Selzach – ein Bahnhof in der Schweiz

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Kurz vor Weihnachten besuchte ich einen Freund in Selzach. Die Reise erfolgte per Bahn. Beim Ein- und Aussteigen im Bahnhof von Selzach war ich mit eigenartigen Bildern konfrontiert. Leider hatte ich keine Zeit für eine eingehende Besichtigung der Örtlichkeiten. Ich holte dies anfangs dieses Jahres nach und war – wie die folgenden Bilder zeigen – schockiert. Ähnliche Bilder habe ich bisher nur in Osteuropa gesehen.

Mehr darüber und ein paar kritische Bemerkungen in diesem Bericht.

Lage und Verkehrsangebot beim Bahnhof Selzach

Der Bahnhof Selzach liegt, wie der folgende Kartenabschnitt zeigt, an der wichtigen Jurasüdfusslinie. Zwischen Solothurn und Biel verkehren abgesehen von Randstunden jede Stunde und in jeder Richtung zwei IC und zwei Regionalzüge. Zudem erfolgt der Grossteil des Güterverkehrs zwischen der deutsch- und der französischsprachigen Schweiz auf dieser Strecke.

Zusätzlich fährt der Bus Nr. 32 an Werktagen von 06.05 Uhr bis 20.05 Uhr stündlich von Selzach über Altreu und Bettlach nach Grenchen. 

Dieser Auszug wurde, mit dem besten Dank an den Verlag, dem Eisenbahnatlas Schweiz von Schweers+Wall entnommen.

Bildreportage

Die folgenden Bilder geben die Eindrücke auf dem Weg von der Bushaltestelle vor dem Bahnhof Selzach durch die Unterführung zum Bahnsteig 2 wieder.

Das nicht mehr besetzte Bahnhofgebäude wurde vor einigen Jahren renoviert und präsentiert sich ansehnlich. Die Anlage wurde gemäss den Normen der SBB für Regionalbahnhöfe ausgestaltet.
Auch vom Bahnsteig 2 aus gesehen, hinterlässt das Bahnhofgebäude einen guten Eindruck. Im Gegensatz zum Bahnsteig 2 ist der Hausperron überdacht und dürfte dem Grossteil der Fahrgäste der vierteiligen Flirt-Triebwagenzüge ein geschütztes Ein- oder Aussteigen ermöglichen.
Auf beiden Bahnsteigen steht den Fahrgästen je eine nicht beheizte Wartehalle zur Verfügung. Das Unkraut und das Moos entlang des Sockels der Einstellhalle befinden sich schon lange an dieser Stelle und fördern die Korrosion des Sockelbandes.
Wenig ansehnlich präsentiert sich die Rampe zur Unterführung.
Der Beton über der Armierung hat sich schon länger gelöst und überlässt die Betoneisen dem Rost. In wenigen Jahren macht Behebung dieses Schades eine aufwendige Betonsanierung notwendig.
Türe zu einem früheren Serviceraum unmittelbar vor der Unterführung.
Ganz offensichtlich rostet die Türe bereits seit einigen Jahren vor sich hin. Anzunehmen ist, dass der Schaden schon bestand, als der Bahnhof und die Anlagen erneuert wurden.
Ablauf in der Unterführung – kein besonders appetitliches Bild.
Ein schon länger bestehender Betonschaden an der Seitenwand der Unterführung.
Rampe aus der Unterführung zum Bahnsteig 2. Nicht nur unansehnlich, sondern auch eine Stolperfalle und damit ein Sicherheitsrisiko, besonders für ältere Fahrgäste.
Schon seit längerem wuchert das Unkraut in die Rampe.

Kommentar

Man fragt sich, ob der aufgestaute Unterhaltsbedarf beim Bahnhof Selzach und bei zahlreichen weiteren Bahnhöfen der SBB den Oberbehörden oder dem BAV überhaupt bekannt ist. Zweifel sind angebracht. Zustände wie in Selzach oder – wir haben darüber berichtet – bei zahlreichen anderen Bahnhöfen der SBB stehen in krassem Gegensatz zur Selbsteinschätzung.

Besonders stossend sind die rapportierten Zustände im Vergleich mit den komfortablen Gegebenheiten bei der RhB oder gar den luxuriösen Umbauten bei der TPF. Offensichtlich misst das BAV mit ungleichen Ellen und ist kaum mehr in der Lage, eine „gerechte“ Allokation der Mittel aus dem Bahninfrastrukturfonds BIF zu gewährleisten.

Es fällt mir zunehmend auf, dass die sogenannten Privatbahnen – eigentlich sind es von Kantonen geführte Staatsbahnen – in vielen Fällen gegenüber der SBB privilegiert sind. Die Lobby der Privatbahnen ist ungleich mächtiger als diejenige für die SBB. Hier liegt wohl der Hase im Pfeffer – einmal mehr Anlass, das Buch von Prof. Matthias Finger „SBB – was nun?“ zu studieren und entsprechend aktiv zu werden.

 

5 Gedanken zu „Selzach – ein Bahnhof in der Schweiz

  1. Danke, Ernst, für diesen Beitrag!

    Natürlich können nicht sämtliche Bahnhöfe und Stationen unseres Bahnnetzes auf absolutem Topniveau sein, doch die hier gezeigten Bilder sind typisch für viele Haltepunkte in unserem Land: irgendwo angesiedelt zwischen halbwegs gut und halbwegs schlecht, helvetisches Mittelmass also. Die Beobachtung, dass die sog. Privatbahnen besser zu ihren Station schauen, dürfte richtig sein, Ausnahmen ausgenommen. Diese haben einen Ruf zu verteidigen, während die SBB sich auf ihrem nicht mehr ganz so tadellosen Ansehen ausruhen. Die Automatisierung und Digitalisierung hat zur punktuellen Anonymisierung der Stationen und als Folge davon zu einer schleichenden Verwahrlosung geführt.

    Vielleicht sollte eine SBB-interne Arbeitsgruppe geschaffen werden, welche systematisch und kontinuierlich alle Bahnstationen auf bauliche und organisatorische Mängel überprüft und so eine verbindliche Liste zu erfolgender Arbeiten erstellt (eine Art Bahnhofsanierung-Fünfjahresplan). Vor allem die Gemeindeverwaltungen müssen eine kompetente und effektiv zuständige Ansprechstelle haben um Schäden und Mängel bei den sich auf ihrem Gemeindebann befindlichen publikumsrelevanten Bahnanlagen zu haben. Auch wenn es dabei nur um Löcher im Perronbelag oder eine verrostete Tür geht. Dabei könnte auch jede Bürgerin, jeder Bürger aktiv mittun. Mitverantwortung übernehmen scheint mir heute aus der Mode gekommen zu sein.

    Aber vielleicht renne ich offene Türen ein?

    Freundliche Grüsse

    André Guillaume

    • Lieber André

      Einmal mehr vielen Dank für Deinen Kommentar und für Dein Interesse an unserer Website.

      Wie die Kommentare zeigen, bewegt sich die Welt erfreulicherweise in Deinem/unserem Sinn.

      Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Sehr geehrter Herr Rota

    Ich bedanke mich für Ihren ausführlichen Bericht und entschuldige mich gleichzeitig für die nicht tadellose Qualität dieses Bahnhofs. Ich darf Ihnen versichern: es ist uns ein grosses Anliegen, den Nachholbedarf an unseren kleinen und mittleren Bahnhöfen ehest möglich zu beheben. Wir sprechen von ca. 350 Bahnhöfen dieses Typus.

    Wie durch unseren CEO Vincent Ducrot vor kurzem in einem Interview gegenüber der NZZ ausgeführt, werden wir bis 2030 die Bahnhof der SBB unabhängig von Lage und Grösse wieder zu den Visitenkarten der SBB werden lassen. Die entsprechenden finanziellen Mittel wurden letztes Jahr durch die SBB reserviert.

    Freundliche Grüsse

    Alexander Muhm

    • Sehr geehrter Herr Muhm

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website. Dankeschön auch für Ihre ergänzenden Erläuterungen.
      Gerne verweise ich auf meinen eigenen Kommentar.

      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Sehr geehrte Damen und Herren

    Soeben habe ich von bestens informierter Seite folgendes vernommen:

    1. Die unbefriedigende Situation im Bahnhof Selzach ist den Zuständigen bei den SBB bekannt.

    2. Folgende Verbesserungen sind per 2027 geplant:

    a. behindertengerechter Umbau des Bahnhofs Selzach

    b. Ersatz der bestehenden Unterführung durch einen Neubau

    c. Retrofit des Bahnhofgebäudes und der Umgebung.

    Freuen wir uns schon heute auf einen schönen und kundenfreundlichen Bahnhof Selzach.

    Ich bedanke mich für Ihr Interesse und wünsche weiterhin viel Freude an unserer Website.

    Freundliche Grüsse

    Ernst Rota

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