Ein grosser Wurf – Como Camerlata RFI

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Bei Fahrten von Lugano nach Mailand mit dem Regionalexpress 80 fällt auf, dass der Zug kurz nach der Abfahrt im Bahnhof Como San Giovanni nach etwa vier Kilometern in einem völlig neuen Bahnhof – Como Camerlata RFI – bereits wieder hält. Auf einer Reise Richtung Lecco musste ich vor ein paar Tagen in diesem Bahnhof in den Bahnersatzbus nach Molteno umsteigen.

Die Eindrücke waren überwältigend – auf grüner Wiese wurde ein moderner und kundenfreundlicher Verkehrsknotenpunkt geschaffen. Mehr über den Bahnhof von Como Camerlata RFI, die strategische Bedeutung dieser Investition und ein paar Hintergrundinformationen in diesem Bericht.

Lage von Como Camerlata. Die Länge der Bahnstrecke zwischen Como San Giovanni und Como Camerlata RFI beträgt ca. vier Kilometer. Der Bahnhof von Como Camerlata RFI ist auf dieser Karte noch nicht eingezeichnet. Er befindet sich bei der Überführung der Strasse über die Bahnlinie von RFI und neben dem Bahnhof von Como Camerlata FNM. (Auszug aus der Landeskarte der Schweiz).

Hintergrundinformationen

Von Como aus führen zwei Bahnlinien nach Mailand. Die von der Staatsbahn RFI betriebene Strecke mit Fern-, Regional- und Güterverkehr führt über Monza entweder nach Milano Centrale oder nach Milano Porta Garribaldi bzw. nach Milano Lambrate. Die zweite Strecke wird von Ferrovienord FNM betrieben und führt von einem unscheinbaren Bahnhof im Stadtzentrum von Como über Saronno nach Milano Cadorna.

Die Regionalzüge werden auf beiden Strecken von TreNord betrieben. Trenitalia und Ferrovia Nord Milano haben 2009 für den Regionalverkehr dieses Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Die Zuständigkeit für die Infrastruktur ist weiterhin getrennt, indem für das Netz von Trenitalia Rete Ferroviaria Italiana RFI und für das Netz von FNM die Infrastrukturgesellschaft von FNM Ferrovienord zuständig sind.

Diese Kooperation und enorme Investitionen in das Rollmaterial und die Infrastruktur – hier vor allem der Bau der Durchmesserlinie «Passante» unter dem Stadtzentrum von Mailand – haben den Nah- und Regionalverkehr im Grossraum Mailand enorm beflügelt. Man darf von einem epochalen Umbruch sprechen.

Vor der Jahrtausendwende bestanden zwischen den beiden Bahnen kaum Synergien. Die Infrastrukturen und das Tarifsystem waren völlig getrennt. An einigen Orten hatte es zwei Bahnhöfe. Diese befanden sich wie in Varese in unmittelbarer Nachbarschaft, etwas weiter voneinander entfernt wie in Laveno-Mobello oder sehr weit auseinander wie beispielsweise in Como. Der 1.2 Kilometer lange Fussweg zwischen Como S.G. und Como Lago Nord beansprucht wegen den zahlreichen Strassenübergängen fast zwanzig Minuten.

Regionalverkehrsangebot zwischen Como und Mailand

Zwischen Como S.G. und Milano Porta Garibaldi besteht an Werktagen zwischen 05.13 Uhr und 22.49 Uhr Halbstundentakt. Etwa jeder zweite Zug startet bereits in Chiasso, und jeder zweite Zug wird über Milano Porta Garibaldi hinaus nach Rho weitergeführt. Die Fahrzeit zwischen Como S.G. und Milano Porta Garibaldi beträgt 62 Minuten. Die S11 umfährt Milano Centrale. Reisende nach Milano Centrale müssen in Monza in einen Zug nach Milano Centrale umsteigen. Ergänzend steht Reisenden von Como S.G. der von TILO betriebene Regionalexpress RE80 zur Verfügung. Diese stündlich verkehrenden Züge von Locarno aus sind auch in Italien sehr beliebt und führen mit wenigen Halten nach Milano Centrale.

Auch zwischen Como Nord Lago und Milano Cadorna besteht an Werktagen Halbstundentakt. Die Reisezeit liegt ebenfalls bei 62 Minuten. Daneben verkehren in den Hauptverkehrszeiten zwei schnelle Verbindungen mit einer Reisezeit von 55 Minuten.

Beide Verbindungen erfreuen sich einer starken Nachfrage. Auf zahlreichen Fahrten erhielt ich den Eindruck, dass die Züge über Saronno eher besser frequentiert sind. Quantitative Zahlen liegen mir jedoch nicht vor.

Kommentar

Mit Como Camerlata RFI wurde ein weiterer bemerkenswerter Meilenstein in der Kooperation zwischen RFI und Ferrovienord realisiert, indem eine effiziente Verbindung zwischen den beiden Bahnsystemen geschaffen wurde. Aber nicht nur das – Camerlata Nord RFI ist ideal an das städtische Bussystem angebunden. Zudem steht den Kunden der Bahn eine grosszügig bemessene und gut an das Strassennetz angebundene Park and Ride-Anlage zur Verfügung. Beeindruckend sind aber auch die architektonische Gestaltung und die Kundenfreundlichkeit der Anlagen. Da steigt man gerne ein oder um!

Plan der Lage der beiden Bahnhöfe und ihrer Umgebung. Der rot eingezeichnete Verbindungsweg misst etwa 140 Meter. (Quelle: Google Maps).

Bildbericht

Die folgenden Bilder entstanden auf dem Weg vom Bahnhof Como Camerlata RFI zum Bahnhof Como Camerlata FNM. Wer das berühmte „Haar in der Suppe“ sucht, findet es bei der ungenügenden Entfernung des Unkrauts und bei einigen Ausführungsmängeln. Diese beinträchtigen den positiven Gesamteindruck kaum.

Bahnhof Como Camerlata RFI

Blick von der Mitte des Bahnsteigs nach Norden.
Blick von der Mitte des Bahnsteigs auf den Aufgang.
Blick von der Unterführung unter der Hauptstrasse auf die geschützte Passerelle. Das rosa Gebäude hinter der Passerelle gehört nicht zum Bahnhof. Man beachte die überdachten Zugänge.
Detailansicht von der Passerelle.
Blick auf den Lift zur Passerelle. Im Hintergrund sind die Bushaltestelle und die Besucherparkplätze erkennbar.
Ein weiterer Blick auf die Bushaltestelle und die dahinter liegenden Abstellplätze für Fahrräder.
Detailansicht vom Zugang zum Lift auf die Passerelle.
Ausführungsdetail vom Zwischenpodest der Treppe zur Passerelle.
Ein weiteres Detail – das untere Ende der Treppe und die Entsorgungsstation.
Blick vom Verbindungsweg zurück auf die Passerelle.

Park and Ride-Anlage

Blick auf einen Teil der schätzungsweise 150 Parkplätze der Park and Ride-Anlage.
Unterführung mit abgetrenntem Fussweg von der Park and Ride-Anlage zum Bahnhof.

Verbindungsweg zwischen den beiden Bahnhöfen

Blick vom Bahnhof Como Camerlata RFI auf den etwa 140 Meter langen Verbindungsweg zum Bahnhof Como Camerlata FNM.
Hinweistafeln etwa in der Mitte des Verbindungsweges.
Blick aus der Unterführung unter der Bahnlinie der FNM auf den Verbindungsweg,

Bahnhof Como Camerlata FNM

Blick in die Unterführung unter dem Bahnhof Como Camerlata FNM. Man beachte die verwendeten Baumaterialien für den Boden (Natursteinplatten) und die Wände (Keramikplatten).
Zugang aus der Unterführung zum Lift auf den Mittelperron.
Blick auf das gepflegte Bahnhofgebäude von Como Camerlata FNM.
Blick vom Ende des Hausperrons auf die beiden Bahnsteige. Auf der rechten Seite befinden sich weitere rund hundert Parkplätze für Bahnkunden.
Detailansicht auf das Bahnhofgebäude. Man beachte die Ausführungsdetails und die Sauberkeit.

Abschliessende Bemerkungen

Das abschliessende Bild steht stellvertretend für TreNord: „Gleich und doch unterschiedlich“. Die Gestaltung der Bahnhöfe von RFI und Ferrovienord und damit das Corporate Design weichen erheblich voneinander ab. Gelegentlich besteht der Eindruck, dass zwischen den beiden Gesellschaften ein Architekturwettbewerb im Gang ist, wer den schönsten Bahnhof baut. Wie dem auch sei – Nutzniesser dieses unterstellten Wettstreits sind die Benutzer, die von schönen und kundenfreundlichen Bahnhöfen profitieren können. Gegebenheiten, von denen Kunden im Grossraum Zürich nur träumen können.

Bildschirme auf dem Verbindungsweg zwischen den beiden Bahnhöfen.

2 Gedanken zu „Ein grosser Wurf – Como Camerlata RFI

  1. Die Frage ist ist, wem dieser neue Bahnhof dient, wenn er – wie Sie schreiben – auf der grünen Wiese gebaut wurde. Bahnhöfe sollten doch möglichst zentral gebaut werden, um eine optimale Erschliessung zu gewährleisten. Vom Bahnhof Como San Giovanni zum Bahnhof Como Lago muss man nicht zwingend zu Fuss gehen. Es gibt dort auch eine Busverbindung. Allerdings weiss ich nicht, wie häufig dieser Bus fährt.

    • Sehr geehrter Herr Trachsel

      Vielen Dank für Ihr Interesse und für Ihren Kommentar.

      Möglicherweise habe ich mich etwas lasch ausgedrückt: „Grüne Wiese“ verstand ich im übertragenen Sinn. Die nähere Umgebung ist relativ dicht bebaut. Der neue Bahnhof von RFI mit der grosszügigen Park-and-Ride Anlage bietet für viele Reisende nach Milano Centrale einen guten Mehrwert.

      Nochmals vielen Dank für Ihren Kommentar und weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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