Lärmprobleme – Hütet Euch am Morgarten!

Vorbemerkungen

Gegenwärtig befinden sich in der Schweiz verschiedene Projekte für den Ausbau der Bahninfrastruktur in der Planungsphase, sind blockiert oder stehen vor der Realisierung.

Auffallend ist, wie wenig dabei Rücksicht auf Mensch und Umwelt genommen wird. Entwicklungen in der Rechtsprechung und in den umliegenden Ländern werden ignoriert oder sind nicht bekannt.

Dazu kommen seit vielen Jahren bestehende Situationen, wie beispielsweise die unmittelbar neben der stark belasteten Osteinfahrt in den Bahnhof Bern stehenden Mehrfamilienhäuser ohne Lärmschutz – so etwas steht einem entwickelten Land ganz einfach nicht an.

Wir erachten diese Missstände als bedrohlich und empfehlen eine Neuorientierung.

Stetig steigende Bedeutung der Lärmprävention

Das Bundesgericht hat die Stadt Zürich ausdrücklich berechtigt, zur Lärmprävention auch auf stark befahrenen Strassen die Geschwindigkeit auf 30 km/h zu reduzieren.

Das ist für den motorisierten Individualverkehr und möglicherweise auch für den öffentlichen Verkehr ein schwerwiegender Eingriff.

Zur Vermeidung von Lärm- und weiteren Immissionen wurden in den letzten Jahren trotz erheblichen Mehrkosten Nationalstrassenabschnitte in Tunnels verlegt oder überdeckt.

Weitere teure Vorhaben stehen vor der Realisierung.

Geradezu vorbildlich ist die Lärmprävention bei den österreichischen Bahnprojekten, wie die Tieflegung der Inntalbahn oder die Güterzugsumfahrungen von St. Pölten oder Innsbruck. Bemerkenswert ist ferner die Tieflegung der Eisenbahnlinien im Raum Varese oder im Grossraum Mailand.

Der Eindruck besteht, dass die für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur zuständigen Stellen in den Ämtern oder bei den SBB diese Entwicklungen ignorieren oder nicht wahrhaben wollen.

Kritik an aktuellen Projekten

Wir haben unseren schwerwiegenden Bedenken gegenüber dem vierspurigen Ausbau der Eisenbahnlinie im Raum Liestal einen Beitrag auf unserer Website gewidmet. Hier der Link zum Beitrag http://fokus-oev-schweiz.ch/2017/11/26/eisenbahn-im-unterinntal-eine-andere-welt/

Nicht die Zeichen der Zeit erkannt haben auch die Befürworter der Variante Zimmerberg light für die überfällige Beseitigung des Engpasses zwischen Thalwil und Baar.

Gemäss einer Informationsveranstaltung der SBB ist der Abzweiger von der Stammstrecke nach Winterthur in den Brüttenertunnel nördlich vom Bahnhof Dietlikon oberirdisch über einen Viadukt vorgesehen. Ein haarsträubender Vorschlag! Dazu kommt, dass die neu auch für den Schnellzugsverkehr gedachte Strecke vom Bahnhof Oerlikon über Wallisellen nach Dietlikon durch dicht bebaute Wohngebiete führt.

Ins gleiche Kapitel gehört die Absicht, die Leistungsfähigkeit der Linie von Zug über Walchwil nach Arth-Goldau zu steigern – zuerst mit bald 250 km/h durch den Gotthard Basis-Tunnel und dann über diese museale Bahnstrecke.

Ungleich unverständlicher ist jedoch, dass die im Rahmen des Projekts AlpTransit beschlossene Direktverbindung zwischen dem Südportal des Gotthard Basis-Tunnels und Giubiasco entlang der Nationalstrasse A2 auf unbestimmte Zeit zurückgestellt wurde. Der dichte Verkehr wird weiterhin auf der Stammstrecke entlang dem Fuss des Pizzo di Claro sowie durch Arbedo und Bellinzona zum Nordportal des Ceneri Basis-Tunnels abgewickelt. Wie kann ein Verkehrsmittel vor diesem Hintergrund seine ökologische Überlegenheit und Umweltfreundlichkeit behaupten?

Risiken für den weiteren Ausbau der Eisenbahninfrastruktur in der Schweiz

Das Risiko, dass die oben beschriebene kurzsichtige Rücksichtslosigkeit aktuelle Projekte behindern oder verzögern kann oder längerfristig der anhaltend hohe Goodwill für den Ausbau der Schweizer Eisenbahninfrastruktur gefährdet, ist gross. Ein rasches Umdenken tut not.

10 Gedanken zu „Lärmprobleme – Hütet Euch am Morgarten!

  1. Vielen Dank Herr Rota fürs Bekanntmachen dieser zukünftigen oder bereits aktuellen Lärmquellen. Auch für mich als stark Bahnnutzenden ist dies viel zu wenig bewusst – im Zug Fahrenden oder an der Bahnstrecke Wohnenden – da besteht ein grosser Unterschied…
    Rolf Löber, Amriswil

    • Sehr geehrter Herr Löber

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website.

      Darf ich Sie auf meinen „pauschalen“ Kommentar hinweisen?

      Besten Dank für Ihr Verständnis und für Ihr Interesse an http://www.fokus-oev-schweiz.ch.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Lieber Ernst, ich sehe das genau umgekehrt!

    Die Versenkung von Bahnlinien schränkt deren Attraktivität für den reisenden extrem ein! Die hohen Lärmschutzwände insbesondere in Österreich, auch auf völlig freiem Felde, sind mir ein Graus. Ausser aus den Westbahn Doppelstockwagen sieht man kilometerweit nichts. Vom Lärmschutz her, wäre es besser die Strasse kommt unter den Boden als die Bahn!

    Die heutigen Personenzüge sind bereits sehr leise. Das Problem sind die Güterwaggons. Und da ist es ein politisches Problem, das keiner wirklich lösen will. Im Gegensatz zur agonistischen EU, ist hier die Schweiz geradezu vorbildlich in der bereits weit fortgeschrittenen Lösung des Problems.

    Zudem, die Gleise lagen meistens seit Jahrzehnten länger da als die umstehenden Häuser. Da haben insbesondere die Hausbesitzer für den Lärmschtz zu sorgen.

    Zum Bundesgericht betreffend der Stadt Zürich. Dem sehr linkslastigen Zürcher Stadtrat wird es weniger um den vorgeschobenen Lärmschutz gehen als um die ideologisch Sicht, den MIV möglichst zu unterbinden. Zudem die Temporeduktion von 50 auf 30 km/h bringt faktisch nicht viel. Denn die 30 Zonen sind da wo so wie so kaum jemand schneller fährt. Problematisch ist das Ganze aber auf Strassen mit öffentlichem Verkehr. In der Stadt Zürich sind die Reisezeiten in den letzten Jahren stetig länger geworden. Dadurch verliert die öV an Attraktivität! Die Velos, die mit sinkender Tendenz kaum einen Modal Split Anteil von 1 % erreichen, werden wiederum ideologisch bedingt, massiv gefördert, sind aber durch die zusätzlichen Ampelphasen eines der Hauptprobleme des öV. Nebenbei, die «Radarkästen» werden ziemlich viel Geld in die Stadtkasse spülen.

    • Lieber Jürg

      Vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Darf ich dazu Folgendes anmerken:

      1. Es ging mir nicht darum, meine persönliche Meinung zu äussern. Ich wollte vielmehr auf einen gesellschaftlichen Trend hinweisen, der für den überfälligen Ausbau des schweizerischen Eisenbahnnetzes grosse Risiken birgt. Auch meines Erachtens gehen die Massnahmen in Zürich sehr (zu) weit.

      2. Nicht unterschätzen darf man den beträchtlichen Anteil der Velos am Verkehr in den dicht bebauten Gebieten in der Schweiz. Gemäss dem Artikel von Paul Schneeberger in der Ausgabe der NZZ vom 6. April 2018 entfallen hier auf jede Autofahrt ca. 0,41 Velofahrten. In Anbetracht der topografischen Gegebenheiten und der Witterungseinflüsse ist dieses Verhältnis erstaunlich hoch.

      3. Der Veloverkehr hat in der Stadt Zürich einen respektablen Anteil erreicht und muss meines Erachtens weiter gefördert werden.

      4. Man beachte die Förderung des Veloverkehrs im Ausland – und ich rede nicht einmal von Verhältnissen in Holland. Ich denke an Städte wie Paris, Wien – oder ganz erstaunlich – Bozen.

      5. Mit zwei Beispielen zurück zur Bahn:
      a) Unser Sohn wohnte in Olten in einem Hochhaus in etwa 250 Metern Entfernung vom Bahnhof. Der Lärm der in Olten während der Nacht durchfahrenden Güterzüge ist teilweise unerträglich hoch.
      b) Mein letzter Arbeitgeber betreibt im Süden von Bellinzona an der Via Lugano 5 ein Ausbildungszentrum. Ich habe mehrfach in der dazu gehörenden Pension übernachtet. Manchmal hatte ich in der Nacht das Gefühl, die Güterzüge würden unmittelbar durch das Zimmer fahren (und ich bin nicht heikel).

      6. Solche und weitere im Beitrag erwähnte Gegebenheiten sind unzumutbar.

      7. Wir haben am vergangenen Wochenende eine Studienreise ins Inntal unternommen und die eindrücklichen Schall- und Umweltschutzmassnahmen studiert. Ich habe die Lärmschutzwände und die Schallschutzwände keinesfalls als übetrieben empfunden. Vorbildlich empfand ich auch die Schutzmassnahmen für die auf den Perrons der Bahnhöfe wartenden Menschen.

      8. Ich frage mich immer mehr, weshalb Zustände wie beispielsweise wie in Wädenswil überhaupt noch zulässig sind. Dort, wo die Sicherheit nur noch marginal erhöht werden kann, werden immense Investitionen getätigt, aber an Stellen, wo die Risiken und die Beeinträchtigung für die Menschen sehr hoch sind, fehlt das Geld.

      Nochmals vielen Dank für Deinen Kommentar und weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Wir werden nach unserem irdischen Leben noch genug in dunkeln sein, so muss dies wohl nicht zu lebzeiten schon als vorgeschmack gefördert werden.
    Tunnels sind nicht das beste für die Menschheit, sondern Licht beugt Depressionen vor!

    • Sehr geehrter Herr Zimmermann

      Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Website und für Ihren Diskussionsbeitrag.

      Darf ich mich „pauschal“ zu Ihrer und den übrigen Zuschriften äussern?

      Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis und wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  4. Lieber Herr Lüthard
    Bitte bringen Sie sich auf den aktuellen Stand, speziell in Bezug auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse:
    _ Deutschland hat die schweizer Regelung übernommen, ab 2020 keine lauten Güterwaggons mehr auf dem Schienennetz zu dulden. Dies ist das Verdienst eines Jahrzehnte langen, konstruktiven Arbeit diverser Bürgerinitiativen. Wir Schweizer sollten aufhören zu glauben, bei uns wäre – speziell im Umweltschutz [der notabene primär um des Menschen Schutz willen eingerichtet worden ist!] – alles besser …
    _ Jährlich sterben 500 Menschen an den Folgen der übermässigen Lärmbelastung (schweizer SIRENE Studie 2017), also viel mehr als die jährlich ca 260 Unfall-Toten im Verkehr, von denen gesprochen wird. Bis jährlich 500 Menschen gestorben sind, leiden (gemäss schweizer SIRENE-Studie) tausende Lärmopfer an Herkreislauf-Krankheiten, Diabetes u.w. tödlichen Krankheiten. würde man über die volkswirtschaftlichen Folgekosten der übermässigen Verlärmung und die deswegen verlorene Lebensqualität reden, so wäre rasch klar: Lärmschutz rechnet sich und ist gerechtfertigt! Jährlich hunderte Lärm-Tote sind schlicht viel zu viel, egal ob die Schienen oder Strassen älter sind als die Häuser, wo die Lärmopfer wohnen (bzw. wohnen müssen, da sie keine ruhige Wohnung finden oder sich leisten können).
    Sobald die Technik menschengerecht geworden ist und die Lärm-Toten verschwinden, braucht es keine „ideologische“ [egoistische Freiheit beschränkende] Massnahmen mehr. Aber leider wird das teschnisch Machbare noch immer nur zögerlich umgesetzt:
    – wirklich lärmarme Strassenbeläge sind eben erst aufgekommen;
    – lärmarme Pneus sind zwar ab 35 km/h die dominante Lärmquelle, aber nach wie vor kein Thema, weder bei den Atuokäufern noch in den Vorschriften zum Strassenverkehr;
    – leise Güterwagen kommen erst dieses Jahr – dank staatlichen a fonds perdu Subventionen bei der staatlichen SBB Cargo mit 16 Prototypen – auf die Schiene.

    Warum geht alles so langsam, obwohl laufend hunderte Menschen pro Jahr am übermässigen Lärm sterben? Beim Erlass der Lärmschutzverordnung im Jahre 1986 war absehbar, dass der technische Fortschritt das Lärmproblem bald löst und daher legte der Gesetzgeber die Sanierungsfrist auf 15 Jahre fest. Dann aber fehlte der Wille zum wirksamen Vollzug. Und heute – nachdem die Sanierungsfrist verdoppelt wurde – ist der Lärmschutz immer noch massiv ungenügend.
    Daher kommen heute selbst behutsame Pragmatiker (bspw. die Bundesrichter) zum Schluss, dass es Massnahmen braucht, die wöhrend der 32-jährigen Sanierungsfrist als „ideologisch“ und „linksextrem“ verunglimpft worden waren. Die [egoistische] Freiheit der Privilegierten hat die Freiheit ihrer Nächsten schon viel zu lange überfahren; nun braucht es griffige Massnahmen, solange bis die Volksgesunheit hergestellt ist.

    • Sehr geehrter Herr Wind

      Vielen Dank für Ihren ausführlichen Diskussionsbeitrag. Darf ich mich „pauschal“ zu den verschiedenen Zuschriften äussern? Besten Dank für Ihr Verständnis.

      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  5. Lieber Ernst, die Attraktivität der Schweizer Bahnlandschaft kommt ja gerade von der Aussicht aus den Bahnwaggons! Diese Attraktivität jetzt völlig aufzugeben zu Gunsten von Lärmschutzmassnahmen, für die Anwohner von Bahnlinien ist aus meiner Sicht etwas einseitig! Klar muss auch die Bahn an der Lärmsanierung arbeiten. Hier wurden die meisten Personenzugskompositionen in den letzten Jahren saniert. Neuanschaffungen von Personenrollmaterial trägt diesem Problem schon seit Jahren Rechnung! Das Problem liegt hier wohl beim Güterverkehr. Da gibt es grösseren Handlungsbedarf aber nicht nur in der Schweiz! Europa weit 100-tausende von Güterwagen zu sanieren ist eine kostspielige Angelegenheit, wäre aber lösbar mit neuen Güterwagenkonstruktionen, die bereits heute am Markt erhältlich sind. Ich dachte aber dass das BAV bereits für lärmintensive Güterzüge eine Lärmkomponente in die Trassenpreise eingebaut hat? Dies dürfte ein erster Anreiz für die EVU’s sein ihren Wagenpark zu sanieren. Weiter ist für mich eine wesentliche Frage ob Güterverkehre wirklich dermassen massiert auf einzelne Strecken gebündelt werden müssen? Da gäbe es sicher auch alternative Möglichkeiten! Leider geht dei Philosiphie der SBB weitgehend wieder in die Richtung der damals vom Volk verworfenen NHT (Neue Haupt Transversalen). Das Bahnnetz ist aber weitaus nicht so dicht wie dasjenige der Strassen! Da ist der Handlungsbedarf anders grösser als entlang dem Bahnnetz. Letztlich sollen aber auch Immobilienneubauten entlang von starken Verkehrsachsen von Beginn weg besser schallisoliert werden, denn niemand zwingt die Menschen so nahe an Verkehrsträger zu bauen! Bewegungsfreiheit heisst letztendlich auch Einschränkung der Lebensqualität! Wir können auch nicht von einem Flughafen verlangen dass die An- und Abflugsrouten in Röhren versetzt werden wegen Lärmschutz!?!? Es braucht Toleranz von allen Seiten. Jede Verbesserung für eine Seite bringt Nachteile für die andere Seite.

    • Lieber Herbert

      Vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar und für Deine Interesse an http://www.fokus-oev-schweiz.ch. Darf ich dazu Folgendes anmerken:

      1. Die NHT wurden nicht vom Volk verworfen. Sie waren Bestandteil der ausgereiften Gesamtverkehrs-Konzeption, welche von der Politik fatalerweise nicht umgesetzt wurde. Ich habe den ausführlichen Schlussbericht aus dem Jahr 1977 kürzlich eingehend studiert und war tief beeindruckt. Was für ein Gegensatz zur heutigen und lähmenden Kakophonie, welche nicht nur in Fragen des Verkehrs vorherrscht.

      2. Man hüte sich, die eigenen Präfenzen als Fahrgast auf die Gesamtheit der Passagiere zu übertragen. Menschen wollen in erster Linie rasch, komfortabel, sicher und günstig ans Reiseziel gelangen. Wenn der freie Blick auf schöne Landschaften wirklich – wie einige Bahnfreunde ständig behaupten – so wichtig ist, hätte man beispielsweise auf die neuen Alpentransversalen verzichten können.

      Nochmals vielen Dank für Deinen Beitrag.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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