SEAK Adieu – eine Randnotiz? Mitnichten!

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Am Montag, 4. September 2023, trafen sich etwa fünfzig Mitglieder des «Schweizerischen Eisenbahn-Amateur-Klubs» (SEAK) zu einer Abendrundfahrt auf dem Zürichsee. Der Ausflug stand im Zeichen der im Frühjahr 2023 beschlossenen Auflösung des SEAK per 31. Dezember 2023 – trotz dem tollen Wetter ein betrüblicher Anlass. Damit gehört ein einst bedeutender und traditionsreicher Klubs von Freunden der Eisenbahn der Vergangenheit an.

Nur eine Randnotiz? Mitnichten! Dazu in diesem Bericht ein paar Gedanken.

 Kurze Geschichte des SEAK

Der SEAK wurde 1933 in Zürich von gut einem Dutzend von primär an Modelleisenbahnen interessierten Bahnenthusiasten gegründet. Der Klub erfreute sich trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds einem dynamischen Wachstum und konnte bereits 1938 das 100. Mitglied aufnehmen. Das Interesse an der «echten» Eisenbahn oder wie man sagte, an der «Grosstraktion» trat bald gleichberechtigt neben die Leidenschaft für Modelleisenbahnen. Aufbau und Betrieb einer eigenen Modelleisenbahnanlage war nie angedacht.

Wenige Jahre nach der Gründung wurden Kontakte zu anderen Vereinen mit ähnlicher Ausrichtung geknüpft, und der SEAK begann, in der Zeitschrift des «Schweizerischen Modelleisenbahn-Clubs» eigene Beiträge zu publizieren. Abspaltungen vom SEAK führten zur Gründung von weiteren Vereinen, wie etwa dem 1938 in St. Gallen gegründeten Klub.

Der Mitgliederbestand des SEAK verzeichnete in den folgenden Jahrzehnten eine stürmische Entwicklung und erreichte 1981 mit 656 Mitgliedern einen Höchststand. Neben regelmässigen Vorträgen und Zusammenkünften, zahlreichen Exkursionen und Studienreisen mit bis zu 239 Teilnehmenden wurden eine umfangreiche Bibliothek mit Fachliteratur unterhalten und unzählige Eisenbahnfachzeitschriften aus dem In- und Ausland abonniert. Diese zirkulierten mit Lesemappen unter interessierten Mitgliedern. Im Jahr 1978 wurde mit dem «Anschlussgleis» ein eigenes Vereinsorgan publiziert. Das 40-jährige Jubiläum des SEAK wurde 1973 auf dem Dampfschiff «Stadt Rapperswil» mit gegen 600 Gästen gefeiert. Unter den Mitgliedern befanden sich mehrere Persönlichkeiten, die in der Bahnwelt einen guten Namen und viel Einfluss hatten.

Nach dem Höchststand im Jahr 1981 nahm der Mitgliederbestand kontinuierlich ab. Das 150-jährige Jubiläum der Schweizer Bahnen führte zwar zu einer kurzfristigen Trendwende, jedoch ohne nachhaltige Wirkung. Die Mitgliederzahl sank trotz engagierten Werbemassnahmen weiter.

Das Klublokal an der Gessnerallee wurde 1986 aufgegeben. Bis kurz vor der Auflösung unterhielt der SEAK in einem ehemaligen Dienstgebäude der SBB beim Bahnhof Tiefenbrunnen ein Lokal für kleinere Treffen und für die umfangreiche Bibliothek.

Mit dem sinkenden Mitgliederbestand verbunden war die Erhöhung des Durchschnittsalters der Mitglieder. Im Jahr vor der Auflösung befanden sich unter den rund 170 Mitgliedern 131 Veteranen mit 25 und mehr Mitgliedschaftsjahren.

Mehrere Initiativen zur Gewinnung von neuen Mitgliedern verliefen erfolglos, und die Besetzung der Vorstandsfunktionen gestaltete sich zusehends schwieriger. Der Vorstand bestand zum Zeitpunkt des Beschlusses zur Auflösung nur noch aus drei Mitgliedern, die mit einen enormen Arbeitspensum konfrontiert waren.

Um der schleichenden Auflösung ein Ende zu setzen, wurde am 15. April 2023 an einer ausserordentlichen Generalversammlung beschlossen, den SEAK per Ende 2023 aufzulösen.

Folgerungen

Ein bitteres Ende eines einst stolzen und einflussreichen Vereins! Das Ende steht beispielhaft für eine bedrohliche Entwicklung im Eisenbahnwesen.

Erinnern wir uns. Einst umfasste der legendäre Katalog des Spielwarenhauses Franz-Karl Weber knapp ein Dutzend Seiten über Modelleisenbahnen und Zubehör. Namen wie Märklin, Fleischmann, HAG, Trix, Kleinbahn, Fulgurex, Pocher oder Faller waren allgemein bekannt. Auch die Auslagen und die Schaufenster in den Warenhäusern waren dicht bestückt mit Lokomotiven und Wagen. Fast jedem Schüler in unserer Region waren die Bezeichnungen und die Leistungsdaten der schweizerischen Lokomotiven geläufig.

Das alles gehört der Vergangenheit an. Spielzeugeisenbahnen sind wieder die exklusive Leidenschaft einer meist älteren und kaufkräftigen Gruppe geworden – die Eisenbahn ist bei vielen jugendlichen Menschen aus dem Blickfeld verschwunden. So, wie der SEAK und andere eisenbahnaffine Organisationen.

Die Eisenbahn hat die Jugend und viel an Attraktivität für den potentiellen Nachwuchs verloren. Das ist kein gutes Omen für das Prosperieren und für die zukünftige Entwicklung der Eisenbahn. Der von Vincent Ducrot erwähnte Sachverhalt, dass die SBB bis 2030 vierzig Prozent ihres Personals altersbedingt ersetzen müssen, erweckt Besorgnis. Für viele Eisenbahner war ihre Tätigkeit nicht Beruf, sondern Berufung. Dieses Bewusstsein setzte bereits in der Jugend ein. Und genau dieses Fundament ist bedroht.

Kommentar

Ich wurde 1983 als 1188. Mitglied in den SEAK aufgenommen und bin somit eines der über 1’200 Mitglieder, die dem SEAK angehörten oder noch angehören. Möglicherweise sind die Ausführungen in diesem Bericht subjektiv gefärbt. Mag sein.

Aber es wäre der zukünftigen Entwicklung der Eisenbahn in der Schweiz möglicherweise zuträglicher, wenn man den Fokus vermehrt weg von der Schiene und von den Fahrzeugen auf die oben beschriebenen gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen legen würde und Gegensteuer gäbe. Aus meiner Sicht stehen hier vor allem die SBB in der Pflicht.

6 Gedanken zu „SEAK Adieu – eine Randnotiz? Mitnichten!

  1. In meiner Jugendzeit in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, vermochte die Eisenbahn als solche, sei es im Modell oder in Grosstraktion, eine grosse Faszination auf viele Menschen auszuüben. Auf den Wunschzetteln von Jugendlichen vor Geburtstagen oder Weihnachten standen häufig auch Artikel aus dem Märklin- oder Fleischmannkatalog. In der Schule diskutierten wir Buben über die damals neueste SBB-Lok mit den Chromleisten und dem Schweizerwappen, die Ae 6/6. Bei FCW oder Bercher&Sternlicht drückten wir unsere Nasen an den Schaufenstern platt, wo genau die entsprechenden Modelle zu sehen waren. Manche Wünsche blieben unerfüllt, obwohl damals die Preise, zumindest für die einfacheren Modelle, noch halbwegs bezahlbar waren. Wir haben darum ausgiebig „Geduld“ und „Sparen“ gelernt, was uns sehr gut bekam. Geduld scheint heute mehr und mehr zum Fremdwort zu werden.
    Die Modellbahnindustrie hat im Laufe der Jahre zunehmend filigranere, komplexere, teurere, aber auch für Kinderhände ungeeignetere, weil wenig robuste Modelle, auf den Mark gebracht. Die Modellbahn wurde allmählich zum Hobby von Erwachsenen. Der zusehends knapper und teurer werdende Wohnraum erschwert oder verhindert das Spielen mit der Modellbahn oder gar den Aufbau ein ganze Anlage. Das „kreative dreidimensionale Erschaffen“ beansprucht zu viel Platz. So blieben die Märklin-Schachteln mit Loks, Wagen und Gleisen zusehends vergessen im Abstellraum, ebenso Pinsel, Kleber, Gips und Farbe.
    Die „grosse“ Eisenbahn verlor durch das Ausscheiden von einst typischen, „charaktervollen“ Lokomotiven wie das Krokodil, die Ae 4/7 u.a. und deren Ersatz durch langweilige „Einheitsmodelle“ (Blechkisten) zusehends an Spannung. Die unaufhaltsam vordringende „digitale Flutwelle“ mit der neuen Faszination „Touchscreen and Games“ überrollte uns alle. Die junge Generation von heute, von der einstigen „Faszination Eisenbahn“ mental meilenweit entfernt, verfällt den raffinierten visuellen Verführungen der modernen Digitallbildtechnik, die zuweilen bis zur Abhängigkeit führen kann. Dagen sieht die Modellbahn, obwohl inzwischen auch mit digitalen Playsticks nachgerüstet, halt schon eher „alt“ aus! Das Handy hat jeder im Hosensack, die Modellbahn passt da leider nicht ganz hinein.
    Die Eisenbahn wird in unserem Land zunehmend zur gewöhnlichen S-Bahn, welche man wie Tram und Bus täglich nutzt, ohne sie wirklich wahrzunehmen, worüber man sich jedoch schnell enerviert, wenn mal nicht alles so verläuft wie gewünscht. Viel Raum für „Faszination“ bleibt im alltäglichen Gedränge nicht. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass genau in dem Jahr, in welchem sich der SEAK aufzulösen gedenkt, so viele Menschen wie noch nie in unserem Land die Dienste der Eisenbahn nutzen. Die Bahn, eine Erbringerin von Dienstleistungen wie Grossverteiler oder Spitäler, die als selbstverständlich angesehen werden, über die man sich jedoch im Normalfall kaum je Gedanken macht. „Faszination“ geht anders …

    • Lieber André

      Vielen Dank auch für diesen Kommentar.

      Ich verweise auf die übrigen Repliken. Ergänzend möchte ich betonen, dass die moderne Bahn durchaus viel zu bieten hat. Man muss es nur herausstreichen.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Ja, schade, und auch ich bin einer der Veteranen, wahrscheinlich das dienstälteste Mitglied der Basler Eisenbahn-Amateure BEA, mit 52 Jahren zumeist Passivmitgliedschaft. War seinerzeit die Bahn so faszinierend, weil man deren Kraft und Funktion, ganz besonders bei Dampflokomotiven, von aussen sehen konnte, und auch natürlich nur ganz Reiche ein Auto hatten, von Fliegen fürs Volk nicht zu reden, so ist sie heute ein eher als umständlich angesehenes Verkehrsmittel, sicher modernisiert, klimatisiert, aber man kann nicht mehr das Fenster öffnen, Niederflur, aber kein Gepäckservice mehr, schnell, so bleibt keine Zeit für den Genuss im abgehalfterten Speisewagen. Fürs Personal, kein Berufsstolz mehr, dafür unregelmässige Arbeitszeiten. Und die Informatik hat auch die Information vertrieben. Man kann nicht mehr mit dem Beamten am Schalter plaudern, und man kann schon fast gar nicht mehr ein internationales Billett kaufen. Und dann ist es noch teuer.

    All dies hat die Anziehungskraft der Bahn für Amateure gemindert, sicher ist es für viele ein attraktives Verkehrsmittel, aber einfach nur ein Verkehrsmittel, mehr nicht.

    Reinhard Christeller

    • Sehr geehrter Herr Christeller

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website.

      Ich habe meine Frau kürzlich auf den Flughafen Kloten begleitet und war einmal mehr beeindruckt. Saubere und grosszügige Räume. Kostenlos zu benutzende und gut erreichbare Toiletten. Alle grösseren Höhenunterschiede lassen sich mit Rolltreppen überwinden. Man vergleiche die Gegebenheiten mit zahlreichen Bahnhöfen der SBB.

      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unseren Beiträgen.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Die Eisenbahn hat viel ihre Faszination verloren. Bei den neuen Lokomotiven finden sich nur noch vier- oder sechsachsige Modelle mit verschiedenen Formvariationen. Bei den Personenzügen handelt es sich um sieben- oder elfteilige Triebzüge, die viel zu viel Raum beanspruchen und sehr teuer sind, dies selbst dann, wenn sie in gekürzten Versionen eingekauft werden. Langweilig sind sie auch, die Wagenreihenfolge lässt sich nicht verändern.

    Bei Weichen und Signalen ist der Anschluss theoretisch einfach, wird aber kompliziert, sobald viele davon gebraucht werden. Eine einzelne Weiche oder ein Signal kostet mehr als fünfzig Franken – sobald es mehrere davon braucht, erreicht der Kaufbetrag mehrere Hunderternoten. Elektronik schafft zwar Abhilfe, muss zusätzlich den erwähnten Artikeln angeschafft werden und ist teuer.

    Dem Kostenproblem wurde in der Schweiz zum Teil ausgewichen, indem sich ein Teil der interessierten Kunden in der Schweiz beim Händler beraten liess, um den Artikel nachher in Deutschland oder bei einem Discounter zu kaufen. Schuld daran trägt die Preispolitik der Modellbahn-Hersteller, welche diese Preisunterschiede ermöglichte. Dieser Niedergang spiegelt sich in den Eisenbahn-Abteilungen von Franz-Carl-Weber. War dies früher fast ein ganzes Stockwerk, sind es heute nur noch wenige Quadratmeter. Mehr noch: Bei einzelnen Filialen können keine Eisenbahnartikel mehr gekauft werden.

    Ob hier die SBB helfend einspringen kann, wage ich zu bezweifeln. Werden eisenbahntechnische Exkursionen organisiert, kann mit einer erfreulich guten Zusammenarbeit gerechnet werden.

    Der Grund für diese Entwicklung liegt meiner Meinung nach darin, dass berufstätige Menschen zu wenig Zeit haben, um sich in der Freizeit ehrenamtlich zu engagieren. Das gilt für alle Branchen. Dass Vereine eingehen, ist also eine traurige Tatsache und dem heutigen Zeitgeist geschuldet, kann aber dadurch verhindert werden, dass bei Anfragen zugesagt und nicht mit Verweis auf fehlende Zeit abgesagt wird. Das hat beim SEAK gefehlt. Es hätte zum Weiterleben dieses stolzen Vereins beigetragen.

    • Lieber Kurt

      Vielen Dank für Deinen Kommentar und für Dein Interesse an unserer Website.

      Die SBB haben beispielsweise im Gegensatz zu den RhB ihre früher intensiven Bemühungen bei der Jugend praktisch aufgegeben. Kürzlich hatte ich einen Prospekt der RhB zu „Clâ Ferrovia“ in der Hand. Zudem verweise ich auf den „Graubünden-Pass“ der RhB, mit dem Familien am ersten Sonntag eines Monats für nur CHF 29.- einen ganzen Tag mit der RhB reisen können. Sind Dir analoge Angebote unserer Staatsbahn oder anderer Eisenbahnunternehmen bekannt?

      Die Eisenbahn hat in den letzten Jahrzehnten eine enorme Entwicklung durchlaufen. Man denke etwa an den HG-Verkehr oder die erfreuliche Lage beispielsweise der nordamerikanischen Güterbahnen. Das könnte man sehr wohl bewerben.

      Noch zu den Entwicklungen im Vereinswesen. Wie Beispiele auch aus der Schweiz zeigen, florieren Vereine dort, wo sie die Jugendförderung nicht vernachlässigt haben, oder sich für neue Trends öffnen. Natürlich sind die klassischen Modelleisenbahnen für viele Kinder unerschwinglich geworden. Auf der anderen Seite bieten Computerspiele aus der Welt der Eisenbahnen eine kostengünstige Alternative.

      Das in Kürze ein paar Gedanken. Ich danke Dir nochmals für Deinen Kommentar und wünsche Dir weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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