Bitter – minus 14 Prozent in nur sieben Jahren

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„20-Minuten“ berichtet in ihrer Ausgabe vom 22. August 2019, dass der Anteil der Eisenbahn am Personenverkehr in der Schweiz von 2010 bis 2017 von 22,3 Prozent auf 19,2 Prozent gefallen ist. Ein Rückgang von 3,1 Prozentpunkten oder 14 Prozent innert sieben Jahren – eine bittere Botschaft für die Umwelt und für die Freunde des öffentlichen Verkehrs.

Andreas Keller, Sprecher des Verbandes öffentlicher Verkehr, hofft, dass mit dem beschlossenen Ausbau der Infrastruktur für CHF 13 Milliarden und dem Einsatz von neuen Technologien eine Trendwende möglich ist. Rolf Steinegger, Verkehrsexperte, führt im Interview aus, dass ohne Road Pricing das Auto als Verkehrsmittel attraktiv bleiben wird.

Würdigung

Mit dem mit CHF 13 Milliarden dotierten Ausbauschritt 2030/2035 werden vor allem seit langem bekannte Schwachstellen beseitigt. Die wesentlichen Massnahmen konzentrieren sich schwergewichtig auf den Grossraum Zürich. Die übrige Schweiz profitiert wenig. Wichtige Vorhaben wie der Ausbau des Knotens Luzern, umweltgerechte Zufahrten zu den Tunnels der NEAT, der dritte Juradurchstich oder Neubaustrecken von Lausanne nach Genf, von Roggwil nach Zürich-Altstetten oder von St. Gallen nach Winterthur bleiben auf der Strecke.

Dazu kommt, dass gemäss den Ausführungen von Peter Füglistaler, Chef des Bundesamts für Verkehr, stark limitierende Engpässe für Mehrverkehr nicht nur auf den Strecken, sondern auch bei grossen Bahnhöfen bestehen.

Verbesserungen bei der Infrastruktur werden es allein nicht richten – es braucht viel mehr. Natürlich ist die Eisenbahn ein Massenverkehrsmittel. man muss dies den Kunden aber nicht bei jeder Gelegenheit vor Augen führen. Die Autos werden immer geräumiger, und die Platzverhältnisse in den Eisenbahnwagen im beengender. Die Belegung der Züge konzentriert sich in der Schweiz immer mehr auf die Spitzenzeiten. Das ist ein Indiz dafür, dass man die Bahn zunehmend nur noch mangels Alternativen benutzt – und damit für die abnehmende Attraktivität der Eisenbahn in der Schweiz.

Zudem sind die Eisenbahn und die Bahnhöfe ein Kulturgut, das zu erhalten und zu pflegen. Das ist dem Ansehen der Eisenbahn zuträglich. Anzunehmen ist, dass die Umkehrung dieser Aussage gilt. Dieses Bewusstsein ist bei den SBB im Gegensatz zu den sogenannten Privatbahnen in der Schweiz sowie in Österreich und in Italien unzureichend ausgebildet.

Bild von einem Abgang der Bahnhofunterführung in Sargans, einem bedeutenden Bahnknotenpunkt in der Schweiz. Bei den Objekten vor der Treppe handelt es sich um Kot.
für sich selbst sprechendes Bild einer weiteren Unterführung in Sargans.
Bushaltstelle im kürzlich erneuerten Bahnhof Zürich-Wollishofen – links die Haltekante zum stark frequentierten Bus nach Zürich-Leimbach (Ich bitte um Nachsicht für die schlechte Aufnahme).
Bild bei Tag – man beachte den schmalen Durchgang zur oben gezeigten Haltestelle der Buslinie 70.
Detail von der kürzlich erstellen Unterführung in Wallisellen – die Ecke ist wohl Ersatz für die nicht vorhandene WC-Anlage. Auch eine Warteraum ist nicht vorhanden.
weiteres Bild aus der neu erstellten Unterführung in Zürich-Wollishofen.
Detail aus der Unterführung des mit dem Flux-Preis ausgezeichneten Bahnhofs Wallisellen.
ein weiteres Bild aus der Unterführung von Wallisellen.
Bild aus dem Bahnhof Zürich-Enge. Die notfallmässig gestützte Strassenbrücke weist schon seit vielen Jahren erhebliche Mängel auf. Nun musste die Brücke mit zusätzlichen Massnahmen gestützt und für den Bus- und Lastwagenverkehr gesperrt werden. Die Busse werden über eine schmale Quartierstrasse umgeleitet. Die Fahrzeuge der drei darüber führenden Tramlinien können, da sie ihre Last angeblich über eine längere Strecke verteilen können, weiter verkehren. Wer hat hier versagt?
Aufhängung der kürzlich auf Stromschiene umgerüsteten Fahrleitung. Das Bahnhofsgebäude von Zürich-Enge gehört zu den bemerkenswerten neueren Bauten der Stadt Zürich. Das Gebäude wurde weitgehend mit Naturbausteinen errichtet. Die gewählte Konstruktion für die Fahrleitung ist barbarisch. Was ist wohl die Meinung der Zürcher Denkmalpflege?
Dazu ein Bild, wie man in Österreich Stromschienen aufhängt.
gemäss diesem Bild wäre auch in Zürich-Enge eine bessere Lösung möglich gewesen.

Als Aussenstehender gewinnt man den Eindruck, dass das betriebswirtschaftliche und bonusorientierte Handeln bei den SBB überhand genommen hat. Das ist eine fatale Entwicklung. Nicht, dass man Staatsunternehmen nicht wirtschaftlich und effizient führen soll. Aber die SBB haben eine eminente gesamtwirtschaftliche Bedeutung, und da muss sich das Unternehmen nach volkswirtschaftlichen Kriterien messen und beurteilen lassen – eben beispielsweise dem Marktanteil.

 

2 Gedanken zu „Bitter – minus 14 Prozent in nur sieben Jahren

  1. Ich kann Ihre Rechnung nicht nachvollziehen. Laut der Meldung von „20 Minuten“ ging der Anteil des ÖV in der Zeit von 2010 – 2017 (also 7 Jahre) von 22,3 auf 19,2 Prozent zurück, also lediglich -3,1 Prozent, was Sie auch schreiben. Gleichzeitig schreiben Sie aber noch von einem Rückgang von 14 Prozent innert eben dieser 7 Jahre. Diese Zahl kann ich nicht nachvollziehen. Wie kommen Sie auf diese 14 Prozent? Liegen Ihnen Zahlen vor, die nicht im erwähnten Zeitungsartikel und auch nicht in Ihrem Beitrag erwähnt werden, oder wollen Sie einfach den ÖV schlechter machen, als er ist? Ich bitte Sie, mir diese 14 Prozent zu erklären.
    Zu den ebenfalls von Ihnen erwähnten Ausbauten: Es ist klar, dass jeder seine Ideen, was man noch machen müsste, als die besten findet, unabhängig davon, wie seriös die Machbarkeit sowie die Kosten abgeklärt wurden. Wenn aber alles gebaut würde, was irgendwelchen mehr oder weniger kompetenten Personen im Kopf herum geistert, nur um es allen recht zu machen, dann wäre unsere kleine Schweiz bald mit Bahnlinien zugepflastert. Zudem stellte sich die Frage wer das alles bezahlen soll.

    • Sehr geehrter Herr,
      Der Rückgang von 3.1 Prozentpunkten betrifft den Marktanteil des Schienenverkehrs am Gesamtverkehr. Die noch 19.2 % sind ein 14% kleinerer Wert als die 22.3 %, der Marktanteil ist um diese 14% gesunken.
      Keine Aussage ist dies bezüglich der effektiven Passagierzahlen. Trotz es gesunkenen Marktanteils der Schiene ist es denkbar, dass 2017 mehr Passagiere die Bahn benutzten als 2010. Hintergrund ist die insgesamt gestiegene Mobilität bei allen Verkehrsarten in dieser Zeit bei steigender Wohnbevölkerung und nach wie vor gut laufender Volkswirtschaft.

      Gruss J.Meyer

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