Postauto-Affäre – Vertuschungsaktion oder Beseitigung von Mitwissern?

Vorbemerkungen

Als Präsident des Verwaltungsrates der Post AG hat Urs Schwaller bei der Abarbeitung der Postautoaffäre wirklich ganze Arbeit geleistet – er hat die neunköpfige Geschäftsleitung von Postauto AG freigestellt. Frau Susanne Ruoff ist mit ihrem Rücktritt dem gleichen Schicksal wohl wenige Stunden zuvorgekommen.

Gemäss dem Artikel „Der passive Präsident“ in der Ausgabe der Sonntagszeitung vom 17. Juni 2018 soll der einflussreiche Transportunternehmer und SVP Nationalrat Ulrich Giezendanner das Agieren von Urs Schwaller als „schlicht brillant“ gewürdigt haben, und auch Bundesrätin Leuthard lobte in aller Öffentlichkeit die Handlungsweise von Urs Schwaller.

Die sich ständig weitenden Kreise der Affäre hinterlassen zunehmend mehr Fragen als Antworten. Wurde nicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet? Wurden nicht einmal mehr die berühmten „Kleinen“ zum Schutze der nicht weniger berühmten „Grossen“ exekutiert? Dazu ein paar Gedanken!

Kommentar

Wie die Sonntagszeitung schreibt, wusste Urs Schwaller als Präsident des Verwaltungsrates von Postauto seit August 2016, dass das Unternehmen mit versteckten Geldern operiert. Man fragt sich unwillkürlich nach der Rechtfertigung und dem Selbstverständnis, mit der sich Urs Schwaller als Saubermacher der Nation nun in Szene setzt. Wirft er sich mit dem Löwenmut wie seinerzeit die Schweizergarde beim Sturm auf den Pariser Tuilerienpalast vor seine Chefin und Parteikollegin?

Bemerkenswert ist weiter, dass das BAV erst in einer Phase aktiv geworden ist, in der die Diskussion um mehr Wettbewerb auf dem Schweizer Schienennetz und im öffentlichen Verkehr an Intensität gewonnen hat. Weshalb haben sich das BAV, der Preisüberwacher und die Verdacht schöpfenden Kantone nicht früher bemerkbar gemacht?

Heikle Fragen stellt auch die angeblich so tolle Freistellung der kompletten Geschäftsleitung von Postauto. Gemäss Paul Schneeberger in der Ausgabe der NZZ vom 16. Juni 2018 war Postauto auf einem guten Weg, sich zu einem anerkannten Kompetenzzentrum für Verkehrsangebote in den ländlichen Regionen zu entwickeln. Die Anordnungen von Urs Schwaller verzögern oder stellen diese Entwicklung höchstwahrscheinlich in Frage. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die Tragweite der Verfehlungen sämtlichen Mitgliedern der Geschäftsleitung von Postauto bewusst war oder gar mitgetragen wurden. Die Vermutung, dass rüde Sippenhaftung zum Zuge kam oder zum Selbstschutz Mitwissende liquidiert wurden, steht im Raum.

Und weshalb stellt niemand die Frage nach den Konsequenzen für die zuständige Bundesrätin? Entweder hat Doris Leuthard nichts gewusst, das Verstecken der Gewinne – immerhin im Interesse des Unternehmens – stillschweigend geduldet oder im BAV nicht die geeigneten Führungskräfte verpflichtet.

Nach der Häufung der Probleme im Energiesektor liegt nun auch in einem sensitiven Bereich des öffentlichen Verkehrs ein Scherbenhaufen vor – die obere Hälfte der Sanduhr für die Amtszeit von Doris Leuthard hat sich entleert.

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