GO-Mobil – ein Modell auch für die Schweiz?

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Auf der Radtour entlang der Drau waren wir mit der Verkehrserschliessung der durchfahrenen Ortschaften konfrontiert. Durch einen Zufall lernten wir GO-Mobil kennen. GO-Mobil ist das grösste und mehrfach ausgezeichnete gemeinnützige Mobilitätsmodell in Österreich für Gemeinden mit unzureichender Erschliessung durch den öffentlichen Verkehr.

In diesem Beitrag möchten wir GO-Mobil kurz vorstellen. Unseres Erachtens könnte sich das Modell auch für Randregionen in der Schweiz eignen.

Verkehrserschliessung Lavamünd

Auf der Fahrt von Klagenfurt nach Lavamünd bot sich Gelegenheit, anhand der Fahrpläne bei den Haltestellen der Busse die Dichte des Angebots festzustellen. Die Erkenntnisse waren ernüchternd. Das Angebot beschränkt sich weitgehend auf den Berufs- und den Schülerverkehr. An Wochenende wird der Verkehr weiter ausgedünnt oder gar eingestellt.

Fahrplan der Linie 5466 (Auszug aus dem Internet, das Bild kann durch Anklicken vergrössert werden).

Zur Dokumentation dieses Sachverhalts haben wir die Fahrpläne der vier nach Lavamünd verkehrenden Busverbindungen ausgewertet. Lavamünd ist eine Markgemeinde in Südostkärnten und hat rund 3‘300 Einwohner. Es liegt am Zusammenfluss von Drau und Lavant und liegt an der ehemaligen Eisenbahnlinie von Dravograd nach St. Paul im Lavanttal. Der Personenverkehr auf der Schiene wurde 1997, der Güterverkehr 2001 eingestellt.

Auszug aus dem Netzplan der Region Südkärnten (Auszug aus dem Internet).
Anzahl der Verbindungen der vier Lavamünd erschliessenden Buslinien. Auf der untersten Zeile ist ein Beispiel aus der Schweiz angeführt, auf das in diesem Bericht eingetreten wird. (Tabelle vom Verfasser mit Daten aus dem Internet erstellt).

Unsere Erfahrungen mit GO-Mobil

Bei unserem Eintreffen in Lavamünd zu später Stunde bemerkten wir, dass wir den Rucksack beim letzten Halt vergessen hatten. Wir erkundigten uns bei einer Garage nach einem Leihwagen oder einem Taxi – ohne Erfolg. Der Inhaber der Garage wies uns jedoch auf GO-Mobil hin und bestellte für uns ein Fahrzeug. Wenige Minuten später traf ein Personenwagen ein, der uns unserem letzten und etwa 15 Kilometer ausserhalb der Gemeinde liegenden Rastplatz führte.  Dort lag das gesuchte Gepäckstück.

Fahrzeug von GO-Mobil auf dem Dorfplatz von Lavamünd.

Während der Fahrt zurück befragten wir den freundlichen Fahrer zu GO-Mobil. Er wirkt seit über 15 Jahren für GO-Mobil und  erhält für seine lange Verfügbarkeit eine feste Pauschale von EUR 150.- pro Monat. Die Fahrt kostet fix EUR 3.80 pro Fahrgast und Fahrt und beschränkt sich im Prinzip auf das Gemeindegebiet. Davon ausgenommen sind Fahrten zum weiter entfernten ÖBB-Bahnhof St. Paul im Lavanttal.

Der Dienst steht an Werktagen zwischen 08.00 Uhr und 24.00 Uhr zur Verfügung, an Samstagen von 09.00 Uhr bis 24.00 Uhr, und an Sonntagen von 09.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Fahrten können im Voraus bestellt werden und haben gegenüber den auch spontan möglichen Anforderungen Vorrang.

Was ist GO-Mobil

Nach unserer Rückkehr konsultierten wir die Website von GO-Mobil. Maximilian Goritschnig gründete GO-Mobil als PPP „Public-Private-Partnership“ im Jahr 1998. Am 1. Juni 1999 nahm in Moorsburg das erste Fahrzeug von GO-Mobil den Betrieb auf. Zurzeit sind in Kärnten über 60 Gemeinden an GO-Mobil angeschlossen. Durchschnittlich wird der Dienst alle zwei Minuten in Anspruch genommen. 2012 wurde das Angebot in den Landesverkehrsplan integriert und ist damit wie Bahn und Bus ein festes Angebot im öffentlichen Orts- und Regionalverkehr von Kärnten.

Die Fahrerinnen und die Fahrer arbeiten abgesehen von einer geringen Pauschalentschädigung ehrenamtlich. Die Zertifizierung erfolgt durch GMZ, die GO-Mobil Zertifizierung GmbH. Diese Firma gehört Maximilian Goritschnig. Als exklusive Inhaberin der Verwertungsrechte und als Dachorganisation ist GMZ Auftragnehmerin des Bundeslandes Kärnten. Die dezentralen Aufgaben, im Vordergrund natürlich der Betrieb, obliegt in den Gemeinden den lokalen GO-Mobil-Vereinen. 12 der 21 gemeinnützigen GO-Mobil-Vereinen arbeiten gemeindeübergreifend.

Der feste Fahrpreis von EUR 3.80 pro Personen entspricht etwa dem Normalpreis einer Fahrt mit dem öffentlichen Bus. Wir bezahlten bei unserem Aufenthalt in Kärnten beispielsweise für die 20 Kilometer lange Busreise von Annabrücke nach Klagenfurt pro Person EUR 6.-.

Als Partner von GO-Mobil ist die ÖBB Mitglied in den GO-Mobil-Vereinen. Dadurch können Bahnhöfe und Haltestellen der ÖBB vergünstigt für nur einen Euro angefahren werden. Zudem ist GO-Mobil in das „Scotty“-Fahrplanauskunftssystem der ÖBB eingebunden.

GO-Mobil als Modell auch für die Schweiz?

Auch in der Schweiz gibt es verschiedene Rufbus-Systeme. Die Angebote sind oft sehr gut ausgebaut. Viele Angebote sind auf den Tourismus oder auf die Verkehrserschliessung in Randstunden ausgerichtet. Die Leistungen werden von staatlichen Anbietern wie Postauto oder von privaten Anbietern erbracht. Speziell zu erwähnen ist der Alpentaxi-Service, welcher zahlreiche Bergtouren für Benützer der öffentlichen Verkehrsmittel erst ermöglicht. Dazu kommen Rufbus-Systeme für Menschen mit eingeschränkter Mobilität wie etwa Tixi.

Als konkretes Beispiel aus der Schweiz sei die Verbindung von Landquart/Grüsch nach dem am 31. Dezember 2010 139 Einwohner zählenden Bergdorf Valzeina erwähnt. Hier werden mit dem Postauto an Werktagen sieben feste Verbindungen angeboten. An Wochenende und an Feiertagen sind es bis zu vier Verbindungen mit dem Rufbus.

Andererseits bestehen vor allem in Randregionen Überangebote bei der Verkehrserschliessung. Ich denke dabei etwa an das dünn besiedelte Calanca-Tal in Südbünden, wo an Werktagen zehn feste Verbindungen bestehen. Dabei gibt es im Calanca-Tal nur noch ein Lebensmittelgeschäft. Bei zahlreichen Wanderungen in dieser Bergregion war ich häufig der einzige Fahrgast. Zudem wird der Verkehr nach 20 Uhr eingestellt. Hier wäre ein Transportsystem wie GO-Mobil eine ökologisch und ökonomisch ungleich vorteilhafter. Ähnliche Feststellungen liessen sich beispielsweise auch bei der heute stündlichen Verkehrserschliessung des peripheren Weisstannentals (Gemeinde Mels) machen.

Ein Nachsatz

Mit diesen Empfehlungen möchten wir die positive Beurteilung von öffentlichen Transportunternehmen keinesfalls in Frage stellen. Vor allem in Graubünden oder im Wallis ist die Servicequalität von Postauto oft exzellent. Unsere Empfehlungen sind auch keine Kritik an den in der Schweiz geltenden Regeln für die Verkehrserschliessung von Siedlungen. Die Frage stellt sich hingegen nach dem „Wie“ unter Berücksichtigung von ökologischer und ökonomischer Effizienz sowie der zeitlichen Verfügbarkeit der Transportleistungen. Mit anderen Worten: Im Calancatal ist kurz nach 19.00 Uhr Schluss, in Lavamünd erst vier Stunden später.

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