Gotthard Bergstrecke – Nutzungskonzept – S-Bahn Gottardo

1.   Vorbemerkungen

Dieses Exposé beinhaltet einen Vorschlag für die Nutzung der Gotthard Bergstrecke nach der Inbetriebnahme des Gotthard Basistunnels.

Neben der Erhaltung der Gotthard Bergstrecke als bedeutendes Baudenkmal der Schweiz soll die Strecke für den Tourismus und zur Förderung des Lebensraums Gotthard genutzt werden. Vor allem der letzte Aspekt – die Strukturförderung von Dörfern im oberen Reusstal und in der Leventina – wird unseres Erachtens in der laufenden Diskussion unzureichend gewürdigt. Man hat den Eindruck, dass die Politik die legitimen und vitalen Interessen der Bevölkerung in diesen Alpentälern unzureichend berücksichtigt.

Das hier vorgestellte Nutzungskonzept beinhaltet ein Betriebskonzept und einen Vorschlag für massvolle Ausbauten der Infrastruktur in Form von zusätzlichen einfach ausgestalteten Haltepunkten. Im Fokus steht die Strecke zwischen Erstfeld und Biasca. Nach der Realisierung der als vordringlich erachteten umweltschonenden Umfahrung von Bellinzona durch den Güterverkehr soll auch der Regionalverkehr zwischen Arbedo und Biasca reaktiviert werden.

Dieses Exposé erhebt nicht den Anspruch einer wissenschaftlichen Arbeit. Es wurde von engagierten Laien erstellt und soll die Diskussion fördern.

2.    Ausgangslage

2.1  Standortförderung

Auf Wanderungen oder Fahrten abseits der grossen Achsen ist man sowohl im oberen Reusstal als auch in der Leventina mit erschreckenden Bildern konfrontiert, die für die Schweiz ungewohnt sind.

Ganze Dorfteile wurden verlassen. Viele Häuser sind seit Jahren unbewohnt und zerfallen. In zahlreichen Mehrfamilienhäusern und Überbauungen sind nur noch wenige Wohnungen bewohnt.

Haus 1 IntschiHaus 2 Intschi

ehemalige Wartehalle und aufgegebenes Ladenlokal in Intschi

Haus 1 PiottaHaus 2 Faido

Häuser im Dorfzentrum von Piotta (links) und im Dorfzentrum von Faido (rechts)

Haus 3 FaidoHaus 4 Pollegio

Häuser im Dorfzentrum von Faido (links) und Pollegio (rechts)

Bilder sagen mehr als tausend Worte. Ohne Gegenmassnahmen werden sich der Zerfall und die Entvölkerung erbarmungslos fortsetzen. Die Zeit für eine Trendumkehr ist mit der Inbetriebnahme des Gotthardbasistunnels gekommen. Das ist die Schweiz den Menschen im oberen Reusstal und in der Leventina einfach schuldig.

Wir erachten die Förderung des öffentlichen Verkehrs durch die Wiedereinführung des Regionalverkehrs auf der Schiene als unabdingbar für die Revitalisierung der Regionen, und zwar in zweifacher Hinsicht. Erstens durch die Bereitstellung eines effizienten Transport- mittels und zweitens als Symbol der Trendwende als Hoffnungsträger.

2.2  Tourismus

Nicht überbewertet werden darf das touristische Potential der Dörfer unmittelbar entlang der Verkehrsachsen. Dafür sind die Lärmimmissionen vorab der Autobahn einfach zu gross. Hingegen befinden sich auf den Höhen abseits der Dörfer im Tal attraktive Tourismusregionen wie das Urserental oder Hochebenen wie Prato Leventina oder östlich von Giornico. Hier kann die Bahn eine wichtige Zubringerfunktion zu den weiterführenden Verkehrsmitteln wie die Matterhorn Gotthard-Bahn oder die zahlreichen Postautos erfüllen.

Und last but not least bietet die Bahnfahrt über den Gotthard als solche ein enormes touristisches Potential, und zwar sowohl für die Strecke selbst als auch für die Endpunkte wie Luzern oder Locarno. Glacier- und Berninaexpress beweisen es.

3.    Grundzüge des Konzepts

3.1  Einleitung

Nachstehend werden bauliche Massnahmen und ein mögliches Betriebskonzept für die Eisenbahn beschrieben. Nicht eingetreten wird auf die Verkehrserschliessung ab den Knotenpunkten und auf weitere Standortförderungsmassnahmen.

3.2  Bahninfrastruktur

Massvolle Anpassungen der Bahninfrastruktur sind erforderlich, nämlich

  1. die Anpassung der Umsteigebahnhöfe wie Göschenen, Airolo und Faido
  2. die Wiederinbetriebnahme der weitgehend intakten und heute nicht mehr bedienten Bahnhöfen wie Amsteg-Silenen, Wassen, Gurtnellen, Rodi-Fiesso, Lavorgo, Bodio und Giornico
  3. der Bau von vier neuen Haltestellen für den Regionalverkehr in der Leventina und von zwei neuen Haltepunkt im oberen Reusstal

Im Folgenden werden anhand von Bildern (nur Leventina) und Kartenausschnitten die sechs vorgeschlagenen neu zu bauenden Haltestellen vorgestellt. Die Haltestellen müssen den geltenden Normen und mit möglichst geringem Aufwand errichtet werden. Sie sollen dort gebaut werden, wo bereits Unter- oder Überführungen bestehen. Die Lage der einzelnen Haltestellen  ist im Detail zu bestimmen.

a.  Ueberblick über die Strecke und die Haltepunkte

Karte Gotthard

b.  Bahnhöfe und Haltestellen im Einzelnen

Bahnhöfe (Halte RE und S-Bahn) Haltestellen (nur Halte S-Bahn)
Erstfeld  Dägerlohn (Silenen)
Gurtnellen  Amsteg (ehemaliger Bahnhof)
Wassen  Intschi (ehemalige Haltestelle)
Göschenen  Piotta
Airolo  Rodi (ehemaliger Bahnhof)
Ambri  Balcegno
Faido  Chiggiogna
Lavorgo  Pollegio
Giornico
Bodio
Biasca

c.   Die sechs neue zu bauenden Haltepunkte

1. Dägerlohn (Silenen)

1 Dägelohn KarteKartenausschnitt, bestehender Zugang und Lage der Perrons

1 Dägerlohn Zugang1 Dägerlohn Perron

2. Intschi (ehemalige Haltestelle)

2 Intschi Karte

Kartenausschnitt, bestehender Zugang und Lage der Perrons

2 Intschi Zugang2 Intschi Perron

3. Piotta

3 Piotta KarteKartenausschnitt, bestehender Zugang und Lage der Perrons

3 Piotta Zugang3 Piotta Perron

4. Balcengo

4 Balcegno KarteKartenausschnitt, Zugang ab der Brücke unterhalb der Klinik und Lage der Perrons

 

 

 

 

4 Balcegno Zugang4 Balcegno Perron

5.  Chiggiogna

5 Chiggiogna KarteKartenausschnitt, bestehender Zugang und Lage der Perrons

 

5 Chiggiogna Perron
5 Chiggiogna Zugang

6. Polleggio

6 Pollegio KarteKartenausschnitt und bestehender Zugang, kein Bild von der Lage der Perrons

 

6 Pollegio Zugang

3.3  Ideen für das Betriebskonzept

Pro Stunde verkehren je ein Regionalexpress analog Voralpen-Express und eine S-Bahn mit folgenden Spezifikationen:

Regionalexpress
Route Luzern – Altdorf – Biasca – Bellinzona – Locarno
Verknüpfung mit dem Fernverkehr Altdorf und Bellinzona
Ausstattung Zug mit erhöhtem Komfort (analog VAE)
Funktion Tourismus und rasche Talerschliessung
Hinweis Die Verknüpfung mit dem Fernverkehr muss optimiert erfolgen. Die Fahrzeit der RE zwischen den Umsteigebahnhöfen sollte etwa 50 Minuten länger sein, als diejenige der Züge des Fernverkehrs.
S-Bahn
Route Arth-Goldau – Bellinzona
Ausstattung FLIRT
Funktion Feinerschliessung und Ortsverkehr
Hinweis Bedarf auf der Nordrampe abklären, unter Umständen getrennte Züge auf der Nord- und der Südrampe (abhängig von der Einbindung in die jeweiligen Verkehrsverbünde)

 

4 Gedanken zu „Gotthard Bergstrecke – Nutzungskonzept – S-Bahn Gottardo

  1. Spätherbst in der Leventina
    Der bedrückende wirtschaftliche und demografische Niedergang in der Leventina seit 1980 und die damit verbundene Resignation und Tristesse hat diverse Ursachen: Konzentrationsprozess von Industrie und Gewerbe südlich von Bellinzona, Sterben der kleinen lokalen Handwerksbetriebe, Aufgabe der Alp- und Landwirtschaft, Bau der Autobahn und als Folge der Wegfall von Touristen und Reisenden in den Ortschaften, (Beizen- und Hotelsterben), wenig Anreize für die Jungen im Tal zu bleiben, massiver Abbau von Service public und, ganz wichtig, die Umstellung des Lokalverkehrs von der Schiene auf die Strasse. Die Wiedereinführung von Regionalzüge käme zweifellos einer generellen Aufwertung der Region gleich, kann jedoch als alleinige „Wiederbelebungsmassnahme“ nicht genügen. Dazu müsste der Kanton Tessin ein breit abgestütztes Entwiclungsprogramm auf die Beine stellen, welches effizient, attraktiv ist und nachhaltig wirkt. Doch dazu fehlen die Mittel – und vielleicht auch der politische Wille. Im gleichen Sinne könnte auch die S-Bahn ins Misox verlängert werden, denn dort sind dieselben traurigen Entwicklungen zu beobachten. Graubünden scheint dies nicht sonderlich zu kümmern. Wenn das Tal schon zur Pendler-Schlafstadt mutiert, dann sollte zumindest das Bahnangebot stimmen, um die Autos von der Strasse zu holen. Das Aus für die Misoxer Museumsbahn und das generelle Nebenbahnsterben im Tessin nach 1965 zeigt auf, wie „strassenlastig“ die Verkehrspolitik in den südlichen Alpentälern lange Zeit war. Ob langfristig strukturschwache Alpentäler nicht mehr gehalten werden können und deshalb ganz aufgegeben werden sollen, ist eine seit Längerem geführte kontroverse Diskussion. Die Zukunft wird zeigen, in welche Richtung sich eine vernünftige Lösung abzeichnet. Kurzfristig muss die Bahn zurück in die Dörfer kommen – sie bedeutet Hoffnung!

    • Sehr geehrter Herr Guillaume

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und Ihr Interesse an unserer Website. Ich freue mich, dass Sie die im Beitrag vertretene Auffassung weitgehend teilen.

      Die heutige Erschliessung des Misox ist zweifellos mangelhaft. Ob der Wiederaufbau der RhB der richtig Weg ist, wäre zu diskutieren. Eine Alternative könnte in der Einführung von Schnellbussen von Bellinzona direkt nach Roveredo und von hier als Lokalbusse weiter nach Mesocco sein.

      Viel dringender wäre meines Erachtens der Wiederaufbau der Bahnlinien im Maggiatal und von Lugano nach Tesserete (möglicherweise als Verlängerung der FLP).

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

    • Sehr geehrter Herr Ziltener

      Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Website und für Ihren Kommentar.

      Die Hoffnung stirbt bekannterweise zuletzt – bleiben wir optimistisch. Ich habe mit Kadermitarbeitern über das Konzept gesprochen. Ein leises Interesse besteht. Nur – wer bezahlt? Im Jura hat es kleine Bahnen, die bedeutend weniger Menschen Nutzen stiften. Ein S-Bahn Gottardo wäre daher gut begründet.

      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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