-niederländische Genossenschaft für den Nachzugverkehr gegründet. Der erste Nachtzug verkehrte am 25. Mai 2023 zwischen Berlin und Brüssel. Seit 2024 fährt ein Teil des Zuges weiter nach Prag. Kürzlich wurde eine saisonale Verbindung zwischen Brüssel und Venedig eingerichtet. Weitere Strecken sind geplant.
Vorteile des Nachtzugverkehrs aus der Sicht von European Sleeper.Kennzahlen 2024 von European Sleeper.
Der Nachtzug von Berlin nach Brüssel fährt während dem ganzen Jahr dreimal pro Woche. Der auf Wintersportler ausgerichtete zweite Zug von Brüssel nach Venedig verkehrt von Januar bis Februar zweimal pro Woche.
Wie einleitend geschrieben, ist European Sleeper eine Genossenschaft. Man kann sich ab EUR 2’500.- an der Genossenschaft beteiligen und profitiert als Genossenschafter von Vergünstigungen.
Angeboten werden Sitz-, Liege- und Schlafwagen. Am 18. Januar 2025 lagen die Preise für eine Fahrt von Brüssel nach Berlin für Reisen am 20. Januar 2025 je nach Wagenklasse zwischen EUR 59.- und EUR 179.-, was vergleichsweise günstig ist.
Nachstehend zwei Schaubilder a) zu den betrieblichen Herausforderungen und b) zu den finanziellen Herausforderungen.
Betriebliche Herausforderungen für European Sleeper.Ökonomische Herausforderungen für European Sleeper.
Für die mittelfristige und langfristige Zukunft hat sich European Sleeper eine klare Marschrichtung und ehrgeizige Ziele gesteckt.
Visionen und langfristige Ausrichtung von European Sleeper.
Abschliessende Bemerkungen
Wiederum eine intensive und gehaltvolle Fachtagung von Kurt Metz. Dafür danke ich ihm und den Referenten bestens. Die Schaubilder in diesem Bericht wurden den präsentierten Unterlagen entnommen, und das Bannerbild der Website der SBB. Auch dafür besten Dank.
Dieser Bericht wurde mit grosser Sorgfalt erarbeitet. Dennoch kann keine absolute Richtigkeit garantiert werden. Zudem wurden aktuelle Informationen und solche aus dem Internet sowie von einer früheren Fachtagung eingearbeitet.
Kurz vor dem Jahresende trafen sich die Mitglieder des Vereins SwissRailvolution am 17. Dezember 2024 in Bern zur Generalversammlung 2024. Im Anschluss an die Generalversammlung fand das mit grosser Spannung erwartete Referat von Christa Hostettler über die «Perspektive Bahn 2050 und deren räumliche Konkretisierung» statt. Christa Hostettler hat am 1. August 2024 von Dr. Peter Füglistaler die Leitung des Bundesamts für Verkehr (BAV) übernommen.
Mehr über die Generalversammlung 2024 von SwissRailvolution und das Referat von Christa Hostettler in diesem Bericht.
Generalversammlung 2024 von SwissRailvolution
Filippo Lombardi, Präsident von SwissRailvolution, eröffnete um 13.00 Uhr die Generalversammlung. Nach der Ankündigung seines Rücktritts und der Vorstellung von Nationalrat Alex Farinelli als Kandidat für seine Nachfolge nimmt Filippo Lombardi eine Lagebeurteilung vor und erläutert die Visionen von SwissRailvolution. Er bemängelt die Verschlechterungen des Personenverkehrs durch das Fahrplankonzept 2025 und das Fehlen eines weitsichtigen Konzepts für den Ausbau des schweizerischen Eisenbahnnetzes. So habe beispielsweise der Unfall im Gotthardbasistunnel die Notwendigkeit von leistungsfähigen Alternativrouten offengelegt.
Im Anschluss an seine Ausführungen übergab Filippo Lombardi das Wort seinem designierten Nachfolger, Nationalrat Alex Farinelli. Alex Farinelli ist Mitglied der FDP und vertritt den Kanton Tessin seit 2019 im Nationalrat.
Alex Farinelli bedankt sich für den freundlichen Empfang und erläutert seine Sicht der Dinge. Er befürchtet zukünftige Engpässe bei der schweizerischen Verkehrsinfrastruktur. Das Land habe keine Visionen für die Beseitigung der sich abzeichnenden Engpässe. Dabei nimmt die Mobilität in unserem Leben eine zentrale Rolle ein. Der Bahninfrastrukturfonds (BIV) sei zwar gut dotiert, entwickle sich aber zunehmend zu einem Selbstbedienungsladen auch für nachgelagerte Vorhaben. Eine effizientere Allokation der Mittel sei unerlässlich.
Tobias Imobersteg, Generalsekretär von SwissRailvolution, tritt in seinem Bericht vertieft auf die von seinen Vorrednern geschilderten Probleme ein und nimmt dabei Bezug auf die kritischen Aussagen von namhaften Vertretern aus der Eisenbahnbranche und der Politik.
Im Anschluss an die spannenden Referate werden die geschäftlichen Traktanden speditiv und diskussionslos abgewickelt. Die finanzielle Lage von SwissRailvolution hat sich dank einem Überschuss in der Vereinsrechnung 2023 von rund CHF 5’260.- entspannt. Die abgestuften Mitgliederbeiträge werden nicht erhöht, und das Budget für 2025 sieht einen Überschuss von CHF 3’460.- vor.
Im letzten Traktandum wird Nationalrat Alex Farinelli einstimmig zum neuen Präsidenten von SwissRailvolution gewählt. Der scheidende Präsident, Filippo Lombardi, wird mit einem herzlichen Applaus unter Verdankung seiner grossen Verdienste für SwissRailvolution, aus seinem Amt verabschiedet.
In der kurzen Pause verteilt Prof. Remigio Ratti das vom Komitee «Pro Gottardo» verfasste «Memorial 2024». In diesem sechsseitigen Dokument verlangt das Komitee die Fertigstellung der Bahn-Alpentransversale durch den Gotthard. Das «Memorial 2024» steht über diesen Link zur Verfügung: Memorial
Perspektive Bahn 2050: Räumliche Konkretisierung
Nach dem Ende der Generalversammlung 2024 wird Christa Hostettler, Direktorin des BAV seit dem 1. August 2024, mit einem Applaus willkommen geheissen. Christa Hostettler wird von Marionna Lutz, Leiterin der Sektion Planung in der Abteilung Infrastruktur des BAV, begleitet.
Organigramm des Bundesamtes für Verkehr BAV (Quelle: Website des Bundes).
Christa Hostettler bedankt sich für den freundlichen Empfang und führt aus, dass das Schwergewicht ihrer Einarbeitungsphase bei der Konsolidierung des Angebotskonzepts 2035 (AK 35) und beim weiteren Vorgehen beim Bahnausbau liegt. Sie erläutert, dass die kürzlich kommunizierten Mehrkosten für das AK 35 von CHF 14 Milliarden auch aus Sicht des Bundes sehr hoch sind und nun eine Überprüfung erfolgen wird. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die SBB für einen pünktlichen und robusten Betrieb des AK 35 zahlreiche zusätzliche Infrastrukturen benötige.
Nach dieser kurzen Einleitung übergibt Christa Hostettler das Wort an Marionna Lutz für die Präsentation der Perspektive Bahn 2050 und deren räumliche Konkretisierung.
Marionna Lutz betont, dass es sich bei dem mit der Perspektive Bahn 2050 gewählten Ansatz um einen eigentlichen Paradigmenwechsel bei der Ausbauplanung des schweizerischen Eisenbahnnetzes handelt. Die Perspektive Bahn 2050 basiert auf den Bundesstrategien 2050 zu Klima, Energie und Raumplanung, und wurde mit den wichtigsten Stakeholdern erarbeitet.
Um zu ermitteln, wo ein Verlagerungspotenzial besteht, wurde der Fokus der Analyse auf den motorisierten Individualverkehr (MIV) gelegt. Dabei zeigte sich, dass auf den kurzen und mittleren Distanzen bis zu 50 Kilometern sowohl die Anzahl der Fahrten wie auch die Verkehrsleistung im MIV höher sind als im öffentlichen Verkehr. Reisen von Distanzen über 50 Kilometer erfolgen schon heute knapp zur Hälfte mit öffentlichen Verkehrsmitteln, hier ist demnach das Verlagerungspotenzial nicht mehr gross.
Modal Split in Abhängigkeit von der Distanz (Diese Grafik und alle weiteren in diesem Bericht wurden mit dem besten Dank den Präsentationsunterlagen von Marionna Lutz entnommen).
In Agglomerationen finden die Fahrten mit dem MIV zum grossen Teil über kürzere und mittellange Distanzen statt.
Dichte des MIV.Anzahl der Fahrten nach Distanzen.
Für den internationalen Personenverkehr auf der Schiene wird ein erhebliches Verlagerungspotential prognostiziert. Man erwartet bis 2050 eine Verdoppelung.
Potential des internationalen Personenverkehrs nach Destinationen.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn, so Marionna Lutz, kann auf einigen Relationen durch kürzere Reisezeiten bzw. höhere Geschwindigkeiten verbessert werden.
Relationen mit Potential für Fahrzeitverkürzungen.Relationen des langläufigen Verkehrs.Relationen des Städtenetzes.
Das bedeutende Verlagerungspotential von der Strasse auf den öffentlichen Verkehr für kurze und mittlere Fahrten soll in den Metropolitanräumen durch den periurbanen und urbanen Verkehr ausgeschöpft werden, und zwar durch eine intensivere Abstimmung zwischen der Raum- und der Verkehrsplanung sowohl auf regionaler als auch auf nationaler Ebene. Zur Erreichung dieses Ziels können schienengebundene öffentliche Verkehrsmittel (Eisenbahn und Trams) und Autobusse eingesetzt werden.
Beispiel von Räumen mit grossem Potential für die Verkehrsverlagerung.Beispiel einer regionalen Raumplanung.Raumplanung auf nationaler Ebene.
Die Verkehrsverlagerung beschränkt sich aber nicht nur auf den Personenverkehr, sondern wird auch beim Güterverkehr angestrebt. Der Strassengüterverkehr konzentriert sich heute auf Fahrten zwischen grossen Zentren und – besonders – auf Transporte zwischen Basel, Bern, Zürich und dem Raum St. Margrethen.
Dichte des Strassengüterverkehrs.
Die Strasse soll mit neuen und einfach zugänglichen Umschlagsplattformen für den Güterumschlag vom Strassengüterverkehr entlastet werden. Diese Umschlagsplattformen sollen mit einem leistungsfähigen Bahnnetz verbunden werden. (Anmerkung des Verfassers: Keine Erwähnung findet der Einsatz von geeignetem Rollmaterial.)
Geplante Umschlagsplattformen (Terminals).Anbindung der Umschlagsplattformen an das Schienennetz.
Marionna Lutz fasst den Inhalt ihrer Ausführungen abschliessend mit diesem Schaubild zusammen.
Zentrale Aspekte der Präsentation.
Diskussion und Fragen
Die Ausführungen von Marionna Lutz werden gemischt aufgenommen. Unter anderem wird beanstandet, dass zu wenig Bezug auf konkrete und dringende Probleme genommen wird, so beispielsweise auf die enorme Zunahme der Fahrgastzahlen im Bahnhof Winterthur. Zudem wird befürchtet, dass die Notwendigkeit von Hochgeschwindigkeitsstrecken und des «Verkehrskreuzes Schweiz» verkannt wird. Ein Votant vermisst ein Gesamtkonzept für den Ausbau der schweizerischen Eisenbahninfrastruktur.
In Anbetracht der Klimaerwärmung wird die mit den Massnahmen angestrebte Erhöhung des Modalsplits des öffentlichen Verkehrs um drei Prozentpunkte als unzureichend taxiert. Marionna Lutz entgegnet, dass zur Erreichung des Klimaziels die Verlagerung allein nicht ausreichen wird, sondern eine Kombination aus Elektrifizierung des Strassenverkehrs, höherer Auslastung der Verkehrsmittel und einer Verlagerung auf den öffentlichen Verkehr nötig sind. Die drei Prozentpunkte Verlagerung entsprechen für den öffentlichen Verkehr bereits einem sehr grossen zusätzlichen Verkehrsvolumen, das von ihm aufgenommen werden muss.
Ein Votant beharrt und fragt, mit welchen Massnahmen die Attraktivität des MIV reduziert werden könnte.
Leider findet die kurze und intensive Diskussionsrunde einen viel zu schnellen Abschluss.
Kommentar
Viele Aussagen der «Perspektive Bahn 2050» sind vage. Zusammenfassend werte ich die positiven Aspekte aber bedeutend höher. Dazu Folgendes:
Mit Genugtuung stelle ich fest, dass implizit eine gesamtheitliche und verkehrsträgerübergreifende Sicht auf unser Verkehrssystem erfolgt. Ich verstehe die Aussage, dass «Um das Verlagerungspotential auf die Bahn zu eruieren, ist der Fokus auf den Strassenverkehr zu legen» als Paradigmenwechsel bei der Planung des Ausbaus des Schienennetzes der Schweiz.
Ein neuer Ansatz ……
Ich erinnere mich an die Gesamtverkehrskonzeption 1975, bei der eine breit abgestützte Kommission ein Konzept für das gesamte Verkehrssystem der Schweiz erarbeitet hatte. Bemerkenswert dabei war, dass der Lead bei der Legislative lag und die Verwaltung sowie weitere Kreise und die Öffentlichkeit unterstützend mitwirkten.
Erfreulich ist auch der Sachverhalt, dass der Fokus auf den regionalen und kommunalen Verkehr in den Metropolitanräumen gelegt wird. Meines Erachtens sind die Infrastrukturen des öffentlichen Verkehrs in den Zentren von grossen Schweizer Städten wie Basel, Bern und Zürich bei weitem nicht mehr zeitgemäss. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis reift und durch die Perspektive Bahn 2050 ins Bewusstsein der Öffentlichkeit tritt.
Positiv zu werten ist auch ein vermuteter Paradigmenwechsel für eine stärkere Ausrichtung auf die Nachfrage und nicht auf das Angebot. Auswüchse des in seiner Gesamtheit unbestritten positiven Konzepts der Taktfahrpläne sind aus ökologischer und ökonomischer Sicht zu eliminieren. Die Erfolgsfaktoren des Taktfahrplans sollten nicht unbesehen für den Aufbau des nationalen Schnellverkehrs zwischen den Metropolitanräumen übernommen werden.
Unklarheiten bestehen meines Erachtens auch beim internationalen Personenverkehr. Der Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz setzt ein paar wenige nationale Schnellfahrstrecken voraus. Und statt nebulöse Direktzüge nach Grossbritannien zu postulieren, sollte das Zugangebot nach Städten wie Lyon, Dijon oder Strassburg durch Direktzüge aus der Schweiz ausgebaut werden. Die Komplexität von Direktzügen aus der Schweiz nach Grossbritannien ist enorm. Man denke etwa an die unterschiedlichen technischen Normen sowie die Sicherheitsvorschriften und die Einreiseformalitäten.
Und statt gebetsmühlenartig den Anschluss der Schweiz an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz zu fordern, wären Überlegungen anzustellen, welchen Beitrag wir an ein europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz leisten könnten. Ich denke dabei etwa an die Relation zwischen Frankfurt und Mailand. Die Luftlinie zwischen diesen beiden Grossstädten beträgt rund 520 Kilometer. Reisezeiten des von der SBB betriebenen einzigen Zugpaares zwischen Frankfurt und Mailand von siebeneinhalb Stunden sind kein vernünftiges Angebot. (Zum Vergleich: Die Luftlinie zwischen Paris und Bordeaux beträgt 499.2 Kilometer, und die schnellsten Züge bewältigen die Fahrt zwischen diesen Zentren in 2 Stunden und 3 Minuten).
Im Rahmen einer Erkundungsreise auf den Mont Vully reiste ich per Bahn nach Sugiez an. Die gepflegte Ortschaft liegt am nördlichen Ufer des Murtensees und am Fuss des Mont Vully. Sugiez gehört mit weiteren Ortschaften zur weit verstreuten Gemeinde Mont-Vully und zählte Ende 2019 4’052 Einwohner.
Der Bahnhof liegt an der Eisenbahnlinie der TPF zwischen Murten und Ins und wird von halbstündlich verkehrenden Regionalzügen bedient. Auf dem Bahnhof kreuzen sich gemäss dem aktuellen Fahrplan keine Züge. Zudem liegt Sugiez an der Buslinie Nr. 530 der TPF zwischen Lugnorre und Kerzers. An Werktagen besteht zwischen Sugiez und Lugnorre von 06.15 Uhr bis 19.15 Uhr Stundentakt. Von Sugiez nach Kerzers beschränkt sich das Busangebot an Werktagen auf sechs Verbindungen. An Samstagen und Sonntagen ist das Busangebot ausgedünnt.
Zum Bahnhof
Der Umbau des Bahnhofs war am 11. Dezember 2024 noch im Gang. Die Arbeiten an den Publikumsanlagen waren weit fortgeschritten und hinterliessen einen vorzüglichen, ja luxuriösen Eindruck. Die Qualität der Ausführung war erstklassig. Mehr dazu auf den nachstehenden kurz kommentierten Bildern.
Lage von Sugiez (Der Auszug wurde mit bestem Dank an den Verlag dem Eisenbahnatlas Schweiz von Schweers+Wall entnommen).Bestehendes Bahnhofgebäude von Sugiez, aufgenommen von dem sich im Bau befindenden grosszügigen Parkplatz. Die Nutzung des Gebäudes ist uns nicht bekannt.Blick von der Strassenseite auf den Hausperron. Auch hier sind die Bauarbeiten (Deckbelag, Absperrung) noch nicht abgeschlossen. Man beachte die repräsentative Wartehalle.Blick auf den Hausperron vom Bahnsteig 2. Man beachte, dass auf dem Bahnhof von Sugiez bis auf Weiteres keine Züge kreuzen.Repräsentative Wartehalle.Blick in die Wartehalle. Man beachte den Bodenbelag mit Natursteinplatten und die aufwendige und teure Sitzbank. Die Reinigung des Bodens unter der Bodenplatte der Sitzbank ist aufwendig.Sitzbank vom gleichen Typ vor der Wartehalle. Sie kann weder verschoben noch gestohlen werden. Man sieht deutlich, dass der Feinbelag auf dem Boden noch nicht aufgetragen ist.Überbreit disponierter Treppenabgang in die Unterführung. Die Stufen sind mit Natursteinplatten belegt.Blick in die Unterführung. Auch der Boden im Bereich der Unterführung ist mit Natursteinplatten belegt. Die Abwasserrinne ist mit rostfreiem Gittern abgedeckt. Die Seitenwände sind wie diejenigen der Rampe und des Aufgangs perfekt ausgeführt und mit einer schützenden Lasur gestrichen. Die Decke ist mit Schallschutzelementen verkleidet. Und die Kennzeichnung des Geleises ist eine Augenweide – gleichzeitig aber aufwendig und teuer.Auch das schmucke Dienstgebäude ordnet sich nahtlos in die repräsentative und teure Umgebung ein.
Kommentar
Kein Zweifel – der Bahnhof von Sugiez ist eine Augenweide. Er entspricht dem aufwendigen und sündhaft teuren Standard, den die TPF unter anderem bei den Bahnhöfen im Greyerzerland angewendet hat. Als Bewohner im Metropolitanraum Zürich bleibt nur noch leeres Schlucken. Man vergleiche beispielsweise den Bahnhof von Sugiez mit dem bedeutenderen Bahnhof von Koblenz, einer trostlosen und eher abweisenden Struktur. Nackter Beton, Treppen aus Beton und ohne jeglichen Schmuck.
Der Bahnhof von Sugiez steht aber auch für das von uns beobachtete Phänomen, dass bei den sogenannten und meist kantonalen Privatbahnen Geld keine Rolle zu spielen scheint, während bei den SBB Schmalhans herrscht und oft nur das unbedingt Notwendige realisiert werden kann. Für uns stellt sich zudem die Frage, ob und wie weit das UVEK und das Bundesamt für Verkehr (BAV) überhaupt eine faire und angemessene Zuteilung der Mittel des BIF gewährleisten können. Die teilweise missbräuchliche Verwendung der Mittel des Kredits für den Anschluss der Schweiz an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz steht mahnend im Raum.
Unsere Kritik gilt insbesondere auch der offensichtlich beschlossenen und fast CHF 100 Millionen teuren Talbrücke bei Romont auf der Strecke über Bulle nach Broc. Vor allem, wenn man bedenkt, dass auf der national bedeutenden Verbindung von Zürich nach Chur auf dem musealen und knapp einen Kilometer langen Einspurabschnitt zwischen Mühlehorn und Tiefenwinkel mit höchstens 75 km/h gefahren werden kann.
Sylvain Meillasson, Mitglied des Vorstandes der Bahnjournalisten Schweiz, veranstaltete vom 16. bis zum 17. Oktober 2024 unter dem Titel «Schweizerisches Fachwissen für die Bahn!» eine intensive und hoch interessante Studienreise in die Westschweiz und nach Savoyen.
Im Mittelpunkt der Reise standen a) der Besuch der Firma Matisa Matériel Industriel SA in Crissier, b) drei Referate in den Geschäftsräumen der Industrie- und Handelskammer Frankreich-Schweiz in Chêne-Bourg bei Genf, c) ein Vortrag in Chambéry der Gesellschaft zum Bau des Mont-Cenis-Basistunnels (TELT) und d) vier Präsentationen von Teilprojekten des Mont-Cenis-Basistunnels sowie e) die Besichtigung der Tunnelbaustelle von Implenia SA in St-Jean-de-Maurienne.
Bereichert wurde die Studienreise durch die Besichtigung des Museums der «Association pour la Préservation du Matériel Ferroviaire Savoyard» (APMFS) in Chambéry und das Abendessen in der eindrücklichen und noch rege benutzen imposanten Rotonde.
In diesem Beitrag berichten wir zusammenfassend über die Studienreise und die Vorträge. Im Anschluss an diese Zusammenfassung treten wir in den kommenden Wochen in einzelnen Beiträgen vertieft auf Höhepunkte der Studienreise ein.
Matisa Matériel Industriel SA in Crissier (Matisa)
Um 09.00 Uhr begrüsst uns Dr. Simone Amorosi, Direktor Produkte von Matisa, zur Vorstellung seiner Firma.
Logo der Firma Matisa.
Matisa hat sich seit der Gründung vor 75 Jahren zu einem bedeutenden international tätigen Industrieunternehmen im Bahnbereich entwickelt. Matisa beschäftigt heute über 550 Mitarbeitende und unterhält weltweit acht Niederlassungen. Am Sitz des Unternehmens in Crissier arbeiten 180 Mitarbeitende.
Matisa im Überblick.
Gleisbearbeitungs- und Stopfmaschinen von Matisa werden weltweit eingesetzt und zählen dank ihrer Funktionalität und ihrer Qualität zu den weltbesten ihrer Art. Sogar das in der Region ansässige und artverwandte Unternehmen Scheuchzer SA setzt neben eigenen Produkten Maschinen von Matisa ein.
Die Anforderungen an die Infrastruktur im Allgemeinen und an die Geleise im Speziellen sind durch den immer dichteren Verkehr und die höheren Geschwindigkeiten stark gestiegen. Zudem sind die Zeitfenster für die Wartung und den Unterhalt der Geleise kürzer geworden. Oft betragen sie nur noch wenige Stunden. Das erfordert hoch leistungsfähige Maschinen und ein effizientes Management der Arbeiten.
Matisa verfügt über eine breite Produktpalette. Im Vordergrund stehen a) Maschinen für das Stopfen und Justieren der Geleise, b) Maschinen für den Bau und die Erneuerung der Geleise sowie c) Maschinen für die Erneuerung und den Ersatz des Schotters. Das Angebot wird ergänzt durch weitere Produkte. Hervorzuheben ist das Meteor-System für die systematische Analyse und die Unterhaltsplanung von Geleisen und Unterbau.
Produktepalette von Matisa.
Mit ihren Maschinen leistet Matisa einen wichtigen Beitrag an den umweltschonenden Umgang mit den Ressourcen. So hat Matisa eine Maschine entwickelt, welche den Schotter unter den Geleisen entfernt, reinigt, schlechte Schottersteine erkennt und ersetzt und den so aufbereiteten Schotter wieder unter den Schienen platziert. Zudem legen die Konstrukteure von Matisa grossen Wert auf die einfache Wartung ihrer Maschinen. Herausfordernd ist zudem die Anpassung der Maschinen an die unterschiedlichen nationalen Normen der Abnehmer.
Matisa bietet ihren Kunden auch Unterhalts- und Serviceverträge an. Das gewährleistet eine hohe Verfügbarkeit und ist eine wichtige Informationsquelle für die laufende Weiterentwicklung der Maschinen. Daneben steht Matisa im ständigen Kontakt mit Hochschulen.
Auf einem kurzen Rundgang durch das Betriebsgelände präsentieren uns Dr. Simone Amorosi und sein Team eine für eine bedeutende nordamerikanische Eisenbahngesellschaft bestimmte Maschine für die Erneuerung der Geleise. Die Schlussmontage der beeindruckenden und über hundert Meter langen Maschine ist im Gang. Der Preis ist geheim, soll aber über CHF 100 Mio. betragen. Da in den USA keine entsprechenden Maschinen produziert werden und mehrere Bestandteile der präsentierten Maschine ohnehin amerikanischen Ursprungs sind – unter anderem das Stromaggregat – unterliegt die Maschine keinen Einfuhrbeschränkungen.
Schematischer Überblick über die grossen Systeme von Matisa für die Gleiserneuerung.Teilaufnahme der für den nordamerikanischen Markt bestimmten Gleiserneuerungsmaschine.Gleiserneuerungsmaschine an der Arbeit (Bildquelle Matisa).
Nach gut einer Stunde schliesst Sylvain Meillasson den interessanten Besuch ab und bedankt sich für die Gastfreundschaft und die uns gewidmete Aufmerksamkeit.
Und so begann es. Stopfmaschine aus den Anfängen von Matisa.
Nach einer kurzen Busfahrt bietet sich vor der Weiterfahrt nach Genf die Möglichkeit zu einem kurzen Augenschein im prächtigen Bahnhof von Renens.
Blick aus der Passerelle im Bahnhof von Renens.
Drei Vorträge bei der Industrie- und Handelskammer Frankreich-Schweiz CCI in Chêne-Bourg
Handelskammer Frankreich-Schweiz
Romain Duriez, Generaldirektor der Handelskammer Frankreich-Schweiz (CCIG), und Olivier Dupont, Direktor bei der CCGI, heissen uns kurz nach Mittag am repräsentativen Sitz der CCGI in Chêne-Bourg bei Genf zu einer kurzen Vorstellung ihrer Organisation willkommen. Neben dem Sitz in Genf ist CCIG auch in Basel und Zürich vertreten.
Die Gastfreundschaft von CCGI war in jeder Hinsicht unübertrefflich.
CCIG wurde als privatrechtlicher Verein vor 170 Jahren gegründet und zählt zurzeit über 2’600 Firmen als Mitglieder. CCIG setzt sich für effiziente wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen für ihre Mitglieder ein und will das Beziehungsnetz unter den Mitgliedern pflegen und ausbauen. Daneben unterstützt CCIG die Mitglieder mit Dienstleistungen zur Förderung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit unter besonderer Berücksichtigung von Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Für die Ausübung ihrer anspruchsvollen Dienstleistungen verfügt CCIG zurzeit über ein Budget von rund CHF 3.5 Mio.
Aktuelles aus dem Hause Stadler Rail AG
Nach der Präsentation von CCIG informiert Frédéric Evequoz, Leiter Verkauf Sonderanfertigungen bei Stadler Rail AG, über aktuelle Projekte seines Unternehmens primär in Frankreich. Vor wenigen Wochen wurde bekannt, dass Stadler RATP, der Metro von Paris, zwölf Lokomotiven für den Unterhalt des 245 Kilometer langen U-Bahnnetzes liefern kann. Die massgeschneiderten Lokomotiven sollen ab 2027 ausgeliefert werden. Nach einem eher harzigen Markteintritt in Frankreich konnten in den letzten Jahren erfreuliche Absatzerfolge verzeichnet werden.
Absatzerfolge von Stadler in Frankreich.
Aber auch von den übrigen Märkten weiss Frédéric Evequoz Erfreuliches zu berichten. So kann Stadler für die südfranzösische Meterspurbahn «Train de Pignes» acht Triebwagenzüge mit Diesel- und Batteriebetrieb produzieren.
Besonders stolz ist Stadler auch auf die von mehreren schweizerischen Meterspurbahnen bestellten leistungsfähigen Streckenlokomotiven, unter ihnen solche mit Zahnradantrieb für die Matterhorn-Gotthard-Bahn.
Parade der meterspurigen Lokomotiven von Stadler.
Der Reigen der erfreulichen Nachrichten schliesst mit Hinweisen a) auf den 2021 erzielten Weltrekord, bei dem in Norddeutschland ein Triebwagenzug – für den gemischten Betrieb unter Fahrleitung und mit Batterie – auf einer nicht elektrifizierten Strecke von 224 Kilometern ohne Wiederaufladen der Batterie unterwegs war sowie b) auf den störungsfreien Betrieb während 2’803 Kilometern des Triebwagenzuges für Los Angeles mit Brennstoffzellenantrieb mit Wasserstoff. Und zu guter Letzt präsentierte Stadler 2024 an der InnoTrans in Berlin den schadstofffrei mit Wasserstoffmotor angetriebenen RS Zero.
Weltrekord von Stadler in Norddeutschland.Ein weiterer Rekord für Stadler. Wir haben auf unserer Website kürzlich über eine Fahrt mit diesem mit Wasserstoffmotoren angetriebenen Zug für Los Angeles und die dabei gemachten Erfahrungen berichtet.
Léman-Express
Von einer weiteren Erfolgsgeschichte können Manuel de Molin, Mitglied der Geschäftsleitung von Lémanis, und Stéphane Apothéloz, Leiter Unternehmenskommunikation von Lémanis, berichten. Lémanis, als Gemeinschaftsunternehmen von SBB und SNCF, betreibt unter der Bezeichnung „Léman-Express“ die S-Bahn im Arc Lémanique.
Der Léman-Express in Zahlen.
Die Frequenzen des Léman-Express liegen weit über den Erwartungen. Lémanis befördert mit ihren Zügen mit rund 70’000 Personen praktisch gleich viele Fahrgäste wie die SBB zwischen Genf und Lausanne.
Entwicklung der Fahrgastzahlen des Léman-Express. La Hausse amène la Hausse.
Mit intelligenten Marketingkonzepten hat es Lémanis geschafft, auch ausserhalb der Hauptverkehrszeiten Fahrgäste für den Freizeit- und Ausflugsverkehr zu gewinnen.
Marketing-Massnahmen von Lémanis für den Freizeit- und Ausflugsverkehr.
Auch die Pünktlichkeit und die Kundenzufriedenheit haben nach Anfangsschwierigkeiten ein erfreulich hohes Niveau erreicht.
Auch die Pünktlichkeit steigt trotz der gestiegenen Nachfrage.Erfreulich ist auch die stetig steigende Kundenzufriedenheit.
Lémanis will sich aber nicht auf den Lorbeeren ausruhen. Die Erfolgsgeschichte des Léman-Express soll mit dem weiteren Ausbau des Angebots fortgeschrieben werden. So soll auch der grenzüberschreitende Verkehr mit Frankreich mit einer Verdichtung des Fahrplans nach Annecy und Bellegarde ausgebaut werden.
Leider bewegt sich bezüglich des Wiederaufbaus der Strecke von St. Gingolph nach Evian wenig. Im Gegensatz zur Schweiz ist in Frankreich das Interesse an diesem Projekt zurzeit eher gering. Dabei liesse sich mit relativ geringen Investitionen ein beträchtlicher Nutzen für den öffentlichen Verkehr in der Genferseeregion erzielen.
Engpässe im Netz und geplanter Weiterausbau des grenzüberschreitenden Angebots.
Der Erfolg von Lémanis belegt aber auch, dass auch mit Frankreich durchaus Verbesserungen des grenzüberschreitenden öffentlichen Verkehrs möglich sind – eine Vorgabe für den Grossraum Basel? Wie der Genfer Staatsrat Pierre Maudet am Bahnkongress 24 darlegte, bestehen Pläne für die Erweiterung des normalspurigen Eisenbahnnetzes im Grossraum Genf mit neuen Strecken. Allerdings – so die Vertreter von Lémanis auf Anfrage – erst gegen Mitte des 21. Jahrhunderts.
Rückreise nach Genf / Bahnhof Chêne-Bourg
Auf der Rückreise nach Genf bietet sich Gelegenheit zu einer kurzen Besichtigungstour im Bahnhof Chêne-Bourg. Dieser Bahnhof an der Ceva beeindruckt in jeder Hinsicht. Grosszügig, modern, sauber und frei von Verunstaltungen – ein Vorbild für die Metropolitanräume in der deutschen Schweiz! Dazu ohne Kommentar ein paar Bilder.
Chambéry
Der Bahnhof
Nach einer knapp zweistündigen Bahnfahrt treffen wir in Chambéry ein. Der neue Bahnhof hinterlässt einen umwerfenden Eindruck. Auf dem gesamten Bahnhofsgelände herrscht striktes Rauch- und Alkoholverbot. Zudem steht Sportkletterinnen und Sportklettern im Seitenflügel eine grosse Kletterwand des französischen Alpenclubs zur Verfügung.
Haupteingang des Bahnhofs von Chambéry.Blick in die Halle des Bahnhofs von Chambéry. Im Obergeschoss befinden sich Warteräume für Familien.Offene Wartezone in der leicht temperierten Halle des Bahnhofs von Chambéry.Kletterwand in der Halle des Bahnhofs von Chambéry – für Anfänger jedoch eher wenig geeignet.
Präsentation Komitee Tunnel Euralpin Lyon-Turin (TELT)
Am Abend empfängt uns Madame Josiane Beaud in der Präfektur der Region Auvergne-Rhône-Alpes, zur Präsentation des Tunnels durch den Mont Cenis. Madame Beaud leitet im Auftrag des französischen Präsidenten die französische Delegation in der Regierungskommission für den Bau der Neubaustrecke zwischen Lyon und Turin.
Agenda der Präsentation von Madame Beaud.
Für das Projekt wurde 2015 von Frankreich und Italien die paritätische Kommission „Tunnel Euralpin Lyon-Turin“ (TELT) gegründet. TELT obliegt die Oberaufsicht über die Realisierung der neuen transalpinen Eisenbahnverbindung mit dem Bau des 57.5 Kilometer langen Basistunnel durch den Mont-Cenis. Nach der für 2033 geplanten Eröffnung wird der Mont-Cenis der längste Eisenbahntunnel der Welt sein. Der Bau des Tunnels ist wichtigster Bestandteil der rund 65 Kilometer langen grenzüberschreitenden Strecke. Zum Projekt gehören aber auch die 160 Kilometer lange Zufahrtsstrecke von Lyon und die 50 Kilometer lange Zufahrtstrecke von Turin. Die neue Verbindung, an der Frankreich mit 70 Prozent und Italien mit 30 Prozent beteiligt sind, misst somit 270 Kilometer.
Die Güterverkehrskorridore der EU. Der Korridor mit dem Mont-Cenis-Tunnel ist hellgrün gekennzeichnet.Ueberblick über den grenzüberschreitenden Mittelabschnitt des Projekts Lyon-Turin.
Der Bau der Zufahrtstrecken in den jeweiligen Ländern obliegt Frankreich und Italien bzw. deren Eisenbahninfrastrukturunternehmen autonom. Im Gegensatz zur finanziellen Beteiligung der EU von 50 Prozent am grenzüberschreitenden Mittelabschnitt ist der Beitrag der EU an die Kosten der Zufahrtsstrecken tiefer. Auch ist der Projektstand weniger weit fortgeschritten als im gemeinsamen Abschnitt.
Schema der Zufahrtsstrecke in Frankreich.Schema der Zufahrtsstrecke in Italien. Man beachte die Güterzugsumfahrung „Tangenziale Nord“ bei Turin.
Die Zulaufstrecke in Frankreich geniesst den Status eines «Projet d’Intérêt public» und verfügt so über Sonderrechte. Allerdings verfällt dieser Sonderstatus 2028, und die Verlängerung ist mit Unsicherheiten behaftet. Madame Beaud ist jedoch optimistisch. Im französischen Abschnitt sind drei längere Tunnels mit einer Länge von total 60 Kilometer vorgesehen. Zudem soll der Güterverkehr Lyon mit zwei für den Güterverkehr reservierten Strecken umfahren. Leider kann diese Strecke mit geschätzten Bauinvestitionen von über EUR 7 Mia. erst nach 2040 eröffnet werden.
Für die Zufahrtsstrecke in Italien liegen uns zurzeit spärliche Informationen vor. Die Kosten der rund 50 Kilometer langen Strecke mit einem hohen Tunnelanteil werden zurzeit auf EUR 2.5 Mia. geschätzt.
Madame Beaud fasst den Projektstand per Ende September 2024 anhand dieser Fakten kurz zusammen. Zurzeit sind über 38 Kilometer Tunnel ausgebrochen, davon 14.2 Kilometer im Basistunnel. Insgesamt wurden 113 Kilometer Sondagen gebohrt. Gegenwärtig sind auf zehn Baustellen über 2’500 Personen an der Arbeit. Mit dem Hochfahren aller Arbeiten steigt die Anzahl der Beschäftigten auf 4’000 Personen. Vier der zehn Baustellen betreffen den Bau des Haupttunnels, drei davon liegen in Frankreich und eine in Italien. Von den neun bestellten Tunnelbohrmaschinen wurden bereits sieben geliefert und sind teilweise bereits im Einsatz. Sämtliche Aufträge für die Baumeisterarbeiten des Tunnels mit einem Auftragsvolumen von rund EUR 4 Mia. wurden vergeben. Die gesamten Kosten des grenzüberschreitenden Abschnitts werden auf EUR 8.6 Mia. geschätzt.
Vier für die Arbeiten erforderlichen binationalen Staatsverträge wurden abgeschlossen. Ein spezieller grenzüberschreitender Rechtsakt soll die bei Projekten dieser Grössenordnung nicht auszuschliessenden mafiösen Handlungen und Korruption im Ansatz unterbinden. Entsprechend gut ausgebaut und personell dotiert sind auch die Überwachungs- und Kontrollinstanzen.
Besonderen Wert wird auch auf den Nutzen des Projekts für die unmittelbar an der Strecke liegenden Regionen und Ortschaften sowie auf Arbeitssicherheit, Nachhaltigkeit und Umweltschutz gelegt. TELT ist auch offen für Studien und wissenschaftliche Arbeiten aller Art.
Das definitive Betriebskonzept für die neue Strecke steht aus. Geplant sind täglich in jeder Richtung 11 mit bis zu 210 km/h fahrende Fernverkehrszüge und 100 bis zu 120 km/h schnelle und 750 Meter lange Güterzüge.
Betriebskonzept für den Mont-Cenis-Tunnel im Vergleich mit der Bestandesstrecke.
Führung APMFS und Abendessen in der Rotonde des Bahnhofs Champéry
Der intensive erste Tag der Studienreise findet in der Rotonde des Bahnhofs Champéry einen würdigen Abschluss. Nach einer Führung durch die Ausstellung der vier hervorragend restaurierten Lokomotiven durch die Association pour la Préservation du Materiel Ferroviaire Savoyard (APMFS) wird zwischen zwei historischen Elektrolokomotiven das Abendessen serviert. In unregelmässigen Abständen wird die Stille im eindrücklichen Rundbau mit einem Durchmesser von über hundert Metern durch das Geräusch der ein- und ausfahrenden Lokomotiven unterbrochen. Von den 36 Stellplätzen der Rotonde werden rund 30 Plätze von den SNCF benutzt.
Kennzahlen der Rotonde von Champéry.Schnittzeichnung durch einen Teil der Rotonde von Champéry.Eine der vier von APMFS liebevoll restaurierten Elektrolokomotiven. Eine Lokomotive dieser Baureihe realisierte 1955 den für viele Jahre bestehenden Weltrekord für elektrische Lokomotiven von 326 km/h (Dieses und die drei folgenden Bilder stammen von Roland Arnet).Abendessen in der Rotonde von Champéry.
Präsentation von Baustellen und von am Bau des Mont-Cenis-Basistunnels beteiligten Firmen
Nach einer längeren Busfahrt von Chambéry treffen wir kurz vor 11.00 Uhr auf der Baustelle in St-Jean-de-Maurienne ein. Hier sind Referate von am Bau mitwirkenden Firmen und ein Besuch der Baustelle für das bergmännisch erstellte erste Teilstück des Mont-Cenis-Basistunnels vorgesehen.
Werbetafel in St-Jean-de-Maurienne für das Projekt Lyon-Turin.
TELT
Manuela Rocca, Deputy General Director von TELT, präsentiert uns ihr Unternehmen, das wie bereits von Madame Beaud erläutert, die oberste Verantwortung für den grenzüberschreitenden Abschnitt des Mont-Cenis-Projekts innehat. Nach einem kurzen Überblick über den Stand und die einzelnen Teilprojekte tritt Manuela Rocca auf besonders anspruchsvolle Bauvorhaben ein. Spektakulär ist der Ausbruch eines 500 Meter tiefen Entlüftungsschachts mit einer speziellen Vortriebsmaschine von unten nach oben.
Bild der vertikal wirkenden Tunnelbohrmaschine (Bildquelle: Pini-Goup).
Insgesamt fallen beim Bau des Mont-Cenis-Basistunnels über 37 Millionen Tonnen Ausbruchsmaterial an. Aus ökologischen Überlegungen wird ein beträchtlicher Teil dieses Materials für Beton wieder verwendet.
Besonders gefährdet war wegen der heftigen Opposition im Val Susa die Tunnelbaustelle in Italien und musste speziell geschützt werden. Erfreulicherweise hat sich der Widerstand im Val Susa gegen die baulichen Massnahmen in den letzten Jahren zurückgebildet.
Die Ausführungen von Manuela Rocca entsprechen in groben Zügen denjenigen von Madame Beaud am Vorabend. Auch Manuela Rocca erwähnt die Rechtsakte zur Verhinderung von kriminellen Aktivitäten.
Pini-Group / Projektabschnitte CO6 und CO7
Die Realisierung der Abschnitte CO6 und CO7 wurden einem Konsortium bestehend aus namhaften Tunnelbaufirmen übertragen, wie uns Claire Guillin von der Pini-Group erläutert. Die Pini-Group ist ein weltweit tätiges schweizerisches Ingenieurunternehmen mit Sitz im bündnerischen Grono und verfügt über eine ausgewiesene Expertise im Engineering von komplexen Bauprojekten, so auch für den Tunnelbau. Die von Claire Guillin präsentierten Kennzahlen belegen, dass die Pini-Group das Attribut eines «Hidden Champion» für sich zu Recht in Anspruch nehmen darf.
Kennzahlen der Pini-Group.
Nach der Vorstellung der Pini-Group, welche im Verbund mit anderen Firmen die beiden Teilprojekte als Maître d’Oeuvre leitet, präsentiert Claire Guillin den kombinierten Abschnitt CO6/CO7 des Projekts Mont-Cenis-Basistunnels. Mit einem Budget von EUR 1.43 Mia. werden zwei je 23 Kilometer lange einspurige Tunnels gebohrt. Der Vortrieb erfolgt mehrheitlich mit Tunnelbohrmaschinen. Das ausgebrochene Material wird über zwei Seitenstollen ins Freie befördert. Die umfangreichen Arbeiten wurden 2021 aufgenommen und dauern voraussichtlich bis Ende 2028.
Schema der Teilprojekte CO6 und CO7.
Der Abschnitt CO7 ist 13’737 Meter lang und wird je nach der Qualität des Untergrunds entweder mit einer Tunnelbohrmaschine oder im bergmännischen Vortrieb erstellt. Der etwas kürzere Abschnitt CO6 wird ausschliesslich mit Tunnelbohrmaschinen erstellt. Bergmännisch ausgebrochen werden hingegen bei allen Projekten die Querverbindungen zwischen den beiden einspurigen Tunnels mit einem Abstand von jeweils 333 Metern.
Schema des Teilprojekts CO7.Schema des Teilprojekts CO6.
Implenia / Projektabschnitt CO8
Ombeline Bredow von der Implenia France SA stellt uns das Teilprojekt CO8 des grenzüberschreitenden Abschnitts des Projekts Mont-Cenis-Basistunnel vor. Anwesend an der Präsentation ist auch Alexander Heim als Projektleiter.
Kennzahlen des Teilprojekts CO8.
Im Rahmen des Projekts CO8 werden der Portalbereich und die ersten drei Kilometer des Mont-Cenis-Basistunnels erstellt. Die beiden Röhren werden – mit Ausnahme der ersten 140 Meter, die im Tagbau (offene Bauweise) erstellt werden – bergmännisch ausgebrochen. Der seitliche Abstand der beiden Tunnelröhren beim Tunneleingang wird kontinuierlich auf 30 bis 35 Meter vergrössert. Die beiden Tunnelröhren werden alle 333 Meter mit einem Sicherheitsstollen quer verbunden.
Phasen des Teilprojekts CO8.Status des Teilprojekts CO8.
Das Projekt CO8 beinhaltet auch die Erstellung einer Aufbereitungsanlage («Convoyeur») für das ausgebrochene Material. Die Entfernung der Anlage vom Tunneleingang beträgt rund einen Kilometer. Das ausgebrochene Material wird mit einem 1.2 Kilometer langen Förderband zur Aufbereitungsanlage befördert. Das Förderband ist für den Transport von 500 Tonnen pro Stunde ausgelegt.
Eine hohe Priorität wurde auch der Reduktion von Lärmimmissionen gewidmet. Die Installationen im Eingangsbereich wurden auf einer Länge von rund 200 Metern mit Schallschutzelementen eingehaust. Damit wird der Lärm aus den Tunnels und der Umschlag des Ausbruchmaterials auf das Förderband weitgehend absorbiert. Die Kosten dieser umfangreichen Installation liegt in der Grössenordnung von EUR 2.5 Mio.
Das Konsortium legt grossen Wert auf ein gutes Einvernehmen mit der ortsansässigen Bevölkerung. In regelmässigen Abständen finden Aussprachen mit den Behörden und Besichtigungen der Baustelle für das Publikum auf statt. Dieses Dispositiv hat sich als fruchtbar erwiesen.
Grundriss des „Convoyeurs“ (Aufbereitungsanlage für das ausgebrochene Material).
Die anspruchsvollen Arbeiten mit Kosten von EUR 228 Mio. wurden einem Konsortium aus den Firmen Implenia France SA (Leitung), Group NGE SA, Itinera SpA und Rizzani de Eccher SpA übertragen. Die Arbeiten wurden anfangs 2022 aufgenommen und sollen nach einer Bauzeit von 70 Monaten Ende 2028 abgeschlossen werden. Auf den Baustellen arbeiten bis zu 300 Personen.
Die Arbeiten verlaufen bis dato planmässig. Ombeline Bredow orientiert mit dieser Grafik über den Projektstand.
Schematische Darstellung des Projektstandes Ende September 2024.
Besichtigung der Tunnelbaustelle
Im Anschluss an die Vorstellung des Projekts durch Ombeline Bredow erfolgt die Besichtigung der Tunnelbaustelle. Ausgerüstet mit Stiefeln, Schutzanzügen und -utensilien fahren wir mit einem Bus in einer der beiden Röhren bis kurz vor die Tunnelbrust. Hier erläutert uns Alexander Weil, Projektleiter von Implenia France SA, die Abfolge der Arbeiten. Alexander Weil hat auch beim Bau der Tunnels der NEAT mitgewirkt und kennt die Spezifikationen der schweizerischen Basistunnels bestens.
Westportal der beiden einspurigen Tunnelröhren.„Tunnelbrust“ – vorläufiges Ende des bereits ausgebrochenen Tunnels.Bagger mit einem Gerät zur Glättung der Tunnelwand.Bohrmaschine für das Bohren der Löcher für das Einbringen des flüssigen Sicherheitssprengstoffs.Blick in die schallgedämpfte Zufahrt zu einer der beiden Tunnelröhren.
Der Durchmesser einer Röhre liegt im Endausbau bei 10,7 Metern und ist damit etwa zehn Prozent grösser als im Gotthardbasistunnel (GBT). In einer ersten Phase wird der Tunnel mittels Sprengtechnik und Baggern mit Felshämmern ausgebrochen. Nachdem die Tunnels im Rohbau ausgebrochen sind, wird eine Isolation gegen Wasser aufgetragen und die Betonschale betoniert. Die Wandstärke beträgt 50 Zentimeter und ist damit 10 Zentimeter stärker als im GBT.
Der Vortrieb erfolgt abwechselnd zwischen den beiden Röhren. In der Regel wird täglich jeweils ein etwa vier Meter langer Abschnitt gesprengt. Für jede Sprengung werden 820 Kilogramm eines modernen Sicherheitssprengstoff benötigt, was einem Verbrauch von 2.1 Kilogramm pro m3 entspricht. Die Detonationsgeschwindigkeit des Sprengstoffs ist relativ tief und liegt bei 5’000 Metern pro Sekunde. Mit Ausnahme von Stickstoff treten beim Sprengen kaum umweltschädigende Gase auf. Zudem wird beim Sprengen Sauerstoff O2 frei.
Personen- und Umweltschutz haben oberste Priorität. Die intensive Zufuhr von Frischluft und das Absaugen der verbrauchten Luft gewährleisten eine hohe Luftqualität im Berginnern. Luftdichte Container für die Mannschaft und ein gut ausgestatteter Sanitätscontainer stehen für Unfälle bereit.
Bahnknotenpunkt St-Jean-de-Maurienne
Auf der letzten Station der Studienreise begrüsst uns Sebastian Fournier von SNCF Réseau auf der Basis der Baustelle für den Bahnknotenpunkt St-Jean-de-Maurienne. Der bisherige Bahnhof musste wegen den Bauarbeiten einem Provisorium für die Aufrechterhaltung des Verkehrs weichen.
Bis zur Inbetriebnahme des Mont-Cenis-Basistunnels wird auf der erweiterten Fläche des bisherigen Bahnhofs ein leistungsfähiger vier Kilometer langer Verbindungsbahnhof zwischen der Neubau- und der Bestandesstrecke gebaut. Darin integriert wird auch der neue Personenbahnhof.
Schematische Darstellung des ehemaligen Bahnhofs von St-Jean-de-Maurienne.Schematische Darstellung des zukünftigen Bahnhofs im Endausbau.Arbeiten während der Fertigstellungsphase.Projektphasen der Realisierung des Bahnknotenpunkts.
Neben dem Personenbahnhof entsteht ein ausgedehnter Rangierbahnhof mit Abstellanlagen für Güterzüge. Die Anlagen kommen auf einem bis zu acht Meter erhöhten Niveau zu liegen. Die dafür erforderlichen Stützmauern sind im Bau. Der Bau der eindrücklichen Anlage erfordert auch Anpassungen an der Bestandesstrecke sowie Vorleistungen im Hinblick auf die Einführung der geplanten Neubaustrecke aus Westen. Der neue Bahnknotenpunkt soll bis zur Eröffnung des Basistunnels im Jahr 2033 fertiggebaut sein. Für den Bau werden rund 2 Mio. m3 Ausbruchmaterial verwendet.
Die Zufahrtsstrecke aus Lyon befindet sich gemäss Sebastian Fournier in der Abklärungs- und Planungsphase. Zurzeit rechnet Sebastian Fournier für die Zulaufstrecke mit Gesamtkosten von EUR 11 Mia. – also mehr, als die Investitionen für den Mont-Cenis-Basistunnel betragen. Madame Beaud hat einen tieferen Betrag erwähnt. Anzunehmen ist, dass sie nur die Baumeisterkosten ohne den Einbau der eisenbahntechnischen Infrastruktur veranschlagt hat. Die Finanzierung dieser Summe ist offen, unklar ist auch die Höhe des Anteils der EU.
Bahnhof St-Jean-de-Maurienne
An die Präsentation von Sebastian Fournier schliesst ein zehnminütiger Fussmarsch zum Bahnhof von St-Jean-de-Maurienne an. Hier bietet sich vor der Heimreise die Gelegenheit für eine kurze Besichtigung des repräsentativen Bahnhofgebäudes. Kaum zu glauben, dass es sich dabei um ein Provisorium handelt, das nach der Fertigstellung des neuen Bahnknotenpunkts weichen muss oder – hoffentlich – verschoben wird.
Gedeckter Busbahnhof von St-Jean-de-Maurienne (Bildquelle: Roland Arnet).Übergang vom Busbahnhof zum Bahnhof der SNCF.Korridor im Bahnhof der SNCF.Wartezone im SNCF-Bahnhof von St-Jean-de-Maurienne.
Abschliessende Bemerkungen
Dieser Bericht schliesst mit dem besten Dank an die Referentinnen und Referenten. Ein ganz besonderer Dank gilt Sylvain Meillasson für die Organisation und Leitung dieser grossartigen Studienreise. Sylvain Meillasson hat selbst in hektischen Situationen Ruhe und Übersicht bewahrt.
Die in diesem Bericht verwendeten Darstellungen wurden mit dem besten Dank den gezeigten Präsentationen entnommen. Die Fotos stammen, wo nicht anders vermerkt, vom Verfasser.
Am 12. September 2024 führte RAILplus in Appenzell für Mitglieder, Vertreter von Lieferanten und Gäste eine interessante und gehaltvolle Informationsveranstaltung durch. Etwa 100 Teilnehmende nutzten die Gelegenheit, an diesem spannenden Anlass ihr Fachwissen zu erweitern und sich mit Kolleginnen und Kollegen aus der Branche auszutauschen.
Gastgeber dieser von RAILplus organisierten Veranstaltungen waren die Appenzeller Bahnen. Thomas Baumgartner, Präsident von RAILplus und Vorsitzender der Geschäftsleitung der Appenzeller Bahnen, und seine Mitarbeitenden waren höchst aufmerksame Gastgeber und boten den Teilnehmenden einen tollen Tag.
Nach dem Eintreffen und der Begrüssung im Bahnhof St. Gallen durch Thomas Baumgartner und Joachim Greuter, Geschäftsführer von RAILplus, fuhren die Teilnehmenden bei bestem Wetter mit einem Extrazug nach Appenzell. Nach dem obligaten Gruppenbild verschob man sich in zwei Gruppen zu Sitzungszimmern, wo die Teilnehmenden in den Genuss von spannenden Referaten über aktuelle Projekte der Meterspurbahnen kamen.
Gerne fassen wir in diesem Bericht die Referate kurz zusammen.
Vorstellen der Appenzeller Bahnen
Thomas Baumgartner stellt in seinem Referat sein Unternehmen vor. Die Appenzeller Bahnen sind in der Ostschweiz zu einem innovativen und geschätzten Verkehrsunternehmen geworden, das zwischen Bodensee, Thur und Säntis hochwertige Transportleistungen erbringt.
Netz der Appenzeller Bahnen.
In den letzten 149 Jahren ist aus mehreren Bahngesellschaften ein bedeutendes Transportunternehmen und in vier Ostschweizer Kantonen tätiges Transportunternehmen entstanden.
„Stammbaum“ der Appenzeller Bahn.
240 Mitarbeiter setzen sich Tag für Tag für ihr Unternehmen ein und befördern täglich rund 18’000 Fahrgäste.
Kennzahlen der Appenzeller Bahnen.
Bemerkenswert ist die Vielfalt der technischen Konzepte der einzelnen Bahnen, wie die folgende Tabelle zeigt. Das stellt hohe Anforderungen an die dafür zuständigen Mitarbeitenden und das Management der Appenzeller Bahnen.
Beeindruckende Vielfalt bei den Appenzeller Bahnen.
Thomas Baumgartner rundet seinen Vortrag mit ein paar Ausführungen zum Angebot, zu laufenden Projekten und zur Zusammenarbeit mit RAILplus ab. Die Appenzeller Bahnen wollen das Bahnfahren mit modernen und gepflegten Fahrzeugen und Aktionen wie «Kultur im Zug» und attraktiven Angeboten zu einem nachhaltigen Erlebnis gestalten. Als wegweisende Projekte stehen die Automatisierung des Betriebs der Zahnradbahnen und der Bau eines Servicezentrums in Appenzell im Raum. Die Mitgliedschaft bei RAILplus bietet den Appenzeller Bahnen bei der Ausbildung, bei der Beschaffung sowie bei der Entwicklung und beim Erfahrungsaustausch eine willkommene und geschätzte Plattform.
Zusammenarbeit zwischen den Appenzeller Bahnen und RAILplus.
Fahrbahnsysteme
Michael Bolt, Leiter Fahrbahn bei den Appenzeller Bahnen, beschreibt die Vielfalt der bei der Appenzeller Bahnen eingesetzten Fahrbahnsysteme. Nach einer kurzen Übersicht erläutert er die Normen und Vorgaben, die beim Bau und Unterhalt der Fahrbahnsysteme gelten. Bei einem Gleis mit Betonschwellen beträgt die Nutzungsdauer für den Unterbau zwischen achtzig und hundert Jahren, und für den Oberbau zwischen vierzig und fünfzig Jahren. Mit einem Set von Massnahmen sollen Wartung und Unterhalt die Gewährleistung dieser Normen kostengünstig und effizient sichern.
Beeindruckende Vielfalt auch bei den von den Appenzeller Bahnen eingesetzten Fahrbahnsystemen.
Interaktion zwischen Fahrzeug und Fahrweg
Simon Berner, Projektleiter bei RAILplus, und Albin Gehriger von den Appenzeller Bahnen, führen aus, dass das Bundesamt für Verkehr BAV die Systemführerschaft für die Optimierung der Wechselwirkung zwischen Rad und Schiene an RAILplus übertragen hat.
Eckpunkte der Systemführerschaft „Interaktion Fahrzeug / Fahrweg“.
Die schwereren und stärker motorisierten Fahrzeuge, der dichtere Fahrplan und die höheren Geschwindigkeiten haben besonders bei den Meterspurbahnen einen erhöhten Verschleiss an Rad und Schiene zur Folge. Der Kostenanstieg für den Unterhalt ist besorgniserregend und zeigt Handlungsbedarf
Überblick über den Handlungsbedarf.
Massnahmen für die Reduktion des Verschleisses setzen gemäss den Referenten an verschiedenen Punkten an. Im Fokus stehen die Schmierung der Spurkränze, die Anpassung der Profile der Radkränze und der Schienenköpfe, die Legierung der Stähle der Räder und der Schienen sowie Anpassungen der Lage der Schienen. Die Optimierung der Wechselwirkung ist ein laufender Prozess – die Analyse der Ursachen und die Massnahmen werden ständig verfeinert. Wertvoll dabei sind der laufende Erfahrungsaustausch innerhalb von RAILplus und die finanzielle Förderung durch das BAV.
Einen wesentlichen Beitrag an die Reduktion des Verschleisses an Fahrzeugen und Schienen können entsprechend konzipierte Drehgestelle leisten. Die Hersteller der Fahrzeuge sind aufgerufen, entsprechende Entwicklungen voranzutreiben. Auch die schweizerischen Hochschulen sind aufgefordert, der Erforschung der Wechselwirkung zwischen Schiene und Rad wieder mehr Gewicht beizumessen. Sehr viel Know How muss aus dem Ausland bezogen werden. Auch finanzielle Anreize wie etwa verschleissabhängige Trassengebühren, würden sich eignen.
Flankierende Massnahmen für die Reduktion des Verschleisses.
Die Erkenntnisse aus dem Projekt sollen in regionalen Kompetenzzentren gesichert und weiterentwickelt werden.
Projekt ATO – führerloser Betrieb bei der RhW
Martin Stamm ist als Projektleiter bei den Appenzeller Bahnen, verantwortlich für die Umstellung der Rheineck-Walzenhausen Bahn RhW auf ATO. Die heute mit Zahnrad betriebenen Fahrzeuge haben mit 66 Jahren ihre Nutzungsdauer erreicht und müssen ersetzt werden. Die neu zum Einsatz kommenden Fahrzeuge sollen ohne Lokführer betrieben werden. Die RhW eignet sich für den Einsatz von ATO gut. Die Streckenlänge beträgt knapp zwei Kilometer. Die Strecke selbst ist überschaubar. Durch die Ausdehnung der Betriebszeiten und die Verdichtung des Fahrplans lassen sich der Kundennutzen und Nachfrage erhöhen und dadurch der Kostendeckungsgrad steigern.
Gründe für die Umstellung des Betriebs der RhW auf den führerlosen Betrieb.
Neben der Schaffung der technischen Voraussetzungen müssen die einschlägigen gesetzlichen Normen angepasst werden. Zudem sind die Erfahrungen der heute bereits vollautomatisch betriebenen Systeme wie etwa die Metro von Lausanne zu berücksichtigen. Auch das Know-how von Lieferanten kann genutzt werden.
Abschliessend erläutert Martin Stamm das Betriebskonzept von ATO bei den RhW.
ATO Betriebskonzept bei der RhW.
Windwarnsysteme
Marielle Müller, Leiterin Unternehmensentwicklung bei der Appenzeller Bahnen, und Daniel Spring, Leiter Infrastruktur bei der Regionalverkehr Bern-Solothurn, präsentieren Massnahmen für den Windschutz ihrer Fahrzeuge. Bei beiden Bahnen wurden in den letzten Jahren Fahrzeuge durch heftige Windstösse umgeworfen. Auch andere schweizerische Bahnen hatten in den letzten Jahren ähnliche Unfälle zu verzeichnen, wie etwa die Wengernalp Bahn WAB oder die Aare Seeland mobil asm.
Der selten aber dafür umso stärkere «Laseyer»-Wind auf der Strecke der Appenzeller Bahn zwischen Appenzell und Wasserauen stellt eine ständige Bedrohung für den Bahnbetrieb dar. Im Rahmen eines Innosuisse-Projekts erarbeiten ETH Zürich, die RUAG und Meteo Schweiz für die Appenzeller Bahnen ein neues Frühwarnsystem für den «Laseyer». Dabei wird anhand von Vergangenheitsdaten das Auftreten des «Laseyer» modelliert.
Die RBS hat gemeinsam mit der asm die Firma Metomatics beaufragt, entlang ihrer Strecken das Gefahrenpotential durch heftige Windstösse zu ermitteln. So wurden Abschnitte lokalisiert, auf denen bei Windgeschwindigkeiten ab 100 km/h Fahrzeuge kippen können. Interessant ist, dass die Gefahr des Kippens mit höheren Fahrgeschwindigkeiten steigt. Deshalb kann das Risiko bereits durch die Reduktion der Geschwindigkeit reduziert werden. Zusätzlich wurden auf einigen besonders gefährdeten Abschnitten Windmessanlagen installiert. Oft lässt sich das Aufkommen von heftigen Windböen 24 Stunden voraus prognostizieren. Die RBS hat im März 2024 auf besonders gefährdeten Strecken Frühwarnsysteme installiert.
Details des Frühwarnsystems bei der RBS.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das Risiko von Unfällen durch heftige Windstösse beim Bahnbetrieb durch a) den dichteren Verkehr, b) die höheren Geschwindigkeiten, c) die höheren Fahrzeuge mit Niederflureinstig, d) den höheren Schwerpunkt der Fahrzeuge durch Dachaufbauten und e) die Zunahme der Extremwetterlagen als Folge der Klimaerwärmung erheblich zugenommen hat.
Theoretisch könnten bauliche Massnahmen wie Schutzwände das Risiko reduzieren. Diese sind jedoch teuer und beeinträchtigen das Landschaftsbild. Man steht dieser Massnahme deshalb eher skeptisch gegenüber.
Kommentar
Der Überblick über die spannenden Referate beschränkt sich auf die dem Beobachter als wichtig erscheinenden Aspekte. Dafür bitte ich um Verständnis. Die Präsentationsunterlagen stehen auf der Website von RAILplus zur Verfügung.
Das anschliessende Mittagessen bot Gelegenheit für den Austausch mit weiteren Teilnehmenden. Referate und Tischgespräche zeugen vom grossen Engagement der Referierenden und ihrem Einstehen für ihre Sache. Auch in dieser Hinsicht vermittelte der Anlass von RAILplus einen guten Eindruck. Ich schliesse mit dem besten Dank an die Organisatoren und die Vortragenden für den interessanten Tag und die Einblicke in eine spannende Materie.
Alle in diesem Beitrag dargestellten Schaubilder wurden mit dem besten Dank an die Verfasser den Präsentationen entnommen.
Dem Freizeit- und Tourismusverkehr in der Schweiz wird seit einiger Zeit eine erhöhte Beachtung gewidmet. Ein wichtiger Auslöser war die Motion 52.4452 von Josef Dittli, Ständerat für den Kanton Uri, die am 15. Dezember 2021 gemeinsam mit der Urner Ständerätin Heidi Z’graggen beim Bundesrat eingereicht wurde. Auch die durch den Freizeit- und Tourismusverkehr hervorgerufenen Staus auf den Nationalstrassen – etwa auf der Gotthardautobahn – mögen zur erhöhten Aufmerksamkeit für den Freizeit- und Tourismusverkehr beigetragen haben.
Das Thema wurde in der Schweiz durch zahlreiche Verbände und Fachorganisationen – unter anderen die Bahnjournalisten Schweiz und die Dialog-Plattform Avenir Mobilité – in gehaltvollen Veranstaltungen vertieft behandelt.
Die erwähnten Veranstaltungen haben für uns Überraschendes an den Tag gebracht. Mehr darüber in diesem Bericht.
Wesensmerkmale und Bedeutung des Ferien- und Freizeitverkehrs
Die Motion 21.4452 von Ständerat Josef Dittli
Ständerat Josef Dittli hat in seiner vom Bundesrat am 16. Februar 2022 angenommenen Motion den Bundesrat aufgefordert, «zusammen mit der Wissenschaft und Praxis eine Definition für den touristischen Verkehr zu erarbeiten und diesen in Zukunft systematisch zu erfassen» Ständerat Dittli hat seine Motion wie folgt begründet:
Der Freizeitverkehr ist der weitaus wichtigste Verkehrszweck. Rund 50 Prozent der Unterwegszeit und 44 Prozent der im Verkehr zurückgelegten Distanzen dienen der Freizeit. Der touristische Verkehr ist dabei ein wichtiger Teil des Freizeitverkehrs. Der touristische Verkehr ist in der Schweiz jedoch nicht klar definiert und wird von der Statistik nicht als solcher erfasst.
Der touristische Verkehr wie auch der übrige Freizeitverkehr gewinnt an Bedeutung, der Anteil des öffentlichen Verkehrs am touristischen Verkehr ist jedoch unterdurchschnittlich. Der öV ist einerseits ein zentrales Element der gesamten touristischen Wertschöpfungskette, andererseits ist der öV für viele Gäste per se schon ein Erlebnis. Eine gute Erschliessung ist Voraussetzung, damit die Tourismusdestinationen sich entwickeln können. Diese enorme Bedeutung des touristischen Verkehrs wird in der öffentlichen Wahrnehmung und in der Verkehrspolitik von Bund, Kantonen und Gemeinden meist unterschätzt. Obwohl in der Schweiz die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr gut ist, besteht noch ein grosses Potenzial, um neue Kundinnen und Kunden für den öV zu gewinnen. Die Verkehrsangebote müssen entsprechend auf diese Kundschaft ausgerichtet werden. Damit kann auch ein wesentlicher Beitrag zur Klimathematik geleistet werden.
Voraussetzung ist, dass der touristische Verkehr als solcher überhaupt fass- und messbar gemacht wird. Das Bundesamt für Raumentwicklung und das Bundesamt für Statistik sollten deshalb zusammen mit der Wissenschaft und der Praxis (vertreten durch die nationalen Dachorganisationen) eine Definition des touristischen Verkehrs erarbeiten und diesen in Zukunft systematisch erfassen.
Der Bundesrat hat das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) und das Staatsekretariat für Wirtschaft (SECO) beauftragt, dem Anliegen der Motion von Ständerat Dittli zu entsprechen. Der Schlussbericht wird im Herbst 2024 erwartet, dennoch liegen gesicherte Zwischenergebnisse bereits vor.
Stand der Arbeiten
Dr. Aurelio Vigani, wissenschaftlicher Projektleiter beim ARE, und Richard Kämpf, Leiter Tourismuspolitik bei SECO, präsentieren Facts & Figures zum Freizeit- und Tourismusverkehr in der Schweiz.
Dr. Vigani stellt die Definition von Freizeitverkehr und Tourismusverkehr an den Anfang seiner Präsentation.
Freizeitverkehr zeichnet sich durch folgende Merkmale aus,
Alltäglicher Verkehr
Kurze Strecken, oft im gewohnten Umfeld
Nur Wohnbevölkerung in der Schweiz
Wunschverkehr, «mobilité de loisirs»
Dies im Gegensatz zum touristischen Verkehr, der durch folgende Merkmale definiert wird:
Nicht alltäglicher Verkehr
Lange Distanzen, meist Strecken im ungewohnten Umfeld
Schweizerische Wohnbevölkerung und ausländische Gäste
Wunsch- und Zwangsverkehr, Reisen unabhängig vom Zweck
Schätzungen zufolge wurden im Jahr 2015 im Freizeit- und Tourismusverkehr über die Hälfte der Verkehrsleistung im Personenverkehr erbracht. Also mehr, als in den übrigen Verkehrsarten (Berufsverkehr, Ausbildung, Einkaufen und übrige). Unbedeutend ist der Anteil des Transits am touristischen Verkehr.
Verkehrsleistung im nationalen Personenverkehr im Jahr 2015. TV: Touristischer Verkehr (Quellenhinweis für diese und alle folgenden Grafiken am Ende des Beitrags.
Bemerkenswert ist auch die Entwicklung des Freizeitverkehrs der Schweizer Bevölkerung zwischen 2005 und 2015. Der Abnahme der im Inland für die Freizeit zurückgelegten Strecken steht ein starkes Wachstum der Strecken nach Zielen im Ausland entgegen.
Freizeitverkehr der Schweizer Bevölkerung zwischen 2005 und 2015 nach dem Ziel.
Interessant ist auch die Zusammensetzung der im touristischen Verkehr zurückgelegten Strecken. Fast die Hälfte davon entfällt auf den Tagestourismus. Zudem ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs im Tourismusverkehr von insgesamt 25 Prozent höher als im restlichen öffentlichen Verkehr mit 19 Prozent.
Verkehrsleistung im touristischen Verkehr (national und international bis zur Landesgrenze).
Differenziert man den Modalsplit des Tourismusverkehr nach den Zielen, so zeigen sich erhebliche Unterschiede. Der Anteil des Tourismusverkehrs zu Zielen in der Schweiz am Modalsplit ist immer noch höher als im restlichen öffentlichen Verkehr. Im Verkehr zu Zielen im Ausland beträgt der Anteil am Modalsplit, der mit dem öffentlichen Verkehr bis zur Grenze zurückgelegt wird, immerhin ein Drittel. Vernachlässigbar hingegen ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs im Transit. Es zeigt, dass die Eisenbahn als Verkehrsmittel zwischen Italien und Deutschland unbedeutend geworden ist.
Touristischer Verkehr differenziert nach den Reisezielen.
Interessant ist ferner die saisonale Verteilung der Verkehrsleistungen sowie die Tatsache, dass der Anteil des Tourismusverkehrs am Modalsplit im Jahresverlauf praktisch konstant bleibt. Auffallend ist der hohe Anteil der Verkehrsleistung des touristischen Verkehrs an der Gesamtleistung im Metropolitanraum Zürich.
Verkehrsleistung saisonal und nach Regionen.
Bedeutend ist auch der Anteil von 23 Prozent des Verkehrs an der touristischen Wertschöpfung in der Schweiz. Knapp die Hälfte davon entfällt jedoch auf den Luftverkehr.
Zusammensetzung der Wertschöpfung durch den Tourismus in der Schweiz.
Kommentar
Die präsentierten Daten stammen teilweise aus dem Zeitraum von 2005 bis 2015. Die Daten werden im Zusammenhang mit der Beantwortung der Motion Dittli aktualisiert. Zudem soll die Kooperation in Fragen des Freizeit- und Tourismusverkehrs zwischen dem SECO und den Bundesämtern des UVEK intensiviert werden.
Bemerkenswert ist, dass beispielsweise die SBB den Trend zu mehr Freizeitverkehr erkannt und erste Anpassungen des Angebots vorgenommen haben. Wir haben auf unserer Website Ende Mai 2024 unter dem Titel «Ein Tick besser – ein Tick flexibler / Innovationen im Personenverkehrsangebot der SBB» über Anpassungen des Angebots berichtet. Auffallend ist, dass mehrere der «neuen» Angebote der SBB vor vielen Jahren abgeschafft wurden.
Besonders die im Alpenraum tätigen Meterspurbahnen wie RhB und MGB richten ihr Angebot schon seit vielen Jahren konsequent auf den Freizeit- und Tourismusverkehr aus.
Nicht diskutiert wurde die Frage nach der Wirtschaftlichkeit vor allem des Tourismusverkehrs, welcher als stark spitzenbezogener und den Launen der Natur unterworfener Verkehr teurer ist als der «normale» Verkehr. Das äussert sich unter anderem auch an den weit unter dem Vergleichswert der SBB liegenden Kostendeckungsgrade beispielsweise von MGB und RhB. Dieser Sachverhalt dürfte den Spielraum der SBB für neue Angebote im Freizeit- und Tourismusverkehr einengen – es sei denn, unsere Staatsbahn würde für die entsprechenden Leistungen separat entschädigt.
Des Weiteren stellt sich die Frage nach der Angemessenheit des Angebotskonzepts (Taktfahrplan), beispielsweise bei der RhB.
Quellenhinweis
Die in diesem Beitrag verwendeten Grafiken wurden den uns freundlicherweise zur Verfügung gestellten Unterlagen von Dr. Aurelio Vigani, ARE, und Richard Kämpf, SECO, entnommen. Auch das Bannerbild von Schweiz Tourismus, Nicola Fuerer und André Meier, stammt aus dieser Präsentation.
Vor vielen Jahren lasen wir in einem deutschen Eisenbahnmuseum diesen Spruch:
„Früh geübt. Alt getan – Dein Fahrzeug sei die Eisenbahn!“
Tiefgründig! Unseres Erachtens haben die Bahnen bis vor wenigen Jahren abgesehen von wenigen löblichen Ausnahmen wenig für die Steigerung ihrer Attraktivität bei Kindern und Jugendlichen getan. Gute Ansätze, wie etwa der „Junior-Club“ der SBB, wurden eingestellt.
Erfreulicherweise hat sich vielerorts eine Trendwende eingestellt. So bei einigen Schweizer Privatbahnen und auch bei ausländischen Staatsbahnen ennet der Grenze. Zeit also, dass die SBB ihre Aktivitäten für die jüngsten Fahrgäste wieder aufleben lassen.
Mehr dazu und ein paar zufällig ausgewählte Beispiele in diesem Bericht.
Ausgangslage
Einige der zentralen Herausforderungen des öffentlichen Verkehrs im Allgemeinen und der Eisenbahn im Speziellen bestehen ausserhalb der betrieblichen Aspekte wie Fahrzeuge, Infrastruktur, Service oder Fahrplan. Um das Image nachhaltig zu erhalten und zu fördern, erachten wir a) die Hebung der gesellschaftlichen Positionierung des öffentlichen Verkehrs, b) die Wiedergewinnung der Jugend und c) die Ausstrahlung von Modernität – alle drei wichtige und lange vernachlässigte Aspekte.
Ganz wichtig ist die Wiedergewinnung der Jugend. Das ist leichter gesagt als getan. In den Spielwarengeschäften wurde das Angebot an Modelleisenbahnen drastisch abgebaut. In den letzten Jahren ist das Angebot an Modelleisenbahnen im (ehemaligen) traditionellen Franz Carl Weber-Katalog von ursprünglich knapp einem Dutzend Seiten auf eine knappe Seite geschrumpft. Selbst im früher stark eisenbahnaffinen Verkehrshaus der Schweiz ist die Ausstellung über die Eisenbahn etwas in den Hintergrund getreten. Während in meiner Jugendzeit die Lokomotivtypen der SBB und ihre technischen Daten allgemein bekannt waren, ist dies heute nicht mehr der Fall. Fazit: Der Zauber der Eisenbahn hat sich bei den jüngeren und jüngsten Fahrgästen verflüchtigt.
Zeit zum Handeln. Wie erwähnt, dazu ein paar Beispiele aus dem In- und Ausland.
Privatbahnen in der Schweiz
Die Rhätische Bahn
Die Rhätische Bahn hat diesen Bedarf als eine der ersten Eisenbahnen in der Schweiz erkannt und originelle Angebote für Familien und Jugendliche entwickelt. Im Vordergrund steht die Kampagne „Clà Ferrovia“ mit vielfältigen Angeboten. Dazu ein paar Bilder aus einer Broschüre.
Deckblatt einer 28 Seiten umfassenden Broschüre.Auszug aus der erwähnten Broschüre, die eine Mischung von Unterhaltungs- und Bahnthemen abdeckt.Hinweise in der Broschüre für Veranstaltungen für Kinder.
Mehr über diese attraktiven Angebote über die Website der RhB. So können beispielsweise ganze Familien am 1. Sonntag eines Monats für nur CHF 30.- zusammen einen ganzen Tag auf dem Netz der RhB reisen.
Unvergessen ist die eindrückliche Ausstellung beim Bahnhof von Preda, bei der Kinder und Jugendliche über den Bau des neuen Albulatunnels informiert wurden.
Die RhB geniesst eine weit über ihre Grösse hinausgehende Beliebtheit. Dazu haben sicher auch die hier beschriebenen Aktivitäten beigetragen.
Süd-Ost-Bahn
Auch die SOB hat die Zeichen der Zeit erkannt und einen grossen Schritt getan. Die Medienstelle der SOB hat kürzlich mit einer Medienmitteilung über ihre längerfristig angelegte Kampagne „Zugpferdli“ informiert. Dabei können die jüngsten Fahrgäste von einem reichen und vielfältigen Angebot an Aktivitäten profitieren.
Seite 1 der Medienmitteilung.Seite 2 der Medienmitteilung.Deckblatt des zwanzig Seiten umfassenden Magazins.Auszug aus dem Magazin.
Beispiele aus dem Ausland
Deutsche Bahn AG
Kürzlich habe ich in der Auslage eines deutschen Bahnhofs ein paar Publikationen der DB für ihre jüngsten Fahrgäste entdeckt. Nachstehend ein paar Beispiele:
36-seitiges Magazin „miniLOK“ der DB für die jüngsten Fahrgäste.Auszug aus „miniLOK“Deckblatt des 52-seitigen Magazins „LeseLOK“ der DB für Jugendliche.Auszug aus „LeseLOK“ mit einem bahnkundlichen Thema.Folgeseite.Ein Malbogen der DB für Kinder, denen das Lesen verleidet ist.
Société Nationale de Chemins de Fer
Tief beeindruckt hat mich die Kinderecke im Wartsaal des Bahnhofs von Hendaye.
Aussenansicht des Wartsaals von Hendaye. Die Aufnahme stammt vom November 2022.Innenansicht des Wartsaals von Hendaye. Die Möblierung wurde in den letzten beiden Jahren umgestellt. Im Büchergestell liegen zahlreiche Kinderbücher auf. Das Bild wurde im Juni 2024 aufgenommen.
RATP – Metro von Paris
Dieses Bild wurde im Juli 2024 in Paris von der Frontseite der automatisch betriebenen Linie M4 der Metro aufgenommen. Hier haben Kinder die Möglichkeit, die Rolle des Wagenführers zu simulieren.
Klebefolie auf der Ablage vor der Frontscheibe. Unten sind Sitzflächen erkennbar.
Österreichische Bundesbahnen
Beispielhaft sind die Installationen im Familienwagen des Railjet. Im abgetrennten Familiensektor steht den Kindern je nach Zug entweder ein Kino oder ein aktiv zu bedienender Simulator zur Verfügung. Da wird für Kinder auch eine längere Zugreise zum unvergesslichen Erlebnis.
Aussenansicht vom Familienwagen.Familienwagen „nur“ mit Kino.Familienwagen mit Fahrsimulator.Detailansicht des Fahrsimulators.
Familienwagen der SBB
Abschliessend auch ein gutes Beispiel von den SBB. Die seit vielen Jahren im Betrieb stehenden Familienwagen in den IC 2000 belegen, dass die Förderung der Attraktivität des Reisens für Familien bei der SBB früher ungleich höher im Kurs stand als dies heute der Fall ist. Die Inneneinrichtung der genannten Wagen kommt den Bedürfnissen von Familien in höchstem Mass entgegen.
Seither wurde für die eher selten im Zug anzutreffenden Behinderten sehr viel Platz reserviert. Wir haben am Beispiel des Giruno darüber berichtet. Die ungleich zahlreicheren Kinder aber gingen abgesehen von einem engen Familienabteil und ein paar Spielflächen auf den kleinen Abteiltischen vergessen.
Aussenansicht des Familienwagens.Unteres Geschoss des Familienwagens mit viel Platz für Kinderwagen und Fahrräder.Zugang zum Kinderabteil.Innenansicht des Kinderabteils. Hier können sich Kinder auch bei 200 km/h gut austoben.Detailansicht der sorgfältig gestalteten Inneneinrichtung.Grosszügiger Spieltisch im Familienabteil.
Schön wäre es, wenn sich die SBB in dem hier beschriebenen Sinn bei Neuanschaffungen von Rollmaterial wieder am vorbildlichen Standard der IC2000-Wagen orientieren würden. Zahlreiche gute Beispiele sind vorhanden.
Im Rahmen der von Kurt Metz am 30. April 2024 organisierten interessanten und gehaltvollen Fachtagung «Wachstumsmarkt Freizeit- und Ferienverkehr» kamen die Teilnehmenden in den Genuss eines spannenden Referats über den Stand der Angebotsplanung im Geschäftsbereich Personenverkehr der SBB.
Unter dem Titel «Ein Tick besser, ein Tick flexibler» informierte David Henny über Veränderungen beim Mobilitätsverhalten sowie über aktuelle Reisetrends.
Die Entwicklung bei den SBB belegen, dass die jüngsten Anstrengungen der Transportunternehmen, den Modalsplit im öffentlichen Freizeit- und Ferienverkehr zu erhöhen, zu greifen beginnen. Mehr dazu in diesem Bericht.
Mobilitätsverhalten und Reisetrends
Ausgangslage
Erstaunlicherweise liegt der Zeitaufwand, den Menschen in der Schweiz täglich für die Mobilität aufwenden, seit einigen Jahren konstant bei 90 Minuten – und dies trotz neuen Arbeitsformen und geändertem Einkaufsverhalten. Das belegt, dass mehr Zeit für den Freizeit- und Ferienverkehr aufgewendet wird.
Das Zeitbudget für die Mobilität liegt konstant bei 90 Minuten pro Tag.
(Auszug aus der Präsentation von David Henny).
Natürlich haben die Restriktionen durch Covid diese Entwicklung beschleunigt. Der Trend zum geänderten Mobilitätsverhalten hat bedingt durch die technologische Entwicklung schon früher eingesetzt, wie die folgenden Grafiken zeigen. Ein Indiz für die Verlagerung vom Berufs- zum Freizeitverkehr könnte auch der Rückgang bei den Generalabonnementen sein.
Verlagerung vom Pendler- zum Freizeitverkehr. (Auszug aus der Präsentation von David Henny).
Auswirkungen auf den öffentlichen Personenverkehr
Die Auslastung der Züge und Busse unter der Woche ist gleichmässiger geworden. Die Spitzenbelastung während den Hauptverkehrszeiten hat abgenommen. Auch der Anteil des Werktags- am Gesamtverkehr ist gesunken.
Die Spitzenbelastung während den Hauptverkehrszeiten hat abgenommen. (Auszug aus der Präsentation von David Henny).
Das geänderte Verkehrsverhalten schlägt sich auch in den Frequenzen der einzelnen Strecken nieder. So haben beispielsweise die Personenfahrten zwischen Bern und Zürich um fast Prozent abgenommen, dafür aber auf den Strecken in die Tourismusgebiete zugenommen. Diese Verlagerung wird noch akzentuiert, indem die mit der Bahn zurückgelegten Reisen 2023 neue Höchstmarken erreicht haben.
Veränderungen auf ausgesuchten Korridoren. (Tabelle mit Daten von David Henny vom Verfasser erstellt).
Die Gesamtnachfrage hat sich zwischen 2019 und 2023 kaum verändert. Hingegen hat sich die Nachfrage vom Pendler- auf den Freizeitverkehr verlagert. In der Westschweiz sind die Veränderungen weniger ausgeprägt. Das sehr hohe Wachstum auf der Gotthardachse wird auf den Ausbau des Angebots nach der Inbetriebnahme des Ceneri Basistunnels zurück geführt.
Massnahmen der Transportunternehmen
Die SBB und die übrigen Transportunternehmen in der Schweiz haben den Trend erkannt und wollen mit neuen Angeboten den Modalsplit im Freizeit- und Ferienverkehr weiter erhöhen.
Visionen der SBB zur Förderung des Freizeit- und Ferienverkehrs. (Auszug aus der Präsentation von David Henny).
Am Grundfahrplan wird festgehalten. Aber das Angebot soll mit Zusatzzügen ausgebaut werden. Zudem sollen flexible Zugläufe möglichst viele von der Norm abweichende Direktverbindungen ermöglichen. So verkehren bereits heute einzelne Fernverkehrszüge am Wochenende aus der Westschweiz nicht mehr in die Ostschweiz, sondern nach Chur. Auch die neueren IC-Verbindungen wie etwa die IC 61 und IC 81 belegen diesen Paradigmenwechsel.
Erfolgreich umgesetzte kurzfristige Massnahmen. (Auszug aus der Präsentation von David Henny).
Neben diesen erfolgreich umgesetzten Massnahmen sehen die SBB sowohl kurzfristig als auch längerfristig weiteres Potential, das sie in den kommenden Jahren gezielt erschliessen wollen.
Kurzfristig realisierbares Potential. (Auszug aus der Präsentation von David Henny).Optionen für die weitere Förderung des Freizeitverkehrs. (Auszug aus der Präsentation von David Henny).
Ein konkretes Beispiel
David Henny ergänzt seine Ausführungen mit einer Graphik zur Belegung des IC1 – Zürich-Bern – und diskutiert die Lösungsansätze. Bei einzelnen Zügen können noch weitaus stärkere Verlagerungen auftreten, wie sich am Beispiel eines sehr stark belasteten Fernverkehrszuges mit einem hohen Anteil an Pendlern zeigt.
Veränderungen bei der Belegung des IC 1 zwischen Bern und Zürich. (Auszug aus der Präsentation von David Henny).
Kommentar
Neben der SBB haben auch andere Transportunternehmen die Zeichen der Zeit erkannt und schon vor einigen Jahren innovative Angebote entwickelt. Ich denke dabei etwa an die SOB, welche mit dem Treno Gottardo ein erfolgreiches und vom Markt gut aufgenommenes Produkt anbietet.
Die Stausituation an den Wochenenden auf den in die Tourismusgebiete führenden Nationalstrassen wie etwa die N2, die N3, die N6 oder die N9, zeigen ein hohes Potential für den öffentlichen Freizeit- und Ferienverkehr.
Abschliessend möchte ich auf zwei Aspekte hinweisen: Vieles, was heute angedacht oder bereits angeboten wird, war vor vielen Jahren Realität. Ich denke etwa an die zahlreichen Sonderzüge aus der Ost- und Nordwestschweiz ins Wallis. Ausgestattet mit Speisewagen und Bern umfahrend.
Aber «nur» zusätzliche Züge werden es nicht richten. Neue Angebote und Dienstleistungen müssen ergänzend eingerichtet werden. Dazu zählen unter anderem Verpflegungsangebote und die bezahlbare Beförderung von Reisegepäck. Beispielsweise sind die aktuellen Kosten des Transports des Reisegepäcks (Koffer, Skiausrüstung) für eine Familie von Zürich nach Schuls/Scuol höher als die Billettkosten. Dazu kommt das oft mühsame Bringen und Abholen an die nur noch wenigen Gepäckschalter.
Und noch ein Wort zum internationalen Ferien- und Freizeitverkehr. Ich bezweifle, dass direkte Züge aus der Schweiz nach London der Weisheit letzter Schluss sind. Viel zweckmässiger wären beispielsweise rasche Regionalexpresszüge aus dem Tessin nach Malpensa – analog den in dichter Folge aus der City von Mailand zum Flughafen verkehrenden «Malpensa-Expresszügen» – möglicherweise durch die Führung jedes zweiten RE80 von Locarno über Lugano nach Malpensa statt nach Chiasso. Die aktuelle Reisezeit der S10 von 95 Minuten zwischen Lugano und Malpensa ist nicht attraktiv. Manchmal liegt das wahre Gute so nahe!