Komplexe Bahnknoten – Anmerkungen zu einem Gastkommentar in der NZZ

In der Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 4. Mai 2016 äussert sich Paul Stopper in einem Gastkommentar zur Komplexität von Eisenbahnknoten. Dem Autor gebührt Dank und Anerkennung, dass er mit seinem Beitrag den Finger auf wunde Punkte im schweizerischen Eisenbahnnetz legt. Der folgende Link führt direkt zum lesenswerten Gastkommentar NZZ 2016_05_04 Eisenbahnknoten

Nachstehend soll der Gastkommentar diskutiert und auf weitere komplexe Sachverhalte im öffentlichen Verkehr der Schweiz eingetreten werden.

Komplexität der Netzknoten

  1. In der Tat weist das schweizerische Eisenbahnnetz mehrere komplexe Netzknoten auf. Olten gehört meines Erachtens aber nicht dazu. Die Ost-West-Achse und die Nord-Süd-Achse behindern sich nicht. Die Züge aus Westen können auf drei Linien ohne gegenseitige Behinderung in den Bahnhof Olten einfahren. Zudem besteht eine wichtige Spange östlich von Olten für den direkten Verkehr zwischen Basel und Zürich.
  2. Wirklich komplex sind die Verhältnisse im Raum Luzern, wo die Zufahrten aus Bern, Olten und Zürich in zwei Geleisen gebündelt werden sowie die Zufahrten von Osten in den Hauptbahnhof von Bern.
  3. An Komplexität aber nicht zu übertreffen und in dieser Form in Europa wohl einmalig ist die als Jahrhundertbauwerk bezeichnete Durchmesserlinie in Zürich. Da kommt die Einsicht bezüglich der Komplexität von Netzknoten reichlich spät.
  4. Ebenso problematisch ist die Einführung der Züge aus dem Sihltal und vom Uetliberg in den Zürcher Hauptbahnhof.
  5. Zeit also, dass Alexander der Grosse aus dem Grab steigt und den Knoten – oder die Knoten – von Zürich endlich durchschlägt.

Ausbau Killwangen-Spreitenbach – Turgi / Entlastung Heitersberg

  1. Nicht zu überzeugen vermögen aus folgenden Gründen die Vorschläge für Optimierungen der Achse Basel-Zürich.
  2. Vor allem der Vorschlag für einen Tunnel von Wettingen in den Raum Turgi ist nicht nachvollziehbar. Da würde der zwischen Zürich und Killwangen-Spreitenach so weitsichtig getrennte Fern- und Regionalverkehr Richtung Brugg wieder zusammengeführt. Zudem wären für die unabdingbaren kreuzungsfreien Einbindungen der Umfahrungs- in die Stammlinie komplexe Bauwerke erforderlich. Der Verkehr in diesem Korridor lässt keine niveaugleiche Verbindungen mehr zu. Und soll der zusätzliche Verkehr weiterhin hoch über Brugg an den Fuss des Bözberg geführt werden? Das sind Konzepte aus dem 19. Jahrhundert.
  3. Eine echte Entlastung der Heitersberglinie wäre die Aufgabe der Haltestelle Mellingen-Heitersberg, die Verlegung des Regionalverkehrs Dietikon-Lenzburg-Aarau auf die alte Strecke Wettingen-Baden Oberstadt-Mellingen sowie der Bau eines dritten Gleises zwischen Mellingen-Gruemet und Otmarsingen.
  4. Zudem wird die für den Personenverkehr stillgelegte Linie zwischen Koblenz und Laufenberg bereits heute regelmässig von Güterzügen befahren. Die Einwohner von Siggenthal, Döttingen und Klingnau würden sich für zusätzliche Güterzüge nach Basel dank der Spange in Koblenz bedanken. Ausserdem wären neben der vergleichsweise einfach zu bauenden Spange bei Koblenz erhebliche Ausbauten an der Strecke zwischen Turgi und Koblenz erforderlich.
  5. Des Weiteren sollte zur Entlastung der Strecke Wettingen-Baden-Brugg und für die Bereitstellung einer Ausweichroute bei Betriebsstörungen der Bau der früher geplanten Spange im Raum Mägenwil-Brunegg geprüft werden.
  6. Und Last but not Least sollte die Verkehrsplanung auch in der Schweiz endlich zur Kenntnis nehmen, dass Ausbauten von Strecken ohne Minimierung der Immissionen unrealisierbar geworden sind – Beispiele in Italien und Österreich belegen dies mit aller Deutlichkeit.

Nicht nur die Netzknoten sind komplex

  1. Aber nicht nur die Netzknoten sind zu komplex. Auch die Organisation des öffentlichen Verkehrs ist kompliziert geworden.
  2. Dieser Sachverhalt äussert sich unter anderem eben an der Komplexität der Netzknoten bzw. der fehlenden Einsicht oder Kraft, diese endlich zu eliminieren.
  3. Der administrative und bürokratische Überbau im öffentlichen Verkehr wird zunehmend zu einem Moloch.
  4. Wie sollen im Spannungsfeld zwischen dem Bundesamt für Verkehr, den Eisenbahnunternehmen und den zuständigen Stellen in den Kantonen – in Verbindung mit immer weniger Sachverstand der Politik in Bahnfragen – noch weitsichtige Konzepte für den so dringenden Ausbau des Schweizer Eisenbahnnetzes entstehen?
  5. Endlich einmal zu hinterfragen wäre zudem die Regelung der Zuständigkeit für den Regionalverkehr in der Schweiz, indem die Kantone zwar als Besteller auftreten, aber die Kosten zu einem beträchtlichen Teil vom Bund getragen werden. Dies führt zu Verzerrungen und damit zu einer sicher ungewollten Ungleichbehandlung von Regionen und Verkehrsträgern.
  6. Man stelle sich das Chaos vor, wenn beispielsweise die Kantone ihre Brief- und Paketpost – massgeblich subventioniert durch den Bund – selbst regeln könnten. Im Kanton V würden die Briefe am Abend und im Kanton W nur zweimal in der Woche zugestellt, im Kanton X wären die Briefkästen gelb und Kanton Y gelb. Zudem wären die Porti kantonal unterschiedlich.
  7. Dieser Vergleich mag hinken, aber er trifft den Nagel auf den Kopf.

Ein Gedanke zu „Komplexe Bahnknoten – Anmerkungen zu einem Gastkommentar in der NZZ

  1. Im Kommentar von Ernst Rota ein sehr grosse Zahl von interessanten Fragen angesprochen, dadurch ist es jedoch nicht mehr möglich, umfassend alle Themen zu behandeln. Ich möchte mich daher auf das ursprüngliche Kernthema, die Komplexität der Knoten, beschränken und auf Olten als Beispiel eingehen.

    Leider unterschätzt Ernst Rota die Komplexität des Bahnknotens Olten kolossal, wenn er erwähnt, dass sich Ost-West- und Nord-Süd-Achse kreuzungsfrei queren würden. Dies ist zwar richtig, aber kaum relevant für das Problem: sehr viele Zugläufe folgen nicht diesen beiden Achsen! Ausser einzelnen Zügen des Regionalverkehrs, die in Olten beginnen oder enden sowie einigen wenigen die überholt werden und auf welche ich nicht eingehen möchte, sind es – ausser den von Ernst Rota genannten kreuzungsfreien Fahrwegen – vier doppelspurige Strecken, die sich nicht kreuzungsfrei verzweigen: einerseits die Ost-West-Achse für den Personenverkehr Aarau – Olten – Rothrist und andererseits die Ost-West-Achse für den Güterverkehr Aarau – Olten – Oensingen. Die Züge aus Aarau Richtung Oensingen müssen jene aus Richtung Rothrist nach Aarau niveaugleich queren.
    Ebenso verhält es sich mit den Zügen aus Richtung Aarau, welche über die Verbindungslinige (VL) ohne die Perrongleise des Bahnhofs Olten zu befahren von Olten Ost über Olten Nord direkt Richtung Sissach verkehren (2 Nonstop-IC sowie ein IR pro Stunde und Richtung). Diese Züge queren damit zugleich bei der Einfädelung in Olten Nord auch die Doppelspur Nord-Süd.
    Die Anzahl der Konflikte ist damit auf engem Raum sehr hoch und zahlreiche Züge beihindern sich gegenseitig selbst bei kleinsten Fahrplanabweichungen. Eine Entflechtung ist dringend notwendig! Während eine Entflechtung der beiden Ost-West-Achsen via Bern und via Biel (Rothrist bzw. Oensingen) zwischen Dulliken und Olten mittels einer Überwerfung machbar sein sollte, ist dies nicht zugleich auch noch für die Verzweigungen Olten Ost und Olten Nord der VL möglich. Eine langfristige Lösung dafür böte nur der Bau des aus Kapazitätsgründen ohnehin notwendigen dritten Juradurchstichs in Form des Wisenberg-Tunnels mit Anschluss sowohl nach Olten als auch nach Aarau (mit kreuzungsfreier Einbindung von und nach Aarau). Diese Linie könnte damit tagsüber dem Personenverkehr der Achse dienen (alle IC und IR Basel Olten / Aarau). Damit würden die IC + IR Zürich – Basel die VL Olten regulär nicht mehr befahren und alle Konflikte entfielen. Nachts könnte der Wisenbergtunnel für den Güter-Transitverkehr Richtung Lötschberg sowie ggf. bei Bauarbeiten auch anstelle der Bözberglinie Richtung Gotthard genutzt werden.

    Ohne massive Ausbauten, insbesondere in den hochkomplexen Knoten, ist keine Verdichtung des Bahnverkehrs in der Schweiz mehr möglich und auch die aktuell zahlreichen Qualitätsmängel in Form von Verspätungen und mangelnder Zuverlässigkeit werden nicht zu beheben sein. Es fragt sich nur, wann die Entscheidungsträger endlich zu dieser Erkenntnis kommen werden.

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