Napoli Afragola – ein Meisterwerk

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Eine Studienreise zu Bahnprojekten in Süditalien bot Gelegenheit zu einer Besichtigung des Bahnhof Napoli Afragola. Die Eindrücke von dem von Zaha Hadid konzipierten und 2017 eröffneten Bahnhofs in der weiteren Umgebung von Neapel waren überwältigend. Mehr darüber in diesem Bericht.

Fakten zum Bahnhof Napoli Afragola

Der Bahnhof Napoli Afragola liegt an der 2006 eröffneten 205 km langen Hochgeschwindigkeitsstrecke von Rom nach Neapel. Die Luftlinie zwischen Napoli Afragola und Napoli Centrale beträgt 20 Kilometer – die Bahnstrecke zwischen diesen beiden Bahnhöfen misst 27 Kilometer. An Werktagen wird Napoli Afragola zwischen 05.21 Uhr und 21.58 Uhr in beiden Richtungen je von 33 HG-Zügen von Trenitalia und von 16 HG-Zügen Italo der privaten Gesellschaft NTV bedient. Dazu kommen gemäss dem Fahrplan zu später Stunde ein Regionalzug und ein Nachtzug.

Lage des Bahnhofs Napoli Afragola. Einige HG-Züge nach und aus dem Süden umfahren Napoli Centrale und den Vesuv östlich ab Salice. In oranger Farbe und gestrichelt die Einführung in die Neubaustrecke über Cancello nach Foggia/Bari. Der Hauptbahnhof von Neapel – Napoli Centrale – liegt am unteren Bildrand oberhalb Mercato. (Auszug mit bestem Dank aus www.openrailwaymap.org).

Das 2003 von Zaha Hadid präsentierte Projekt wurde mehrfach verzögert. Nach relativ kurzer Bauzeit wurde der Bahnhof jedoch 2017 als letztes Grossprojekt der 2016 verstorbenen weltberühmten britisch-irakischen Architektin Zaha Hadid feierlich eröffnet. Ursprünglich wurde mit Kosten von EUR 59.5 Mio. gerechnet. Fachleute halten den Bau für eines der weltweit bedeutendsten Bauwerke des Jahres 2017.

Vorgesehen ist, die im Bau befindliche Hochgeschwindigkeitsstrecke von Neapel nach Foggia und weiter nach Bari über den Bahnhof von Napoli Afragola zu führen, da die direkte Bestandesstrecke über Acerra mindestens in den Hauptverkehrszeiten ausgelastet ist. Die entsprechenden Zugänge und Bahnsteige im Bahnhof Napoli Afragola sowie Teile der weitgehend aufgeständerten Verbindungsstrecke nach Cancello sind bereits im Rohbau erstellt.

Der ausgesprochen grosszügig konzipierte viergleisige Bahnhof verfügt über 1’400 Parkplätze und ist auch mit Taxi und Regionalbussen erreichbar. Bei den Besichtigungen am 3. und am 5. April 2024 war knapp die Hälfte der Parkplätze belegt. Die Anzahl der ein- oder aussteigenden Fahrgäste war an beiden Tagen am Vormittag und am Nachmittag in Anbetracht der peripheren Lage überraschend hoch. Gemäss den Bestimmungen von Trenitalia sind Reisen „nur“ zwischen Napoli Centrale und Napoli Afragola nicht erlaubt.

RFI hat in Youtube einen kurzen Film mit weiteren Informationen über den Bahnhof von Napoli Afragola publiziert – hier der Link: Stazione di Napoli Afragola – La porta del Sud (youtube.com).

Bilder von der Besichtigung

Vorbemerkungen

Infolge der Dimensionen des Bahnhofs und dem eingezäunten Gelände sind repräsentative Fotoaufnahmen vom Boden aus nicht möglich, Auch zeigten sich beim Fotografieren die Limiten des Smartphones als Aufnahmegerät. Besten Dank für das Verständnis. Auch sind die Anlagen stärker belebt als einige Bilder vermuten lassen. Passanten reagieren zunehmend abweisend auf Fotografierende.

Gebäudeäusseres

Ansicht von Süden.
Detailansicht aus Süden.
Ansicht aus Norden auf den wenig benutzten Hintereingang. Neben der Treppe hat es einen Lift.
Blick auf den Hauptzugang.
Blick vom Bahnsteig auf die Gebäudemitte.

Innenräume und ihre Erschliessung

Aufgang auf die Passerelle. Neben der Treppe und der Rolltreppe stehen auch Lifte zur Verfügung.
Treppenaufgang beim Hintereingang. Der optische Eindruck trügt – die Treppe ist sehr sauber.
Blick in den Verbindungsgang. Links befindet sich die abgedeckte Treppe auf das noch nicht erschlossene Obergeschoss.
Blick auf die Passerelle über den Geleisen.
Ausstellung in der Passerelle über die sich im Bau befindende Neubaustrecke von Neapel nach Foggia/Bari.
Blick in die Wartehalle.
Lichtspiel in der Wartehalle.

Bahnsteige und ihre Erschliessung

Rollband vom Bahnsteig 2 auf die Passerelle.
Blick vom Rollband auf das Gebäude.
Blick vom Aufgang vom Bahnsteig 1 auf die Passerelle.
Um 16.00 Uhr auf einen Zug nach Rom wartende Fahrgäste.
Wartebank zwischen den kunstvoll gestalteten Stützen des Dachs über dem Bahnsteig 2.
Abfahrender Zug nach Rom am Bahnsteig 2. Die mit Höchstgeschwindigkeit durchfahrenden Züge benützen die beiden innenliegenden Geleise 2 und 3.
Blick aus südlicher Richtung auf die Abschlüsse der beiden Bahnsteigdächer.

Bilder von Details

Aussenanlage für Wartende.
Unterdachkonstruktion – kein Detail wurde vernachlässigt.
Abfalleimer mit Signet von Trenitalia.

Massive Kürzungen in Deutschland

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Die englische Fachzeitschrift «Today’s Railways Europe» äussert sich in ihrer Ausgabe vom März 2024 besorgt und detailliert zu den substantiellen Kürzungen des Budgets für die Erneuerung und den Ausbau der deutschen Eisenbahninfrastruktur.

Ich teile die Besorgnis, nicht zuletzt deshalb, weil die Schweiz von den Schwachstellen im deutschen Bahnnetz stark betroffen ist. Zu Sorgen Anlass gibt aber auch die sich in anderen Bereichen Deutschlands abzeichnende Mittelknappheit.

Fakten zum Zustand des deutschen Bahnnetzes

Der neu unter der Bezeichnung DB InfraGO firmierende Geschäftsbereich Infrastruktur hat im Januar 2024 den Netzzustandsbericht Fahrweg 22 veröffentlicht. Im Dezember 2022 erschien der entsprechende Bericht für das Jahr 2021. Die aufschlussreichen Berichte stehen im Internet zur Verfügung.

Im Jahr 2021 wurde das Anlagenportfolio der DB Netz AG mit 2.93 bewertet. Dieser Wert basiert auf folgender Notenskala: 1 neuwertig, 2 gut, 3 mittelmässig, 4 schlecht, 5 mangelhaft. 2022 fiel dieser Wert auf 3.01.

Neben dieser Verschlechterung lässt aufhorchen, dass der Wiederbeschaffungswert der gesamten Infrastruktur von Ende 2021 (EUR 317.2 Mia.) im Jahr 2022 neu berechnet wurde und um nicht weniger als 75 Prozent auf EUR 555.8 Mia. anstieg. Das zieht bei stabilen Abschreibungssätzen mittelfristig eine entsprechende Zunahme der Abschreibungen nach sich.

Auszug aus dem Netzzustandsbericht Fahrweg 2022 der Deutschen Bahn AG

Bedrohlich ist auch die Zunahme des dringenden Erneuerungsbedarfs innerhalb eines Jahres von EUR 54.3 Mia. auf 90.3 Mia am Jahresende 2022, entsprechend einem Anstieg von 66 Prozent.

Die finanzielle Perspektive

Vor diesem Hintergrund wirken sich die Budgetkürzungen für die Erneuerung noch fataler aus. Mit anderen Worten: Der Bedarf wird grösser und die Mittel schrumpfen.

Besonders ins Gewicht fällt, dass das deutsche Bundesverfassungsgericht im November 2023 die Umlagerung von EUR 25 Mia. aus dem nicht voll ausgeschöpften Corona-Fördermitteltopf in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) untersagt hat, was zu empfindlichen Budgetkürzungen für die Eisenbahn führt.

Ursprünglich war vorgesehen, das Kapital der DB zwischen 2024 und 2027 um EUR 20 Milliarden zu erhöhen, hauptsächlich zur Förderung von Investitionen in die Infrastruktur. Infolge der erwähnten Kürzungen beim KTF fällt dieser Betrag auf EUR 5.5 Mia., davon EUR 4 Milliarden im laufenden Jahr. Aber selbst dieser reduzierte Betrag ist noch nicht gesichert, sondern soll unter anderem durch den Verkauf von Beteiligungen finanziert werden.

Gemäss den Berechnungen des Verbandes der Bahnindustrie (VDB) beträgt die Finanzierungslücke der DB in den kommenden vier Jahren EUR 17 Mia. So werden die Investitionen für ETCS um EUR 3.2 Milliarden und für die Infrastruktur um EUR 9.5 Milliarden gekürzt.

Aber nicht nur bei den Investitionen wird gekürzt. Auch einige Subventionen für den Betrieb werden reduziert. Zudem ist vorgesehen, ab 2025 die Trassengebühren für den Fern- und den Güterverkehr zwischen zehn und fünfzehn Prozent zu erhöhen. Diese Mehrkosten sollen auf die Kunden abgewälzt werden, was den Modal Split sowohl beim Personenfernverkehr als auch beim Güterverkehr zu Lasten der Schiene verschieben wird.

Ausblick

Offensichtlich haben sich die finanziellen Perspektiven für die deutsche Eisenbahninfrastruktur verschlechtert. Wie soll das bis 2030 geplante ambitiöse Hochleistungsnetz für die DB realisiert werden? Und wie sehen die Aussichten für die für die Schweiz vordringliche Fertigstellung der Rheintalbahn als Zufahrt zur NEAT aus? Fragen über Fragen!

Auch in anderen Bereichen steht Deutschland vor gewaltigen Herausforderungen. Dazu zählt die Sanierung der Bundeswehr, bei der die Wehrbeauftragte der Bundesregierung das dazu geschaffene Sondervermögen von EUR 100 Milliarden als nicht ausreichend erachtet und einen dreimal so hohen Bedarf fordert. Und für die Stabilisierung der Renten, wo der jährliche Beitrag für die staatliche Rentenversicherung in den kommenden Jahren um einen Fünftel von 18.6 Prozent auf 22.3 Prozent steigt, soll bis Mitte der 2030-er Jahre ein Fonds von EUR 200 Milliarden geäufnet werden – aus Darlehen des Bundes und der Übertragung von noch zu bestimmenden Vermögenswerten.

Enorme Beträge. Der guten Ordnung halber sei auf einen Beitrag von MDR.de verwiesen, wonach zwischen der Wende 1989 und 2020 EUR 1’600 Milliarden vom Westen in die neuen Bundesländer geflossen sind. Deutschland kann es schaffen! Allerdings ist die soziale Unrast in der deutschen Gesellschaft gewachsen, und die 1989 vorherrschende Zuversicht in die Zukunft ist verkümmert.

Üppiger BIF? – falsche Wahrnehmung bei der NZZ!

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Der Bundesrat hat am 10. Januar 2024 die Botschaft zur Revision des Gütertransportgesetzes verabschiedet.

Fabian Schäfer hat auf Seite 10 der Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 11. Januar 2024 unter dem Titel «Millionen für den Güterverkehr» einen Kommentar publiziert, in dem unter anderem die üppige Dotierung des 2014 eingeführten Bahninfrastrukturfonds (BIF) behauptet wird.

Auszug aus dem referenzierten Artikel aus der NZZ.

Ich teile diese Auffassung in hohem Masse nicht und möchte meine Meinung in diesem Beitrag darlegen.

Ausgangslage

Der BIF wurde im Rahmen der Vorlage FABI beschlossen. FABI steht für «Finanzierung und Ausbau der Bahninfrastruktur».

Der Bundesrat schlägt vor, die Mittel für die Subventionen des Einzelwagenladungsverkehrs (EWLV) aus dem BIF zu finanzieren. In den ersten vier Jahren nach dem Inkrafttreten dieses Beschlusses sollen CHF 260 Millionen investiert werden. Weitere CHF 180 Millionen sind für die Einführung der automatischen Kupplung vorgesehen. Zusätzlich soll der EWLV unbefristet mit CHF 60 Millionen pro Jahr subventioniert werden. Das führt in den nächsten zehn Jahren zu Ausgaben von einer Milliarde Franken.

Vollständiger referenzierter Artikel der NZZ.

Und wenn es nach dem Willen des Bundesrates geht, sollen die Einlagen in den BIF 2025 um CHF 300 Mio. und 2026 um weitere CHF 150 Mio. gekürzt werden.

Zum BIF

Martin Stuber hat nach umfangreichen Abklärungen bereits 2017 prognostiziert, dass die Mittel des BIF längerfristig nur noch für die Instandhaltung der bestehenden Infrastruktur ausreichen werden. Das ist keine gute Aussicht.

Grafische Darstellung der mutmasslichen Entwicklung des BIF aus dem Jahr 2017 und basieren auf den Informationen zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Die Grafik wurde mit bestem Dank an den Autor dem Beitrag von Martin Stuber aus seinem Beitrag in der Ausgabe II/2017 des Info Forums von Pro Bahn entnommen.

Zudem bestehen im Schweizer Normalspurnetz weiterhin empfindliche Schwachstellen. Eine Arbeitsgruppe hat vor einigen Jahren eine Liste über die Schwachstellen erarbeitet. Dieser Link führt zur nicht mehr topaktuellen Übersicht: Schwachstellen

Die Finanzierung der von Swiss Railvolution vorgeschlagenen leistungsfähigen Neubaustrecken, im Besonderen das «Verkehrskreuz Schweiz», ist völlig offen und würde gewiss einen höheren zweistelligen Milliardenbetrag kosten. Dazu kommt, dass zahlreiche Bahnhöfe der SBB bezüglich Kundenfreundlichkeit zu wünschen offenlassen.

Klare Vorstellungen über den langfristigen Ausbaubedarf liegen nicht mit der notwendigen Verbindlichkeit vor. Zudem verzögert sich die Weiterentwicklung des Normalspurnetzes durch den langwierigen Entscheidungsprozess und die Vielzahl der Mitwirkenden. Das führt dazu, dass die Mittel des BIF oft für fragwürdige Investitionen bei den sogenannten Privatbahnen verwendet werden.

Dazu kommt, dass der Widerstand in der Bevölkerung gegen Infrastrukturausbauten generell zunimmt, und die Baukosten durch die zunehmende Reglementierung ständig steigen.

Kommentar

Der Beitrag von Fabian Schäfer nimmt auf diese Realität nicht nur keinen Bezug, sondern vermittelt ein völlig falsches Bild vom tatsächlichen Finanzbedarf für den Ausbau des schweizerischen Normalspurnetzes. Ich vertrete die Auffassung, dass unser Normalspurnetz im internationalen Vergleich immer weiter zurückfällt.

Die Situation tritt auch in anderen Infrastrukturbereichen auf. Sie ist typisch für alternde Gesellschaften, wo zu viel für den laufenden Betrieb ausgegeben und zu wenig in die Zukunft investiert wird.

In dieses Bild passt auch der folgende Ausschnitt aus dem Interview der NZZ mit Rolf Dörig in der Ausgabe vom 27. Januar 2024.

Die Kreation des BIF erfolgte wohl mit der Absicht, die Finanzierung des Unterhalts und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu gewährleisten. Und nun vergreift sich der Bundesrat beim ersten kühlen Lüftchen an den Mitteln des BIF. Die Frage steht im Raum, ob eine Verfassungsgerichtsbarkeit oder ein (Bundes-) Rechnungshof wie in Deutschland diesen Griff in die Kasse des BIF zugelassen hätten.

Umfahrung Ebreichsdorf – Staunen ohne Ende

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Mit der Strecke von Münchendorf nach Wampersdorf wurde im Dezember 2023 das letzte Teilstück des Doppelspurausbaus der «Pottendorfer-Linie» in Betrieb genommen. Das gesamte Projekt wurde in unserem Beitrag vom 9. Januar 2020 eingehend vorgestellt. Hier der Link zu diesem Beitrag: Grossartig – die neue Pottendorfer-Linie und ihre Bahnhöfe | fokus-oev-schweiz

Lage der „Pottendorfer-Linie“ (Auszug aus dem Eisenbahnatlas Österreich von Schweers+Wall, mit dem besten Dank an den Verlag). Die „Pottendorfer-Linie“ ist fein eingezeichnet und verläuft rechts neben der fett eingezeichneten Hauptverkehrsstrecke von Wien nach Wiener Neustadt.

Herzstück der letzten Etappe ist die Umfahrung von Ebreichsdorf und der neue Bahnhof dieser Kleinstadt mit knapp 10’000 Einwohnern. Der neue Bahnhof und die Örtlichkeiten wurden Mitte Januar 2024 eingehend besichtigt. Mehr über die überwältigenden Eindrücke in diesem Bericht.

Ausgangslage

Die ursprüngliche einspurige Strecke führte in einer relativ breiten Schneise durch das Zentrum von Ebreichsdorf. Angeschlossen an den alten Bahnhof war ein grosser Getreidesilo. Die Umgebung von Ebreichsdorf wirkt trotz der Nähe zu Wien verhältnismässig ländlich. Die Regionalzüge von Wien über Ebreichsdorf nach Wiener Neustadt verkehrten stündlich.

Im Rahmen der Modernisierung der «Pottendorfer-Linie» wurde beschlossen, anstelle des Ausbaus der bestehenden Strecke an der ursprünglichen Lage eine etwa zehn Kilometer lange und das Zentrum von Ebreichsdorf umfahrende Neubaustrecke zu bauen. Zudem wurde die Neubaustrecke auf einen etwa fünf Meter hohen Damm gelegt.

Umfahrungsstrecke von Ebreichsdorf (blau), neben der aufgehobenen Bestandesstrecke (schwarz). Die Karte wurde mit dem besten Dank einem Prospekt der ÖBB entnommen.

Bilder

Nachstehend einige Bilder von der Besichtigung. Für weitere Angaben wird auf die Bildunterschriften verwiesen.

Aufgehobene Strecke durch Ebreichsdorf

Gelände des ehemaligen Bahnhofs von Ebreichsdorf, aufgenommen vom Dach des Getreidesilos. (Das Bild wurde einer Broschüre der TU Wien entnommen). Man beachte die breite Schneise und die freien Flächen.
Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs von Ebreichsdorf, aufgenommen vom Dach des Getreidesilos. (Das Bild wurde einer Broschüre der TU Wien entnommen).
Blick auf das Gelände des ehemaligen Güterbahnhof von Ebreichsdorf.
Blick auf das Gelände des ehemaligen Bahnhofs von Ebreichsdorf. Man beachte die ausgedehnte freie Fläche.

Zugang zum neuen Bahnhof von Ebreichsdorf

Blick vom Ende der Bushaltestelle auf den neuen Bahnhof. Das Umsteigen zwischen Bahn und Bus erfolgt geschützt. Der Teerbelag ist gelb eingefärbt. Die weissen Flecken stammen vom Salz.
Ein paar Schritte weiter in Richtung des neuen Bahnhofs.
Blick in die „Unterführung“ des neuen Bahnhofs. Man beachte die verwendeten Materialien am Boden und an den Seitenwänden (Natursteine).
Blick auf die Rückseite des neuen Bahnhofs.
Blick von der ausgedehnten Parkanlage auf den neuen Bahnhof.
Blick auf eine der beiden Abstellanlagen für Fahrräder. Rechts davon befinden sich ein paar Bänke.

Zugang zu den Bahnsteigen

Blick in die „Unterführung“ mit dem Anzeigemonitor und einer Informationstafel.
Treppenaufgang zum Bahnsteig.
Lift auf den Bahnsteig. Selbst die Wände des Liftschachts sind mit Natursteinen belegt.

Wartebereiche für Fahrgäste und Besucher

Wartebereich im Freien. In den Sichtflächen hinter den Sitzbänken befinden sich allgemeine Informationen zum Standort und keine Werbeanzeigen.
Beheizter Warteraum unmittelbar neben dem Zugang zum Bahnhof mit künstlerisch gestalteter Rückwand.
Warteraum auf einem der beiden Bahnsteige. Der Raum verfügt zwar über keine Türe, dafür aber über einen beidseitigen Windfang.

Bahnsteige und Gleisanlagen

Blick von Süden auf die Bahnsteige.
Blick auf die sorgfältig gestalteten Dächer über den Bahnsteigen.
Blick auf den Bahnsteig 1.
Glaseinsatz in der Schallschutzwand ermöglicht den Blick auf die Stadt Ebreichsdorf.

Ausführungsdetails – vom Allerfeinsten!

Ausführungsdetail von der Auskleidung der Wände des Liftschachts.
Ausführung des Bahnsteigbelags auf den Schachtdeckeln.
Vor dem Zugang zum Lift wurde eine Chromstahlwanne eingebaut und mit einem Gitterrost abgedeckt. Dies verhindert das Eindringen von Wasser, Schnee oder Schmutz in die Liftkabine. Zusätzlich wurden seitlich zwei Abflussrinnen eingebaut.
Rostfreie seitliche Abflussrinnen neben dem Lift.
Ausführungsdetail von der Treppe zu den Bahnsteigen. Man beachte die Lichtquelle im unteren Handlauf und die schwach erkennbare Chromstahlrinne für Fahrräder.

Und das berühmte „Tüpfchen“ auf dem „i“

Offensichtlich soll die etwa eine halbe Hektare grosse Parkfläche mit einer Solaranlage überdacht werden.

Kommentar

Der etwa 350 Meter vom alten Standort entfernte neue Bahnhof ist mit den über  Ebreichsdorf hinaus fahrenden Regionalbussen gut erreichbar. Zudem wurde beim neuen Bahnhof ein grosser Parkplatz gebaut. Auf beiden Seiten des Bahnhofs stehen für Fahrräder geschützte Abstellplätze zur Verfügung.

Die örtlichen Verhältnisse hätten meines Erachtens jedoch auch eine einfachere und günstigere Lösung zugelassen, indem (1) man neben die Bestandesstrecke ein zweites Gleis gelegt hätte und (2) der „alte“ Bahnhof auf vier Geleise ausgebaut und zu einem Verkehrsknotenpunkt erweitert worden wäre. Schallschutzwände hätten die Lärmimmissionen auf ein vertretbares Niveau reduziert.

Mit der Umfahrung und dem neuen Bahnhof von Ebreichsdorf wurde jedoch eine grosszügige und weitsichtige Lösung getroffen, welche in hiesigen Verhältnissen – man denke etwa an den Ausbau des Bahnhofs Liestal oder das Führen der Strecke der SZU durch das neue Stadtquartier „Green City“ in Zürich-Leimbach – undenkbar waren.

Anmerkungen zum Verkauf von DB Arriva an I Squared Capital

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Die Deutsche Bahn AG hat am 19. Oktober 2023 den Verkauf ihrer Tochtergesellschaft DB Arriva an die nordamerikanische Private Equity-Gesellschaft I Squared Capital kommuniziert.

Mit diesem Verkauf endet eine seit mehreren Jahren anhaltende Unsicherheit über die Zukunft dieses im europäischen Eisenbahn- und Reisebusgeschäft tätigen Unternehmens.

Mehr über dieses Geschäft und ein kurzer Kommentar in diesem Beitrag.

 Rückblick

Arriva wurde 1931 von der Familie Cowie in einer nordenglischen Kleinstadt als Reparaturwerkstatt für Motorräder gegründet. Wenige Jahre später wurde die Geschäftstätigkeit auf Automobile ausgedehnt. 1965 wurde das Unternehmen an der Londoner Börse kotiert. 1980 erfolgte die Expansion in die Personenbeförderung mit Bussen.

Im März 2010 übernahm die Deutsche Bahn AG Arriva für rund EUR 2.8 Milliarden und dekotierte Arriva per 27. August 2010 von der englischen Börse. In der Folge verzeichnete DB Arriva eine stürmische Entwicklung und expandierte in zahlreiche europäische Länder. Dabei übernahm DB Arriva auch Aufträge für den schienengebundenen Personenverkehr.

Da die gesteckten Ertragsziele bei DB Arriva verfehlt wurden und sich die Qualitätsprobleme im innerdeutschen Personenverkehr auf der Schiene verschärften, wuchs der Druck auf die Deutsche Bahn AG, sich von ihrer Tochtergesellschaft zu trennen. Nicht umgesetzt werden konnte die Absicht, DB Arriva als selbstständiges Unternehmen an der Börse zu kotieren. So begann die Deutsche Bahn AG, einzelne Tochterfirmen von DB Arriva zu verkaufen.

Mit dem eingangs erwähnten Verkauf von DB Arriva an I Squared Capital wurden die mehrjährigen Anstrengungen endlich abgeschlossen. Gerüchten zufolge beträgt der Verkaufspreis EUR 1.6 Milliarden, nachdem DB Arriva noch vor wenigen Jahren mit EUR 2.5 Milliarden bilanziert wurde. Der Verkauf unterliegt der Genehmigung durch die Wettbewerbsbehörden und soll 2024 abgeschlossen werden.

Zu DB Arriva

Auf unserer Website haben wir zweimal über DB Arriva berichtet.

Am 30. Juni 1918 haben wir DB Arriva unter dem Titel «DB Arriva – Fakten und Kommentar» vorgestellt. (DB Arriva / Fakten & Kommentar | fokus-oev-schweiz).

Im Beitrag «DB Arriva unter Dauerbeschuss» wurde am 5. Februar 2020 über mutmassliche Verkaufsabsichten der Deutschen Bahn AG berichtet. (DB Arriva unter Dauerbeschuss | fokus-oev-schweiz).

Der Geschäftsgang von DB Arriva hat sich in den vergangenen sechs Jahren erheblich verschlechtert. So mussten bei allen relevanten Kennzahlen Rückgänge verzeichnet werden. Anfangs 2020 verlor DB Arriva wegen Qualitätsmängeln einen bedeutenden Kontrakt für schienengebundenen Nahverkehr in Nordengland. Weniger gross waren die Verluste beim Busverkehr.

Entwicklung von DB Arriva von 2017 bis 2022. (Quelle dieser und aller folgenden Daten: Geschäftsberichte der Deutschen Bahn AG).
Entwicklung wichtiger Kennzahlen von 2017 bis 2022 (Bahn- und Busreisende, Aussenumsatz, Mitarbeitende am Jahresende).

Trotz der anhaltenden Ungewissheit über die Zukunft des Unternehmens blieb die Kundenzufriedenheit bis Ende 2021 vergleichsweise stabil. Erst 2022 war ein grösserer Rückgang zu verzeichnen.

Zu I Squared Capital

Das Unternehmen wurde 2012 gegründet und ist sehr gut vernetzt. Neben dem Hauptsitz in Miami verfügt I Squared Capital über Niederlassungen in Nordamerika, Asien und London. I Squared Capital ist im Infrastrukturbereich tätig, unter anderem in der Energieerzeugung, und betreibt Versorgungsnetze, Entsorgungsanlagen und Telekommunikationseinrichtungen. I Squarded Capital verwaltete Mitte 2023 mit 120 Mitarbeitenden auf eigenes Risiko oder über seine Fonds Vermögenswerte von USD 37 Milliarden.

I Squared Capital geniesst in der Finanzindustrie einen guten Ruf und wurde für sein unternehmerisches Wirken mehrfach ausgezeichnet.

Auswirkungen des Verkaufs von DB Arriva für die Deutsche Bahn AG

Die Auswirkungen des Verkaufs für die Sparte «Personenverkehr» der Deutschen Bahn AG sind erheblich, wie die folgenden Darstellungen zeigen.

Vergleich von DB Arriva mit den anderen beiden Geschäftsbereichen des Personenverkehrs der Deutschen Bahn AG. Immerhin vermochte DB Arriva als einziger Geschäftsbereich 2022 einen positiven EBIT zu erwirtschaften. Das Jahresergebnis war aber negativ.
Reisende pro Geschäftsbereich.
Aussenumsatz pro Geschäftsbereich.
Mitarbeitende pro Geschäftsbereich.

Kommentar

Mit dem Verkauf von DB Arriva endet die Expansion der Deutschen Bahn AG in den europäischen Personenverkehrsmarkt. Mir war die Logik dieser Ausweitung der Geschäftstätigkeit stets unklar. Skaleneffekte lassen sich in einem derart heterogenen Gebilde kaum realisieren, und die Bindung von Managementkapazitäten auf der obersten Führungsebene ist wohl erheblich.

Wie in diesen Tagen verlautete, möchte sich die Deutsche Bahn AG auch von ihrer Logistiktochter DB Schenker AG trennen. Im Gegensatz zu DB Arriva bestehen hier aber für die Deutsche Bahn AG Synergien, indem verkehrsträgerübergreifende Transportleistungen angeboten werden können.

Vorbehalte habe ich aber bezüglich des Verkaufs von DB Arriva an eine Private Equity-Gesellschaft ohne nachgewiesene Expertise im öffentlichen Personenverkehr. In Europa besteht kaum ein Mangel an Kapital oder Erfahrung.  Meines Erachtens hätte DB Arriva gut ins Portefeuille beispielsweise von Kéolis oder Transdev gepasst.

Ist es tatsächlich der Weisheit letzter Schluss, wenn grosse europäische Infrastrukturen oder Infrastrukturbetreiber an nordamerikanische Finanzgesellschaften verkauft werden? Investitionen in den öffentlichen Verkehr sind in Anbetracht der angestrebten Verkehrsverlagerung nicht nur wenig riskant, sondern mittelfristig wohl lukrativ.

Befremdend ist ausserdem, dass ausgerechnet Deutschland als führende Macht der Europäischen Union für DB Arriva keine europäische Lösung gefunden hat. Honi soit qui mal y pense – aber ist Deutschland in letzter Konsequenz das eigene Hemd wichtiger als das weitsichtige Handeln im europäischen Interesse? Die von deutschen Politikern häufig vorgetragene Vision von „der immer enger werdenden Union“ erweist sich vor diesem Hintergrund als leere Worthülse!

Grundsätzlich halte ich eine Konzentration im europäischen Eisenbahnwesen und das Entstehen von grossen und mächtigen grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrsunternehmen in Europa für notwendig. Ich befürchte jedoch, dass der Eintritt von I Squared Capital in den europäischen Personenverkehrsmarkt zu ähnlichen Verwerfungen führen könnte, wie sie sich bei der Go Ahead-Gruppe oder bei Railtrack zu Lasten von Fahrgästen und der öffentlichen Hand einstellten.

Kompetenz und Engagement – IHRUS-Fachtagung 2023

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Am 16. November 2023 fand im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern die 12. IHRUS-Fachtagung statt. Die vom Verein IHRUS durchgeführte Tagung «Bessere Technik durch neue Rahmenbedingungen» war der Wirkung von verschleissabhängigen Trassenpreisen gewidmet.

An der von rund 180 Teilnehmenden besuchten gehaltvollen Veranstaltung diskutierten Fachleute von Eisenbahnverkehrs- und Infrastrukturunternehmen mit Vertretern von Industrie und der Fachpresse, wie und mit welchen technischen und organisatorischen Mitteln sich der Verschleiss des Rollmaterials und des Gleisoberbaus reduzieren lässt.

Gerne fassen wir in diesem Bericht nach einer kurzen Vorstellung von IHRUS den Inhalt der spannenden Vorträge und Präsentationen zusammen. Die Darstellungen wurden mit dem besten Dank dem Internet oder den Präsentationen entnommen.

IHRUS

Unter dem Kürzel IHRUS – es steht für «Instandhaltung Rad und Schiene» – besteht seit einigen Jahren ein nicht kommerziell ausgerichteter Verein von Fachleuten aus der Eisenbahnbranche. 

Profil von IHRUS.

IHRUS vereinigt Fachkompetenz, Engagement und Idealismus und verfolgt gemäss der Website des Vereins folgende Ziele:

  • Sicherstellen eines branchen- und unternehmensübergreifenden Austausches zwischen Fachleuten von Eisenbahnunternehmen, Behörden, Verbänden, Forschung und Industrie.
  • Offener Austausch zwischen Praktikern und Entscheidungsträgern im Hinblick auf die Erarbeitung von praxistauglichen und innovativen Lösungsansätzen.
  • Optimierung von Lebenszyklen im Verkehrssystem Eisenbahn.
  • Ausbau und Verstärkung der Kompetenz bei der Instandhaltung von Fahrzeugen und der Infrastruktur.
  • Schaffung von Kernkompetenzen im Hinblick auf die Trennung von Infrastruktur und Verkehr.

An den Fachtagungen führt IHRUS Fachvorträge durch und fördert den Austausch unter den Mitgliedern. Seit der Gründung hat sich IHRUS zu einer wirkungsmächtigen und allgemein anerkannten Plattform entwickelt. Durch Kompetenz und Sachlichkeit hat IHRUS wirkungsvoll auf die Wechselwirkung zwischen Schiene und Rad hingewiesen und das Problemverständnis für eine bessere Abstimmung gefördert.

Das Team von IHRUS (Dirk Bödeker fehlt auf dem Bild).

Fachvorträge der IHRUS-Fachtagung 2023

Die Teilnehmenden an der 12. IHRUS-Fachtagung kamen in den Genuss von acht spannenden Fachvorträgen. Längere Pausen zwischen jeweils zwei Vorträgen boten die Möglichkeit zum Austausch mit den Referentinnen und Referenten. Die Unterlagen der Präsentationen, über die wir anschliessend kurz berichten, stehen über die Website von IHRUS zur Verfügung.

1.  Systemführerschaft Interaktion Fahrzeug/Fahrweg Meterspur

In Vertretung von Gilbert Zimmermann von der RhB hält Gerhard Züger (Leiter Produktion und Rollmaterial der Zentralbahn) das einführende Referat. Züger führt aus, dass das Bundesamt für Verkehr (BAV) die Systemführerschaft für die Abklärungen der Interaktion zwischen Fahrzeug und Schiene RAILplus übertragen hat. RAILplus hat als Grundlage ein 400-seitigen Dokument über die bisher gewonnenen Erkenntnisse erstellt. Dieses Dokument wird im nächsten Jahr durch eine VöV-Arbeitsgruppe in eine RTE überführt.

Das BAV unterstützt die von 2022 bis 2026 laufende Untersuchung mit einem Beitrag von rund CHF 20 Millionen. Die Abklärungen erfolgen in acht Teilprojekten. Mitberücksichtigt werden auch die Erkenntnisse der unter der Systemführerschaft der SBB erfolgten Abklärungen im Arbeitskreis «Allianz Fahrweg» für die normalspurigen Bahnen.

Gliederung des Projekts.

Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass der stark angestiegene Verschleiss beim Fahrweg und beim Rollmaterial bei Bahnen mit engen Bogenradien unter 250 Metern und bei Fahrzeugen mit erhöhten Achslasten auftritt. Das gilt sowohl bei angetriebenen als auch bei nicht angetriebenen Achsen. Auch die stärkere Motorisierung und die höheren Geschwindigkeiten führen zu einem erhöhten Verschleiss.

Entwicklung der Achslasten bei den Meterspurbahnen in der Schweiz.

Die Reduktion des Verschleisses erfordert ein abgestimmtes Vorgehen, da sich Fahrweg und Fahrzeug während dem gesamten Lebenszyklus gegenseitig stark beeinflussen. Bei dieser fortlaufenden Abstimmung der Massnahmen (Konzeption, Beschaffung, Betrieb, Unterhalt) wird die Methode des Life-Cycle-Managements (LCM) angewendet.

Prinzip des Life-Cycle-Managements.

Die heutigen Fahrwerke bei den Meterspurbahnen sind abgesehen von einer einzigen Ausnahme mit einer steifen Radsatzführung ausgestattet. Auch die Werkstoffbeanspruchung der heute verwendeten Stähle von Rad und Schiene hat die Belastungsgrenze erreicht und erfordert neue Legierungen. Angestrebt wäre für Meterspurbahnen eine gemeinsame Fahrwerkplattform mit radial einstellbaren Achsen. Auch die Berührgeometrie zwischen Rad und Schiene sowie die Schmierung der Innenseite der Schienen in Bögen haben ein grosses Potential zur Reduktion des Verschleisses. Die Spurweite von 1’000 Millimetern sollte auf keinen Fall unterschritten werden. Auf geraden und mit höheren Geschwindigkeiten befahrenen Strecken empfiehlt sich eine Spurweite zwischen 1’002 und 1’004 Millimetern.

Gilbert Zimmermann von der RhB postuliert in seinen Unterlagen bei den Meterspurbahnen ein Kompetenzzentrum Rad/Schiene, das die Abklärungen weiterführt und den Informationsaustausch unter den Bahnen sicherstellt.

2.  Möglichkeiten optimierter Fahrwerkkonstruktionen im Normal- und Meterspurbereich für eine Reduktion der Rad- und Gleisbelastung

Bruno Meier, Leiter Produktentwicklung Fahrwerke bei Stadler Rail AG, und Roman Assfalg, Teamleiter Fahrwerke für Schmalspur-, Zahnrad- und Spezialfahrzeuge bei Stadler Rail AG, dokumentieren in ihrer Präsentation, dass Stadler auf die Anforderungen der Eisenbahnen reagiert – und zwar sowohl im Meterspurbereich als auch bei der Normalspur.

Bild eines modernen Drehgestells von Stadler Rail. Man beachte die dicht angeordneten Komponenten.

Die Massnahmen von Stadler werden anhand der Fahrwerke beim Flirt erläutert. So wurde der Drehgestellrahmen seit dem ersten Flirt neu konzipiert. Das Gewicht des heute verwendeten verkürzten und offenen Rahmens wurde um 16 Prozent reduziert. Noch drastischer ist die Gewichtsreduktion des heute teilweise abgefederten Antriebs der Flirt von 4’000 Kilogramm auf 2’670 Kilogramm. Auch die Vergrösserung der Hohlbohrung in der Radsatzwelle auf 90 mm reduziert das Gewicht der Achse um 100 Kilogramm. Verbesserungen wurden auch bei der Schnittstelle zwischen dem Achslager und dem Drehgestell durch neu konzipierte Achslenkerlager erreicht. Bei Strecken mit engen Radien, so Roman Assfalg, lässt sich der Verschleiss durch radial einstellbare Achsen substantiell reduzieren. Die im Vergleich zur Normalspur kleineren Fahrwerke erschweren verschleissmindernde Massnahmen bei Meterspurbahnen. Zudem werden Fahrzeuge für Meterspurbahnen im Vergleich zu denjenigen bei der Normalspur in kleineren Stückzahlen bestellt, was die Kosten für verschleissmindernde Massnahmen pro Fahrzeug verteuert.

Trotz diesen Optimierungen am Fahrwerk braucht eine gute Radialeinstellung immer auch eine geeignete Profilpaarung zwischen Rad und Schiene. Der Verschleiss kann zudem durch gefühlvolles Fahren sowie durch eine gute Adhäsionsregelung spürbar reduziert werden.

Mit der von RAILplus entwickelten «FIMO-Formel» wurde eine in der Branche allgemein akzeptierte Regel zur Ermittlung der Korrelation zwischen dem Verschleisskoeffizienten und dem Produkt aus Radstand und Achslast entwickelt. Generell werden ein möglichst kurzer Radstand und tiefe Achslasten angestrebt. Letztere sind bei gleicher Fahrzeuggrösse nur mit mehr Achsen erreichbar.

Mit einem Überblick über Massnahmen von Stadler zur Reduktion des Verschleisses bei Normal- und Meterspurbahnen schliesst Roman Assfalg seine Ausführungen. Offensichtlich hat Stadler auf die Anliegen der Meterspurbahnen reagiert.

Problemstellung bei den Normal- und bei den Meterspurbahnen.

3.  Optimierte Fahrzeugkonstruktion bei Siemens

Martin Teichmann, Siemens Mobility, beschäftigt sich seit 35 Jahren mit der Interaktion zwischen Rad und Schiene. Seit vielen Jahren untersucht Teichmann die Wirkung von verschleissabhängigen Trassenpreise auf die Fahrzeugentwicklung. Er stellt fest, dass der Verschleiss im Trassenpreissystem der EU unzureichend berücksichtigt wird. Die Schweiz, so Teichmann, nehme in Europa eine Vorreiterrolle ein. Viele Kurven und hohe Geschwindigkeit haben einen hohen Einfluss auf den Verschleiss.

Minderkosten durch die Reduktion des Verschleisses stehen Mehrkosten bei der Fahrzeugentwicklung und -beschaffung gegenüber. Der Zielkonflikt muss durch das Konzept der Lebenszykluskosten gelöst werden. Wichtig ist auch der interne Zinssatz, mit dem die Einsparungen und die Zusatzaufwendungen auf die Gegenwart diskontiert werden.

Am Beispiel des mit dem Flirt vergleichbaren Mireo-Triebwagenzuges erläutert Teichmann die Massnahmen von Siemens zur Reduktion des Verschleisses. Die Massnahmen zielen in die gleiche Richtung wie bei Stadler, nämlich konsequenter Leichtbau, weiche Fahrwerksrahmen und möglichst kurze Radabstände. Die koordinierten Massnahmen zur Reduktion des Verschleisses haben die Anschaffungskosten pro Fahrzeug zudem um rund EUR 500’000.- gesenkt.

Konzepte der Trassenpreisermittlung in Europa.

Auch bei den Lokomotiven, so Teichmann, wurden Fortschritte für die Verschleissreduktion erzielt. Bei den weit verbreiteten Vectron-Lokomotiven wurden aktive Drehdämpfer (ADD) eingesetzt. Während der gesamten Lebensdauer der Lokomotive lassen sich dadurch erhebliche Kosteneinsparungen realisieren. Zusammenfassend hält Teichmann fest, dass im Normalspurbereich der Nutzen von verschleissabhängigen Trassenpreisen nicht überbewertet werden darf. Massgebend seien, wie bereits ausgeführt, sei die Geometrie der Strecke (Kurven, Adhäsion, etc.) und die Fahrgeschwindigkeit.

Einsparungspotential von einzelnen Massnahmen (Netto-Bar-Wert).

4.  Einfluss von Trassenpreis auf die Gleis- und Weichenbelastung bei den SBB

In ihrer Präsentation informieren Claudia Kossmann, Ingo Nerlich und Oliver Schwery über die Auswirkungen des verschleissabhängigen Trassenpreissystems in der Schweiz. Zusammenfassend wird das in der Schweiz applizierte verschleissabhängige Trassenpreissystem als grosser Erfolg bezeichnet. Eine Weiterentwicklung und Verfeinerung des Systems könnten sich lohnen.

Ab 2010 ist die Anzahl der Schienenfehler substantiell gestiegen. Das führte ab 2013 zu einem massiven Anstieg des Aufwandes für die Schienenbearbeitung – seit 2020 wird dreimal mehr gepflegt, um die tiefe Fehlerquote von 2004 zu erreichen.

Eindrücklich, aber auch nachdenklich stimmend, ist die Entwicklung des Substanzerhalts für die Fahrbahn seit 2017. Die Aufwendungen für die Erneuerung und den präventiven Unterhalt haben sich gegenüber dem kurativen Unterhalt relativ zurückgebildet.

5.  Berücksichtigung der Trassenpreise bei der Beschaffung von Streckenlokomotiven

Thorsten Teigeler, verantwortlich bei SBB Cargo AG für die Beschaffung von neuen Streckenlokomotiven für den Güterverkehr, erläutert die Kriterien für die Selektion der neuen Lokomotiven. Dabei kommt den Kosten für die Trassen und die Energie eine hohe Bedeutung zu, betragen diese Kosten doch mehr als die Hälfte der Lebenszykluskosten eines Fahrzeuges aus. Der Anteil der Trassenkosten macht rund dreissig Prozent der gesamten Lebenszykluskosten aus. Diesem Sachverhalt wurde bei den bisherigen Beschaffungen kaum Beachtung geschenkt. Unterschiedliche Kosten für den Verschleiss fallen dabei deutlich ins Gewicht, wie die folgende Übersicht zeigt. Bei 120’000 Kilometer Laufleistung pro Jahr und bei 30 Betriebsjahren können unterschiedliche Kosten für den Verschleiss im Trassenpreis sehr wohl CHF 500’000.- ausmachen.

Life-Cycle-Kosten einer Lokomotive.

Im Zeitraum von 2027 bis 2035 besteht bei SBB Cargo AG ein Ersatzbedarf von rund 130 Streckenlokomotiven. Dabei fällt die Reduktion der Lebenszykluskosten von CHF 500’000.- pro Lokomotive sehr wohl ins Gewicht.

Problematisch fällt bei der Beschaffung ins Gewicht, dass die Schweiz gemäss Teigeler das einzige Land in Europa ist, bei dem Verschleisskomponenten im Trassenpreis berücksichtigt werden. In Europa wird nur das Gewicht der Lokomotive bei der Festlegung der Trassenpreise berücksichtigt. Die europäischen Hersteller legen deshalb geringes Gewicht auf verschleissarme Lokomotiven, sondern konzentrieren sich auf den Energieverbrauch und – wie erwähnt – auf das Gewicht der Lokomotiven.

Angesprochen auf die Möglichkeit, dass verschleissarme Lokomotiven möglicherweise nicht erhältlich sind und auf Standardprodukte ausgewichen werden muss, reagiert Teigeler mit einem resignierten Achselzucken.

6.  Berücksichtigung der Trassenpreise bei der Beschaffung von Triebfahrzeugen

Reto Wagner und Stephan Maurer, bei der BLS AG verantwortlich für die Beschaffung von Triebfahrzeugen, informieren, wie die BLS die Verschleisskomponente im Trassenpreis für Triebfahrzeuge berücksichtigen. Dieser Aspekt wurde nicht nur bei der Neubeschaffung von Triebfahrzeugen berücksichtigt, sondern auch durch die erwogene Anpassungen bei der bestehenden Fahrzeugflotte. Bei einer Restlebensdauer von zehn Jahren wurden Anpassungen an den Fahrzeugen geprüft. Bei kürzeren Restlebensdauer wurden Anpassungen ausgeschlossen.

Bei bestehenden Fahrzeugen wurden als einzige Optimierungsmöglichkeiten a) die aktive Ansteuerung der Radsätze und b) hydraulische Achslenklager in Erwägung gezogen. Bei den «Lötschbergern» führten die Abklärungen zu einem negativen Ergebnis. Bei den in den letzten Jahren bei der Firma Stadler Rail AG beschafften Mutz-Triebwagenzüge ergaben die Abklärungen hingegen ein positives Ergebnis, weshalb in den kommenden Jahren hydraulische Achslenklager eingebaut werden, und zwar im Rahmen der laufenden Revisionen. Je nach der befahrenen Strecke ergeben sich beträchtliche Einsparungen, im Durchschnitt CHF 390’000.- pro Jahr und Fahrzeug.

Bei den vor der Beschaffung stehenden Flirt-Triebwagenzügen «MIKA» floss der Verschleiss als Kriterium ein. Die Einhaltung der Zusicherungen durch den Lieferanten wird regelmässig geprüft. Dabei wird ein über den Vereinbarungen liegender Verschleiss mit Pönalen geahndet. Im Gegenzug werden bei geringerem Verschleiss Bonuszahlungen an den Lieferanten fällig. Dieses einvernehmliche Konstrukt hat den Lieferanten dazu bewogen, besonderes Augenmerk auf verschleissarme Fahrzeuge zu legen.

7.  Belastung der Strasseninfrastruktur durch den Schwerverkehr

In einem spannenden Referat stellt Cédric Vuilleumier vom Bundesamt für Strassen ASTRA nach einem Überblick über das schweizerische Nationalstrassennetz die Bestimmungen und die Prozesse bei überschweren Strassentransporten vor. Beeindruckt nehmen die Anwesenden von den komplexen und teilweise wenig systematischen Verfahren für die Genehmigung und die Durchführung von überschweren Strassentransporten Kenntnis. Dabei zeigen sich die Grenzen unserer föderalen Strukturen. Nicht nur der Schienenverkehr, sondern auch der Güterverkehr auf der Strasse ist mit komplexen Genehmigungsverfahren konfrontiert.

Anhand von Fallbeispielen erläutert Vuilleumier die geschilderten Probleme. Besonders geregelt sind Sondertransporte durch die grossen Strassentunnels durch die Alpen. Das Bundesamt für Strassen ist bestrebt, die Transparenz des Verfahrens für Antragsteller mit einem Onlineportal zu erhöhen. Immerhin ist darauf hinzuweisen, dass besonders schwere Transporte umfangreicher Vorabklärungen bedürfen und Einhaltung der Fahrroute beispielsweise auf Kunstbauten wie Brücken minutiös festzulegen und einzuhalten ist. Durchschnittlich erfolgen schweizweit pro Werktag zwischen 120 bis 150 Sondertransporte.

8.  Rollmaterial Instandhaltung von Übermorgen

Dr. Joël Luc Cachelin, Zukunftsforscher bei wissensfabrik.ch, und Frieder Tallafuss von PROSE, skizzieren Szenarien für die zukünftige Entwicklung der Instandhaltung von Rollmaterial. Mehrere Faktoren wie Standardisierung des Rollmaterials, Fachkräftemangel und komplexere Fahrzeuge könnten den Prozess der Instandhaltung tiefgreifend und wie folgt verändern:

  • Trennung von Betrieb und Wartung, unter anderem durch die Shared Economy.
  • Vereinheitlichung und Standardisierung der Fahrzeugflotten.
  • Nutzung des Potentials für Effizienzsteigerungen bei der Wartung und beim Unterhalt.
  • Optimierung bzw. Reduktion der Standzeiten von Fahrzeugen.
  • Dezentralisation von Wartung und Unterhalt.
  • Sich selbst überwachende und Störungen unmittelbar kommunizierende Fahrzeuge, welche im Anschluss auch den notwendigen Reparaturbedarf automatisch anfordern.

Voraussetzungen für diese Veränderung ist ein verstärkter Einsatz von IT-Instrumenten und die Entstehung von adäquaten Servicefirmen. Effiziente Prozesse bei der Wartung und beim Unterhalt sind zudem auch kostengünstiger und ökologisch nachhaltiger.

Zusammenfassung und Abschluss

Gerhard Züger fasst abschliessend den Verlauf und die Ergebnisse der interessanten Fachtagung kurz zusammen. Die diskutierten Probleme sind komplex. Zwischen der Normalspur und der Schmalspur bestehen in verschiedener Hinsicht beträchtliche Unterschiede. Die Erfahrungen lassen sich nicht ohne weiteres übertragen.

Bei der weiteren Entwicklung sind auch die Trends in der EU zu berücksichtigen. Wie auf anderen Gebieten unterliegen Massnahmen für Verbesserungen bei der Wechselwirkung zwischen Schiene und Rad wirtschaftlichen Sachzwängen – angezeigt ist nur, was sich wirtschaftlich lohnt. Und nicht nur die Eisenbahnindustrie, sondern auch der Strassenverkehr ist mit verworrenen Prozessen konfrontiert.

Die nächste Tagung findet am 14. November 2024 wiederum im Verkehrshaus der Schweiz in Luzern statt.

Meterspurbahnen im Jurabogen / Fakten und Gedanken

Topics

Die Bahnjournalisten Schweiz führten in Zusammenarbeit mit RAILplus am 29./30. August 2023 eine ausserordentlich interessante und intensive Studienreise zu den Meterspurbahnen im französischsprachigen Jurabogen durch.

Gerne fasse ich in diesem Bericht mit dem besten Dank an den Reiseleiter, RAILplus und die besuchten Bahnen meine Eindrücke von der Studienreise zusammen.

Überblick

Unter der Leitung von Kurt Metz und mit Unterstützung durch Joachim Greuter, Geschäftsleiter von RAILplus, wurden folgende Bahn- und Transportunternehmen besucht:

  • Nyon – St. Cergue – Morez (NStCM)
  • Morges – Bière-Cossonay (MBC)
  • Lausanne – Echallens – Bercher (LEB)
  • Yverdon – Les Bains – St. Croix (TRAVYS)
  • Transports publics neuchâtelois (transN)
  • Chemins de Fer du Jura (CJ)

Der Empfang und die Gastfreundschaft der Bahnen für die zwölfköpfigen Delegation der Bahnjournalisten waren überwältigend. Die Geschäftsleiter der Bahnen präsentierten ihre Unternehmen persönlich und standen für Fragen zur Verfügung. Daneben bot die Exkursion Gelegenheit, Eindrücke von der schönen Juralandschaft zu gewinnen und sich untereinander auszutauschen.

In diesem historischen Triebwagen der MEB fuhren wir von Morges nach L’Isle. Auf der Fahrt präsentierte uns Pierre-Alain Perren, Direktor der MBC, sein Unternehmen und verwöhnte uns mit einem feinen Imbiss.

Zusammenfassend präsentierten sich die Bahnen in einem sehr guten Zustand. In den letzten Jahren wurden in verschiedener Hinsicht grosse Fortschritte erzielt. Das gilt sowohl in Bezug auf die Infrastruktur, das Rollmaterial als auch den Auftritt der Bahnen. Die präsentierten Projekte zeugen von einem gesunden Selbstvertrauen und von Zuversicht für die Zukunft.

Unterschiedlich ist der Detaillierungsgrad der abgegebenen Unterlagen oder der über das Internet verfügbaren Informationen. Das gilt in besonderem Mass für den Detaillierungsgrad und die Aussagefähigkeit der Geschäftsberichte. Hier besteht vor allem bei der transN, wo nur sehr pauschal über die Entwicklung der Fahrgastzahlen oder der Personenkilometer berichtet wird, Handlungsbedarf. Trotz mehrfachen Anfragen beim Unternehmen, beim statistischen Amt des Kantons Neuenburg oder beim BAV, konnten die Leistungsdaten von transN nicht beigebracht werden.

Bemerkenswert ist, dass im Gegensatz zum Kanton Waadt die Kantone Jura und Neuenburg ihre (kantons-) eigenen Transport- und Bahnunternehmen unter einem Dach zusammengefasst haben. transN und CJ stellen neben SBB und Postauto den überwiegenden Teil des öffentlichen Verkehrs in ihren Kantonen sicher.

Grosse Unterschiede bestehen bei den Kostendeckungsgraden von einzelnen Angeboten. Zudem stellt sich die Frage nach der Rechtfertigung von Angeboten. Ist es nachhaltig, die Eisenbahnstrecken von Apples nach L’Isle (mit einem Kostendeckungsgrad um 10 Prozent) oder von St. Cergue nach la Cure in Anbetracht der geringen Frequenzen weiter zu betreiben? Zumal beispielsweise eine Busverbindung von Apples über L’Isle nach Cossonay die Erschliessung der Region mit ihrer gestreuten Besiedlung oder weitab von Bahnhöfen gelegenen Dörfern substantiell verbessern würde.

Auch kann man bezüglich der Angemessenheit von Projekten oder Absichten geteilter Meinung sein. So zum Beispiel das Weiterführen der Züge der schmalspurigen Züge CJ von Glovelier nach Delémont auf einem Dreischienengleis auf der Strecke der SBB oder das projektierte monumentale Bahnhofsgebäude von Bière.

Bei der Beantwortung dieser kritischen Fragen darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Bahnen gerade in weniger strukturstarken Regionen einen wesentlichen Teil zur regionalen Wertschöpfung beitragen oder Hoffnungsträger sind. Ein abendlicher Spaziergang durch St. Croix führte dies vor Augen. Etliche Gebäude im einst bedeutenden Industriezentrum und Touristenort wirken verwahrlost – einzig der Bahnhof und die Umgebung heben sich positiv vom Umgelände ab.

Gebäude in St. Croix.
Noch benutzte Wohnung in St. Croix.

Eindrücklich, mit welcher Begeisterung uns in Les Ponts-de-Martel der Leiter der Werkstatt von transN für die meterspurige und knapp 16 Kilometer lange Meterspurbahn nach La Chaux-de-Fonds seinen Betrieb vorstellte. In Anbetracht der Geographie und des Kostendeckungsgrades dieser Eisenbahnstrecke von 20.5 Prozent könnte eine Umstellung auf Busbetrieb oder – mindestens – eine Fusion mit den Chemins Fer du Jura CJ angezeigt sein.

Betriebliche Kennzahlen 2022

Überblick über wichtige Kennzahlen der besuchten Bahnen. Die Tabelle wurde vom Verfasser aufgrund der verfügbaren Informationen erstellt. Ich verweise auf die Ausführungen in der Einleitung. Die Streckenlängen sind in Kilometern angegeben. Die Spannung ist in 1’000 Einheiten angegeben. DC steht für Gleichstrom, AC für Wechselstrom. Die Frequenz liegt in der Regel bei 16 2/3 Hertz.

Die Zahlen belegen, dass mit Ausnahme der NStCM und der CJ die Bahnen in Verkehrsunternehmen eingebunden sind, in denen sie nur einen geringen Teil der Transportleistung erbringen. Teilweise bestehen zwischen der SBB und den Jurabahnen komplexe Verhältnisse – so wie im Vallée de Joux oder im Val de Travers.

Finanzielle Kennzahlen 2022 im Überblick

Überblick über die wichtigsten finanziellen Kennzahlen. Erträge und Aufwendungen sind in CHF 1’000 angegeben, die Kostendeckungsgrade in %. Die Tabelle wurde vom Verfasser mit grosser Sorgfalt erarbeitet. Die Angaben basieren auf den in den Geschäftsberichten präsentierten (Brutto-) Zahlen. Wo keine Spartenergebnisse vorlagen, wurden die Angaben der gesamten Unternehmung verwendet. (Erläuterung der Abkürzungen: PBG Personenbeförderungsgesetz, EBG Eisenbahngesetz). Die YStCM betreibt den Busverkehr in der Region Nyon mit ihrem Tochterunternehmen TPN. Die LEB gehört zur TL-Gruppe (Transports publics Lausannois).

Die Kostendeckungsgrade weichen teilweise von den publizierten Zahlen der Bahnen ab, da der Aufwand auch die Investitionen in Anlagen und Rollmaterial enthält. Das gilt in besonderem Mass für die LEB, welche in der TL-Gruppe (Transport de la Ville de Lausanne) eingebunden ist. Die Zahlen lassen vermuten, dass die Kostendeckungsgrade der Busse über denjenigen der Bahnen liegen.

Bemerkenswert ist, dass die CJ mit drei Tarifverbünden kooperiert, nämlich Onde Verte (Neuenburg und Berner Jura), Vagabond (Jura) und Libero (Bern und Solothurn).

Abschluss

Abschliessend nochmals ein grosses Dankeschön an alle, die zum Erfolg dieser gehaltvollen Studienreise beigetragen haben. Vielen Dank auch an die Bahnen für die Nachlieferung von Informationen.

In diesem historischen Triebwagen der CJ führten uns Frédéric Python und sein Team von Saignelégier nach Le Noirmont und zurück. Unterwegs kamen wir in den Genuss einer interessanten Präsentation und von ausgesuchten Spezialitäten aus der Region.

SEAK Adieu – eine Randnotiz? Mitnichten!

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Am Montag, 4. September 2023, trafen sich etwa fünfzig Mitglieder des «Schweizerischen Eisenbahn-Amateur-Klubs» (SEAK) zu einer Abendrundfahrt auf dem Zürichsee. Der Ausflug stand im Zeichen der im Frühjahr 2023 beschlossenen Auflösung des SEAK per 31. Dezember 2023 – trotz dem tollen Wetter ein betrüblicher Anlass. Damit gehört ein einst bedeutender und traditionsreicher Klubs von Freunden der Eisenbahn der Vergangenheit an.

Nur eine Randnotiz? Mitnichten! Dazu in diesem Bericht ein paar Gedanken.

 Kurze Geschichte des SEAK

Der SEAK wurde 1933 in Zürich von gut einem Dutzend von primär an Modelleisenbahnen interessierten Bahnenthusiasten gegründet. Der Klub erfreute sich trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds einem dynamischen Wachstum und konnte bereits 1938 das 100. Mitglied aufnehmen. Das Interesse an der «echten» Eisenbahn oder wie man sagte, an der «Grosstraktion» trat bald gleichberechtigt neben die Leidenschaft für Modelleisenbahnen. Aufbau und Betrieb einer eigenen Modelleisenbahnanlage war nie angedacht.

Wenige Jahre nach der Gründung wurden Kontakte zu anderen Vereinen mit ähnlicher Ausrichtung geknüpft, und der SEAK begann, in der Zeitschrift des «Schweizerischen Modelleisenbahn-Clubs» eigene Beiträge zu publizieren. Abspaltungen vom SEAK führten zur Gründung von weiteren Vereinen, wie etwa dem 1938 in St. Gallen gegründeten Klub.

Der Mitgliederbestand des SEAK verzeichnete in den folgenden Jahrzehnten eine stürmische Entwicklung und erreichte 1981 mit 656 Mitgliedern einen Höchststand. Neben regelmässigen Vorträgen und Zusammenkünften, zahlreichen Exkursionen und Studienreisen mit bis zu 239 Teilnehmenden wurden eine umfangreiche Bibliothek mit Fachliteratur unterhalten und unzählige Eisenbahnfachzeitschriften aus dem In- und Ausland abonniert. Diese zirkulierten mit Lesemappen unter interessierten Mitgliedern. Im Jahr 1978 wurde mit dem «Anschlussgleis» ein eigenes Vereinsorgan publiziert. Das 40-jährige Jubiläum des SEAK wurde 1973 auf dem Dampfschiff «Stadt Rapperswil» mit gegen 600 Gästen gefeiert. Unter den Mitgliedern befanden sich mehrere Persönlichkeiten, die in der Bahnwelt einen guten Namen und viel Einfluss hatten.

Nach dem Höchststand im Jahr 1981 nahm der Mitgliederbestand kontinuierlich ab. Das 150-jährige Jubiläum der Schweizer Bahnen führte zwar zu einer kurzfristigen Trendwende, jedoch ohne nachhaltige Wirkung. Die Mitgliederzahl sank trotz engagierten Werbemassnahmen weiter.

Das Klublokal an der Gessnerallee wurde 1986 aufgegeben. Bis kurz vor der Auflösung unterhielt der SEAK in einem ehemaligen Dienstgebäude der SBB beim Bahnhof Tiefenbrunnen ein Lokal für kleinere Treffen und für die umfangreiche Bibliothek.

Mit dem sinkenden Mitgliederbestand verbunden war die Erhöhung des Durchschnittsalters der Mitglieder. Im Jahr vor der Auflösung befanden sich unter den rund 170 Mitgliedern 131 Veteranen mit 25 und mehr Mitgliedschaftsjahren.

Mehrere Initiativen zur Gewinnung von neuen Mitgliedern verliefen erfolglos, und die Besetzung der Vorstandsfunktionen gestaltete sich zusehends schwieriger. Der Vorstand bestand zum Zeitpunkt des Beschlusses zur Auflösung nur noch aus drei Mitgliedern, die mit einen enormen Arbeitspensum konfrontiert waren.

Um der schleichenden Auflösung ein Ende zu setzen, wurde am 15. April 2023 an einer ausserordentlichen Generalversammlung beschlossen, den SEAK per Ende 2023 aufzulösen.

Folgerungen

Ein bitteres Ende eines einst stolzen und einflussreichen Vereins! Das Ende steht beispielhaft für eine bedrohliche Entwicklung im Eisenbahnwesen.

Erinnern wir uns. Einst umfasste der legendäre Katalog des Spielwarenhauses Franz-Karl Weber knapp ein Dutzend Seiten über Modelleisenbahnen und Zubehör. Namen wie Märklin, Fleischmann, HAG, Trix, Kleinbahn, Fulgurex, Pocher oder Faller waren allgemein bekannt. Auch die Auslagen und die Schaufenster in den Warenhäusern waren dicht bestückt mit Lokomotiven und Wagen. Fast jedem Schüler in unserer Region waren die Bezeichnungen und die Leistungsdaten der schweizerischen Lokomotiven geläufig.

Das alles gehört der Vergangenheit an. Spielzeugeisenbahnen sind wieder die exklusive Leidenschaft einer meist älteren und kaufkräftigen Gruppe geworden – die Eisenbahn ist bei vielen jugendlichen Menschen aus dem Blickfeld verschwunden. So, wie der SEAK und andere eisenbahnaffine Organisationen.

Die Eisenbahn hat die Jugend und viel an Attraktivität für den potentiellen Nachwuchs verloren. Das ist kein gutes Omen für das Prosperieren und für die zukünftige Entwicklung der Eisenbahn. Der von Vincent Ducrot erwähnte Sachverhalt, dass die SBB bis 2030 vierzig Prozent ihres Personals altersbedingt ersetzen müssen, erweckt Besorgnis. Für viele Eisenbahner war ihre Tätigkeit nicht Beruf, sondern Berufung. Dieses Bewusstsein setzte bereits in der Jugend ein. Und genau dieses Fundament ist bedroht.

Kommentar

Ich wurde 1983 als 1188. Mitglied in den SEAK aufgenommen und bin somit eines der über 1’200 Mitglieder, die dem SEAK angehörten oder noch angehören. Möglicherweise sind die Ausführungen in diesem Bericht subjektiv gefärbt. Mag sein.

Aber es wäre der zukünftigen Entwicklung der Eisenbahn in der Schweiz möglicherweise zuträglicher, wenn man den Fokus vermehrt weg von der Schiene und von den Fahrzeugen auf die oben beschriebenen gesellschaftlichen und kulturellen Veränderungen legen würde und Gegensteuer gäbe. Aus meiner Sicht stehen hier vor allem die SBB in der Pflicht.

European Metropolitan Network – und die Schweiz?

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Die Deutsche Bahn AG hat im Juni 2023 ein Konzept für den Ausbau des europäischen Schnellverkehrs zwischen den grossen Zentren publiziert. Unter der Bezeichnung «Metropolitan Network – A strong European railway for an ever closer union» wird ein Netzwerk aus heutigen, sich im Bau befindlichen oder möglichen Strecken für den Hochgeschwindigkeitsverkehr vorgeschlagen. In diesem Beitrag treten wir auf das Konzept ein.

Die Ausführungen werden mit ein paar Anmerkungen zum Anschluss bzw. zum Beitrag der Schweiz an das vorgeschlagene Netzwerk ergänzt.

Metropolitan Network

Das Konzept wurde im Auftrag der DB von der Firma «PTV Group GmbH» mit Hauptsitz in Karlsruhe erarbeitet. Neben dem Vorschlag für das Netz wird für die einzelnen Metropolitanräume das Potential von Hochgeschwindigkeitsverbindungen simuliert. Michael Peterson, DB-Vorstand für den Personenfernverkehr, hält eine Verdreifachung des europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehrs für möglich.

Vorgeschlagenes HGV-Netzwerk (Auszug aus der Studie).

Das Konzept geht gemäss der Pressemitteilung der DB von folgenden Fakten oder Annahmen aus:

  • Angebunden an das Netz werden alle 230 Metropolitanregionen und grossen Städte von Europa mit über 250’000 Einwohner.
  • In den so definierten Räumen leben sechzig Prozent der europäischen Bevölkerung, die in den Genuss von mindestens stündlichen Verbindungen kommen sollen.
  • Zentral ist die Infrastruktur. Das heutige HG-Netz von 11.300 Kilometern soll bis 2050 auf rund 32.000 Kilometer erweitert werden.
  • Das deutsche Hochgeschwindigkeitsnetz würde bis 2050 auf gut 6.000 Kilometer wachsen.
  • Explizit erwähnt in der Pressemitteilung wird als europäisches Land einzig Polen (!), dessen Hochgeschwindigkeitsnetz sich von heute 224 Kilometer auf knapp 3.000 Kilometer verfünfzehnfachen würde.
Nutzen des HGV-Netzwerks (Auszug aus der Studie).
Erschliessung von Prag als bedeutender osteuropäische Metropole. Diese Berechnung erfolgte für alle Hauptstädte der EU-Mitgliedstaaten (Auszug aus der Studie).
Legende zu obigem Schema (Auszug aus der Studie).

Aufgefallen bei der Studie ist Folgendes:

  • Bemerkenswert ist, dass die Studie nicht von der EU-Kommission, sondern von einer zwar bedeutenden Staatsbahn geordert und publiziert wurde.
  • Auffallend ist auch, dass die Studie von einem deutschen Unternehmen stammt – einem Land, das den Personenverkehr in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt hat. Ein fachkundiger Beobachter schätzt den Nachholbedarf für die Sanierung des deutschen Schienennetzes auf EUR 88 Milliarden. Dazu kommt, dass die Deutsche Bahn AG zurzeit mit EUR 33 Milliarden verschuldet ist.
  • Gemäss den uns vorliegenden Informationen war das Engagement der im Bericht aufgeführten Partnerbahnen eher mässig.
  • Eigentlich ist es müssig, über die Motive der Auftraggeber zu spekulieren. Ist man mit dem Wirken der EU-Kommission in dieser wichtigen Sache unzufrieden, oder will man sich in Anbetracht von Spekulationen in der Öffentlichkeit über eine Aufspaltung des DB-Konzerns als tatkräftiges Unternehmen profilieren?
  • Speziell ist auch, dass in Anbetracht des belasteten Verhältnisses zwischen den beiden Staaten ausgerechnet auf Polen verwiesen wird. Sind den Verfassern der Studie die ehrgeizigen Ziele von Polen für die Schaffung eines leistungsfähigen nationalen Hochgeschwindigkeitsnetzes nicht geläufig?

Immerhin hat die Studie auf das enorme Potential des europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehrs hingewiesen. Unsicher ist aus unserer Sicht, ob das Konzept aus der Werkstatt eines europäischen Hegemons der Sache wirklich zuträglich ist. Wie dem auch sei – hoffen wir, dass die Studie als einer der berühmten steten Tropfen den Stein tatsächlich höhlt.

Die Schweiz und der europäische Hochgeschwindigkeitsverkehr

Die kritische Auseinandersetzung mit der Studie war Anlass, die Rolle der Schweiz in diesem Kontext zu überdenken. Beunruhigt hat der weisse Fleck im Zentrum von Europa. Dabei führen wichtige potentielle Korridore durch unser Land. Ich denke dabei etwa an die Relation Frankfurt-Milano oder Stuttgart-Milano. Ist man sich hierzulande dessen bewusst?

Lage der Schweiz (Auszug aus der Studie).

Die Schweiz sucht zwar den Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz und hat für die erste Phase des Anschlusses 2003 einen Verpflichtungskredit von CHF 1,090 Milliarde genehmigt. Der Bundesrat hat diesen Kredit in zwei Schritten auf CHF 1,195 Milliarden erhöht. Interessant – aber wenig verheissungsvoll für die Zukunft – ist, wie diese Mittel verwendet wurden.

Verwendung der Mittel des „HGV-Kredits“ (Tabelle wurde vom Verfasser mit Daten aus Wikipedia erarbeitet).

Weniger als ein Drittel der Investitionen vermögen eine Wirkung in Bezug auf den Anschluss an das europäische Hochgeschwindigkeitsnetz zu entfalten. Mit dem überwiegenden Teil wurden mehrheitlich überfällige nationale Ausbauten finanziert.

Und wie stellt sich die Schweiz ihren Beitrag an ein leistungsfähiges europäisches Hochgeschwindigkeitsnetz vor? Auch steht die Frage im Raum, welchen Beitrag die Tunnels der NEAT für den europäischen Hochgeschwindigkeitsverkehr leisten können. Machen wir uns nichts vor! Indem bis zu 300 Stundenkilometer schnelle Hochgeschwindigkeitszüge von der Magadinoebene durch den Ceneri Basistunnel mit maximal 230 Stundenkilometern nach Lugano hochdonnern, um anschliessend in einer kurvenreichen und stark belasteten Strecke im Mischverkehr nach Chiasso und Como herunterzufahren? Und unterwegs natürlich in Basel, Luzern oder Zürich sowie in Arth-Goldau und Bellinzona Halt gemacht zu haben!

Renens liegt in der Schweiz. Wirklich!

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Sylvain Meillasson veranstaltete für die Bahnjournalisten Schweiz am 12. April 2023 unter der Bezeichnung «Romandie: Mobilitätschampions» eine spannende und reichhaltige Studienreise in die Westschweiz. Die anfängliche Skepsis gegenüber der ambitionierten Bezeichnung der Studienreise löste sich im Verlauf des Tages rasch im Nichts auf.

Von den zahlreichen Höhepunkten der Reise beeindruckte vor allem der umgebaute Bahnhof von Renens. Leider war die Zeit für die Besichtigung dieser grossartigen Infrastruktur am 12. April 2023 zu knapp. Ich holte bei den SBB ergänzende Informationen ein und reiste am 17. Mai 2023 für eine intensive Besichtigung des Bahnhofs erneut nach Renens.

Mehr über das noch nicht vollständig abgeschlossene Projekt und die Erklärung für die sonderbar anmutende Überschrift in diesem Bericht – Staunen ist angesagt!

Überblick über das Projekt

Das Bevölkerungswachstum im Westen von Lausanne und der nachfragegerechte Ausbau des öffentlichen Verkehrs bewirkten eine erfreuliche Zunahme der Auslastung des Bahnhofs von Renens. Die bestehenden Anlagen vermochten den Ansturm kaum mehr zu bewältigen und genügten den Bestimmungen des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes nicht mehr.

Die 2015 begonnenen Arbeiten sind bezüglich der Anlagen der SBB praktisch abgeschlossen. Noch im Gang sind die Arbeiten für die neue Stadtbahn der «Transports Publics Lausannois» (TL) vom Bahnhof Renens ins Zentrum der Stadt Lausanne. Dies Arbeiten beinhalten im Wesentlichen den Bau einer rund 5 Kilometer langen zweigleisigen Tramlinie T1, substantielle Anpassungen am Strassennetz und den Bau der Endhaltestelle für T1 im Bahnhof von Renens. Das Projekt wird mit der Inbetriebnahme der Stadtbahn T1 Ende 2024 abgeschlossen.

Gemäss einem Auszug aus einer Beschreibung der SBB erfolgten im Bahnhof von Renens folgende Arbeiten:

  • Renovation des historischen Bahnhofgebäudes und Neugestaltung des Vorplatzes.
  • Verbreiterung der bestehenden Unterführung mit besseren Zugängen zu den Perrons mit Rampen und gut zu begehenden Treppen.
  • Verlängerung der Perrons auf 420 Meter Länge und Verbreiterung der Perrons 2 und 3.
  • Anhebung aller Perrons auf 55 cm für einen stufenfreien Zugang zu den Zügen
  • Anpassung des Gleiskopfs.
  • Bau neuer und längerer Perrondächer sowie Anpassung des Mobiliars und der Beleuchtung.
  • Sanierung des historischen Daches von Perron 1.
  • Koordination der Arbeiten mit der Stadt Renens beim Projekt «Rayon Vert» (Bau einer neuen Passerelle zur innerstädtischen Verbindung über den Geleisen), mit Zugängen zu den Perrons und zur Endhaltestelle der neuen Strassenbahn T1.

Die Kosten der baulichen Massnahmen der SBB einschliesslich der Hälfte der Anpassungen an den Geleisen wurden bei Baubeginn mit einer Bandbreite von 20 Prozent auf CHF 172 Mio. geschätzt. Die Finanzierung erfolgt über eine vom Bund finanzierte Leistungsvereinbarung mit den SBB. Die Bauabrechnung mit den genauen Kosten ist zurzeit noch pendent.

Verlauf der bisherigen Arbeiten

Zusammenfassend darf bisher von einem erfolgreichen und termingerechten Verlauf des anspruchsvollen Projekts gesprochen werden. Besonders hervorzuheben ist die konstruktive und proaktive Zusammenarbeit mit den Behörden der Stadt Renens, die sich auch mit den drei anderen betroffenen Gemeinden Chavanne, Crissier und Ecublens abgesprochen hatte. Trotz den intensiven Arbeiten gelang es, den Betrieb auf einer der verkehrsreichsten Eisenbahnlinien der Schweiz ohne nennenswerte Probleme aufrecht zu erhalten.

Besondere Herausforderungen bildeten die Steuerung der Passagierströme während den Arbeiten und die Abstimmung mit den übrigen Akteuren in der Umgebung des Bahnhofs (Bau eines neuen Gebäudes über der Endhaltestelle der neuen Strassenbahn T1, Erweiterung einer Strassenunterführung östlich des Bahnhofs und Einbindung des Trasses für die zukünftige Tramlinie nach Lausanne).

Dank einer effizienten Steuerung des Projekts wurden positive Erkenntnisse für die Baustellenlogistik gewonnen. Auch liessen sich aus der integrierten Planung Schlüsse für die Lenkung der Personenströme bei zukünftigen Grossprojekten ziehen.

Bauteile

Nachstehend einige Bilder, aufgenommen am 17. Mai 2023 mit einem Smartphone.

Bahnhofgebäude und Vorplatz

Bahnhofgebäude mit verkehrsfreiem Vorplatz.
Sitzbänke und Schutzdächer auf dem Bahnhofvorplatz.

Unterführung

Eindruck von der grosszügigen Unterführung.
Rampe aus der Unterführung auf einen Bahnsteig. Man beachte die zurückhaltende Werbeflächen und das Fehlen von Ladengeschäften.
Blick in eine verhältnismässig flache und helle Rampe.
Aus weissen Gestein gefertigte Stufen vor den Podesten oder dem Treppenabgang. Auch die Steigung der Treppe ist viel geringer und weniger gefährlich als beispielsweise in Winterthur oder Zürich-Oerlikon.
Blick von oben auf eine Rampe. Das begehbare Dach oberhalb der Lampe ist aus blauem Glas. Man beachte die Holzkonstruktion am Geländer, an die sich wartende Fahrgäste anlehnen können.

Passerelle

Zugang auf die Passerelle vom Bahnhofvorplatz her – mit Treppe und Rolltreppe.
Seitlicher Aufgang mit Treppe und Rolltreppe auf das Zwischenpodest der Passerelle.
Oberes Ende des Aufgangs vom Bahnhofplatz her auf die Passerelle. Zusätzlich zur Treppe und zur Rolltreppe steht den Fahrgästen ein grosszügiger Lift zur Verfügung.
Blick in die Passerelle. Man beachte die Sitzbänke und den Pflanzenschmuck. Hier sitzt man gerne.
Blick auf den Zugang zu einem der Lifte von der Passerelle zu den Bahnsteigen.
Von der Passerelle aus führen auch Treppen und Rolltreppen zu den Bahnsteigen.
Blick von der Stadtseite auf den Zugang zur Passerelle.
Blick von der Stadtseite auf die Passerelle.
Blick auf die Passerelle aus südöstlicher Richtung. Im Vordergrund die Planie für die Geleise der Strassenbahn T1 nach Lausanne.
Eindruck von einem Bahnsteig mit grosszügig gestaltetem Dach mit einer Dachhaut aus blauem Glas.
Eindruck eines wartenden Fahrgastes auf einem Bahnsteig. Im Hintergrund die Passerelle.
Aufgang vom Bahnsteig auf die Passerelle. Die Passerelle ist vollständig überdacht und seitlich mit Glaswänden geschützt.
Blick auf den Bahnsteig 1 mit dem in die neue Dachkonstruktion integrierten historischem Perrondach.
Blick auf die Haltestelle der Stadtbahn nach Lausanne Flon. Eine Fahrt mit dieser Bahn und ein Rundgang durch das Hochschulgelände, das durch die Stadtbahn erschlossen ist, mit zahlreichen architektonischen Meisterwerken ist sehr zu empfehlen.
Blick auf die Haltestelle der Stadtbahn nach Lausanne Flon. Man beachte die künstlerisch geschmückten Säulen des neu gebauten Bürogebäudes.
Blick auf das Trasse der zukünftigen Strassenbahn T1 ins Zentrum von Lausanne.

Kommentar

Aus Sicht eines aufmerksamen Benutzers des öffentlichen Verkehrs im Grossraum Zürich kehrt man tief beeindruckt und mit etwas Neid auf Renens zurück – besonders, wenn man den Vergleich mit kürzlich umgebauten oder bestehenden Publikumsanlagen in der Region Zürich zieht. In Renens eingehauste Übergänge, lange Perrondächer oder grosszügige Übergänge und Unterführungen!

Das gelungene Bauwerk und die wunderbare Überführung sind für mich ein schlagender Beweis für die erwähnte konstruktive Zusammenarbeit der SBB mit der Stadt Renens. Kein Vergleich mit den Überführungen in Bellinzona, über die wir auf unserer Website berichtet haben. Offensichtlich wurde dort eine grosse Chance vertan, gemeinsam mit der Stadt Bellinzona für die Öffentlichkeit und für die Fahrgäste eine funktional und städtebaulich überzeugende Lösung zu verwirklichen. Und nur wenig positiver fällt der Vergleich mit den Verhältnissen in Zürich-Oerlikon aus, wo zwei kaum Gemeinsamkeiten aufweisende unmittelbar nebeneinander liegende grosse Personenunterführungen gebaut wurden – eine durch die SBB, die andere von der Stadt Zürich.

Und beim Umsteigen in Lausanne entdeckt – eine hygienische und einladende Wasserbezugsstelle für Fahrgäste. Klein – aber in der Wirkung gross!