Erschliessung der Häfen von Genova für den Güterverkehr

Vorbemerkungen

Im Zusammenhang mit der Besichtigung der in weiten Teilen neu gebauten Eisenbahnlinie von Genova nach Ventimiglia konnte der Verfasser am 14. Juni 2017 auch einen Augenschein von der Verkehrserschliessung der Häfen von Genova nehmen. Die Eindrücke waren überwältigend. Grosses ist im Entstehen oder wird bereits genutzt.

Die untenstehende Übersichtskarte und die Ausschnitte daraus wurden dem „Eisenbahnatlas Italien“ von Schweers+Wall entnommen.

Anschluss Containerhafen Genova Pra

Der neue Containerhafen – Google Earth zeigt die Dimensionen – wird von einer neuen doppelspurigen Güterbahnlinie erschlossen. Nach einer im oberen Teil beispielhaft schallgeschützten Rampe geht die Linie in einen 5,4 km langen Tunnel über.

Im Berginnern besteht eine erste Abzweigung in einen 2,1 km langen einspurigen Tunnel, der bei Genova Borzoli in die Nebenlinie nach Ovada mündet. Dieses Teilstück wird ab Genova Pra bereits genutzt.

Kurz nach der erwähnten Abzweigung nach Ovada verzweigt die Linie erneut. Ein doppelspuriger Ast führt in die bestehenden Zufahrten von Norden nach Genova sowie in den Güterbahnhof von Genova Sampierdarena. Dieser 1,9 km lange Tunnel ist gemäss meinen Beobachtungen bereits ausgebrochen, aber die eisenbahntechnischen Installationen stehen noch aus.

Der andere doppelspurige Ast mündet nach 2.3 km in den Tunnel der im Entstehen begriffenen „Terzo Valico“-Linie.

Anschluss Genova nach Norden „Terzo Valico“

Einleitend sei darauf hingewiesen, dass Genova von Norden her bereits von zwei doppelspurigen und weitgehend parallel verlaufenden Eisenbahnlinien erschlossen wird. Eine davon ist jedoch eher ungünstig trassiert und weist Steigungen bis 35 Promille auf.

Zusätzlich wird an einer dritten, weitgehend für den Güterverkehr bestimmten, doppelspurigen Eisenbahnlinie nach Norden gebaut. Herzstück ist ein über 27 km langer Tunnel, in den wie bereits erwähnt, im Berginnern ein Ast der Hafenbahn mündet. Diese Neubaustrecke verzweigt im Norden bei Novi Ligure in einen Ast nach Alessandria und eine solchen nach Tortona. Von Tortona aus können abseits der grossen Zentren über Voghera und Piacenza mehrere Terminals in der Emilia Romagna erreicht werden. Die Distanz des grossen Terminals von Tortona ab Genova beträgt weniger als 70 km, und Novara ist noch etwa 145 km vom Hafen von Genova entfernt. Die genannten Eisenbahnlinien sind verhältnismässig wenig genutzt und durchwegs doppelspurig.

Hafenautobahn

Aber nicht nur eisenbahnseitig erfolgen enorme Investitionen. Parallel zur Stammstrecke von Genova nach Savona entsteht zur Erschliessung der Hafenanlagen von Genova Marittima eine Stadtautobahn mit Anschlüssen an das bestehende Autobahnnetz. Auf Google Earth sind die Dimensionen dieses Bauwerks gut erkennbar.

Abschliessende Bemerkungen

  1. Der Schallschutz der Güterbahn bei Genova Pra ist eindrücklich. Bereits 300 m vor dem Tunneleingang ist die Strecke aus Schallschutzgründen vollständig überdacht. Man denke in diesem Zusammenhang etwa an den vierspurigen Ausbau der Strecke im Ergolztal, die Verbindungslinie bei Brugg oder an die Rampe bei Zürich-Herdern.
  2. Die Investitionen in neue Güterlinien sind immens, und sie werden teilweise bereits genutzt. Es ist zu erwarten, dass die Güterströme aus Asien in die Poebene dank der Erweiterung des Suez-Kanals für die grössten Containerschiffe und die vorhandenen oder geplanten Tiefseehäfen im Mittelmeer kaum mehr über die Alpen führen.
  3. Weitere Veränderungen – wie in unserem Beitrag http://fokus-oev-schweiz.ch/2016/11/06/ende-der-flachbahn-illusion/ dargelegt – bahnen sich an.
  4. Es ist an der Zeit, dass man sich in der Schweiz endlich Gedanken über einen leistungsfähigen und weitgehend für den Güterverkehr bestimmten Transitkorridor macht. Die Ergänzungen der NEAT im Norden und im Süden sind überfällig – und anschliessend ist der problematische Güterverkehr auf der Luino-Linie sowie auf der Strecke von Domodossola über Borgomanero nach Novara als leider unverzichtbare Notlösung einzustellen.
  5. Kritisch zu hinterfragen sind demnach auch die Projekte für den Ausbau der Rheinhäfen in Basel. Das Umladen von Containern in Rotterdam von Hochseeschiffen auf Rheinschiffe, das zweite Umladen der Container in Basel auf die Eisenbahn und der Weitertransport nach Italien sind nicht nachhaltig.

3 Gedanken zu „Erschliessung der Häfen von Genova für den Güterverkehr

  1. Guten Tag Herr Rota

    Dieser Ausbau wird teilweise auch durch die Schweiz finanziert.
    Es ist immer wieder von Ihnen zu lesen, dass die Schweiz ein schlechtes Bahnnetz hat. Dies stimmt so einfach nicht und die von Ihnen gemachten Aussagen sind schlichtweg falsch.
    In der Schweiz haben wir grösstenteils ein Mischverkehr, was sehr gut funktioniert. Wieso soll hier weitere Finanzen in den Sand gesetzt werden, wenn es grösseren Ausbaubedarf an anderen Orten gibt.

    Bitte mal diese Gedanken überlegen und nicht immer unprofessionelle Berichte verfassen!

    • Sehr geehrter Herr Trippel
      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website.
      Obschon ich Ihre Auffassung – nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Bahnfahrten im benachbarten Ausland – nicht teile, veröffentlichen wir Ihren Kommentar als nützlichen Diskussionsbeitrag.
      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.
      Freundliche Grüsse
      Ernst Rota
      Nachtrag: Gerne sende ich Ihnen an Ihre E-Mail Adresse eine Übersicht über die Schwachstellen im Schweizer Normalspurnetz. Diese Analyse wurde mit dem Beizug von ausgewiesenen Fachleuten erarbeitet.

    • Sehr geehrter Herr Trippel

      über den Ausbaustandard im Bahnnetz kann man geteilter Meinung sein, erwähnenswert ist auf jeden Fall, dass ausgerechnet Italien ebenfalls Mischverkehrsstrecken baut und eben gerade nicht an einer vollständigen Trennung des Personen- und Güterverkehrs, was Ihre Aussage stützt. Dennoch ist es zweifelsfrei so, dass der Ausbau des HGV-Netzes auf den zuvor stark belasteten Stammstrecken in Italien viel Trassenkapazität frei gemacht hat durch den Wegfall der schnellsten Züge, so dass die Güterzüge dort jetzt wesentlich besser voran kommen, da zahlreiche Überholungen durch den schnellen Personenverkehr entfallen sind. Die Reisegeschwindigkeit der verbliebenen IC und IR stimmt besser mit denjenigen der Güterzüge überein, so dass sie oft trassenparallel fahren können und gute Durchschnittsgeschwindigkeiten erreichen.

      In diesem Punkt weichen die Zustände in der Schweiz stark von denjenigen in Italien ab: unser Netz ist extrem stark belastet und die Trassen für den Güterverkehr werden zwischen den immer dichter werdenden Personenverkehr hinein gequetscht wie es gerade geht, mit der Folge dass der Güterverkehr eine sehr tiefe Durchschnittsgeschwindigkeit erreicht, selbst Transitgüterzüge kommen kaum über 40-50km/h. Von einem guten Funktionieren kann daher keine Rede sein, vielmehr wird das System täglich bis an die Grenzen der Belastbarkeit genutzt mit entsprechend schlechter Betriebsqualität.
      Will man dies verbessern, sind an vielen Stellen weitere Ausbauten oder sogar zusätzliche Strecken notwendig. Ein besonders unrühmliches Beispiel dafür ist die Achse Basel – Olten, wo auf den ursprünglich geplanten dritten Juradurchstich vorläufig verzichtet wurde. Dieser Wisenbergtunnel wäre inzwischen dringend notwendig, ist aber noch nicht einmal Teil des Ausbauschritts 2035.

      Noch zu Ihrer Aussage betreffend Finanzierung von Eisebahn-Ausbauten in Italien: diese ist betreffend dem „Terzo valico“ schlicht falsch. Die Schweiz beteiligt sich daran mit keinem Rappen, Ihre Kritik zielt daher ins Leere. Was die Schweiz mitfinanziert, sind einzig die direkten Zufahrtsstrecken im unmittelbaren Grenzbereich (Luino bis Gallarate, Chiasso bis Milano und nun zusätzlich auch noch Brig – Domodossola – Gallarate / Novara, wobei Italien in letzterem Fall knapp die Hälfte der Kosten trägt). Zu Chiasso – Milano ist zu sagen, dass Italien die Abnahme des Gütertransitverkehrs in Chiasso bereits seit Anfang der NEAT-Variantendiskussion abgelehnt hat, da er dort unmittelbar in den Grossraum Milano geleitet wird, was Italien verständlicherweise nicht will. Man hat von Beginn an die Umfahrung Milanos östlich oder westlich gefordert und deshalb die Simplon- und Splügen-Varianten bevorzugt. Die Schweiz hat aus Eigeninteresse dennoch die Variante über Chiasso bevorzugt (Anbindung des Mendrisiottos und Milanos für den Personenverkehr, der eigentlich nicht das primäre Ziel der NEAT-Linien wäre). Dass Italien nun eine Beteiligung an den Kosten dieses Variantenentscheides der Schweiz verlangt, weil die Mehrkosten durch den schweizerischen Entscheid verursacht wurden, die den italienischen Interessen entgegen standen.

      Ich gehe davon aus, dass Italien von der Schweiz auch noch die Beteiligung an den Kosten für den Bau der Ostumfahrung Milano fordern wird, deren Planung noch nicht weit fortgeschritten ist, die aber noch mit einigen Milliarden Euro zu Buche schlagen wird. Andernfalls ist die Abnahme des Gütertransitverkehrs in Chiasso, die jetzt schon stockt, nicht gewährleistet und die Hälfte der Trassen wird in Chiasso an einem Prellbock enden.

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