Erfolgreiche Güterbahnen in Nordamerika – und in Europa?

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Der Bericht eines deutschen Kollegen in einer Fachzeitschrift über die nordamerikanischen Güterbahnen hat mich veranlasst, eigene Abklärungen über den Schienengüterverkehr in Nordamerika vorzunehmen. Im Vordergrund standen der Modalsplit und die Entwicklung der Börsenkurse seit knapp zwanzig Jahren.

Der Befund überrascht und überwältigt. Seit 2004 haben sich die Kurse der Aktien der Class I-Güterbahnen meist mehr als verfünfzehnfacht. Mit anderen Worten – eine in 2004 getätigte Anlage in nordamerikanische Güterbahnen von USD 10.- wäre heute USD 150.- wert. Dazu kämen die seit dem Kauf der Aktien erhaltenen Dividenden. Allerdings ist die Bewertung der Aktien der Class I-Güterbahnen mit dem rund 25-fachen des Jahresgewinns – Kurs-Gewinn-Verhältnis KGV oder Price/Earnings-Relation P/E – sehr hoch, wobei diese hohe Bewertung auch für andere Branchen zutrifft.

Natürlich sind die Kurse im Betrachtungszeitraum an vielen Börsen stark gestiegen – viele Aktienkurse haben sich vervielfacht. Bemerkenswert jedoch ist, dass der Dow Jones-Index der Transportwerte seit 2004 – er berücksichtigt in seinen zwanzig Firmen auch vier Class I-Güterbahnen –  „nur“ um das Fünffache gestiegen ist.

Diese Fakten bestätigen, dass die nordamerikanischen Güterbahnen weltweit zu den rentabelsten Transportunternehmen gehören. Aber nicht nur, und das ist ökologischer Sicht das Wesentliche – auch ihre Transportleistung und ihr Anteil am Modal Split des Güterverkehrs in Nordamerika sind eindrücklich.

In diesem Beitrag belegen wir diese Aussagen und schliessen mit ein Überlegungen zum Handlungsbedarf in Europa.

Entwicklung der Börsenkurse der sechs der zurzeit noch sieben nordamerikanischen Class I-Güterbahnen

Entwicklung der Aktienkurse der börsenkotierten nordamerikanischen Güterbahnen
(Quelle: Swissquote und Wikipedia)

Zu ergänzen ist, dass der legendäre Investor Warren Buffet die Aktien der grossen US-Güterbahn BNSF – Burlington Northern  Santa Fé – am 3. November 2009 für USD 44 Milliarden erworben und damit sein grösste Einzelinvestment getätigt hat.

Gegenwärtig im Gang ist die Fusion von Canadian Pacific mit Kansas City-Southern. Canadian Pacific hat sich gegen das bessere Angebot von Canadian National durchgesetzt, nachdem sich die US-Behörden aus wettbewerblichen Gründen gegen den ursprünglich beabsichtigten Zusammenschluss von CN und KCS gestellt hatten.

Modal Split im US-Güterverkehr

Wie einleitend erwähnt, überrascht auch der hohe Anteil des Schienengüterverkehrs an den in Nordamerika im gesamten Güterverkehr geleisteten Tonnenmeilen.

Modal Split im US-Güterverkehr in Tonnenmeilen
(Quelle: US-Bureau of Transportation Statistics)

Gemäss älteren statistischen Daten der Association of American Railroads und der allgemeinen Entwicklung ist der Schienengüterverkehr in Nordamerika wahrscheinlich nach wie vor der dominierende Verkehrsträger im sogenannten „Intercity-Güterverkehr“ bei den produzierten Tonnenmeilen.

Modal Split 1998 im „Intercity-Güterverkehr“
(Quelle: Association of American Railroads)

Kommentar

Sucht man nach den Gründen für die enorme Bedeutung des Schienengüterverkehrs in Nordamerika, fallen zwei Aspekte auf, nämlich a) die wenigen grossen Anbieter und b) die privatwirtschaftlichen Eigentumsverhältnisse. Dazu kommt die effiziente Produktion in Form von langen Züge (2019 durchschnittlich 74,6 Wagen pro Güterzug), die höheren Achslasten und die grösseren Lichtraumprofile, die halbautomatischen Zentralkupplungen und die meist langen Transportdistanzen. Bemerkenswert sind auch das verfügbare statistische Datenmaterial und die tiefen Frachtraten.

Die während vielen Jahren wenig prosperierende Canadian National war bis 1995 die einzige staatliche Class I-Güterbahn in Nordamerika. Nach der Privatisierung durch den kanadischen Staat hat sich Canadian National prächtig entwickelt und zu den privaten Güterbahnen aufgeschlossen. Überdies ist Canadian National bis heute die einzige wirkliche transkontinentale Class I-Güterbahn.

Was für ein Gegensatz zu Europa! Hier kämpfen immer noch viel zu viele nationale und/oder kleine Güterbahnen um ein paar Brosamen vom Güterverkehr. Eine Konzentration auf wenige grosse supranationale Güterbahnen ist überfällig. Unseres Erachtens drängt sich auch eine Privatisierung auf. Nur durch eine solche kann den mächtigen europäischen Strassentransportfirmen die Stirne geboten werden.

Und auch die Fokussierung auf die DAK – die halbautomatische Zentralkupplung – wird es nicht richten. Damit wird höchstens wertvolle Zeit für eine Wende vertan. Neue Denkansätze sind gefordert – sei es a) durch die aufwendige Vollautomatiserung des Rangierens bzw. der Zugbildung oder b) durch den Verzicht auf das Rangieren mittels das Umladen von Wechselbehältern.

Und die von den Güterbahnen und ökologischen Kreisen ständig postulierte Betonung der ökologischen Vorteile des Schienengüterverkehrs und das Schielen auf Subventionen sind nicht zielführend. Ohnehin wird diese Begründung nach der Ablösung der Verbrennungsmotoren in den LKW hinfällig. Was Europa braucht, sind wenige, effiziente, pünktliche und rentable Güterbahnen. Nur diese können durch ihre Ertragskraft Investitionen anziehen und in hohem Mass Marktanteile gewinnen. Und nur so werden Güter von der Strasse auf die ökologisch vorteilhafte Schiene verlagert – zum Nutzen von Mensch und Umwelt.

6 Gedanken zu „Erfolgreiche Güterbahnen in Nordamerika – und in Europa?

  1. Da kann man nur noch Prof. Dr. Peter Veit von der TU Graz (einer der profunden Kenner des Gesamtsystems Eisenbahn) zitieren:

    Trennt sich das Rad von der Schiene, war das früher eine Entgleisung; heute ist dies das Grundprinzip der Orgaisation der Eisenbahn Europas.

    • Lieber Martin

      Vielen Dank für Dein Interesse an unserer Website und für Deinen Kommentar. Folgendes:

      1. Die Bedenken von Prof. Dr. Peter Veit von der TU Graz sind uns sehr wohl bekannt.

      2. Auf der anderen Seite ist die Trennung von Schiene und Betrieb in vielen Bereichen Realität. Man denke etwa an den Güterverkehr oder an den Personenverkehr – sogar in der Schweiz. So etwa am Beispiel der SOB, welche neu auch die Strecken von Bern nach Chur oder von Zürich/Basel nach Locarno bedient.

      3. Auch in Deutschland hat sich die Trennung in vielen Regionen durchgesetzt. Ich bin sehr gespannt, wie sich die Freigabe des Fernverkehrs in Spanien auswirken wird. Zudem erinnere ich beispielsweise an NTV, Westbahn oder Regio Jet.

      4. Bemerkenswert ist weiter, dass trotz der überfälligen verstärkten Einflussnahme des Staates in Grossbritannien kaum an die Zusammenführung von Schiene und Betrieb gedacht wird.

      5. Und zudem – da die nationalen Staatsbahnen und ihre Profiteure um jeden Preis wie etwa SBB Cargo, BLS Cargo ihre Unabhängigkeit verteidigen – ist die Trennung von Schiene und Betrieb meines Erachtens das einzige Mittel für das Entstehen von leistungsfähigen und gegenüber dem Strassengüterverkehr kompetitiven internationalen Güterbahnen.

      Ich danke Dir nochmals für Deinen Kommentar und wünsche Dir weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Herzliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Zurecht weist Ernst Rota auf die enormen Leistungen der amerikanischen Güterbahnen hin. Nur mit einer Konzentration auf wenige grosse supranationale Güterbahnen und weitgehender Privatisierung könne Europa künftig mithalten, meint Ernst.
    Ich bezweifle, ob dies wirklich so ist. In Nordamerika besteht von Kanada über USA bis Mexiko ein technisch einheitlicher Verkehrsraum mit einem riesigen Normalspurnetz welches primär dem Güterverkehr zugeordnet ist. In Europa sind die Distanzen viel kleiner, im Nordosten wie im Westen bestehen unkompatible Breitspurnetze. Ein umfangreicher Personenfern- und Nahverkehr belegt die Geleise, Güterzüge verkehren nur zweitrangig.
    Der angestrebte einheitliche Bahnraum Europa ist noch nicht verwirklicht. Nach dreissigjährigen Mühen ist immerhin das Ende der landspezifischen Zugsicherungssysteme in Sicht. Wer hätte vor wenigen Jahren geglaubt, BLS Cargo könne mit eigener Lok von den Niederlanden bis Italien durchfahren? Das Zugstelefon- und Funksystem GSM-R der Bahnen in Europa hat sich rasant durchgesetzt und wurde zum Weltstandard; Ablösung durch FRMCS steht nun bevor.
    Viele EVU bieten dank freiem Netzzugang erfolgreich Güterzugleistungen in Europa an. Der Alpen- Rheinkorridor ist Beispiel einer Rennstrecke dafür. Doch nach wie vor leidet das europäische Bahnnetz unter jahrzehntelanger Unterinvestition. Autobahnbau war das Ziel, die Bahnen hat man vernachlässigt.
    Fazit: Die Bahnen in Europa sind am Aufholen; doch der Bahnstandard von Nordamerika wird kaum erreichbar sein.
    Willi Rehmann, Binningen
    2022.01

    • Lieber Willi

      Vielen Dank für Deine Interesse an unserer Website und für Deinen Kommentar. Darf ich dazu Folgendes anmerken:

      1. Ich empfehle einen Abstecher an die Brenner-Autobahn oder an die A8 von München nach Stuttgart. Wenn ich die Herkunft der LKW beobachtet, komme ich jedesmal ins Grübeln. Ähnliche Beobachtungen habe ich im letzten Herbst auf der Autobahn zwischen Belgrad und Zagreb gemacht. Da hat es LKW aus der Türkei, Griechenland, etc.

      2. Europa ist zwar dichter besiedelt als die USA, aber auch bei uns gibt es einen intensiven Strassengüterverkehr über grosse Distanzen. Hier hätte ein leistungsfähiger Schienengüterverkehr ein enormes Potential – genauso wie in Nordamerika.

      Das – in Kürze – ein paar Gedanken. Ich danke Dir nochmals für Deinen Kommentar und wünsche Dir auch weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Die Güterzüge in den USA und Kanada haben die Gleise praktisch für sich. Personenverkehr spielt nur eine unbedeutende Nebenrolle. Was dazu führt, dass im Bahnverkehr Amtrak und VIA Rail sich häufig hinten anstellen müssen. Sei es bei der Vergabe von Trassees aber auch im Bahnalltag. Güterzüge werden bei Kreuzungen bevorzugt, sie bringen den Bahnunternehmen mehr Einnahmen als die Trasseegebühren des PV und bei Verspätungen drohen Konventionalstrafen. Mitunter stehen die Personenzüge stundenlang im Kreuzungsgleis während ein Güterzug nach dem anderen vorbeizieht.

    Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene, absolut dafür. Aber nicht so!

    • Sehr geehrter Herr Diezi

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website. Dazu Folgendes:

      1. In den Relationen, in denen häufiger und oft bedeutender Personenverkehr auf der Schiene besteht – North East-Corridor NEC, Regionalverkehr in den Ballungsräumen, San Joaquin Valley, Seattle, etc. – treten die von Ihnen genannten Störungen nicht auf. Der NEC ist beispielsweise weitgehendst im Eigentum von Amtrak.

      2. Der übrige und massiv subventionierte Personenfernverkehr von Via Rail oder Amtrak hat weitestgehend touristischen Charakter. Da muss man die oft erheblichen Verspätungen hinnehmen.

      3. Darf ich Sie einladen, Ihre Aussagen bezüglich den Trassegebühren zu belegen?

      Ich danke Ihnen nochmals für Ihren Kommentar und freue mich auf Ihre ergänzenden Angaben.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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