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Der bedeutende Eisenbahnverkehr zwischen München und Salzburg wird gegenwärtig über die Strecke über Rosenheim abgewickelt. Ein Teil dieser Strecke – nämlich zwischen der Spange bei Rosenheim und Salzburg – wird auch für den innerösterreichische Personen- und Güterfernverkehr genutzt. Auch die internationalen Fernverkehrszüge zwischen Zürich und Wien benutzen diese Strecke.
Die österreichischen Züge erreichen Rosenheim ab dem Grenzbahnhof Kufstein. Diese Strecke ist Bestandteil der stark belasteten Nordzufahrt zum Brenner.
Vor allem die Strecke zwischen Rosenheim und Salzburg ist stark belastet und oft verantwortlich für die sich auf das innerösterreichische Netz durchschlagenden Störungen. Die Strecke ist relativ ungünstig trassiert – langsam und schnell zu befahrende Abschnitte wechseln oft in kurzen Abständen.
Neben dieser aus österreichischer Sicht als „Korridor-Strecke“ bezeichneten Verbindung besteht eine weitere und gut trassierte Strecke über Mühldorf am Inn.

Die Kilometerangaben wurden dem „Eisenbahnatlas Deutschland“ von Schwwers+Wall entnommen.
Zwar ist die Strecke über Mühldorf geringfügig länger als diejenige über Rosenheim, aber bedeutend besser trassiert und wenig belastet. Deutschland hat deshalb vor einigen Jahren beschlossen, diese Strecke als Bestandteil des Transeuropäischen Eisenbahnnetzes zu modernisieren.

Einige kurze Abschnitte wurden bereits ausgebaut, und vor allem der Bahnhof Mühldorf am Inn – er verfügt über fünf Geleise für den Personenverkehr – wurde trotz dem heute bescheidenen Personenverkehr aufwendig erneuert.

Leider wird der bisher schleppende Fortschritt des Projekts gemäss einer Mitteilung der Projektorganisation erneut verzögert. Hier ein Auszug aus der Pressemitteilung der DB AG vom 21. März 2022:


Detailangaben zum Projekt ABS 38
Nachstehend ein Überblick über das Projekt ABS 38. Ich habe die Strecke am 22. November 2018 auf der ganzen Länge befahren und festgestellt, dass die Strecke weitgehend über unbebautes und flaches Gebiet verläuft. Vor allem zwischen Ampfing und Freilassing fühlt man sich als Fahrgast in frühere Zeiten zurückversetzt. Andererseits sind die Schallschutzmassnahmen auf dem Doppelspurabschnitt zwischen Ampfing und Tüssling überwältigend.
Hier ein Auszug aus einem Prospekt der Projektorganisation.

Und wie wird dieses ambitiöse Postulat umgesetzt? Auch dazu ein Auszug aus einem Prospekt.

In der Tat werden mit der einspurigen Zweigstrecke und weitgehend für den Güterverkehr bestimmten Zweigstrecke nach Burghausen rund 145 Kilometer elektrifiziert. Da die Strecke zwischen Tüssling und Freilassing nur mit zweigleisigen Begegnungsabschnitten auf Doppelspur ausgebaut werden soll, beschränkt sich der Doppelspurausbau geschätzt auf 75 Kilometer. Die Schätzung basiert auf der Annahme, dass etwa die Hälfte der Strecke zwischen Tüssling und Freilassing doppelspurig werden soll.

(Kilometerangaben aus dem „Eisenbahnatlas Deutschland“ von Schweers+Wall).
Gemäss dem Dokument „Drucksache 18/580“ des Deutschen Bundestages erfolgten die ersten Planungen für die ABS 38 noch vor der Jahrtausendwende. Die bescheidenen ersten Massnahmen wurden Ende 2003 in Betrieb genommen – Ampfing-Altmühldorf am 12. Dezember 2010 und Mühldorf-Tüssling am 22. Mai 2017.
Das Projekt wird mit aufwendigen Kommunikationsmassnahmen begleitet. In Mühldorf wird ein aufwendiges Informationszentrum betrieben. Dazu ein dem Internet entnommenes Bild. Zudem werden regelmässig Medienmitteilungen und Newsletter publiziert.

(Foto aus dem Internet).
Kommentar
Man vergleiche die höchst ambitiös lautenden Zielsetzungen und die umfassenden Begleitmassnahmen mit dem doch überschaubaren Projektumfang und der langen Realisierungsdauer – das Projekt ABS 38 wird mutmasslich erst nach 2030 abgeschlossen. Auffallend ist auch, dass nur ein Teil der Strecke zwischen Tüssling und Freilassing überhaupt ein zweites Gleis erhalten soll. Dabei bietet die ABS 38 ein grosses Potential für die Entlastung der „Korridorstrecke“, indem der internationale Personenfernverkehr zwischen München und Wien auf die ABS 38 umgelegt und beschleunigt werden könnte. Mit dem beschlossenen Ausbau der österreichischen Westbahn zwischen Salzburg und Köstendorf und der ABS 38 erscheint eine Reisezeit zwischen Wien und München von nur wenig mehr als drei Stunden möglich.
Beeindruckt hat mich auf meiner Erkundungsreise die aufwendige Erweiterung des Bahnhofs von Mühldorf am Inn – die Treppen und die Passerelle sind seitlich geschützt und überdacht, und ergänzend zu den Treppen stehen den wenigen Fahrgästen Lifte zur Verfügung.
Und abschliessend eine persönliche Bemerkung: Nachdem die Bundesrepublik Deutschland nach der Wende in knapp zwanzig Jahren mit einem bewundernswerten Kraftakt die Infrastruktur der neuen Bundesländer und mit einem dreistelligen Milliardenbetrag auf Vordermann gebracht hat, kann man den schleppenden Verlauf des Projekts ABS 38 einfach nicht nachvollziehen.