Meterspurbahnen im Jurabogen / Fakten und Gedanken

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Die Bahnjournalisten Schweiz führten in Zusammenarbeit mit RAILplus am 29./30. August 2023 eine ausserordentlich interessante und intensive Studienreise zu den Meterspurbahnen im französischsprachigen Jurabogen durch.

Gerne fasse ich in diesem Bericht mit dem besten Dank an den Reiseleiter, RAILplus und die besuchten Bahnen meine Eindrücke von der Studienreise zusammen.

Überblick

Unter der Leitung von Kurt Metz und mit Unterstützung durch Joachim Greuter, Geschäftsleiter von RAILplus, wurden folgende Bahn- und Transportunternehmen besucht:

  • Nyon – St. Cergue – Morez (NStCM)
  • Morges – Bière-Cossonay (MBC)
  • Lausanne – Echallens – Bercher (LEB)
  • Yverdon – Les Bains – St. Croix (TRAVYS)
  • Transports publics neuchâtelois (transN)
  • Chemins de Fer du Jura (CJ)

Der Empfang und die Gastfreundschaft der Bahnen für die zwölfköpfigen Delegation der Bahnjournalisten waren überwältigend. Die Geschäftsleiter der Bahnen präsentierten ihre Unternehmen persönlich und standen für Fragen zur Verfügung. Daneben bot die Exkursion Gelegenheit, Eindrücke von der schönen Juralandschaft zu gewinnen und sich untereinander auszutauschen.

In diesem historischen Triebwagen der MEB fuhren wir von Morges nach L’Isle. Auf der Fahrt präsentierte uns Pierre-Alain Perren, Direktor der MBC, sein Unternehmen und verwöhnte uns mit einem feinen Imbiss.

Zusammenfassend präsentierten sich die Bahnen in einem sehr guten Zustand. In den letzten Jahren wurden in verschiedener Hinsicht grosse Fortschritte erzielt. Das gilt sowohl in Bezug auf die Infrastruktur, das Rollmaterial als auch den Auftritt der Bahnen. Die präsentierten Projekte zeugen von einem gesunden Selbstvertrauen und von Zuversicht für die Zukunft.

Unterschiedlich ist der Detaillierungsgrad der abgegebenen Unterlagen oder der über das Internet verfügbaren Informationen. Das gilt in besonderem Mass für den Detaillierungsgrad und die Aussagefähigkeit der Geschäftsberichte. Hier besteht vor allem bei der transN, wo nur sehr pauschal über die Entwicklung der Fahrgastzahlen oder der Personenkilometer berichtet wird, Handlungsbedarf. Trotz mehrfachen Anfragen beim Unternehmen, beim statistischen Amt des Kantons Neuenburg oder beim BAV, konnten die Leistungsdaten von transN nicht beigebracht werden.

Bemerkenswert ist, dass im Gegensatz zum Kanton Waadt die Kantone Jura und Neuenburg ihre (kantons-) eigenen Transport- und Bahnunternehmen unter einem Dach zusammengefasst haben. transN und CJ stellen neben SBB und Postauto den überwiegenden Teil des öffentlichen Verkehrs in ihren Kantonen sicher.

Grosse Unterschiede bestehen bei den Kostendeckungsgraden von einzelnen Angeboten. Zudem stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung von Angeboten. Ist es nachhaltig, die Eisenbahnstrecken von Apples nach L’Isle (mit einem Kostendeckungsgrad um 10 Prozent) oder von St. Cergue nach la Cure in Anbetracht der geringen Frequenzen weiter zu betreiben? Zumal beispielsweise eine Busverbindung von Apples über L’Isle nach Cossonay die Erschliessung der Region mit ihrer gestreuten Besiedlung oder weitab von Bahnhöfen gelegenen Dörfern substantiell verbessern würde.

Auch kann man bezüglich der Angemessenheit von Projekten oder Absichten geteilter Meinung sein. So zum Beispiel das Weiterführen der Züge der schmalspurigen Züge CJ von Glovelier nach Delémont auf einem Dreischienengleis auf der Strecke der SBB oder das projektierte monumentale Bahnhofsgebäude von Bière.

Bei der Beantwortung dieser kritischen Fragen darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Bahnen gerade in weniger strukturstarken Regionen einen wesentlichen Teil zur regionalen Wertschöpfung beitragen oder Hoffnungsträger sind. Ein abendlicher Spaziergang durch St. Croix führte dies vor Augen. Etliche Gebäude im einst bedeutenden Industriezentrum und Touristenort wirken verwahrlost – einzig der Bahnhof und die Umgebung heben sich positiv vom Umgelände ab.

Gebäude in St. Croix.
Noch benutzte Wohnung in St. Croix.

Eindrücklich, mit welcher Begeisterung uns in Les Ponts-de-Martel der Leiter der Werkstatt von transN für die meterspurige und knapp 16 Kilometer lange Meterspurbahn nach La Chaux-de-Fonds seinen Betrieb vorstellte. In Anbetracht der Geographie und des Kostendeckungsgrades dieser Eisenbahnstrecke von 20.5 Prozent könnte eine Umstellung auf Busbetrieb oder – mindestens – eine Fusion mit den Chemins Fer du Jura CJ angezeigt sein.

Betriebliche Kennzahlen 2022

Überblick über wichtige Kennzahlen der besuchten Bahnen. Die Tabelle wurde vom Verfasser aufgrund der verfügbaren Informationen erstellt. Ich verweise auf die Ausführungen in der Einleitung. Die Streckenlängen sind in Kilometern angegeben. Die Spannung ist in 1’000 Einheiten angegeben. DC steht für Gleichstrom, AC für Wechselstrom. Die Frequenz liegt in der Regel bei 16 2/3 Hertz.

Die Zahlen belegen, dass mit Ausnahme der NStCM und der CJ die Bahnen in Verkehrsunternehmen eingebunden sind, in denen sie nur einen geringen Teil der Transportleistung erbringen. Teilweise bestehen zwischen der SBB und den Jurabahnen komplexe Verhältnisse – so wie im Vallée de Joux oder im Val de Travers.

Finanzielle Kennzahlen 2022 im Überblick

Überblick über die wichtigsten finanziellen Kennzahlen. Erträge und Aufwendungen sind in CHF 1’000 angegeben, die Kostendeckungsgrade in %. Die Tabelle wurde vom Verfasser mit grosser Sorgfalt erarbeitet. Die Angaben basieren auf den in den Geschäftsberichten präsentierten (Brutto-) Zahlen. Wo keine Spartenergebnisse vorlagen, wurden die Angaben der gesamten Unternehmung verwendet. (Erläuterung der Abkürzungen: PBG Personenbeförderungsgesetz, EBG Eisenbahngesetz). Die YStCM betreibt den Busverkehr in der Region Nyon mit ihrem Tochterunternehmen TPN. Die LEB gehört zur TL-Gruppe (Transports publics Lausannois).

Die Kostendeckungsgrade weichen teilweise von den publizierten Zahlen der Bahnen ab, da der Aufwand auch die Investitionen in Anlagen und Rollmaterial enthält. Das gilt in besonderem Mass für die LEB, welche in der TL-Gruppe (Transport de la Ville de Lausanne) eingebunden ist. Die Zahlen lassen vermuten, dass die Kostendeckungsgrade der Busse über denjenigen der Bahnen liegen.

Bemerkenswert ist, dass die CJ mit drei Tarifverbünden kooperiert, nämlich Onde Verte (Neuenburg und Berner Jura), Vagabond (Jura) und Libero (Bern und Solothurn).

Abschluss

Abschliessend nochmals ein grosses Dankeschön an alle, die zum Erfolg dieser gehaltvollen Studienreise beigetragen haben. Vielen Dank auch an die Bahnen für die Nachlieferung von Informationen.

In diesem historischen Triebwagen der CJ führten uns Frédéric Python und sein Team von Saignelégier nach Le Noirmont und zurück. Unterwegs kamen wir in den Genuss einer interessanten Präsentation und von ausgesuchten Spezialitäten aus der Region.

3 Gedanken zu „Meterspurbahnen im Jurabogen / Fakten und Gedanken

  1. Sehr lobenswert ist die Feststellung, dass für einmal die Meterspurbahnen im frankophonen Teil des Schweizer Jurabogens bei uns in der Deutschschweiz eine gewisse Beachtung finden.

    Manche Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer kennen sich dort nämlich nicht sonderlich gut aus. Alle diese hier vorgestellten Bahnen leisten tagtäglich äusserst wertvolle Beiträge zu Förderung einer ökologischeren Mobilität, zur Anbindung von wirtschaftlich eher schwachen Randregionen an die Zentren und Subzentren und zur allgemeinen Wertschöpfung in den von ihnen bedienten Regionen.

    Viele Einwohner dieser Gebiete möchten ihre Bahnanbindung nicht missen, auch wenn sie diese vielleicht nicht dauernd oder sonderlich intensiv beanspruchen. Ein Beispiel liefert der Fall der einstellungsbedrohten kurzen Stichlinie von Le Locle nach Les Brenets, wo sich eine Bürgerinitiative mit guten Gründen für den Erhalt der Bahn einsetzt.

    Was mich an dem vorliegenden Bericht hingegen stört, ist die fast ausschliessliche Fokussierung auf den Kostendeckungsgrad dieser Bahnen und die in diesem Zusammenhang aufgeführten Überlegungen zur Einstellung von Streckenabschnitten oder ganzer Linien. Werden Teilabschnitte von Bahnsystemen stillgelegt, führt dies schnell zu einer weiteren Entwertung des Restbetriebes, der dann irgendwann auch Opfer von Einstellungsbestrebungen wird. So sind z.B. in Frankreich Abschnitt für Abschnitt ganze Nebenbahnnetze verschwunden, die heute wertvolle Dienste leisten könnten, wenn man sie denn noch hätte! Die daraus resultierende „désert ferroviaire“ in gewissen Regionen führt zuweilen zu verstärkter Abwanderung, zur generellen wirtschaftichen „désertification“: Bahnhof zu, Post zu, Schulen zu, Gemeindeverwaltung weg, Handwerkbetriebe weg, Bäckerei zu, Bistrot weg.

    In Zeiten des Klimanotstandes ist es kurzsichtig, ja schon fast verantwortungslos, vorhandene, intakte und wertvolle Bahninfrastruktur dem Sparwillen der Finanzpolitik zu opfern. Der vorliegende Bericht bewertet den technischen und betrieblichen Zustand dieser Bahnunternehmungen insgesamt als gut. Warum also Teile davon aufgeben? Es gibt nämlich, neben den rein pekuniären Kriterien, auch andere, ebenso wichtige Faktoren (siehe oben), die bei allfälligen Systemumstellungen (Bahn > Bus) entsprechend zu berücksichtigen sind. Wir sollten die Fehler der Nachkriegsjahre, als es im Zuge der individuellen Vollmotorisierung zu zahlreichen Bahneinstellungen im Ausland, aber auch in der Schweiz (z.B. Tessiner Lokalbahnen, Jorat-Linie, Sernftal, Zürcher Oberland etc.) kam, nicht wiederholen.

    In jüngster Zeit gibt es in Deutschland und Frankreich Überlegungen, den soziökonomischen und demografischen Wert sogenannter „Petites Lignes“ wiederzuerkennen und diese mit rationellen Mitteln wieder zu beleben und sorgsam, d.h. haushälterisch, zu entwickeln, um die alleinige Abhängigkeit breiter Schichten der ländlichen Bevölkerung vom eigenen Auto zu reduzieren. Eine Bahnstation im Ort verleiht diesem einen generell höheren Stellenwert als eine simple Bushaltestelle, weil die Bahn auch rein physisch präsenter ist als ein Bus. Allerdings gibt es durchaus Situationen, wo eine E-Buslösung die Bedürfnissen der Lokalbevölkerung besser abzudecken vermag als eine Bahn, deren Stationen sich zu weit abseits oder am falschen Ort befinden oder deren technische Erneuerung Unmengen an Investitionen verschlingen würde.

    Auf keinen Fall darf jedoch der Kostendeckungsgrad allein zum massgebenden Kriterium für die Einstellung eines Bahnbetriebs sein! Ist die Bahn nämlich einmal weg, kommt sie wohl kaum je wieder zurück. Sehr seltene Ausnahmen bestätigen diese Erkenntnis.

  2. Langfristig wäre es sinnvoll für den Tourismus wo es möglich ist die Meterspurbahnen miteinander zu vernetzen durch Gleisverbindungen oder auch Umspurungszüge. Zum Beispiel auch bei den Jurabahnen, die 2 Spuren haben, würde dies gut ankommen.
    Endziel sollte es sein, die Schmalpurbahnen/Privatbahnen der Schweiz alle miteinander zu Verknüpfen, damit die weltweiten Touristen mit dem grössten Schmalspurnetz der Welt unsere Landschaften mit dem Panoramazug aus vollen Zügen geniessen können!

    • Sehr geehrter Herr Mura

      Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Website und für Ihren Vorschlag. Darf ich dazu folgendes anmerken:

      1. Unsere Meterspurbahnen dienen abgesehen von wenigen Ausnahmen nicht primär dem touristischen Reiseverkehr, sondern üben eine wichtige Erschliessungsfunktion aus.

      2. Persönlich halte ich Ihren Vorschlag generell für ziemlich utopisch. Das heisst nicht, dass es keine sinnvollen Verknüpfungen gäbe. So zum Beispiel die Weiterführung der heute von der BLT betriebenen Waldenburgerbahn nach Pratteln und Anschluss an das Netz der BLT.

      Nochmals vielen Dank für Ihren Kommentar und weiterhin viel Freude mit unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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