Postauto Schweiz AG – stoppt die Treibjagd!

Vorbemerkungen

Der Postauto Schweiz AG – als Tochtergesellschaft der Schweizerischen Post AG – bläst zurzeit ein eisiger Wind entgegen. Das Unternehmen hat bei einem jährlichen Umsatz von rund CHF 750 Mio. zwischen 2007 und 2016 bei subventionierten Leistungen CHF 107 Mio. zu viel vereinnahmt – also rund CHF 11 Mio. pro Jahr. Abgesehen von anteilmässig zu hohen Boni für die Kader von Postauto und der Post als Folge von entsprechend höheren Gewinnen hat sich dem Vernehmen nach niemand persönlich bereichert.

Die bisherigen Konsequenzen dieser Unregelmässigkeiten waren für einzelne Mitglieder der Geschäftsleitung von Postauto gravierend. Der langjährige und verdiente CEO wurde vorzeitig in den Ruhestand geschickt, und der Finanzchef wurde beurlaubt. Vereinzelt wurde auch der Rücktritt der CEO der Post, Susanne Ruoff, gefordert. Zudem wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verkehr eine Strafanzeige gegen Unbekannt eingereicht hat.

Die Schweiz hat also wieder einmal eine richtige Affäre. Der Sachverhalt geniesst in den Medien eine breite Beachtung. Ist die Unruhe in der Öffentlichkeit gerechtfertigt? Wir meinen nein. Zudem besteht das Risiko eines beträchtlichen Kollateralschadens für unsere Staatsbetriebe und den öffentlichen Verkehr generell.

Angemessenheit

Unter der bisherigen Führung hat sich Postauto zu einem fortschrittlichen und leistungsfähigen Transportunternehmen entwickelt. Kundenfreundlichkeit und Servicequalität sind hoch. Passagiere in den Postautos können im Gegensatz zu Fahrgästen bei den SBB dank WLAN kostenlos surfen. Der Auftritt von Postauto ist einheitlich und ansprechend, und die Freundlichkeit des Personals ist vorbildlich.

Postauto hat bei Ausschreibungen in umkämpften Märkten bewiesen, dass das Unternehmen auch preislich mithalten kann. Fairerweise ist nachzutragen, dass Postauto auch Aufträge verloren hat, wie beispielsweise im Oberengadin.

Die Vorwürfe an die Leitung von Postauto sind auch vor dem Hintergrund dieses bestechenden Erfolgsausweises unangemessen und ungerecht. Die Reaktionen von Öffentlichkeit und Politik haben die Züge von mittelalterlichen Hexenverfolgungen oder von Schauprozessen der Neuzeit angenommen.

Und ausserdem

Die Schweizerische Post AG als Aktiengesellschaft im Eigentum des Bundes steht seit längerem unter einem enormen Druck. Dies gilt im Besonderen für die klassische Briefpost und für die Postfinance.

Die klassische Briefpost ist vom Strukturwandel ausserordentlich stark betroffen. Trotz der seit Jahren anhaltenden Schrumpfung ist die Qualität der Leistungen anhaltend hoch. Während einigen Jahren konnte ich einschlägige Erfahrungen mit dem Grosskundengeschäft der Post sammeln – sowohl die Qualität der Leistungen als auch das Engagement der Kundenbetreuer waren exzellent.

Und Postfinance? Nun, das Unternehmen hat durch die Übernahme des Zahlungsverkehrs von Grossbanken seine Konkurrenzfähigkeit nachhaltig bewiesen. Das in Anbetracht des tiefen Zinsniveaus bis hin zu Negativzinsen weiterhin vertretbare Ergebnisse produziert werden, ist bemerkenswert. Die Vorwürfe aus der Politik an Postfinance wegen dem Ergebnisrückgang zielen ins Leere.

Stellt man die Vorwürfe an Postauto in diesen grösseren Zusammenhang, lassen sie sich noch weniger nachvollziehen. In dieser Umbruchssituation und vor ihrem Leistungsausweis den Kopf der CEO der Post zu fordern, ist unverantwortlich, ja geradezu fahrlässig. Erfreulicherweise hat der Verwaltungsrat zahlreichen Forderungen für eine Absetzung von Frau Ruoff nicht statt gegeben.

Ergänzende Betrachtungen

Völlig überrissen jedoch ist die Strafanzeige des BAV gegen Unbekannt, handelt es sich doch hier – wenn man den Begriff überhaupt verwenden kann – um ein Systemversagen. Viele Beteiligte wie etwa Aufsichtsbehörde, Revisionsfirmen oder die Eigentümerschaft bis hin zu den Auftraggebern haben versagt. Seit Jahren lagen Anhaltspunkte für zu hohe Abgeltungen vor.

Unsäglich ist zudem, dass das BAV sozusagen gegen Einheiten im „eigenen“ Haus zum Mittel der Strafanzeige gegriffen hat. Es wäre klüger und dem Sachverhalt angemessener gewesen, zuerst Klarheit zu schaffen und eine verwaltungsrechtliche Sanktionierung zu erwägen. Es bleibt die Hoffnung, dass die Staatsanwaltschaft die Klage abweist.

Zusätzlich erfolgt unter der Leitung des Verwaltungsratspräsidenten zusätzlich und parallel zur mutmasslichen Strafverfolgung eine umfassende interne Untersuchung. Sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch die interne Abklärenden dürften ähnliche Sachverhalte analysieren. Neben den direkten Kosten der Abklärung werden wohl während Monaten und in erheblichen Ausmass personelle Ressourcen von Post und Postauto beansprucht.

Oder deutet das Vorgehen des BAV gar auf das „Lame Duck“-Phänomen hin, dem die ihren gelegentlichen Rücktritt bereits in Aussicht gestellte Chefin des Departements ausgesetzt sein könnte?

Oder – honi soit qui mal y pense – erfolgt die Blossstellung von Postauto vor dem Hintergrund der möglichen Freigabe des nationalen Personenfernverkehrs für private Busunternehmen? Man beachte die Schlagzeile in der Ausgabe des BLICK vom 17. Februar 2018: „Domo macht Jagd auf Postauto-Linien“.

Struktur- und Grundsatzfragen

Zusätzlich ist die Affäre symptomatisch für die Zwitterstellung von staatlich dominierten Aktiengesellschaften, die unter einem Dach sowohl gewinnberechtigte als auch zu Selbstkosten zu erstellende Leistungen erbringen. Es ist Zeit, diesen Unternehmen endlich in die vollständige unternehmerische Freiheit zu gewähren und echten Wettbewerb zu ermöglichen – oder aber die Unternehmen wieder als Regiebetriebe der öffentlichen Hand zu führen.

Zahlreiche öffentliche Auftraggeber haben Dienstleistungen an private Firmen vergeben. So auch beim öffentlichen Verkehr, wie beispielsweise die Verkehrsbetriebe Glatttal – auch für stark subventionierte Transportleistungen. Unterliegen die beauftragten Transportunternehmen auch dem Gewinnverbot? Wohl kaum!

Die zu hohen Subventionen an Postauto – und der dadurch zu hoch ausgefallene Gewinn der Post – müssen in einen weiteren Zusammenhang gestellt werden. Die Erwartungen des Bundes als Eigentümer sowie der Politik an die Ertragskraft der staatlichen AG sind hoch. Aber nicht nur das, auf der einen Seite vereinnahmt der Bund Dividendenzahlungen seiner AG nur allzu gerne. Das hält ihn aber nicht davon ab, umfangreiche und unzureichend entschädigte Leistungen des Public Service in Anspruch zu nehmen.

Und noch ein letztes. In der Schweiz beziehen gegen 3’000 Mitarbeitende Gehälter von über einer Million Franken pro Jahr. Der überwiegende Teil dieser Mitarbeitenden dürfte nicht ansatzweise dem Druck ausgesetzt sein, den die CEO der grossen staatlichen Aktiengesellschaften zu erdulden haben. Und nun erfolgen Bestrebungen, die Jahressaläre der Bundesangestellten auf CHF 500‘000.- zu beschränken. Wie sollen beispielweise in Anbetracht des laufenden Kesseltreibens gegen Führungskräfte der Post und der erwähnten Bestrebungen die besten Köpfe für unsere staatlichen Aktiengesellschaften gewonnen werden? Der Beweis steht aus!

9 Gedanken zu „Postauto Schweiz AG – stoppt die Treibjagd!

  1. Das Hauptproblem liegt doch darin, dass die Post und Postauto als Service Public von der Politik (also dem Eigentümer) die Vorgabe erhalten haben, nach privatwirtschaftlichen Grundsätzen zu arbeiten. Dabei ist ‚Service Public‘ und ‚Gewinnvorgabe‘ ein WIderspruch in sich. Noch verschärft wird das mit der unseligen Bonuspolitik. Es gibt mittlerweile genügend Studien die zeigen, dass solche Regelungen falsche Prioritäten setzen und letztlich kontraproduktiv sind. Gute Leute bekommt man auch für ein ’normales‘ Kadersalär. Aber die müssten halt leistungsmotiviert sein und nicht machtmotiviert, auf die die heutigen Selektionsrituale ausgelegt sind.

    Und wo liegt der Schaden (abgesehen vom Ruf)? Nirgends! Innerhalb des Konzerns ‚öffentliche Hand‘ (Bund, Kantone, Gemeinden, Transportunternehmungen) wurden Gelder verschoben, also von der linken in die rechte Hosentasche. Mit Umkehrbuchungen lässt sich das problemlos beheben. Das Melken der Subventionstöpfe funktioniert in der Privatwirtschaft nicht anders (Umlage von Unkosten in subventionierte Aufträge) – nur dass dort der ‚Gewinn‘ an Private geht. Die Schiebereien der Konzerne zur Steuervermeidung richten einen viel grössern und vor allem echten Schaden an. Aber es bringt halt mehr Leser, wenn so etwas bei einer natonalen Institution wie der PAG passiert.

  2. Ich glaube wir sehen erst die Spitze des Eisberges!

    Prinzipiell hat ein öffentlicher Betrieb sich genauestens an die Gesetze und Vorgaben zu halten und jegliche Bilanztricksereien zu unterlassen.

    Eine grössere Baustelle ist der Betrieb der französischen Carpostal. Es scheint so, als da ein Fass ohne Boden besteht.

    Sehenswert dazu: https://www.srf.ch/sendungen/eco Sendung vom 19.02.2018

    Eine andere Baustelle der Post sind die Postfilialen. Die werden laufend dezimiert. Zu unrentabel! Aber auf der Zürcher Sihlpost sind Wartezeiten von 40 Minuten nicht unüblich. Da fühlt sich niemand als «Kunde». Das kann sich nur ein Monopolbetrieb erlauben.

    Die Post muss prinzipiell keinen Gewinn erzielen. Ihr volkswirtschaftlicher Nutzen steht im Vordergrund.

  3. Ein Aspekt, der in der allgemeinen Diskussion bisher kaum Eingang fand, ist das Abwerben durch Postauto von Strecken von ehemaligen Mitbewerbern dank tieferen Angeboten. Sollten diese aufgrund interner finanzieller Mauscheleien (Quersubventionierungen) stattgefunden haben, dann käme ein weiterer Tatbestand dazu. Gibt es da Parallelen zu Car Postal France (siehe den oben erwähnten eco-Beitrag)? Dazu ein Artikel im Berner Oberländer (https://www.berneroberlaender.ch/region/oberland/fragen-zur-postauto-ag/story/12421575) und die Interpellation von SVP-Grossrat Christoph Berger an den Bernischen Regierungsrat.

  4. Zwei Ergänzungen zum Thema:
    ASKA hatte seinerzeit die Konzession verloren, obwohl sie bei der Eingabe der Unterlagen von einem ehemaligen Regionalleiter von PA-CH beraten wurde. Dieser wusste offensichtlich zu wenig, wie Postauto kalkuliert, um den Angriff abzuwenden.
    Der Angriff des BAV gegen Postauto und die Statements von Herrn Füglistaler am Radio in dieser Sache dürften (mit) dazu dienen, dessen offenbar zu oberflächliche Revisionstätigkeit bei den TU zu vernebeln. Warum sind die BAV-Revisoren nicht viel früher dem undurchsichtigen Bereich „Übriges“ bei PA-CH nachgegangen? Wenn sich irgendwo Geld verschieben lässt in der Rechnung von TUs, dann dort.

  5. Ich als Ausländer habe zu wenig Einblick, aber ich möchte nur davor warnen Personal zu verunsichern. Wenn einmal gutes Kundenservice verloren geht, und das geht schnell vor sich, kann man es nicht mehr zurückholen! Da ist sicher die Sihlpost mit den langen Wartezeiten ein gutes Beispiel!

  6. Ich denke nicht, dass man betrügerisches Verhalten verharmlosen sollte. Zudem werden im Artikel Ananas mit Birnen vermischt, die Postkonzern-Sparte Briefpost hat sowenig mit den Postautos zu tun wie die „Postbank“ Postfinance – ausser der gelben Farbe.

    Ich denke vielmehr, dass die Weisswaschung von Betrug durch Staatsbetriebe direkt auf den Weg zur Knechtschaft führt. Im Kanton, indem ich aufgewachsen bin, wird der Überlandverkehr noch heute erfolgreich und überwiegend durch private Konzessionäre betrieben, die lokales Personal rekrutieren (auch dies ein Unterschied zur im Artikel geweisselten Postauto AG – PAG) und vielleicht nicht einzig nach einem höheren Bonus schielen, wie die Quasibeamten-Kader von PAG.

    Dass die Beamten in Bern, auch im BAV, während ihrem Aufenthalt im Büro vorwiegend schnarchen, ist kaum eine Neuigkeit. Es ist aber auch kein Grund, unehrliches Verhalten der PAG zu verniedlichen, einzig weil das Geld dazu aus den Taschen fremder Leute durch den Staat zwangsentzogen wird.

    Bis anhin war der öffentliche Verkehr ein Staatsmonopol. Dies bedeutet jedoch nicht, dass dies im Zeitalter der Share Economy auch so bleiben muss – ausser man will den aktuellen Stand strukturell einbetonieren. In der Energieversorung beginnen sich jedenfalls neue Konsumenten-Versorger-Beziehungen abzuzeichnen.

    • Sehr geehrter Herr Ernst

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website. Darf ich zu Ihren Ausführungen kurz Stellung nehmen:

      Das Verhalten von Postauto Schweiz AG in diesem heiklen Umfeld kann nicht beschönigt werden.

      Grundsätzlich gilt die Unschuldsvermutung. Zudem sollte man die Verhältnismässigkeit wahren.

      Wenn ein Schuldner trotz grossen Zweifeln – und die lagen mehrfach vor – Rechnungen bezahlt, ist er mindestens mitschuldig. Ich meine bei der Postauto AG zwar ein unsauberes Verhalten, aber keinen strafrechtlich relevanten Sachverhalt, zu erkennen.

      In vielen Stellungnahmen und Kommentaren zeigt sich eine latente Staatsverdrossenheit. Diese mag gerechtfertigt sein, aber man benutze Postauto nicht als „Blitzableiter“.

      Nochmals besten Dank für Ihren Kommentar und weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  7. Ich habe den Artikel mit grossem Interesse gelesen – eine transparente Information die ich mir eigentlich auch von den Medien erwarte. Wie figura zeigt ist es darum nicht zum besten bestellt, umso wichtiger ist es solche Informationen zu publizieren.
    Wr haben in der Schweiz viele „Zwitterbetriebe“ und fahren damit gar nicht so schlecht: es für alle eine Gratwanderung zwischen dem Leistungsauftrag und dem Wirtschaftlichkeitsziel. Welche Transparenz man immer auch schafft es wird immer wieder Leute von der einen oder der anderen Seite geben, die es „besser wissen“ und daran herum nörgeln. Ich meine trotzdem, dass es die beste Lösung ist und man halt immer wieder darum ringen muss die Balance zu halten – und das heisst sachliche Aufklärung und Transparenz.
    Dass dies nicht einfach ist, weiss jeder der sich einmal (wirklich) mit betrieblichem Rechnungswesen und Deckungsbeitragsrechnung befasst hat.
    Wir fahren mit dem GA der Bahn oder einer Fahrkarte gekauft bei der Bahn von Zürich nach Schiers und dann mit dem Bus nach Furna. Das Geld nimmt die Bahn ein, der Busfahrer nimmt nichts ein und fährt noch andere Strecken. Ist die Fahrt rentabel? Wie soll die Differenz abgerechnet und finanziert (ist nicht das Selbe) werden.
    Die Diskussion um die Post hat sich inzwischen zu einem veritablen Drama entwickelt. „Umbuchungen!“ schreit die Meute, die selbst nicht von Soll und Haben unterscheiden kann. „Privatisieren! Aufspalten!“ wissen die, die selbst noch nie ein Unternehmen geführt haben und strategische Entscheidungen treffen mussten. Nun hat man also – bevor klar ist / gemacht wurde, was los ist – zwei Mitarbeiter den Wölfen vorgeworfen und bemüht sich mit einer rigurosen Untersuchung von drei Weisen um Transparenz. Was ist davon zu erwarten? Das Problem ist (siehe oben) grundsätzlich kompliziert und eine transparente und fundierte Darstellung kann nicht einfach sein – zumindest nicht so einfach, dass es von der Mehrzahl der Kritiker überhaupt verstanden wird. Es ist schon kein leichter Job:
    Nehmen wir das Beispiel der Postlieferung mit Drohnen. Macht man Tests ist es „hinausgeworfenes Geld“. Macht man keine Tests „kümmert man nicht um neue Technologien und „schnacht“ in Bern. Sie sind also wahrlich nicht zu beneiden!
    Zu entscheiden, was eine optimale Betriebsgrösse und Betriebsaufgabe ist, welche Tätigkeiten ein- oder ausgesourced werden ist keine leichte Aufgabe und erfordert viel Arbeit und Fachkenntnis – vorgefasste Meinungen und „Überzeugungen“ sind da fehl am Platz.
    Ich für meinen Teil bin froh, dass es diesen Post-Komplex in dieser Form gibt und ich die Post, Postfinanz und den Bus nutzen kann. – und bin froh, dass es sie gibt (und auch solche die informativ darüber berichten!) Danke

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