Renens liegt in der Schweiz. Wirklich!

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Sylvain Meillasson veranstaltete für die Bahnjournalisten Schweiz am 12. April 2023 unter der Bezeichnung «Romandie: Mobilitätschampions» eine spannende und reichhaltige Studienreise in die Westschweiz. Die anfängliche Skepsis gegenüber der ambitionierten Bezeichnung der Studienreise löste sich im Verlauf des Tages rasch im Nichts auf.

Von den zahlreichen Höhepunkten der Reise beeindruckte vor allem der umgebaute Bahnhof von Renens. Leider war die Zeit für die Besichtigung dieser grossartigen Infrastruktur am 12. April 2023 zu knapp. Ich holte bei den SBB ergänzende Informationen ein und reiste am 17. Mai 2023 für eine intensive Besichtigung des Bahnhofs erneut nach Renens.

Mehr über das noch nicht vollständig abgeschlossene Projekt und die Erklärung für die sonderbar anmutende Überschrift in diesem Bericht – Staunen ist angesagt!

Überblick über das Projekt

Das Bevölkerungswachstum im Westen von Lausanne und der nachfragegerechte Ausbau des öffentlichen Verkehrs bewirkten eine erfreuliche Zunahme der Auslastung des Bahnhofs von Renens. Die bestehenden Anlagen vermochten den Ansturm kaum mehr zu bewältigen und genügten den Bestimmungen des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes nicht mehr.

Die 2015 begonnenen Arbeiten sind bezüglich der Anlagen der SBB praktisch abgeschlossen. Noch im Gang sind die Arbeiten für die neue Stadtbahn der «Transports Publics Lausannois» (TL) vom Bahnhof Renens ins Zentrum der Stadt Lausanne. Dies Arbeiten beinhalten im Wesentlichen den Bau einer rund 5 Kilometer langen zweigleisigen Tramlinie T1, substantielle Anpassungen am Strassennetz und den Bau der Endhaltestelle für T1 im Bahnhof von Renens. Das Projekt wird mit der Inbetriebnahme der Stadtbahn T1 Ende 2024 abgeschlossen.

Gemäss einem Auszug aus einer Beschreibung der SBB erfolgten im Bahnhof von Renens folgende Arbeiten:

  • Renovation des historischen Bahnhofgebäudes und Neugestaltung des Vorplatzes.
  • Verbreiterung der bestehenden Unterführung mit besseren Zugängen zu den Perrons mit Rampen und gut zu begehenden Treppen.
  • Verlängerung der Perrons auf 420 Meter Länge und Verbreiterung der Perrons 2 und 3.
  • Anhebung aller Perrons auf 55 cm für einen stufenfreien Zugang zu den Zügen
  • Anpassung des Gleiskopfs.
  • Bau neuer und längerer Perrondächer sowie Anpassung des Mobiliars und der Beleuchtung.
  • Sanierung des historischen Daches von Perron 1.
  • Koordination der Arbeiten mit der Stadt Renens beim Projekt «Rayon Vert» (Bau einer neuen Passerelle zur innerstädtischen Verbindung über den Geleisen), mit Zugängen zu den Perrons und zur Endhaltestelle der neuen Strassenbahn T1.

Die Kosten der baulichen Massnahmen der SBB einschliesslich der Hälfte der Anpassungen an den Geleisen wurden bei Baubeginn mit einer Bandbreite von 20 Prozent auf CHF 172 Mio. geschätzt. Die Finanzierung erfolgt über eine vom Bund finanzierte Leistungsvereinbarung mit den SBB. Die Bauabrechnung mit den genauen Kosten ist zurzeit noch pendent.

Verlauf der bisherigen Arbeiten

Zusammenfassend darf bisher von einem erfolgreichen und termingerechten Verlauf des anspruchsvollen Projekts gesprochen werden. Besonders hervorzuheben ist die konstruktive und proaktive Zusammenarbeit mit den Behörden der Stadt Renens, die sich auch mit den drei anderen betroffenen Gemeinden Chavanne, Crissier und Ecublens abgesprochen hatte. Trotz den intensiven Arbeiten gelang es, den Betrieb auf einer der verkehrsreichsten Eisenbahnlinien der Schweiz ohne nennenswerte Probleme aufrecht zu erhalten.

Besondere Herausforderungen bildeten die Steuerung der Passagierströme während den Arbeiten und die Abstimmung mit den übrigen Akteuren in der Umgebung des Bahnhofs (Bau eines neuen Gebäudes über der Endhaltestelle der neuen Strassenbahn T1, Erweiterung einer Strassenunterführung östlich des Bahnhofs und Einbindung des Trasses für die zukünftige Tramlinie nach Lausanne).

Dank einer effizienten Steuerung des Projekts wurden positive Erkenntnisse für die Baustellenlogistik gewonnen. Auch liessen sich aus der integrierten Planung Schlüsse für die Lenkung der Personenströme bei zukünftigen Grossprojekten ziehen.

Bauteile

Nachstehend einige Bilder, aufgenommen am 17. Mai 2023 mit einem Smartphone.

Bahnhofgebäude und Vorplatz

Bahnhofgebäude mit verkehrsfreiem Vorplatz.
Sitzbänke und Schutzdächer auf dem Bahnhofvorplatz.

Unterführung

Eindruck von der grosszügigen Unterführung.
Rampe aus der Unterführung auf einen Bahnsteig. Man beachte die zurückhaltende Werbeflächen und das Fehlen von Ladengeschäften.
Blick in eine verhältnismässig flache und helle Rampe.
Aus weissen Gestein gefertigte Stufen vor den Podesten oder dem Treppenabgang. Auch die Steigung der Treppe ist viel geringer und weniger gefährlich als beispielsweise in Winterthur oder Zürich-Oerlikon.
Blick von oben auf eine Rampe. Das begehbare Dach oberhalb der Lampe ist aus blauem Glas. Man beachte die Holzkonstruktion am Geländer, an die sich wartende Fahrgäste anlehnen können.

Passerelle

Zugang auf die Passerelle vom Bahnhofvorplatz her – mit Treppe und Rolltreppe.
Seitlicher Aufgang mit Treppe und Rolltreppe auf das Zwischenpodest der Passerelle.
Oberes Ende des Aufgangs vom Bahnhofplatz her auf die Passerelle. Zusätzlich zur Treppe und zur Rolltreppe steht den Fahrgästen ein grosszügiger Lift zur Verfügung.
Blick in die Passerelle. Man beachte die Sitzbänke und den Pflanzenschmuck. Hier sitzt man gerne.
Blick auf den Zugang zu einem der Lifte von der Passerelle zu den Bahnsteigen.
Von der Passerelle aus führen auch Treppen und Rolltreppen zu den Bahnsteigen.
Blick von der Stadtseite auf den Zugang zur Passerelle.
Blick von der Stadtseite auf die Passerelle.
Blick auf die Passerelle aus südöstlicher Richtung. Im Vordergrund die Planie für die Geleise der Strassenbahn T1 nach Lausanne.
Eindruck von einem Bahnsteig mit grosszügig gestaltetem Dach mit einer Dachhaut aus blauem Glas.
Eindruck eines wartenden Fahrgastes auf einem Bahnsteig. Im Hintergrund die Passerelle.
Aufgang vom Bahnsteig auf die Passerelle. Die Passerelle ist vollständig überdacht und seitlich mit Glaswänden geschützt.
Blick auf den Bahnsteig 1 mit dem in die neue Dachkonstruktion integrierten historischem Perrondach.
Blick auf die Haltestelle der Stadtbahn nach Lausanne Flon. Eine Fahrt mit dieser Bahn und ein Rundgang durch das Hochschulgelände, das durch die Stadtbahn erschlossen ist, mit zahlreichen architektonischen Meisterwerken ist sehr zu empfehlen.
Blick auf die Haltestelle der Stadtbahn nach Lausanne Flon. Man beachte die künstlerisch geschmückten Säulen des neu gebauten Bürogebäudes.
Blick auf das Trasse der zukünftigen Strassenbahn T1 ins Zentrum von Lausanne.

Kommentar

Aus Sicht eines aufmerksamen Benutzers des öffentlichen Verkehrs im Grossraum Zürich kehrt man tief beeindruckt und mit etwas Neid auf Renens zurück – besonders, wenn man den Vergleich mit kürzlich umgebauten oder bestehenden Publikumsanlagen in der Region Zürich zieht. In Renens eingehauste Übergänge, lange Perrondächer oder grosszügige Übergänge und Unterführungen!

Das gelungene Bauwerk und die wunderbare Überführung sind für mich ein schlagender Beweis für die erwähnte konstruktive Zusammenarbeit der SBB mit der Stadt Renens. Kein Vergleich mit den Überführungen in Bellinzona, über die wir auf unserer Website berichtet haben. Offensichtlich wurde dort eine grosse Chance vertan, gemeinsam mit der Stadt Bellinzona für die Öffentlichkeit und für die Fahrgäste eine funktional und städtebaulich überzeugende Lösung zu verwirklichen. Und nur wenig positiver fällt der Vergleich mit den Verhältnissen in Zürich-Oerlikon aus, wo zwei kaum Gemeinsamkeiten aufweisende unmittelbar nebeneinander liegende grosse Personenunterführungen gebaut wurden – eine durch die SBB, die andere von der Stadt Zürich.

Und beim Umsteigen in Lausanne entdeckt – eine hygienische und einladende Wasserbezugsstelle für Fahrgäste. Klein – aber in der Wirkung gross!

10 Gedanken zu „Renens liegt in der Schweiz. Wirklich!

  1. Lieber Ernst
    Tatsächlich hast du da ein grosszügiges Bijou vorgestellt. Ich kenne zufällig diese Station – ebenfalls von einer Exkursion her und dachte dasselbe wie du: Wow – und das in der Schweiz. Und erst noch in der Westschweiz. Wenn man will, kann man es offenbar schon.
    La Suisse existe.

    • Lieber Paul

      Vielen Dank für Deinen Kommentar. Vergleiche bei Gelegenheit den Bahnhof von Yverdon mit demjenigen von Pfäffikon SZ.

      Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Herzliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Danke, Ernst, für den wiederum eindrücklichen und reichlich bebilderten Bericht aus der Lausanner „Banlieue multiculturelle Ouest“. Es tut gut zu wissen, dass sich jenseits der „Barrière des Roeschtis“ bahnspezifisch Vorbildliches tut. Nach dem pannen- und streikgeprüften Genfer CEVA-Début 2019 scheint nun Renens als wohltuender, positiver Ausgleich zum gegenwärtig planerisch und baulich arg gebeutelten Lausanner Bahnhof zu wirken.
    Einen grossen Wehrmutstropfen im guten „deux décis de blanc bien de chez nous“ bildet allerdings die sich abzeichnende Gewisseheit, dass Renens künftig zum quasi obligatorischen Umsteigebahnhof für Reisende werden wird, welche vom Jurasüdfuss her nach Genf reisen möchten. Für uns Nordwestler wird eine Fahrt vom Rheinknie zum Jet d’eau wohl nur noch mit zweimaligem Umsteigen zu schaffen sein, wenn man den Weg via Bern mit der dort oft mühsamen, weil hektischen Umsteigerei meiden will. Dabei vermögen allerdings weder eine noch so wohltuend bepflanzte „passerelle jardinière vitrée“ noch die elegant weissen Treppenstufen ausreichend Trost zu spenden. Vielleicht tut sich in dieser Angelegenheit doch noch etwas Positives!
    Die Rückkehr des Trams in Form einer modernen Stadtbahn t1 nach Renens
    und deren räumliche Integration in das Bahnhofsareal ist nach 60 Jahren staugefährdetem Trolleybus hingegen eine willkommene Nachricht. Insgesamt lässt sich, in Abänderung eines alten lokalpolitischen Slogans, sagen: „Lôsanne et la Romandie bougent“.

    • Lieber André

      Vielen Dank für Deinen Kommentar und für Dein Interesse an unserer Website. Dazu ein paar Anmerkungen:

      1. Wie viele Fahrgäste reisen durchschnittlich pro Tag von Basel in die Westschweiz? Ich denke, dass die SBB die direkten Züge von Basel über Delsberg in die Westschweiz nicht einfach so eingestellt haben. Die Reise von Basel über Bern – dort mit Umsteigen – in die Westschweiz ist meines Erachtens durchaus vertretbar.

      2. Im Grossraum Lausanne sind weitere grossartige Projekte in Planung. Ich empfehle deren Studium.

      3. Und als häufiger Besucher des Bahnhofs von Lausanne kann ich die Kritik an den Verzögerungen schlecht nachvollziehen. In den letzten Jahren wurden in und um den Bahnhof grosse Verbesserungen erzielt. So beispielsweise in Lausanne Flon oder beim Bahnhofvorplatz – aber auch bei der LEB.

      Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Wow. Da muss ich unbedingt hin. Habe zwei Mal die Baustelle angeschaut. War damals schon sehr beeindruckend.
    Ergänzend kann ich nach einer Fahrt mit der M1 von Lausanne nach Renens eine Busfahrt an den See (31) in St-Sulpice und dann eine Weiterfahrt mit einem Dampfschiff empfehlen. Eine Reise durch alle Epochen des Verkehrs und der Landschaften rund um Lausanne.

    • Sehr geehrter Herr Meisinger

      Vielen Dank für das Interesse an unserer Website und für Ihren Kommentar.

      Ich empfehle Ihnen ergänzend das Studium der Projekte der Eisenbahnverkehrsunternehmen im Grossraum Lausanne. Atemberaubend! Oder vergleichen Sie den Bahnhof von Yverdon mit demjenigen von Pfäffikon SZ.

      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  4. Salut Ernst

    tatsächlich ist Renens ein erfreuliches Beispiel, leider ist auch dieses getrübt von einigen negativen Entwicklungen: wie bereits erwähnt wurde, wird Renens eher ungeplant zum Umsteigeknoten vom Jura-Südfuss nach Genf und Lausanne während der unendlichen langen Bauzeit des dortigen Umbaus entlasten.
    Bezeichnend ist, dass die Westschweiz und insbesondere Lausanne der Deutschschweiz bzw. einigen deutsch-schweizer Städten in manchen Dingen etwas voraus ist: so hat Lausanne die bisher einzige Metro der Schweiz. Nicht nur die alte „ficelle“ die als Standseilbahn bzw. Zahnradbahn schon seit vielen Jahrzehnten den Bahnhof mit dem Stadtzentrum bzw. Ouchy verband und als VAL-System nach französischem Vorbild ausgebaut und verlängert wurde zur M2, sondern auch die M1, die als ursprüngliche TSOL (tramway sud-ouest lausannois) gebaut wurde. Das Beispiel der M2 zeigt, wie eine solche Infrastruktur auch zusätzlichen Verkehr anzieht und rasch mehrfach ausgebaut wurde und nun bereits wieder an den Grenzen des gewählten Systems angekommen ist, so dass ein weiterer Ausbau mit der geplanten M3 notwendig wird.
    Auch mit dem Wieder-Aufbau eines Tramnetzes geht Lausanne einen Weg, der bisher vor allem von französischen Städten gegangen wurde und dem in der Schweiz bisher einzig Genf folgte (wobei dort mit der Linie 12 stets ein Kern des Tramnetzes bestehen blieb, der allerdings im Vergleich zu anderen Städten in der Schweiz doch massiv ausgebaut wurde und mittlerweile wieder mit fünf Linien sieben Endpunkte bedient: https://de.wikipedia.org/wiki/Strassenbahn_Genf

    Erwähnenswert ist zudem, dass Lausanne seit vielen Jahrzehnten eine konsequente Strategie hin zu elektrischem Stadtverkehr verfolgt und ein ausgedehntes Trolleybusnetz betreibt. Vergleichbar dazu ist bisher in der Deutschschweiz nur Zürich, das ebenfalls bereits seit Jahrzehnten eine zunehmende Elektrifizierung des Stadtverkehrs anstrebt (die nächsten Schritte sind bereits beschlossen und werden mit den Linien 69 und 80 folgen, wobei wie bereits bei der Linie 83 Abschnitte im Batteriebetrieb (IMC = in motion charging) befahren werden, so dass das Fahrleitungsnetz nicht auf die gesamte Länge der Linien ausgebaut werden muss. (In Zürich erfolgte die Elektrifizierung des Stadtverkehrs zeitgleich auch mit dem Ausbau des S-Bahn-Netzes sowie des Tramnetzes).

    Luzern folgt beim Trolleybus-Ausbau dem Beispiel Zürichs, die Wiedereinführung des Trambetriebes wurde auch schon mehrfach erwogen, jedoch im Gegensatz zu Lausanne bisher stets wieder verworfen.

    Erst in den letzten Jahren folgten diesen Bestrebungen auch St. Gallen und Winterthur, wobei auch dort wie in Luzern eine Wiedereinführung des Trambetriebes diskutiert, aber im Gegensatz zu Lausanne verworfen wurde. In Winterthur werden nun die Linien 5 und 7 elektrifiziert, teilweise mit Fahrleitung. In St. Gallen war die Umstellung der Linien 3, 4 und 6 bereits beschlossen und die Fahrzeuge beschafft, der Ausbau des Fahrleitungsnetzes verzögert sich jedoch wegen hängiger Einsprachen. Die Linie 6 kann trotzdem schon elektrisch befahren werden, obwohl ein Fahrleitungsabschnitt noch fehlt, die Linie 3 und 4 können nur ausserhalb der Heizperiode mit den IMC-Trolleybussen bedient werden, da die Abschnitte ohne Fahrleitungen noch zu lang sind; in den letzten Wintern musste jeweils wieder zum Dieselbetrieb zurückgekehrt werden. Unterdessen ist auch die Umstellung der Linien 7 und 8 beschlossen und die Fahrzeuge dafür werden beschafft. Da zugleich auch die Linien 9 bis 11 auf Batteriebusbetrieb umgestellt werden sollen, verbleibt mittelfristig mit der Linie 12 eine einzige Stadtbuslinie im Dieselbetrieb.

    In den letzten Jahren ist auch in Bern von einer schwierigen Ausgangslage mit zahlreichen extrem stark belasteten Tram- und Trolleybuslinien im Stadtzentrum und einem eher unbedeutenden Tramnetz beginnend eine positive Entwicklung zu beobachten: Lange nach Zürich folgte der Aufbau eines S-Bahn-Netzes, dessen Ausbau jedoch deutlich langsamer voran ging als in Zürich und nicht mit einem vergleichbaren Ausbau der Infrastruktur verbunden war. Nach vielen Jahrzehnten Stillstand und Rückbau wurde mit dem Tram Bern West eine positive Dynamik entwickelt, die allerdings einen Ausbau des Tramnetzes vor allem zulasten des Trolleybusnetzes bewirkte; die Leistungsfähigkeit stieg deutlich, der Anteil des elektrischen Verkehres jedoch kaum. Mit der Integration des „blauen Bähnl“ und dem kommenden Ast Ostermundigen wächst das Tramnetz zwar nicht so rasch wie in Genf und der Ausbau wird immer wieder zurückgeworfen durch ablehnende Volksentscheide, zuletzt für den Ast Köniz. Mit dem weiteren Tram-Ausbau sowie der Umstellung einzelner Linien auf Doppelgelenktrolleybusse kann die Leistungsfähigkeit erhöht werden.
    Immerhin kann nun mit der geplanten Umstellung des Astes Köniz auf IMC-Trolleybus der Anteil des Autobusbetriebes in der Innenstadt nochmals deutlich reduziert werden, mit der kommenden Umstellung der Linien 19 und 21 auf Batteriebusse (analog der Linie 17) wird auch endlich ein hoher Anteil elektrischen Stadtverkehrs erreicht. Es verbleibt noch ein hoher Anteil dieselbetriebener Postautolinien westlich von Bern, die direkt bis zum Bahnhof geführt werden, jedoch das Stadtzentrum meiden.

    Dem Beispiel Lausannes folgt hingegen Neuchâtel, das ebenfalls ausser einer Tramlinie seit langem auch ein dichtes Trolleybusnetz betreibt. Für die geplanten Verlängerungen konnte nun mit IMC-Trolleybusse eine kostengünstige Lösung gefunden werden.

    Noch positiver ist das Beispiel in Chaux-de-Fonds: dort wird das noch vorhandene, aber seit rund zehn Jahren nicht mehr genutzte Fahrleitungsnetz noch dieses Jahr wieder in Betrieb genommen, Versuchsfahrten sollen noch diesen Juni stattfinden. Dank den bestellten IMC-Trolleybussen muss das Fahrleitungsnetz nicht dem neu gebauten öV-Knoten auf dem Bahnhofplatz angepasst werden und auch die Linienverlängerungen können ohne aufwendige Anpassung des Fahrleitungsnetzes aufrecht erhalten werden.

    In diese Reihe fügt sich auch Fribourg ein, das als einzige Stadt in der Schweiz jahrzehntelang einen Duobus-Betrieb führte, um Linienverlängerungen der Trolleybuslinien kostengünstig umsetzen zu können (zuerst auf der Linie 2 nach Schönberg und Les Dailles, nun auf der Linie 1. Inzwischen wurden die diesel-elektrischen Zweikraft-Fahrzeuge durch batterie-elektrische ersetzt, womit der elektrische Anteil noch weiter erhöht werden konnte.

    Diesem Trend entgegen stehen die Entwicklungen in drei anderen Städten: Lugano hat seinen Trolleybusbetrieb 2001 aufgegeben: https://de.wikipedia.org/wiki/Trolleybus_Lugano

    Basel hat sein Tramnetzt analog zur Entwicklung in anderen Städten wie Zürich oder Bern partiell ausgebaut, insbesondere mit Linienverlängerungen, z.B. nach St-Louis und Weil, gleichzeitig aber das Trolleybusnetz 2008 auf Gasbusse umgestellt: https://de.wikipedia.org/wiki/Trolleybus_Basel
    Die komplette Umstellung auf Gasbusse, die später vollständig auf Biogasbetrieb umgestellt werden sollte, wurde wieder aufgegeben, es wurden wieder Dieselbusse beschafft, ebenso wurde der Biogasanteil nicht wie zunächst vollmundig versprochen erhöht, sondern es verblieb bei einem überwiegenden Betrieb mit Erdgas: http://www.protrolleybus.ch/protrolley/
    Inzwischen wurde die Wieder-Elektrifizierung des gesamten Busverkehrs beschlossen, allerdings mittels Batteriebussen. Dafür sollen sowohl Nachtlader als auch Gelegenheitslader eingesetzt werden, die Beschaffung grosser Flotten und der Bau der Ladeinfrastruktur läuft. Basel wird damit zwar einen gleich hohen Anteil elektrischen Stadtverkehrs erreichen wie andere Schweizer Städte, allerdings im Bussektor ohne Fahrleitungen und ausschliesslich mit Batterien. Es wird sich zeigen, wie diese Betriebsform sich wirtschaftlich bewähren wird. Angesichts des vorhandenen Netzes an Tramfahrleitungen, deren Stromversorgung und Aufhängung auch für Trolleybusse mit genutzt werden könnte ist auch der Aufbau einer komplett davon getrennten Ladeinfrastruktur nicht vernachlässigbar. An vielen Stellen werden elektrische Busse unter einer Fahrleitung fahren, ohne davon in irgend einer Form profitieren zu können.

    Dasselbe Ziel hat sich Schaffhausen gesetzt, das gegenwärtig das kleinste Trolleybusnetz der Schweiz betreibt. Das übrige Stadtnetz wird schrittweise auf Batteriebusse umgestellt, das noch bestehende Trolleybusnetz soll aufgegeben und ebenfalls auf Batteriebus-Betrieb umgestellt werden, wenn dessen wirtschaftliches Lebensende erreicht ist. In Schaffhausen hätte sich auch die Gelegenheit geboten, die bestehende Trolleybuslinie 1 Ebnat – Bahnhof – Herbstäcker mit der ebenfalls im 10min-Takt verkehrenden Autobuslinie 3 Krummacker – Bahnhof – Sommerwies übers Kreuz zu verbinden und mit IMC-Trolleybussen zu betreiben, wobei je ein Ast unter der Fahrleitung befahren und die Batterien geladen worden wären, während der andere Ast im Batteriebetrieb befahren worden wäre. Im Gegensatz zu Basel will Schaffhausen dafür Gelegenheitslader verwenden, es werden Ladestellen errichtet, u.a. am Bahnhof. Dafür werden dort die Trolleybusfahrleitungen entfernt (statt dass sie als Ladeinfrastruktur genutzt würden).
    https://www.vbsh.ch/de/unternehmen/elektrifizierung/41-elektrobus/262-wissenwertes

    Basel und Schaffhausen werden somit die ersten beiden Städte in der Schweiz, die den Trolleybusbetrieb aufgeben, dagegen den Stadtbusverkehr weitgehend auf Batteriebusse umstellen.

    In der Summe ist festzustellen, dass nicht nur beim Bahnverkehr, wie Ernst Rota am Beispiel des Bahnhofs Renens zeigt, Westschweizer Städte mehr tun als andere, sondern dass am Beispiel der Städte Genf, Lausanne, Fribourg, Neuchâtel und Chaux-de-Fonds auch erkennbar ist, dass dort mehr für den Ausbau des elektrischen Stadtverkehrs geleistet wird als in der Summe der Deutschschweizer und Tessiner Städte.
    Zwei Städte die als Vorreiter für die Umstellung auf Biogasbusse galten, Bern und Basel, haben dieses Vorhaben wieder aufgegeben. Zwei Städte haben den Trollebusbetrieb aufgegeben (Lugano und Basel), eine dritte plant dies (Schaffhausen), dagegen bauen ihn Zürich, St. Gallen, Winterthur, Bern und Luzern aus. Nur in der Westschweiz ist der Trend zu mehr Tram (Genf und Lausanne) und mehr Trolleybusbetrieb (Fribourg, Neuchâtel und Chaux-de-Fonds) ungebrochen. Mit der Metro M3 (die das Trasse der M2 im Zentrum übernehmen wird, während für die M2 ein neuer doppelspuriger Tunnel errichtet wird) übernimmt Lausanne nochmals eine Führungsrolle: https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A9tro_Lausanne

    • Lieber Federico

      Vielen Dank für Dein Interesse an unserer Website und für Deine ausführlichen Ergänzungen.

      Darf ich ergänzend auf die prächtigen und kundenfreundlichen Bahnhöfe von Genf und Lausanne hinweisen. Sie zählen für mich zu den fünf „besten“ Bahnhöfen in der Schweiz (funktional, architektonisch, Einbettung in die Umgebung, etc.).

      Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Herzliche Grüsse

      Ernst Rota

  5. Sieht wirklich gut aus!
    Ich als Österreicher war im März in Chur und bin mit dem Glacier-Express nach Brig gefahren. Altersbedingt gibt es mit meinen Knien Probleme, sodass es mir schwer fällt, über Rampen hinunter zu gehen. Dazu habe ich beiden obigen Bahnhöfen (wirklich keine Provinzorte!) weder Lift noch Rolltreppe vorgefunden. Ich finde dies als Mangel, denn bei uns sind größere Bahnhöfe besser ausgerüstet.

    • Sehr geehrter Herr Hallas

      Vielen Dank für Ihre Mitteilung. Ich teile Ihre Meinung – dabei ist Chur noch einer der kundenfreundlichsten Bahnhöfe der SBB (flache Rampen, breite und helle Unterführung, Zugang ins Stadtzentrum mit Rolltreppen, Zugang zur Haltestelle der Postautos).

      Im Gegensatz zu den Bahnhöfen der SBB sind die Verhältnisse bei den sogenannten Privatbahnen oft viel besser. Ich denke dabei etwa an die RhB oder die TPF.

      Geradezu erbärmlich sind die Verhältnisse auf mehreren Bahnhöfen im Grossraum Zürich. Besichtigen Sie bei einem Ihrer nächsten Besuche beispielsweise den rege benutzten Bahnhof von Zürich-Wollishofen.

      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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