Dumpingpreise im Verkehr

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In der Diskussion bezüglich Beschränkungen des Luftverkehrs werden immer wieder die teilweise sehr tiefen Ticketpreise beanstandet. In der Tat verlocken die tiefen Preise möglicherweise zu unnötigen Flügen.

In der Diskussion wird jedoch ausgeblendet, dass tiefe Preise – eben Dumpingpreise – auch in anderen Sektoren des öffentlichen Verkehrs gang und gäbe sind.

Als Bahnkunde nutze ich die oft unglaublich günstigen Ticketpreise häufig – sei es für mich privat, für Studienreisen nach Stuttgart oder für Wanderungen im Elsass. Ein schlechtes Gewissen wegen den kaum die Grenzkosten der Reisen deckenden Preisen fährt dabei regelmässig mit.

Dumpingpreise im öffentlichen Verkehr

Nachstehend ein paar Beispiele aus dem Ausland und aus der Schweiz.

  • Die Region Elsass bietet am Wochenende die Carte Groupe Evasion für EUR 39.10 an. Mit dieser Tageskarte können bis zu fünf Personen mit Ausnahme der TGV alle öffentlichen Verkehrsmittel im Elsass und den Städten benutzen. Man bedenke, die mit 200 Stundenkilometern fahrenden TER200 bieten dem Reisenden den höheren Fahrkomfort als die TGV selbst.

    So kann eine Gruppe von fünf Personen ab Basel beispielsweise einen eintägigen Ausflug nach Strassburg unternehmen und dort beliebig mit den Strassenbahnen herumfahren – umgerechnet für weniger als CHF 9.- pro Person.

  • Im Bundesland Baden-Württemberg ist das Baden-Württemberg Ticket erhältlich. Als Tageskarte berechtigt das bw-Ticket an Werktagen ab 09.00 Uhr und an Feiertagen und am Wochenende ab 00.00 Uhr bis zum Folgetag um 03.00 Uhr zu beliebig vielen Fahrten mit der Eisenbahn und mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln im ganzen Bundesland und den Städten. Ausgenommen sind ICE und IC. Speziell ist, dass die IRE oft die gleiche Fahrplanlage haben wie die Züge des hochwertigeren Fernverkehrs und gewisse IC – so auch die IC der SBB zwischen Singen Hohentwil und Stuttgart – für das bw-Ticket frei gegeben wurden.

    Das bw-Ticket kostet für fünf Personen EUR 48.- in der zweiten und EUR 88.- in der ersten Klasse. Ab zwei zahlenden Fahrgästen können beliebig viele Kinder mitfahren. So können fünf Personen ab Konstanz einen eintägigen Ausflug nach Stuttgart unternehmen und dort alle städtischen Verkehrsmittel benutzen – für umgerechnet rund CHF 11.- pro Person.

  • Auch die Bayerische Regiobahn BRB – eine Tochter von Transdev – bietet in Zusammenarbeit mit der Westbahn sehr günstige Gruppentickets an. So kostet an Werktagen die ab 09.00 Uhr und den übrigen Tagen ab 00.00 Uhr gültige Tageskarte von München nach Wien und zurück für fünf Personen nur EUR 147.-. Bis zu drei Kinder können gratis mitreisen. Die Reisezeit von München nach Wien dauert zwar etwas länger als mit den auf dieser Relation verkehrenden Railjets der ÖBB, aber der Preis pro Person von rund CHF 32.- ist ungleich günstiger.

  • Sowohl die DB mit ihrem Sparpreissortiment als auch die ÖBB mit ihrem Sparschienen-Angebot bieten enorm günstige Tarife für Einzelreisende an. Zwar besteht Zugbindung, dafür gilt das Angebot auch für die meisten ICE oder Railjets. Ich fahre regelmässig für EUR 9.- in der zweiten oder für EUR 19.- in der ersten Klasse von Buchs SG nach Innsbruck. Nur gratis wäre für diese komfortable Reise günstiger.

  • Dumpingpreise gibt es auch in der Schweiz. Wenn man frühzeitig bucht, kann man beispielsweise mit den frühmorgendlichen IC für CHF 5.20 von Zürich nach Basel reisen. Damit kostet diese hochwertige Transportleistung weniger als ein Latte Macchiato in einem Café an der Bahnhofstrasse in Zürich.

Kommentar

Vor allem Bahnkreise sollten davon absehen, dem Luftverkehr ständig Dumpingpreise vorzuwerfen. Diese gelten im Allgemeinen nur für bestimmte Flüge und nur bis zum Erreichen einer geplanten Auslastung. Die oben erwähnten günstigen Tickets für Gruppenreisen sind uneingeschränkt erhältlich.

Zudem wird ausgeblendet, dass die Swiss gemäss dem Artikel der NZZ vom 1. September 2020 ihre Flugzeuge im Schnitt zu 85 Prozent auslasten kann, während dieser Wert bei den SBB in den Zügen des Fernverkehrs bei 33 Prozent und bei den Zügen des Regionalverkehrs bei nur 22 Prozent liegt.

Was ich mit diesen Ausführungen zum Ausdruck bringen möchte:

  1. Es wäre nicht zuletzt aus ökologischen Überlegungen an der Zeit, dass der Grad der Auslastung verstärkt als Zielgrösse des Handelns der SBB Beachtung findet. Das ist sehr wohl ohne grössere Einschränkungen des Angebots möglich. Allein durch einen bedarfsgerechten Rollmaterialeinsatz liesse sich viel erreichen. Als Beispiel sei die Weiterführung der IC8 von Zürich nach Romanshorn erwähnt oder das massive Überangebot zwischen Sitten und Brig.

  2. Vor allem ist eine konstruktive und offensive Strategie angezeigt. Man stärkt die Eisenbahn nicht, indem man Konkurrenten mit zutreffenden Argumenten wie beispielsweise die steuerliche Privilegierung des Luftverkehrs oder mit unredlichen Argumenten wie die eben zitierte Dumpingpreispolitik, zu schwächen versucht.

    Vielmehr muss die Attraktivität der Eisenbahn durch ein Bündel von Massnahmen dezidiert gesteigert werden. Aus dem umfangreichen Katalog der Massnahmen sind dies die Verkürzung der Reisezeit unter anderem durch den Aus- und Neubau von Strecken – Spanien und Frankreich machen es vor -, die Steigerung des Komforts, repräsentative und gepflegte Bahnhöfe und moderne Ticketsysteme.

6 Gedanken zu „Dumpingpreise im Verkehr

  1. Dumpingpreise als Lenkungs-Instrument zur besseren Auslastung wenig frequentierter Züge finde ich an sich keine schlechte Sache. Immerhin können sie ja durchaus die nächstspätere oder -frühere Verbindung entlasten. Was mir dagegen seit Jahren ein Dorn im Auge ist, sind die Gemeinde-Tageskarten. Damit kannibalisieren sich die öV-Bertiebe letztlich ihren Tarif. Nichts gegen ein Firmen-GA. Ich hätte nicht einmal etwas dagegen, wenn sie nur den gemeindeeigenen Einwohnern zur Verfügung stünden. Letztlich werden sie aber vorwiegend von Schnäppchen-Jägern benutzt, die sonst den öV wenig oder nicht benutzen. Manchmal werden sie in der nächstgelegenen Gemeinde gekauft, welche noch solche für das gewünschte Datum übrig hat. Abgeholt werden sie dann dort meist nicht mit dem Zug oder Bus.
    Ich habe gelegentlich auch Gruppen-Ausflüge organisiert und achte dabei sehr darauf, Mittel des öV zu benutzen. Bei der Preisgestaltung muss man dann halt darauf achten, dass GA- und HAT-Besitzer einen entsprechend etwas tieferen Preis zahlen. Ärgerlich, wenn dann im letzten Moment wieder einer kommt und sagt, er habe jetzt noch eine Tageskarte erwischt, er zahle darum weniger. Das gibt immer Umtriebe für den Reiseleiter. Noch ärgerlicher, wenn ein HAT-Inhaber dann plötzlich feststellt, dass er etwas mehr bezahlt hat als der sonst als öV-Muffel bekannte Schnäppchenjäger.

    • Sehr geehrter Herr Nägeli

      Vielen Dank für Ihren Beitrag und für Ihr Interesse an unserer Website.

      Danke auch, dass Sie die Diskussion mit weiteren Beispielen bereichern.

      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Auf den entscheidenden Punkt gehst Du leider nicht ein: Mobilität ist ganz generell zu billig – und blendest damit eine der wichtigsten Ursachen für die Globale Überhitzung aus.
    Siehe dazu auch den Artikel im Beobachter zum Thema Subventionen – der mit Abstand am meisten subventionierte Bereich ist die Fliegerei – unn nicht der Schienenverkehr.

    • Lieber Martin

      Vielen Dank für Deinen Kommentar und für Dein Interesse an unserer Website.

      1. Je nach dem welche Kosten und welche Nutzen man bei den Berechnungen berücksichtigt, erhält man andere Ergebnisse.

      2. Die Mobilität gilt generell als zu billig. Aber wird diese Behauptung nicht auch für die Energie oder für viele Güter des täglichen Bedarfs vorgebracht.

      3. Benedikt Loderer, der Gründer der Zeitschrift „Hochparterre“, hat ausgeführt, dass die grösste Umweltbelastung durch das Wohnen in Einfamilienhäusern entsteht – durch den Flächenbedarf, das Bauen und irgendwann das Abbrechen, die Energie für den Betrieb, Bau und Unterhalt von Zu- und Abfahrten sowie von Zu- und Ableitungen etc.

      4. Anzufügen wäre der ständig wachsende Flächenbedarf pro Einwohner in der Schweiz. Ist nicht aus das Wohnen zu billig?

      5. Das Argument der besseren Umweltverträglichkeit wird von den Bahnen häufig und unbesehen als Marketing Argument herangezogen. Oft zu Unrecht. Beispielsweise ist Regionalverkehr auf der Schiene zwischen Arth-Goldau und Biberbrugg mit häufig praktisch leer verkehrenden vierteiligen Flirt aus ökologischer und ökonomischer Hinsicht ein Unding. Das Gleiche gilt für zahlreiche andere Verbindungen.

      6. Natürlich ist die unzureichende Nichtberücksichtigung der externen Kosten durch die Ökonomie stossend. Noch fragwürdiger aber ist es, wenn ständig nur von der Kostenseite her argumentiert wird. Der weitaus grösste Teil des menschlichen Handelns stiftet ja auch Nutzen. Meines Erachtens ist die Ökonomie gerade hier gefordert, gesamtheitliche Modelle zu entwickeln. Im Trend liegende Artikel in der Tagespresse stiften oft mehr Verwirrung als Nutzen – gilt auch für den Beobachter.

      Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Ich möchte nur darauf hinweisen, dass die Sparschiene-Tickets der ÖBB sehr wohl mengenmäßig begrenzt sind. Aber es gibt weitere Möglichkeiten z.B. am Wochenende in den einzelnen Verkehrsverbünden mit günstigen Tageskarten.

    • Sehr geehrter Herr Hallas

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website.

      Wie wir geschrieben haben, gelten die Dumpingpreise ohne Einschränkungen nur für die erwähnten Gruppenbillette. Die Preise der günstigen Einzelbillette werden sehr wohl von der Nachfrage bestimmt. Bei der Fahrschiene beispielsweise werden wie Sie schreiben entsprechend der Nachfrage gestaffelt (vergünstigt).

      Nochmals vielen Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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