Verkehrsverlagerung – der Süden legt vor

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Kurt Metz organisierte für die Schweizer Bahnjournalisten unter der Bezeichnung «Verkehrsverlagerung mit Italien und dem Tessin» eine wie immer hoch aktuelle und perfekt organisierte Studienreise. Rund 20 fachkundige Medienfachleute und Vertreterinnen und Vertreter von Transportunternehmen liessen sich vom 15. bis zum 17. Juni 2022 an mehreren Orten aus erster Hand über den Stand und aktuelle Projekte für den alpenquerenden Güterverkehr informieren.

Die Teilnehmenden an der Studienreise waren überall sehr willkommen und gelangten in den Genuss von spannenden Referaten oder eindrücklichen Besichtigungen. Darüber hinaus ermöglichten die Fahrten zwischen den einzelnen Stationen einen anregenden Gedankenaustausch zwischen den Teilnehmenden und die Vertiefung der soeben erhaltenen Informationen.

In diesem Bericht sollen die Höhepunkte der Studienreise in geraffter Form wiedergegeben werden – dies im Wissen, dass jedes Referat und jede Station einer gesonderten Berichterstattung würdig wären.

1.  Etappe – Begrüssung und Kurzpräsentationen in Altdorf / 15. Juni 2022

Um 09.00 Uhr begrüsste Kurt Metz die Referenten und die Teilnehmenden in einem Sitzungszimmer des repräsentativen neuen Bahnhofgebäudes von Altdorf.

Rückseite des Bahnhofs von Altdorf mit der Haltestelle des „Tell“-Fernbusses, mit dem ich aus Luzern angereist war. Im Hintergrund das architektonisch bemerkenswerte Dienstgebäude. Der Bau der Bahnhofgebäude von Altdorf wurde massgeblich von der Urner Kantonalbank finanziert.

Nach einigen organisatorischen Hinweisen leitete Kurt Metz zum ersten Referat über.

In Vertretung von Django Betschart, Geschäftsleiter der Alpen-Initiative, referierte Fabio Gassmann, dort Teamleiter Alpenschutz, über den Alpenschutz am Puls der Zeit. Aus aktuellem Anlass kommt einer nachhaltigen Verkehrspolitik und griffigen Klimaschutzmassnahmen eine erhöhte Bedeutung zu. Mit rund 880’000 Lastwagen im Strassentransit über die Alpen wurde die Limite von 650’000 Fahrten im alpenquerenden Güterverkehr auch 2021 verfehlt.

Mit Besorgnis wird der stagnierende oder gar sinkende Anteil der Schiene im Binnengüterverkehr sowie im Import und Export zur Kenntnis genommen. Befürchtungen verursachen auch die düsteren Aussichten für den nationalen Wagenladungsverkehr. Auch wird die Verlagerungspolitik vermehrt in Frage gestellt, wie Ausführungen von Nationalrat Walter Wobmann im Tages-Anzeiger belegen. Bedenken bestehen auch im Hinblick auf die Richtungsänderung der alpenquerenden Güterverkehrsströme von Süden nach Norden als Folge des Ausbaus der Häfen im Mittelmeer.

Andreas Windlinger, Leiter Kommunikation im Bundesamt für Verkehr BAV, stellt die Stossrichtungen des BAV zur Förderung des alpenquerenden Transitverkehrs vor. So soll die Strecke aus dem Raum Como nach Mailand durch Italien auf Kosten von Italien substantiell erneuert und ausgebaut werden. Mit Unterstützung durch die Schweiz soll südlich von Mailand in Piacenza ein weiterer Güterverkehrsterminal errichtet werden. In den kommenden Jahren sollen am Gotthard pro Stunde in beiden Richtungen je sechs Güterverkehrstrassen eingerichtet werden.

Das BAV ortet weiterhin ein erhebliches Potential entlang des europäischen Güterverkehrskorridor Nr. 1 zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer. Die möglichen Konsequenzen des Ausbaus der Mittelmeerhäfen für die NEAT werden aufmerksam verfolgt. Eine entsprechende Untersuchung wurde abgeschlossen.

Erfreulich ist die Verpflichtung von Italien, die Simplon-Achse in Richtung Mailand und Novara bis Ende 2028 durchgehend für Güterzüge mit vier Metern Eckhöhe ausbauen. Die Schweiz beteiligt sich mit CHF 128 Millionen an den Investitionen, wobei dieser Betrag in Tranchen entsprechend dem Projektfortschritt ausbezahlt wird.

Der nationale Wagenladungsverkehr auf der Schiene steht vor der Schicksalsfrage. Kann dieser Verkehr rationalisiert und mit Subventionen weiter betrieben werden oder droht die Einstellung? Dem Vernehmen eröffnet das BAV im Herbst 2022 eine Vernehmlassung. Die SBB halten vorläufig am Status Quo fest.

Bruno Fischer, Leiter Kombinierter Verkehr bei den SBB, berichtet über die Massnahmen von SBB Cargo beim kombinierten Binnenverkehr. Er hält fest, dass der Anteil des Wagenladungsverkehrs am Ertrag des nationalen Schienengüterverkehrs nach wie vor fast zwei Drittel ausmacht. Die SBB möchten den nationalen kombinierten Verkehr unter anderem mit der Förderung von Anschlussgeleisen, dem Ausbau von Terminals und eigenen Wechselbehältern nachhaltig fördern. Auch erhofft man sich durch die Automatisierung der Kupplung – diese ist bei den Wagen des nationalen kombinierten Verkehrs seit rund einem Jahr im Einsatz – und der Bremsprobe zusätzliche Rationalisierungseffekte.

Pascal Jenni, Chief Commercial Officer der SBB Cargo International, kommt nach einer kurzen Vorstellung von SBB CI auf aktuelle Probleme des europäischen Schienengüterverkehrs zu sprechen. Der Lokführermangel vorab in Deutschland verstärkt sich und bewirkt Zugsausfälle und Annahmesperren. Rastatt war ein einschneidendes Ereignis. Leider hat sich seither in Bezug auf die Förderung wenig getan. Das Problembewusstsein in der Politik und in der Öffentlichkeit ist gering. Zustände wie im Schienengüterverkehr wären in anderen Verkehrsbereichen undenkbar. Zwar wurde das Zulassungsverfahren für Lokomotiven durch ERA standardisiert. Unterschiedliche nationale Anforderungen und die vielen Beteiligten führen zu mehr Komplexität. Das Management in den Güterverkehrskorridoren ist unzureichend. Pascal Jenni glaubt an die Chancen des internationalen Schienengüterverkehrs und fordert mehr Kapazität, mehr Qualität, eine verstärkte Standardisierung sowie mehr fairen Wettbewerb.

Dr. Dirk Pfister, Leiter Produktmanagement und Vertrieb bei BLS Cargo, referiert über Herausforderungen und Chancen im internationalen Schienengüterverkehr. Grosse Sorgen bereitet zurzeit der enorme Anstieg der Strompreise für die Bahn und die zunehmenden Störungen auf der Schieneninfrastruktur vorab in Deutschland. So hat sich der Strompreis für die Bahnen in Deutschland innerhalb einem Jahr vervierfacht. Endlich scheint mit dem angedachten Ausbau der Eisenbahnstrecke zwischen Wörth und Strassburg eine Ausweichroute für den Europäischen Güterverkehrskorridor Nr. 1 zu entstehen. Kritisch sieht Dr. Dirk Pfister die Kapazitätsengässe und die erodierende Qualität der Infrastruktur. Das Angebot im Personenverkehr sollte auf gewissen Strecken überdacht werden, um mehr Trassen für den Güterverkehr zu gewinnen.

Andreas Hollenstein, Leiter Infrastruktur und Betrieb bei der Firma Camion Transport CT, hält fest, dass CT seit vierzig Jahren Stückgut auf der Schiene befördert. CT betreibt 15 Standorte in der Schweiz und lässt pro Nacht bis zu 130 Bahnwagen zirkulieren. Sorgen bereitet der zunehmende Mangel an Fachkräften. Täglich werden 7’500 Sendungen mit einem durchschnittlichen Gewicht von 750 Kilogramm befördert. 75 Prozent der Sendungen über grössere Distanzen werden per Bahn zwischenbefördert. CT bietet ergänzend zur Spedition zunehmend auch Dienstleistungen wie Zwischenlagerung oder die Konfektionierung der Waren an. Als führend in der Transportökologie entwickelt CT auch Vorstellungen über die Ausgestaltung der City Logistik.

Severin Bär, VR und Mitglied der Geschäftsleitung der Planzer Familienholding, informiert über aktuelle Probleme im Güterverkehr auf Schiene und Strasse. Einleitend hält Severin Bär fest, dass sich die Verlagerungspolitik trotz Mängeln bei der Infrastruktur bewährt hat. Sorgen bereiten die starke Zunahme der Staustunden auf dem Schweizer Nationalstrassennetz und die Unterbrüche bei der Schieneninfrastruktur, auch in der Schweiz. Massive Kritik übt Severin Bär am Projekt Cargo Souterrain – statt Phantasien zu huldigen würde man besser die Qualität des Cargo Surterrain nachhaltig fördern. Eine grosse Herausforderung für den Gütertransport ergibt sich durch den Trend zu immer mehr und immer kleineren Sendungen. Severin Bär plädiert für das Abschneiden von alten Zöpfen beim Wagenladungsverkehr. Ein tragfähiges Konzept für den europäischen Güterverkehr ist überfällig.

Planzer beschäftigt über 5300 Mitarbeitende an 69 Standorten, davon 59 in der Schweiz. Planzer besitzt eine Flotte von 1800 Last- und Lieferwagen, mit denen täglich bis zu 23’000 Sendungen spediert werden. Für den Transport zwischen den Standorten werden bis zu 240 Eisenbahnwagen eingesetzt. Planzer betreibt 11 Hochregallager mit einer Kapazität von 177’000 Palettplätzen. Eine Intensivierung der Strassentransporte während der Nacht wird erwogen. Planzer betreibt seit 1996 City Logistik in Zusammenarbeit mit der SBB. In Zermatt erfolgt der Gütertransport zum Endkunden neu auch mit Pferdefuhrwerken.

Daniel Schöni, Inhaber der Firma Schöni, stellt einleitend die Erfolgsgeschichte seines Unternehmens vor. Gegründet wurde die Firma 1969 mit dem Ziel, den dannzumal unzuverlässigen Güterverkehr nach Italien als Marktnische zu erschliessen. Schon früh wurde auf Huckepack gesetzt. 2005 bekannte sich Schöni zum kombinierten Verkehr. 2010 wurde mit 22’800 Aufliegern der Spitzenwert erreicht. Seither erfolgte primär aus Kostengründen eine Rückverlagerung auf die Strasse, zurzeit werden jährlich noch rund 6000 Sendungen mit der Bahn abgewickelt. Daniel Schöni präsentiert den Zerfall der Frachtgebühren anhand einer nachdenklich stimmenden Folie. Die Einführung eines zusätzlichen Blockzuges nach Italien ist äusserst nervenaufreibend und erfordert – so Daniel Schöni – den Konsum von zwei Packungen Valium.

Kostenentwicklung im Transitverkehr. Die Folie wurde den Präsentationsunterlagen von Daniel Schöni entnommen.

Daniel Schöni plädiert für mehr Objektivität und Faktentreue bei der Diskussion um die CO2-Belastung. Die deutschen Kohlenkraftwerke für die Erzeugung von elektrischer Energie sind die grössten CO2-Produzenten Europas. Wie reagieren die Bahnen, wenn die Lastwagen in absehbarer Zukunft ökologischer unterwegs sind als die Güterzüge?

2. Etappe – Besichtigung des Terminals von CT in Cadenazzo / 15. Juni 2022

Nach der Bahnfahrt durch den Gotthard Basis-Tunnel begrüsst uns Andreas Hollenstein in Cadenazzo auf dem Gelände der Firma Camion Transport zur Führung durch den bestehenden und durch die Baustelle des neu entstehenden Terminals.

Der bestehende Terminal für den Umschlag von Gütern zwischen der Bahn und den Lastwagen verfügt im Innern über ein Gleis, auf dem fünf grosse Schiebewandwagen ent- und beladen werden können. Neben dem Gebäude hat es ein Abstellgleis für fünf weitere Schiebewandwagen. Im bestehenden Terminal werden fünfzig Mitarbeitende beschäftigt.

Nach einer kurzen Führung durch den bestehenden Terminal begeben wir uns auf die Baustelle des neuen Umschlagsterminals. Der neue und bedeutend grössere im Entstehen begriffene Terminal hat eine Fläche von 32’000 m2. Er verfügt über zwei Hallengeleise für je 15 Schiebewandwagen. Die Arbeitsabläufe ermöglichen das Arbeiten in zwei Schichten. Speziell ist der baulich abgetrennte Bereich für Gefahrenstoffe. Bei den Investitionen von CHF 42 Millionen hat sich das BAV aufgrund des Güterverkehrsgesetzes an den Kosten der Gleisanlagen beteiligt.

Aussenansicht des bestehenden Terminals.
Baustelle des neuen Terminals.

Auf Anfrage führt Andreas Hollenstein aus, dass sich die Zusammenarbeit mit den übrigen Anbietern von Cargo Domizil auf den Einkauf der Transportleistungen bei den SBB reduziert hat. Sichtlich beeindruckt vom Gesehenen verabschieden sich die Besucher von Andreas Hollenstein. Offensichtlich hat die Eisenbahn im nationalen Güterverkehr durchaus eine Existenzberechtigung – und wie die Investitionen von CT zeigen – auch Entwicklungspotential.

3. Etappe – Besichtigung des Terminals von Hupac in Busto Arsizio / 15. Juni 2022

Nach der Bahnfahrt nach Luino fahren wir mit einem Bus nach Busto-Arsizio zum grossen Terminal der Firma Hupac AG, wo wir von Irmtraut Tonndorf, Director Marketing & Communication, zur Vorstellung ihres Unternehmens empfangen werden.

Die Hupac AG gehört zu 72 Prozent privaten Transportunternehmen und zu 28 Prozent Eisenbahn-Verkehrs-Unternehmen. Sie wurde 1967 gegründet und besitzt über 8100 Tragwagen. 2021 hat Hupac per Bahn über 1’120’000 (Strassen-) Sendungen transportiert. Hupac beschäftigt an mehreren Standorten in Europa rund 630 Mitarbeitende und hat 2021 bei einem Umsatz von CHF 682.5 Mio. einen Reingewinn von CHF 12.4 Millionen erzielt. Der Corona-bedingte Einbruch in 2020 konnte 2021 mit einem Wachstum von 10.7 Prozent teilweise wettgemacht werden. Hupac erbringt ihre Leistungen primär auf der Nord/Süd-Achse und will ergänzend den bereits bestehenden Ost/West-Verkehr mit neuen Zügen ausbauen.

Hupac AG sieht ein grosses Entwicklungspotential und wird zwischen 2021 und 2026 über EUR 500 Mio. in neue und in die Erweiterung bestehender Terminals investieren. Dank einem Wachstum von sieben Prozent soll die Anzahl Sendungen am Ende der Planungsperiode 1.6 Millionen Sendungen pro Jahr erreichen. Mit dem multinationalen EVU BoxXpress wird unter der Bezeichnung «Maritime Shuttle» ein neuer Produktionszweig für den Transport ab den Containerhäfen am Mittelmeer und an der Nordsee geschaffen. Heute werden von Norden nach Süden rund 43 Millionen TEU und in der Gegenrichtung 11 Millionen TEU transportiert. Man erwartet, dass sich die Ströme dank dem Ausbau der Häfen am Mittelmeer und der Bahninfrastruktur angleichen werden, was Hupac AG eine bessere Auslastung ihrer Kapazitäten ermöglichen soll.

Leider, so Irmtraut Tonndorf, haben sich die Probleme im internationalen Schienengüterverkehr in jüngster Zeit massiv verschärft. In der Vorwoche fielen 40 Prozent der Züge aus – im langjährigen Durchschnitt liegt diese Kennzahl bei fünf Prozent – was beim Betrieb und bei den Kunden zu grossen Schwierigkeiten führt. Nur bei einem Bruchteil der verhinderten Transporte kann auf die Strasse ausgewichen werden. Welcher unvernünftige Spediteur würde der Eisenbahn vor diesem Hintergrund verderbliche Ware anvertrauen?

Die DB hat die Probleme bestätigt und Besserung durch bessere Koordination der baulichen Massnahmen versprochen. Hupac AG verfügt bei den Eisenbahnwagen über eine Reserve von zehn Prozent und hat begonnen, eigene Lokführer für den Einsatz bei den beauftragten EVU auszubilden. Unglücklicherweise können die Züge von Hupac AG bei Störungen im deutschen Netz kaum auf französische oder österreichische Transitachsen ausweichen. So müssen bei Störungen in letzter Instanz viel zu häufig Annahmestopps für Güter verfügt werden.

Auf einem Abstecher ins Gelände des Terminals werden den Besuchern die gewaltigen Dimensionen der Anlage ersichtlich. Auf eine Fläche von 245’000 m2 befinden sich dreizehn Umschlaggeleise, elf Abstellgeleise und fünf Wartungsgeleise. Sechs Geleise stehen für Überholungen zur Verfügung. Zwölf Portalkrane ermöglichen theoretisch den Güterumschlag von 33 Zugspaaren pro Tag. Technische Gründe limitieren die Anzahl Zugspaare jedoch auf 25 Einheiten.

Noch zu vorgerückter Stunde herrscht reger Betrieb im Hupac-Terminal in Busto-Arsizio.
Einer der Portalkräne im Hupac-Terminal von Busto-Arsizio.

Marco Terranova, Managing Director von SBB Cargo Italia, erläutert die italienische Sicht eines internationalen EVU. Er beanstandet den konzeptlosen Mitteleinsatz beim Bau und Unterhalt des Schienennetzes sowie strukturelle Hindernisse durch überholte Betriebsvorschriften. Ein Ärgernis ist beispielsweise der in einigen Ländern vorgeschriebene Einsatz eines zweiten Lokführers, was die Transportkosten um einen Viertel erhöht. Die starke Erhöhung der Strompreise verteuert die Trassenkosten um etwa einen Drittel. Diese können von den EVU nicht weiterbelastet werden. Marco Terranova kritisiert in diesem Zusammenhang, dass der Schienengüterverkehr im Gegensatz zum Strassentransport für die Ertragsausfälle wegen Corona kaum Subventionen erhielt.

Auch Marco Terranova bemängelt die unzureichenden Absprachen innerhalb der europäischen Güterverkehrskorridoren sowie die Kapazität und Erreichbarkeit der Terminals. Sorgen bereiten in Italien auch die Betriebsvorschriften der Netzbetreiberin RFI, indem beispielsweise Pönale für zu lange Züge verhängt werden. Zudem könnte die Kapazität der Rangier- und Abstellbahnhöfe von Domodossola durch neue Vorschriften bis zu einem Drittel reduziert werden. Die Besetzung von zahlreichen Positionen im Management von RFI mit Kadermitarbeitenden aus dem Personenverkehr schlägt sich in fehlender Leistungs- und Marktorientierung nieder. Haftungsregeln bei Mängeln fehlen, und wichtige Vereinbarungen für die Leistungserbringung müssen jährlich aktualisiert. Unterschiedliche Regeln innerhalb der EU im Schienengüterverkehr wie Bremssohlen, RID, Zuglänge, Sprache und ERTMS sind zu vereinheitlichen. Der Ausbau der Eisenbahnverbindung zwischen den Häfen in Ligurien und dem Hinterland durch den Terzo Valico wird begrüsst, muss jedoch durch flankierende Massnahmen in den Häfen ergänzt werden. Vor allem müssen genügend Warteräume für Güterzüge im Hinterland bereitgestellt werden. Der Nutzen der Korridore wird wegen den Qualitätsmängeln in Frage gestellt. Die Bahn ist nicht (mehr) in der Lage, Sendungen nach dem «Just-in-Time»-Prinzip zu transportieren.

Der Präsident der Internationalen Vereinigung der Gesellschaften für den Kombinierten Verkehr Schiene/Strasse UIRR, Ralph-Charley Schulze, sieht ein ideales Momentum für den Ausbau des Kombinierten Verkehrs als umweltfreundliche Transportart. Leider wird der Nutzen von Förderungsmassnahmen gelegentlich durch gegenläufige Massnahmen eingeschränkt. Wie Marco Terranova fordert Ralph-Charley Schulze eine verstärkte Standardisierung im internationalen Güterverkehr. Die Gewichtsbeschränkung für die Lastwagen ist dringend beizubehalten. Erwogen werden sollte die Ausgründung der europäischen Güterverkehrskorridore in eigene Unternehmen. Ralph-Charley Schulze teilt die Meinung von Daniel Schöni bezüglich einer ganzheitlichen Betrachtung der CO2-Problematik und einer Vereinheitlichung der Messsysteme für den CO2-Ausstoss.

Die interessante Besichtigung des Terminals von Busto-Arsizio schliesst mit einem Abstecher zum eindrücklichen Umschlagsterminal der Firma Schöni. Hier werden die mit Lastwagen angelieferten Sendungen für den Weitertransport auf der Schiene auf Güterwagen verladen – mehrheitlich von Süden nach Norden.

Verladerampe des Terminals der Firma Schöni in Busto-Arisizio.
Innenraum des Terminals der Firma Schöni in Busto-Arsizio mit Konsumgütern für die Schweiz.

Busfahrt von Busto-Arsizio nach Alessandria / 15. Juni 2022

Auf der Weiterfahrt nach Alessandria ergeben sich spannende Gespräche. Der Bedarf nach einer einheitlichen Bahnsprache, wohl Englisch, wird diskutiert. Der Einsatz der englischen Sprache ist aus Sicht des Verfassers überfällig.

Auch die Vorschrift der Streckenkundigkeit für das Lokpersonal wird in Anbetracht der neuen Leitsysteme wie ERTMS in Frage gestellt. Aus Sicht eines Fachmanns sprechen Sicherheitsüberlegungen für die Beibehaltung dieses Prinzips.

Federico Rossi, Mitarbeiter von BLS Infrastruktur, dessen Referat «Ausbauperspektiven für die Simplon-Achse» aus zeitlichen Gründen ausfallen musste – die Unterlagen der Präsentation stehen in schriftlicher Form zur Verfügung – könnte die Stabilität des Netzes in Deutschland durch die Herrichtung von Nebenstrecken für den Güterverkehr und die Optimierung der Stellwerke relativ rasch und mit vertretbarem Aufwand verbessert werden. Parallel dazu müsste die Flexibilität auf den Hauptstrecken durch die Bereitstellung von Ausweichgleisen und Gleiswechselmöglichkeiten (Banalisierung) erhöht werden.

4. Etappe – Allgemeine Einführung und Besichtigung des Hafens von Genova Pra / 16. Juni 2022

Nach einer durch den Stau auf der Autobahn verzögerten Busfahrt treffen wir kurz nach zehn Uhr auf dem Hafengelände im Zentrum von Genua ein. Der Stau wurde durch ausgedehnte Sanierungsarbeiten an der Autobahn verursacht. Beim Vorbeifahren zeigten sich für hiesige Vorstellungen undenkbare Betonschäden an Tunnelwänden, Stützmauern und Brücken. Der Sanierungsbedarf ist riesig. Bemerkenswert war auch die Herkunft der grossen Lastwagen. Die langsame Fahrt ermöglichte die Feststellung der Herkunft der Fahrzeuge. Eine spontane Stichprobe von zehn hintereinander fahrenden grossen Lastwagen ergab, dass nur drei davon in Italien immatrikuliert waren. Vier Lastwagen stammten aus Portugal oder Spanien, und drei aus Polen und Rumänien.

Um 10.40 Uhr Uhr begrüsste uns Paolo Emilio Signorini, Präsident der Western Ligurian Sea Port Network Authority im Palazzo San Giorgio, dem aus dem frühen Mittelalter stammenden, prunkvollen Verwaltungsgebäude der Hafenaufsichtsbehörde.

Flüchtig aufgenommenes Bild aus dem Plenarsaal des Palazzo San Giorgio in Genua.

In einer kurzen Ansprache erwähnte Paolo Emilio Signorini die einst dominante Bedeutung des Hafens von Genua für die Schweiz und lobte die NEAT. Er führte aus, dass 60 Prozent der Anlieferungen von Gütern per Schiff in Containern oder verwandten Transportgebinden eintreffen. Die Häfen von Genua wollen den Anteil der mit der Bahn weiter beförderten Container von heute 15 auf 25 Prozent erhöhen. Zu diesem Zweck wird die Bahnerschliessung substantiell ausgebaut. Der relativ tiefe Anteil der Schiene ist primär durch die kurzen Transportdistanzen in das wirtschaftliche starke Hinterland bedingt.

Karte des Schienennetzes im Grossraum Genua. Der Verlauf der Neubaustrecken des Projekts Terzo-Valico ist schwach erkennbar. Die Karte wurde mit bestem Dank dem „Eisenbahnatlas Italien/Slowenien“ von Schweers+Wall entnommen.

Nach der Einführung durch Paolo Emilio Signorini präsentieren Mitarbeitende eine Fülle von Fakten über die Häfen in Ligurien. Die Häfen in Ligurien zählen zu den bedeutendsten Tiefseehäfen im Mittelmeer mit einer Kapazität von 2.8 Millionen TEU. Die Häfen beschäftigen über 31’000 Mitarbeitende. Dazu kommen gegen 70’000 weitere Arbeitsplätze bei Zuliefer- oder Nebenbetrieben. Die vier Häfen der Hafenbehörde erstrecken sich über eine Fläche von sieben Quadratkilometern. Die Länge der Kais mit insgesamt 30 Anlegestellen mit Portalkränen beträgt über 17 Meilen, entsprechend knapp 26 Kilometer.

Der Corona-bedingte Einbruch konnte beinahe wettgemacht werden. Neben dem Umschlag von Waren werden ergänzende Dienstleistungen wie Schiffbau und Unterhalt sowie Wartung und Entsorgung angeboten. Zudem werden mittelgrosse Yachten gefertigt, und mit über 2 Millionen Passagieren gehören die Häfen von Genua auch im Personenverkehr zu den grössten Häfen Europas. In Ligurien sind mit MSC in Genua und mit Costa Cruises in Savona zwei der weltweit grössten Redereien domiziliert.

Ein paar Zahlen dokumentieren das stürmische Wachstum des Containerverkehrs und das Gewicht der Häfen in Ligurien beim Umschlag von Containern. Insgesamt wurden 2021 in italienischen Häfen 7.2 Millionen TEU gelöscht, davon 61.5 Prozent in den Häfen von Ligurien und 19.8 Prozent an den adriatischen Häfen.

Von 2011 bis zu dem durch Corona beeinträchtigten Jahr 2021 wuchs die Anzahl der Containerzüge pro Jahr von 5155 auf 9387 Züge. Die Zunahme der per Bahn weiter beförderten Container stieg von rund 246’000 TEU auf 380’328 TEU. Der Anteil der Eisenbahn am gesamten Containerverkehr stieg von 14.6 Prozent auf 15.7 Prozent. Die meisten Container – und das mit steigendem Anteil – waren für Abnehmer im Piemont und in der Lombardei bestimmt. Wie von Paolo Emilio Signorini ausgeführt soll der Anteil der ab Genua mit der Eisenbahn weiter beförderten Container mit dem Ausbau der Bahninfrastruktur gesteigert werden, wie etwa durch den Ausbau des Streckennetzes und der Rangierbahnhöfe.

Zurzeit verkehren in der Regel nur je drei Containerzüge pro Woche nach Busto-Arsizio und nach Frenkendorf. Acht Züge fahren nach Melzo. Stark wachsend ist der Anteil von neuen EVU am Transportvolumen.

In der Diskussion erläutert Pascal Jenni die Strategie von SBB Cargo International für die Gewinnung von neuen Kunden. Leider wurden diese Bestrebungen durch Corona empfindlich behindert.

Im Anschluss an diese interessanten Präsentationen verschieben wir uns zum Hafen von Genova Pra, wo wir im Verwaltungsgebäude von Massimiliano Cozzani, Senior Manager von PSA, und seinem Team empfangen werden. Der Hafen gehört mehrheitlich zur Port of Singpore Authority PSA, der weltweit grössten Betreiberin von Häfen. Über die Häfen von PSA wurden 2021 weltweit 91.5 Mio. TEU umgeschlagen. In 28 Ländern befinden sich 53 Häfen und 60 Terminals.

Ausblick vom Verwaltungsgebäude auf die ausgedehnten Hafenanlagen von Genova Pra.

Vom obersten Geschoss des Verwaltungsgebäudes bietet sich ein guter Überblick über die imposanten Hafenanlagen. Die Fläche ist in drei Zonen unterteilt, nämlich die Ship-Side (Umschlag Schiff-Land), die Yard-Side (Lagerfläche) und die Quay-Side (Umschlag Lager-Lastwagen oder Bahn). Der überwiegende Teil der Container wird auf der Strasse weiterbefördert. An Spitzentagen erfolgen 2000 Lastwagenfahrten, im Jahresdurchschnitt sind es pro Tag rund 1800 Fahrten. Der Mangel an qualifizierten Chauffeuren hat bedrohliche Ausmasse angenommen. Pro Woche verlassen zwischen 91 und 96 Züge den Hafen von Genova Pra. Die maximale Kapazität liegt bei 120 Zügen pro Woche. Allerdings ist die Zuglänge auf 460 Meter beschränkt – statt der angestrebten Länge von 750 Metern. Das Verlagerungspotential für die Eisenbahn vorab im internationalen Güterverkehr ist gross. Man schätzt, dass der Transport von Containern aus Asien über die Häfen am Mittelmeer – anstatt über die Nordseehäfen – zu den Empfängern in Mitteleuropa zwischen 15 und 40 Prozent weniger CO2 verursacht und zudem vier bis sieben Tage weniger in Anspruch nimmt.

Zudem verfügen die Häfen am Mittelmeer im Gegensatz zu den chronisch überlasteten Häfen an der Nordsee über freie oder rasch zu erschliessende Kapazitäten. In krassem Gegensatz zu den hiesigen Vorurteilen wurden die Häfen in Ligurien seit 20 Jahren nicht mehr bestreikt. Als positiv zu werten ist, dass das allgemeine Bewusstsein über die Probleme im europäischen Güterverkehr steigt.

5. Etappe – Besichtigung des neuen Tiefseehafens Savona Vado Ligure / 16. Juni 2022

Nach der Busfahrt gelangen wir zum neuen Tiefseehafen von Vado Ligure. Dieser moderne Hafen wurde nach kürzester Bauzeit im Dezember 2019 eröffnet und verfügt über eine Kapazität für 1.1 Mio. TEU. Neben dem Containerhafen befindet sich ein weiterer neuer Hafen für den Umschlag von anderen Gütern wie Autos oder Oel. Unweit der Hafenanlagen erkennt man ein Werk der von Alstom übernommenen Bombardier AG für die Herstellung von Eisenbahnfahrzeugen.

Eisenbahnlinien im Grossraum Savona. Seit einigen Jahren ist die Neubaustrecke Richtung Ventimiglia in Betrieb. Die Karte wurde mit bestem Dank dem „Eisenbahnatlas Italien/Slowenien“ von Schweers+Wall entnommen.

An die kurze Einführung von Daniela Mossa, Commercial Manager, schliesst eine Besichtigung der Hafenanlagen an. Der Betrieb der Yard-Side erfolgt vollautomatisch. Die Container werden mit den Kränen vom Schiff auf die Ship-Side abgeladen. Von da werden sie vollautomatisch mit den Portalkränen in der Yard-Side zwischengelagert und von dort unmittelbar vor dem Abholen auf der Quay-Side deponiert, von wo aus sie mit manuell bedienten Stackern auf Lastwagen oder Eisenbahnwagen verladen werden. Die Zeit zwischen dem Eintreffen der Lastwagen und dem Beladen mit dem Container wird als GMPH bezeichnet und liegt unter 30 Minuten. Die eindrücklichen und fast hundert Meter hohen Portalkräne wurden vollständig gefertigt aus China importiert und auf das Festland verschoben. Eindrücklich sind auch Ausmasse und die Beweglichkeit der imposanten Stacker.

Imposanter und fast hundert Meter hoher Hafenkran zum Abladen der Container vom Schiff auf das Festland. Die Hafenkräne wurden in ihrer ganzen Grösse fertig montiert von China nach Vado Ligure verschifft und hier abgeladen.

Nach der Besichtigung der Hafenanlagen begrüsst uns Dr. Luigi Ghilotto, Senior Manager von Vado Ligure, und ergänzt die Ausführungen von Daniela Mossa. Die Häfen von Vado Ligure gehören der weltweit tätigen APM-Gruppe. Chinesische Investoren sind mit einer Minderheitsbeteiligung von 49 Prozent an den Häfen beteiligt. Die Betreiber von Vado Ligure streben die Ansiedelung von Firmen in der weiteren Umgebung der Häfen an. Unter anderem wurden frühere Getreidesilos für die Zwischenlagerung von ungerösteten Kaffeebohnen umgenutzt. Die maximale Kapazität der Anlagen liegt bei sagenhaften 65’000 Tonnen. Weitere Kooperationen unter anderem mit Nestlé sind in Vorbereitung.

Der Anteil der Eisenbahn an den weiter beförderten Containern liegt zurzeit bei 24 Prozent und soll auf 40 Prozent gesteigert werden. Zurzeit verlassen täglich durchschnittlich fünf bis sieben Züge den Hafenbahnhof von Vado Ligure. Möglich wären zwölf Züge. Die Infrastruktur soll für die Bildung von 750 Meter langen Güterzügen ausgebaut werden. Angestrebt wird eine Kooperation mit Hupac über das Terminal von Busto-Arsizio.

Die Anlagen und die Infrastruktur hinterlassen bezüglich des Umweltschutzes und der Qualität der Arbeitsplätze einen vorzüglichen Eindruck. Der Schutz von Umwelt, Menschen und Gütern geniesst höchste Priorität. Zwischen den Betrieb der Hafenanlagen und der touristischen Nutzung der Strände von Savona ergaben sich Zielkonflikte, die gemäss den vorliegenden Informationen einvernehmlich gelöst werden konnten.

6. Etappe – Stiftung SLALA / 16. Juni 2022

Auf dem Weg vom Hotel zum Vortrag der Stiftung SLALA begegnen wir dem Geburtshaus der legendären Firma „Borsalino“.

Vor dem Abendessen stellen uns Vertreter in Alessandria SLALA vor. Diese Stiftung strebt mit grossem Engagement der Mitwirkenden die Förderung des Grossraums Alessandria für die Ansiedelung von Industrie, Gewerbe und Transportfirmen an. Sie orientieren sich dabei am Erfolg von ähnlichen Fördermassnahmen im Raum Tortona. Die in wenigen Jahren in Betrieb gehende neue Eisenbahnverbindung zwischen den ligurischen Häfen und Alessandria bietet grosse Chancen. Alessandria verfügt über eine Flächenreserve von rund 1 Mio. m2 und eine ungenutzte Abstellanlage für Güterwagen. Zudem ist Alessandria hervorragend an das italienische Schienennetz und an drei Autobahnen angebunden. Als Alternative zum Ausbau der Rangieranlagen bei den Häfen könnten von dort kürzere Güterzüge nach Alessandria geführt und hier in 750 Meter langen Zügen umformiert werden.

7. Etappe – Besichtigung von zwei Baustellen des Terzo Valico / 17. Juni 2022

Firmenschild der Firma WeBuild.

Am 17. Juni 2022 begrüsst uns Mariano Concetti, Direktor bei RFI und für das gesamte Projekt verantwortlich, in Arquata Scrivia zur Präsentation von Terzo Valico dei Giovi. Zur Gruppe der Bahnjournalisten gesellen sich je grössere Gruppen der Gesellschaft der Ingenieure des öffentlichen Verkehrs GDI und einer schweizerischen Kaderorganisation. Insgesamt nehmen über 70 Personen an der Präsentation teil.

Übersichtskarte über das Projekt „Terzo Valico dei Giovi“. Besichtigt wurden die Baustellen ADVE und OVVG/NV05.

Walter G. Finkbohner – er hat sich hinter den Kulissen sehr für unser heutiges Programm eingesetzt – übersetzt die auf Italienisch vorgetragenen Ausführungen von Mariano Concetti und seiner Projektleiter laufend auf Deutsch.

Das Projekt bezweckt den Bau einer neuen Hochleistungsstrecke zwischen Genua und der Poebene. Damit entsteht als Ergänzung zu den bestehenden beiden doppelspurigen Strecken zwischen Genua und Arquata Scrivia eine dritte Eisenbahnlinie. Zur konsequenten Trennung der Verkehrsarten wird das Projekt im Grossraum Genua mit einem für die S-Bahn bestimmten 2.5 Kilometer langen Tunnel ergänzt. Die Streckenlänge beträgt 53 Kilometer, wovon 37 Kilometer in Tunnels. Die maximale Steigung beträgt 12.5 Promille, was das Führen von 750 Meter langen Zügen mit einer Lokomotive ermöglicht. Grundsätzlich werden zwei einspurige Tunnels mit einem Querschnitt von je 73 m2 gebaut. Der Querschnitt in den doppelspurig ausgeführten Tunnelzufahrten beträgt 106 m2.

Dazu kommt eine bereits gebaute Anbindung des Hafens von Genua Pra. Das Budget für die weitgehend von der EU finanzierten Investitionen beträgt EUR 6.167 Mia, dazu kommen EUR 988 Mio. für den Knoten Genua und EUR 306 für den Anschluss des Hafens bei Genua Campobasso.

Die von den Firmen Cociv und WeBuild gebauten Strecken sollen 2026 in Betrieb genommen werden. Im Bereich von Arquate Scrivia verzweigt die Strecke in zwei Teilstrecken – eine davon führt nach Tortona und die andere in Richtung Alessandria.

Auch die Zulaufstrecken zum Terzo Valico werden mit einem enormen Mitteleinsatz ausgebaut. So wird die Strecke von Milano Rogoredo bis nach Pavia für EUR 250 Mio. durchgängig auf vier Geleise erweitert. Die Strecke von Pavia nach Tortona wird für EUR 156 Mio. erneuert und für eine Geschwindigkeit von 180 km/h hergerichtet. Im Zuge dieser Arbeiten werden Vorbereitungen für eine spätere Erweiterung auf Vierspur getroffen. Ebenfalls mit einer zweiten Doppelspurstrecke erweitert wird die topografisch anspruchsvolle Strecke zwischen Tortona und Voghera. Die Kosten dafür erscheinen mit EUR 500 Mio. vergleichsweise hoch. Alle Strecken werden für die Umstellung auf ERTMS bzw. ETCS vorbereitet.

Aus schweizerischer Sicht ist erfreulich, dass dem Vernehmen nach Abklärungen für den Ausbau der direkten Verbindung zwischen Milano Rogoredo und Monza bzw. der Anbindung der Flughäfen von Malpensa an die Fernverbindung zwischen Domodossola und Mailand im Gang sind. Auch soll die Strecke von Como nach Monza beschleunigt und ggf. mit einem dritten Gleis erweitert werden.

Nach den Präsentationen werden die Teilnehmenden mit Kleinbussen zu zwei von insgesamt zwölf Grossbaustellen befördert. Daneben wurden für den Bau sechs ausgedehnte rückwärtige Werkplätze eingerichtet.

Baustelle ADVE – Blick aus dem Tunnel auf das Verzweigungsbauwerk Richtung Tortona und Alessandria.
Baustelle ADVE – weiterer Blick auf das Verzweigungsbauwerk.
Eindruck von der Baustelle NV05.
Ein weiterer Eindruck von der Baustelle NV05.

Die Teilnehmenden werden für die Besichtigung mit neuen Schutzwesten, Schutzhelmen und Sicherheitsschuhen ausgerüstet und unterwegs mit einem reichhaltigen Apéro riche verpflegt. Dankbar und sehr beeindruckt von der Gastfreundschaft und vom Gesehenen werden die Teilnehmenden am Nachmittag im Grossraum Genua verabschiedet.

Kommentar

Vorab ein grosses Dankeschön an Kurt Metz für Organisation und die Leitung der hoch interessanten Reise, den Referentinnen und Referenten für die uns gewidmete Aufmerksamkeit und die Fülle von Informationen, den Sponsoren für ihre Unterstützung, Dr. Max Ehrbar für das Lektorat und – last but not least – den Teilnehmenden für die bereichernden Gespräche unterwegs.

Ich habe davon abgesehen, den Referentinnen und Referenten diesen Beitrag zur Stellungnahme zukommen zu lassen. Ich bitte ggf. um Korrekturwünsche, die ich umgehend einarbeiten würde.

Zum Schluss zwei kritische Fragen:

  1. Ich habe in diesem Beitrag auf die Herkunft der Lastwagen auf Fahrt nach Genua hingewiesen. Ähnliche Beobachtungen habe ich in den letzten Monaten am Brenner, auf deutschen Autobahnen und auf dem Balkan gemacht. Ich frage mich, ob das Fokussieren auf eine zusätzliche Anzahl Züge aus dem Mittelmeerraum nach Norden aufgrund der Situation nicht ein viel zu bescheidenes Ziel ist und ob man sich nicht gescheiter auf eine fundamentale Stärkung des europäischen Schienengüterverkehrs konzentrieren sollte.
  2. Zweitens stellt sich die Frage, ob die Struktur und die Eigentumsverhältnisse der europäischen Güterbahnen in Anbetracht der alarmierenden Zustände im europäischen Schienengüterverkehr noch angemessen sind.

2 Gedanken zu „Verkehrsverlagerung – der Süden legt vor

    • Lieber Hugo

      Vielen Dank für Deinen Kommentar und für Dein Interesse an unserer Website. Dein Lob freut uns sehr.

      Ich wünsche Dir weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Herzliche Grüsse

      Ernst Rota

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