Einleitung
An der Fachtagung «Versorgung der Schweiz aus Norden auf der Schiene» präsentierte Thomas Staffelbach, Gesamtkoordinator Basel bei der SBB AG, die geplante Erweiterung der «Elsässerbahn» für Güterzüge mit Sattelaufliegern auf Taschenwagen (Eckhöhe 4.25 m). Das vorgestellte Projekt hinterliess einen guten Eindruck. Dennoch bin ich dezidiert der Auffassung, dass der geplante Ausbau in vielem eine höchst unbefriedigende Lösung ist, und möchte dies in diesem Beitrag darlegen.
Projekt Ausbau Elsässerbahn
Als «Elsässerbahn» wird die französische Bahnstrecke zwischen Strasbourg und Basel bezeichnet. Der in der Schweiz liegende Abschnitt ist primär wegen zwei relativ kurzen Tunnels nicht für Güterzüge mit Sattelaufliegern auf Taschenwagen (Eckhöhe 4.25 m) zugelassen. Die Bahnstrecke zwischen Mulhouse und Basel wird von Montag bis Freitag in der Regel stündlich von zwei „schnellen“ Zügen (TER 200 und/oder TGV) und zwei „langsamen“ S-Bahnen befahren. Dazu kommen täglich zahlreiche Güterzüge. Am Wochenende ist der Fahrplan weniger dicht. Mit dem angestrebten Anschluss des Euro-Airports in St. Louis würde sich die Anzahl der S-Bahnen verdoppeln.
Die Güterzüge werden in der Regel von mehrstromfähigen französischen Lokomotiven durch den Hauptbahnhof von Basel geführt und kreuzen dort à niveau die Bahnstrecke ins Laufental.
Der Ausbau der Strecke für Güterzüge mit Sattelaufliegern auf Taschenwagen ist schon seit vielen Jahren ein Thema. Diese Massnahme hat im Zusammenhang mit den anhaltenden Problemen auf der deutschen Rheintalstrecke und dem angestrebten Ausbau der in Frankreich liegenden linksrheinischen Eisenbahnstrecke eine erhöhte Aufmerksamkeit gefunden. So haben die SBB ein Projekt für die Profilerweiterung der schweizerischen Teilstrecke entwickelt. Der Planungsstand ist weit fortgeschritten, und das Projekt sollte bald Baureife erlangen. Die engen Platzverhältnisse in städtischen Verhältnissen, der vor allem in Hauptverkehrszeiten dichte Zugverkehr und Umweltschutzauflagen stellen hohe Anforderungen an den Bau und den Betrieb während der Bauphase.
Für einen vertieften Überblick über das Projekt verweise ich auf die beiliegenden Auszüge aus der Präsentation von Thomas Staffelbach.



Wie in der Einleitung erwähnt, halte ich den eingeschlagenen Weg für falsch. Besonders dann, wenn die angestrebte Zunahme des Güterverkehrs aus Frankreich in und durch die Schweiz eintreten sollte. Durchfahrende Güterzüge sind in grösseren Personenbahnhöfen fehl am Platz. Der geplante Ausbau der «Elsässerbahn» ist als minimalistische Lösung unvereinbar mit der hohen Selbsteinschätzung des schweizerischen Normalspurnetzes.
Im Folgenden möchte ich anhand von neueren und älteren Beispielen aus angrenzenden Ländern zeigen, wie unsere Nachbarn den Güterverkehr durch Ballungszentren führen.
Güterzugsumfahrungen im benachbarten Ausland
Basel
Als Basis für den Vergleich nachstehend die Karte und die technischen Daten des schweizerischen Abschnitts der «Elsässerbahn».


Güterumgehungsbahn von Freiburg im Breisgau


Mit dem geplanten vierspurigen Ausbau der gesamten Rheintalstrecke wird auch die neue Doppelspur im Raum Freiburg im Breisgau vollständig unterirdisch geführt.
Umfahrung Innsbruck


Ich habe vor Ort die nicht im Tunnel liegende Güterzugsumfahrung besichtigt. Zudem haben wir im Berg die komplexe und bereits gebaute zweifache Überwerfung der beiden einspurigen und gekreuzten Tunnels vom Brennerbasistunnel in die Güterzugsumfahrung besucht. Ergänzend erwähnt sei der Sachverhalt, dass die Güterzugsumfahrung in die vierzig Kilometer lange tiefgelegte Inntalbahn mündet.
Güterzugsumfahrung St. Pölten


Beeindruckend an der Güterzugsumfahrung sind a) der Sachverhalt, dass diese Strecke eigentlich im Rahmen des Ausbaus der Westbahn realisiert wurde sowie b) das komplexe und multifunktionale Anschlussbauwerk im Knoten Wagram.
Güterzugsumfahrungen auch im Elsass
Eindrücklich und in den laufenden Diskussionen um den Ausbau der linksrheinischen Zufahrten zur NEAT zu wenig beachtete Tatsache ist, dass sowohl Mulhouse als auch Strasbourg über leistungsfähige Güterzugsumfahrungen verfügen. Lediglich in Colmar und Sélestat ist dies nicht der Fall, wobei diese Bahnhöfe über mehrere Durchfahrgeleise verfügen, wovon ein Paar exklusiv für den Güterverkehr reserviert werden könnte.
Güterzugsumfahrung Mulhouse

Güterzugsumfahrung Strasbourg

Zwischen der Strecke von Wörth und Lauterbourg nach Strasburg und der Güterzugsumfahrung besteht keine direkte Verbindung. Die Güterzüge aus Wörth mussten durch den Personenbahnhof geleitet werden. Allerdings liesse sich die fehlende direkte Verbindung mit einer nur wenige hundert Meter langen Spange bewerkstelligen – weitaus kürzer als die fatalerweise immer noch fehlende Spange Rotkreuz.
Kommentar
Ein direkter und für den Güterzugsverkehr reservierter ca. sieben Kilometer langer Tunnel zwischen St. Johann und dem Dreispitz wäre ein Gebot der Zeit. Damit würden der lärmintensive Güterverkehr aus der Stadt und dem Personenbahnhof Basel verlegt und Friktionen im Betriebsablauf beseitigt. Für den Personenbahnhof und für den Ausbau der S-Bahn an die Staatsgrenze und nach Frankreich ergäben sich neue Optionen.
Ein Überblick über das europäische Schienennetz nördlich von Basel und die Umfahrungen in Mulhouse und Strasbourg belegt, dass das Potential der linksrheinischen Zufahrten zur NEAT ab Strasbourg – als Back Up-Variante für die rechtsrheinische Zufahrt auch die Strecke von Wörth über Lauterbourg nach Strasbourg – unbedingt zu erschliessen ist.

Mit der unterirdischen Einführung der Güterbahn unter unter dem Personenbahnhof Basel in den Rangierbahnhof von Muttenz mit geschätzten Kosten von etwa einer Milliarde Schweizerfranken wäre der Graben zwischen der Realität und der Selbstwahrnehmung der strukturellen Qualität des schweizerischen Normalspurnetzes etwas schmaler.
Quellenhinweise
Die in diesem Beitrag verwendeten Graphiken über das Projekt „4-Meter-Korridor Basel“ wurden den Unterlagen der Präsentation von Thomas Staffelbach entnommen. Die Karten stammen aus den Eisenbahnatlanten „Deutschland“, „Österreich“ und „Europa“ von Schweers+Wall. Die Kennzahlen über die Umfahrungen stammen aus entsprechenden Artikeln aus Wikipedia oder wurden vom Autor ermittelt. Dafür bedanke ich mich bestens.
Ein besonderer Dank geht an die Kollegen, die mich bei der Schlussredaktion dieses Berichts unterstützt haben.
Lieber Ernst
Mir scheint, in deinen Überlegungen geht ein Aspekt vergessen.
Das französische Lichtraumprofil lässt Züge bis ca 4,3 m Höhe zu. Da gehen auch doppelspurige TGV-Einheiten durch. CH-Doppelstöcker wie der KISS benötigen 4.6 m Höhe. Die Basler S-Bahn wird zwar heute ausschliesslich von Flirt bedient, der Einsatz von KISS Zügen oder von Doppelstöckern, die dereinst ab Zürich/Olten etc zum EAP verkehren ist absehbar. Dazu ist der Ausbau der beiden Tunnels in der CH notwendig, ebenso die Führung durch den Personenbahnhof. Die bestellten EVO-France bleiben einstöckig und sind wohl eine gute Lösung für 10 bis 20 Jahre, aber etwas weiter in die Zukunft gedacht …
Ein Blick auf Transportrail.com zeigt, dass sich auch die Region Grand-Est Überlegungen zu Doppelstockfahrzeugen, inklusive Ersatz der Corail-Pendelzüge mit den Sybic 26’000 Lok macht. Das werden wohl Triebzüge nach frz. Lichtraumprofil sein mit entsprechend enger Ausstattung im Oberdeck, resp. werden sie kaum barrierefrei sein – Dilemma Perrronhöhen 76 cm, 55 cm. Transportrail erwähnt im übrigen die durchgehenden IR/TER ab CH via EAP ins Elsass und fragt sich welches Rollmaterial da in Frage kommen werde.
Das heisst nun nicht, dass deine Idee einer Güterzugsumfahrungslinie direkt bis Dreispitz/Muttenz nicht (auch) sinnvoll wäre, aber wohl an den Finanzen scheitern würde.
Mit Gruss
Kaspar P. Woker
Lieber Kaspar
Vielen Dank für Dein Interesse an unserer Website und für Deine willkommenen Ergänzungen.
Freundliche Grüsse
Ernst Rota
Der Güterverkehr ist (und bleibt) stets in der zweiten Reihe. Alle sprechen von der Verlagerung, aber dezidierte Güterstrecken fehlen … ebenso ein Langfristkonzept „Schienengüterverkehr 20XX“. Wie im Beitrag beschrieben werden bestehende Linien ausgebaut resp. ertüchtigt, eine Entkopplung aber nicht in Betracht gezogen. Dieselbe Situation trifft für das „Herz“ Olten zu … alle Güterzüge fahren durch den Hauptbahnhof. Die Verlagerung MIV zu SPNV wird mit der Agglofokussierung gefördert, Taktfahrpläne verdichtet etc., wie soll sich da der SGV entfalten? Und last but not least mit dem Schienengüterverkehr lassen sich bekanntlich keine Wahlen gewinnen, mit dem Ausbau des SPNV lassen sich Förderer auf kantonaler und lokaler Ebene gerne identifizieren.
Danke für den kritischen Denkanstoss und die positiven Beispiele im Beitrag!
Hinweis aus Wikipedia: Im Rahmen der Ausbau- und Neubaustrecke Karlsruhe–Basel wird eine neue Güterumgehungsbahn, die so genannte „Güterumfahrung Freiburg“, weit außerhalb der Stadt gebaut, die Freiburg entlang der Bundesautobahn 5 umfahren wird. Auf der neuen Bahn sollen alle Ferngüterzüge weiträumig um Freiburg herum geleitet werden. Dadurch fahren auf der alten Güterbahn dann außer den Zügen der Rollenden Landstraße, die im Güterbahnhof Freiburg beginnen oder enden, keine weiteren Güterzüge, so dass die alte Güterumgehungsbahn anderweitig genutzt werden kann.
https://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%BCterumgehungsbahn_Freiburg , Gruss P.
Lieber Peider
Vielen Dank für Dein Interesse an unserer Website und für Deine beiden Kommentare und willkommenen Ergänzungen.
Freundliche Grüsse
Ernst Rota
Lieber Ernst
vielen Dank für deinen tollen Bericht. Ich bezweifle sehr stark, ob der Zeitplan eingehalten werden kann und würde nicht von 2029 ausgehen mit der Fertigstellung des Ausbaues für die französische Seite. Leider haben wir auch in der Schweiz immer mehr Verhinderer. Somit würde ich eher nach 2030 mit einer Inbetriebnahme der Strecke rechnen. Wie viel dieser Ausbau tatsächlich bringt, kann ich nicht beurteilen. Ab Ende 2026 werden auf der deutschen Seite mehr Kapazitäten für Güter und Fernverkehr frei mit der Inbetriebnahme des Tunnel Raststatt und der Strecke Mühlheim – Auggen (bereits ab Dez. 2025). Ab Dezember 2026 ist zirka die Hälfte der Linie Basel – Karlsruhe vierspurig. 2027 oder 2028 sollten alle Bauarbeiten von Basel Bad bis Haltingen auch abgeschlossen sein und weitere ca. 6 Kilometer vierspurig sein. Wie oben beschrieben wird, ist der Bahnhof Olten ein grosses Problem und der dritte Juradurchstich fehlt auch. Ich bezweifle, ob die Schweiz mehr alpenquerende Güterzüge aufnehmen kann?