Neubau Unterführung Nord Winterthur – eine bare Zumutung

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Endlich – müsste man sagen – wurde die seit vielen Jahren viel zu enge nördliche Personenunterführung im Bahnhof Winterthur erweitert. Diese Unterführung stellt die kürzeste Verbindung zwischen den Geleisen 3 bis 8 zu den Kopfgeleisen 1 und 2 her und wird besonders in den Hauptverkehrszeiten rege benutzt.

Blick in die neue Unterführung.

Die Stadt Winterthur baute parallel zum Bau der Unterführung eine eigens für die Radfahrer bestimmte Unterführung sowie an beiden Kopfenden grosszügige Einstellhallen für Fahrräder.

Zugang zur Velostation West.

Soweit, so aber gar nicht gut! So überfällig diese Unterführung war, das Konzept der SBB ist im Gegensatz zum städtischen Projekt einmal mehr höchst kundenunfreundlich. Mehr dazu in diesem Bericht.

Daten der neuen Unterführung

Die neue Unterführung ist mit den Bahnsteigen mit je zwei Treppen verbunden. Die Treppen sind relativ steil und führen mit 36 Stufen à 16 cm Höhe rund 5,80 Meter in die Tiefe. Auf der westlichen Seite steht dem Publikum ein grosser Lift zur Verfügung. Die Bahnsteige sind aus der Unterführung mit einem kleineren Lift erreichbar. Die lichte Höhe der Unterführung beträgt rund 3,30 Meter. In die Seitenwände wurden Ladenlokale eingebaut.

Lange und steile Treppe auf einen der beiden Bahnsteige.
Grosszügiger Lift am Aufgang Ost zu den Bushaltestellen und zur Altstadt. Zwei kleinere Lifte wären in Bezug auf die Flexibiltät besser gewesen. Auch auf der Westseite hat es nur einen einzigen grossen Lift.
Auf die Bahnsteige führt nur ein kleiner Lift. Raum für einen grossen Lift ist vorhanden.

Auf der östlichen Seite führt die Unterführung ins Freie. Fahrgäste, welche in einen Bus umsteigen möchten, erreichen die Haltestellen ungeschützt. In der Flucht der Gebäude am Bahnhof weist nichts auf die Unterführung hin. Kein einladendes und markant vorragendes Vordach wie etwa in Lugano oder Solothurn.

Frontalansicht auf den Ausgang Ost.
Seitenansicht auf den Ausgang Ost.
Treppe ab dem Eingang Ost.

Dafür wurden über den Aufgängen auf der Westseite zwei auffällige und wuchtige Überdeckungen aus Beton gebaut. Diese sind wohl als Ruhe- oder Erholungszonen gedacht. Was haben die Bauherrschaft und die Architekten dabei wohl gedacht? Ist Beton „sexy“?

Überdeckung der Abgänge auf der Westseite. Keine eigentliche Treppe!
Detailansicht einer der beiden Überdeckungen. Erinnert mehr an einen Bunkereingang. Und wer unterhält diese „Verweilzonen“, wenn sie tatsächlich rege benutzt werden?

Vergleichsobjekte

Aus der älteren südlichen Unterführung sind die drei Bahnsteige je mit einer Rampe und einer Treppe erreichbar. Die Treppe mit 30 Stufen mit einer Höhe à 16 cm überwindet einen Höhenunterschied von 4,80 Meter. Gemäss meinen Beobachtungen verwenden die meisten Fahrgäste die Rampe. Besonders zu den Stosszeiten sind die Rampen relativ eng.

Treppe in die ältere Unterführung. Man beachte die bemalten und hellen Seitenwände und den dunklen Anstrich des angedeuteten Sockels. Im Gegensatz zu den SBB lässt beispielsweise die Zentralbahn in ihren Bahnhöfen die Wände der Unterführungen streichen. Dieser relativ geringe Zusatzaufwand ergibt sofort ein anderes Erscheinungsbild.
Lange aber bequeme Rampe in die ältere Unterführung.

Die lichte Höhe der südlichen Unterführung beträgt im vorderen Teil 3,10 Meter und im westlichen Teil noch 2,65 Meter. An und für sich eher geringe lichte Höhen, aber die geschickte Beleuchtung und die Ausführung der Oberflächen lassen kaum ein Gefühl der Enge aufkommen.

Blick in die ältere Unterführung. Die lichte Höhe in der neuen Unterführung beträgt etwa 3,20 m.

Aus der Unterführung führt eine relativ breite Treppe ins Stadtzentrum und zur monumentalen Haltestelle der Stadtbusse. Auch diese lässt sich bei Regen nicht geschützt erreichen. Zusätzlich führen eine Rampe und eine seitliche Treppe aus der Unterführung hinaus.

Zusätzlich gelangt man aus der Unterführung seitlich in das Untergeschoss des kleinen Einkaufszentrums. Von hier führt eine schmale Rolltreppe ins Erdgeschoss und die darüber liegenden Geschosse.

Rolltreppe im kleinen Einkaufszentrum vom Untergeschoss ins Erdgeschoss.

Kommentar

Vor der Fahrt nach Winterthur habe ich einen kurzen Rundgang im Hauptbahnhof von Zürich unternommen und ein paar Bilder angefertigt. Aus der Shop-Ville-Unterführung führen sowohl Rolltreppen als auch normale Treppen nach oben – eigentlich eine Selbstverständlichkeit.

Blick in die Halle des Bahnhofs Löwenstrasse mit einem Abgang zu den Bahnsteigen der Durchmesserlinie.
Rolltreppen zur Überwindung des relativ geringen Höhenunterschiedes zwischen dem Bahnhof Löwenstrasse und dem Shop-Ville.
Rolltreppe aus dem Shop-Ville auf die Löwenstrasse. Auch weitere Aufgänge aus dem Shop Ville sind mit Rolltrepen ausgestattet.

Ein kurzer Zwischenhalt in Zürich-Oerlikon bot Gelegenheit zu einem kurzen Rundgang. Auch hier stehen den Fahrgästen keine Rolltreppen zur Überwindung des beträchtlichen Höhenunterschieds zwischen der vorderen Unterführung und dem Bahnhofvorplatz zur Verfügung.

Aufgang aus der grossen Unterführung im Bahnhof Zürich-Oerlikon. Kein Mensch versteht, weshalb ein derart intensiv benutzter Aufgang nicht mit Rolltreppen ausgestattet ist.

Die Frage, was die für den Bau von Publikumsanlagen Zuständigen bei den SBB unter „Kundenfreundlichkeit“ verstehen, steht im Raum. Rolltreppen sind aber nicht nur eine Frage des Komforts, sie erhöhen auch die Kapazität der Aufgänge.

Und in Winterthur – wurden die zahlreichen Fahrgäste für den Verzicht auf Rampen oder Rolltreppen damit entschädigt, indem man sie einen Meter tiefer in den Untergrund schickt und ihnen einen solchen Wiederaufstieg zumutet? Und man fragt sich weiter, was die schon als „Gier“ erscheinende ausufernde Ansiedlung von Ladenlokalen an den Seitenwänden von Unterführungen überhaupt soll? Gelten für die Kunden in einem Geschäft in einem Bahnhof der SBB andere und höhere Normen als für die eigenen Fahrgäste?

Ins gleiche Kapitel – aber hier nicht weiter ausgeführt – gehört die oft schamlose Nutzung der würdigen Halle des Zürcher Hauptbahnhofs für lärmige und/oder für mehr oder weniger stillose Festivitäten aller Art.

Schlusspunkt aus Bellinzona

Am 16. März 2022 mussten wir in Bellinzona umsteigen. Dabei entstand dieser flüchtige Schnappschuss vom Aufgang aus der Unterführung in die Bahnhofshalle. Den Mitarbeitenden in der Bauabteilung von Zürich wird zudem eine Besichtigung des Bahnhofs von Lugano empfohlen.

Aufgang aus der Unterführung in die Bahnhofshalle. Prächtig, nicht?

10 Gedanken zu „Neubau Unterführung Nord Winterthur – eine bare Zumutung

    • Lieber Jürg

      Vielen Dank für Dein Interesse an unserer Website und für Deinen Kommentar. Folgendes:

      1. Das Konzept des Bahnhofs Oerlikon ist meines Erachtens einmal mehr Zeugnis der ungenügenden Kooperation der SBB mit den Standortgemeinden. So wurden in Zürich-Oerlikon parallel zueinander zwei völlig unterschiedlich gestaltete Unterführungen gebaut – tausend Fäuste auf ein Auge. Das war auch beim hochgelobten Bahnhof Löwenstrasse bzw. der Durchmesserlinie der Fall – keine nennenswerte Anpassung des innerstädtischen Verkehrsnetzes. Noch grösser ist das Versagen in Bellinzona. Anstatt sich mit der Stadt Bellinzona zusammenzuraufen und die Effizienz und den Komfort der bestehenden Überführung substantiell zu verbessern, hat man neben die viel zu enge bestehende Überführung einfach eine ziemlich isoliert in der Gegend stehende zusätzliche Passerelle gebaut. Unseres Erachtens ein Irrsinn.

      2. Das wirklich beunruhigende an Gegebenheiten wie beispielsweise in Zürich-Oerlikon ist, dass sie Ausdruck einer gefährlichen Selbstüberschätzung sind. Die Auszeichnung von Bahnhöfen wie Wallisellen oder St. Gallen – auch Zürich-Oerlikon war Kandidat – mit dem Flux-Preis ist für mich einfach nicht nachvollziehbar. Noch unbegreiflicher ist die Verleihung des Brunel-Awards an den viele Defizite aufweisenden Rosthaufen Bern-Wandorf.

      Nochmals vielen Dank für Deinen Kommentar und für Dein Interesse an unserer Website.

      Herzliche Grüsse

      Ernst Rota

  1. Ich finde auch, dass es im Bahnhof Oerlikon grosse Treppen zu den Aufgängen gibt , aber keine Rolltreppen . Die kleinen Liften sind meistens überfüllt. Die Velounterführung war nur kurze Zeit gut benutzbar, wegen dem Neubau Franklinturm.
    Die SBB macht wohl mit den Neubauten in Oerlikon, Altstetten und Zürich HB bessere Rendite als mit den Passagieren.
    Z.B: die alte Billett-Verkaufs-Stelle wird an Sprüngli vermietet und ist jetzt versteckt im U.G.-
    Die Bushaltestelle Bus 62+61 hat keine Ueberdeckung, aber einen Kebab-Stand mit üblem Geruch.

    • Lieber Kurt

      Vielen Dank für Dein Interesse an unserer Website und für Deine Ergänzungen.

      Ich verweise auf meine Antwort auf den Kommentar von Herrn Lüthard, und wünsche Dir weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Laut Ausführungen der SBB sowie der Stadt Zürich, weoche diese Unterführung gemeinsam bauten, erlaubten es in Oerlikon die Platzverhältnisse nicht, Rolltreppen zu installieren. Und was die Ladenlokale in den Unterführungen sowie die Events in der Halle im Zürcher HB betrifft: Beides bringt den SBB wertvolle Einnahmen. Wenn Sie dies den SBB nicht zugestehen möchten, wären wohl höhere Ticketpreise die Folge. Möchten Sie das? Ich nicht. Dazu kommt, dass gerade die Ladenlokale in Unterführungen für eine wertvolle und erwünschte Belebung derselben sorgen, zumindest wenn die Geschäfte geöffnet sind. Und was die Veranstaltungen in der Halle des Zürcher HB betrifft, existiert meines Wissens eine Vereinbarung mit den SBB, in der verbindlich festgehalten wird, an wievielen Tagen im Jahr die Halle leer sein muss, d.h. nicht durch Veranstaltungen belegt sein darf. Wieviele Tage das sind, habe ich einmal irgendwo gelesen, weiss die Zahl aber nicht auswendig.

    • Sehr geehrter Herr Trachsel

      Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Website und für Ihren Kommentar. Darf ich dazu Folgendes festhalten:

      1. Weshalb sollen die Platzverhältnisse in Zürich-Oerlikon den Einbau von Rolltreppen verunmöglicht haben? Die zur Verfügung stehende horizontale Distanz und die zu überwindende Höhe sind doch ähnlich wie in Zürich HB. Und notfalls hätte man den Antritt der Treppe um einen Meter nach Vorne legen können.

      2. In der Tat haben sowohl die SBB als auch die Stadt Zürich in Zürich-Oerlikon je eine Unterführung gebaut. Dazu meine Replik auf den Kommentar von Herrn Lüthard.

      3. Ein Gebäude hat eine Würde. Wenn man sich – vor Corona – nach einem schönen Ausflug abends von den Zügen zur Tramhaltestelle Bahnhofquai begeben wollte und beispielsweise das „originale“ Zürcher-Oktoberfest im Gange war, empfand man das als enorme Zumutung. Können Sie sich in einem der „grossen“ Bahnhöfe der Welt Zustände wie in der Halle von Zürich HB vorstellen? Oder in der Empfangshalle eines Flughafens? Ich nicht!

      4. Vor einigen Wochen begleitete meine Frau nach einer Opernvorstellung eine Freundin zum Zug nach Brugg auf Gleis 17. Der Lärm durch eine Veranstaltung kurz nach 22 Uhr war so ohrenbetäubend, dass es meine Frau vorzog, durch die Unterführung zur Tramhaltestelle Bahnhofstrasse zurück zu kehren.

      5. An und für sich ist die Halle im HB Zürich ein grossartiges Baudenkmal und darf durchaus genutzt werden. Aber bitte nicht in dieser Form!

      6. Ich denke, dass die SBB nicht auf die Maximierung der Mieten auf Bahnhöfen angewiesen sind. Man stelle sich vor, wenn jeder Immobilienbesitzer in der Schweiz seinen Immobilienbesitz à la SBB vermarkten würde!

      7. Jesus hat seinerzeit die Händler und die Geldwechsler aus dem Tempel in Jerusalem gejagt. Es wäre an der Zeit, dass sein Vorbild bei den SBB Nachahmer fände.

      Ich danke Ihnen nochmals für Ihren Kommentar und wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Als in Wien Lebender hat mich der Bericht aus Winterthur voll überrascht. Wir sind gewohnt, dass die Stiegen nach etwa 15 Stufen einen Absatz haben und die Breite der Stiegen wir mit Handläufen unterteilt. In bin schon lange in Pension und hatte vorher auch mit diesen Dingen nichts zu tun, kenne daher die genauen Vorschriften nicht, aber eine Stiege ohne Handlauf wie zur Verweilzone wäre bei uns sicher nicht genehmigt worden!

    • Sehr geehrter Herr Hallas

      Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Website und für Ihren Kommentat.

      Die monierten Zustände in Winterthur wurde von einer Lokalzeitung breit kommentiert.

      Nochmals besten Dank für Ihren Kommentar und weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  4. Die Velounterführung in Winterthur läuft ebenfalls unter dem Motto: sehr gute Idee, Ausführung leider mangelhaft!

    Die Rampen sind recht steil geraten, da haben sich die Planer wohl gedacht, in der Stadt fährt ja eh jeder ein E-Bike! Letzhin sah ich einen älteren Herr sogar sein Vehikel zum Manor hochstossen. Er hatte, für sein Alter halt ungewöhnlich, kein motorisiertes Velo.

    Es kommt aber noch schlimmer: Seite Wartstrassen gibt es gleich am Fuss der Rampe eine enge 90° Kurve! Und da die Besitzer eines klassischen rein muskelbetriebenen Velos meistens wissen, dass es am anderen Ende ebenfalls steil nach oben geht, versuchen sie so viel Tempo wie möglich mitzunehmen und scheren weit auf die Gegenseite aus. In meinen Augen ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich dort mal einer verschätzt und in die Wand kracht, sich auf die Seite legt oder gar mit einem entgegenkommenden Velo zusammenstösst. Genau dort befindet sich dann auch noch der Zugang zur Velostation. Der Gedanke war wohl, dass die Kurve als Schikane den Verkehr bremsen soll. Doch das funktioniert nicht so wie geplant.

    Wirklich toll gemacht! Mit einer geraden oder nur leicht geknickten Weiterführung der Unterführung und einer Rampe in der Wartstrasse, wo die meisten Benutzer eh hinwollen bzw. herkommen, wäre das vermeidbar gewesen. Aber das hätte Einschränkungen für den Autoverkehr bedeutet und das darf ja, selbst in einer velofreundlichen Stadt wie Winterthur, nur sehr eingeschränkt sein.

    • Sehr geehrter Herr Dupons

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website. Dankeschön auch für Ihren Erfahrungsbericht aus der neuen Unterführung in Winterthur.

      Ich bin sehr gespannt, wie sich die Fahrradfahrer-Route nach der Fertigstellung des Franklin-Turms beim Bahnhof Zürich-Oerlikon präsentieren wird.

      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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