Raron gegen Liestal 1:0 – und ein Weckruf an die Freunde der Bahn

Vorbemerkungen

Im Rahmen einer Skitour oberhalb von Unterbäch mussten wir vom Bahnhof Raron etwa 600 Meter zur Talstation der Seilbahn bei Turtig marschieren. Unmittelbar nach dem Bahnhof quert die Strasse eine langgezogene Baustelle. Einer grossen Tafel entnahmen wir, dass es sich um bauliche Vorbereitungen für den gedeckten Einschnitt der Nationalstrasse A9 handelt. Diese sich teilweise noch im Bau befindliche Autobahn dient hauptsächlich dem innerkantonalen Autoverkehr im Kanton Wallis und weist vergleichsweise wenig Transit- oder nationalen Verkehr auf. Meine Beobachtung machte mich stutzig, und so ging ich der Sache nach.

Baustelle Turtig

Informationstafel beim Bahnhof Raron

Die Autobahn wird auf dem Gebiet der Gemeinde Turtig auf einer Länge von etwa 1,5 Kilometer Länge unterirdisch geführt. Dazu kommen zwei ein paar hundert Meter lange Einschnitte vor den Tunnelportalen. Der in der Gegend hoch liegende Grundwasserspiegel stellt hohe Anforderungen an den Bau und die Sicherung des Tunnels gegen den Auftrieb. Zudem ist der Betrieb des Tunnels durch Beleuchtung, Lüftung und Abpumpen des Oberflächenwassers energieintensiv.

Aus meiner Sicht besteht keine besondere Schutzwürdigkeit, welche die Untertaglegung der Autobahn rechtfertigt. Die Strasse befindet sich abseits des Dorfzentrums, und es sind keine schützenswerten Ortsbilder erkennbar.

Eindruck von der Baustelle bei Turtig mit Bohrpfählen
Nahansicht der Baustelle bei Turtig gegen Westen
Ansicht der Baustelle bei Turtig gegen Westen

Ueberblick

Vorerst ein Überblick über die Führung der Autobahn in der Region. Im Gebiet von Turtmann ist die A9 bereits in Betrieb und wurde auch hier wie bei Raron unter den Boden verlegt. Auch bei Steg wird die A9 in einem Tunnel in der Bergflanke geführt.

Die folgenden Bilder lassen meines Erachtens auch für die unterirdische Führung der Autobahn im Raum Turtmann keine besondere Schutzwürdigkeit erkennen.

Blick oberhalb des Portals bei Turtmann gegen Osten
Blick in das Ostportal bei Turtmann
Blick oberhalb des Ostportals bei Turtmann gegen Westen
Blick von der Überführung beim Bahnhof Turtmann gegen Westen
Westportal des Tunnels bei Turtig (Aufnahme aus dem fahrenden Zug)

Stadtumfahrungen von Sierre und Visp

Nachstehend zwei Kartenausschnitte mit dem Verlauf der Autobahn in Sierre und Visp. In beiden Städten beeindruckt die umweltschonende Führung der A9. Besonders in Visp, wo die Strasse nach Grächen und Zermatt weit hinten im Tal der Vispa in die Autobahn eingeführt wird, wäre meines Erachtens eine bedeutend günstigere und nur weniger umweltbelastende Lösung möglich gewesen.

Verlauf der Autobahn im Raum Sierre
Führung der Autobahn bei Visp – die Strasse unten führt nach Grächen und Zermatt

Konklusion aus der Sicht eines Staatsbürgers

Es ist erstaunlich, wie es der in sehr hohem Mass von Mitteln des Bundes abhängige Kanton Wallis immer wieder versteht, für sich maximale und extrem teure Lösungen durchzusetzen – Lösungen, an die unter massiven Verkehrsproblemen leidendende Gegenden im Mittelland nicht zu denken wagen.

Konklusion aus Sicht der Eisenbahn

Und man vergleiche die umweltfreundliche Führung der Autobahn im Wallis beispielsweise mit den Gegebenheiten bei der Eisenbahnlinie zwischen Olten, Aarau und Rupperswil oder mit dem beschlossenen Ausbau des Bahnhofs Liestal auf vier Geleise – wir haben darüber berichtet. Dazu kommt, dass dabei nicht nur der Umweltschutz in hohem Mass vernachlässigt wurde, sondern auch die Sicherheit für die auf den Perron wartenden Menschen völlig ausser Betracht fiel. Mit hoher Geschwindigkeit durch die Bahnhöfe von Olten oder Aarau fahrende Fernverkehrs- und Güterzüge sind aus Lärm- und Sicherheitsgründen hoch problematisch.

Das Vorgehen der Planer bei den SBB gleicht immer mehr der Planung einer sowjetischen Panzerarmee – Durchbruch um jeden Preis. Dieses rücksichtslose und verantwortungslose Vorgehen beeinträchtigt das Ansehen der Eisenbahn als umweltfreundliches Verkehrsmittel, gefährdet auf längere Sicht den Weiterausbau der Infrastruktur und führt oft zu völlig verknorzten Lösungen. Die Zürcher DML steht als Mahnmal im Raum.

Erstaunlich ist ferner, wie wenig engagierte Bahnfreunde und dem Umweltschutz verpflichtete Organisationen sich dieser Problematik bewusst sind – kein gutes Omen für eine nachhaltige Modernisierung der Eisenbahninfrastruktur in der Schweiz.

6 Gedanken zu „Raron gegen Liestal 1:0 – und ein Weckruf an die Freunde der Bahn

  1. Als es um den Abstimmungskampf um die Alpeninitiative ging. erklärte Bundesrat Adolf Ogi: «Wenn die Alpeninitiative angenommen werden sollte, wird die Autobahn A 9 nicht mehr gebaut!“

    Die Alpeninitiative ist angenommen worden und sowohl die A9 wird fertiggebaut als auch die zweite Röhre am Gotthard.

    Die Demonstrationen der Jungen hat vorübergehend den Grünen geholfen. Fragt sich nur wie lange. Die Bürgerlichen wollen von einer Reduktion von Co2 nichts wissen, selbst wenn sie das Messer am Hals haben. Wir sitzen allen auf derselben Titanic.

    • Sehr geehrter Herr Brüngger

      Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Website und für Ihre Informationen.

      Alt Bundesrat Adolf Ogi verdanken wir wohl auch die unglückselige Gestaltung des Lötschberg-Basistunnels, die nur mit einem immensen zusätzlichen Aufwand korrigiert werden kann, sowie das Konzept mit zwei Alpentransversalen.

      Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Reduzieren wir diese Angelegenheit auf rein umweltschützerische Aspekte und blenden wir mal die Grundsatzdiskussion über Sinn und Unsinn von Autobahnen und jene über die exorbitanten Kosten für all diese Kunstbauten aus, so können wir der im Beitrag von Ernst Rota analysierten Autobahntrassierung im Raume Turtmann – Visp – Brig eigentlich nichts grundsätzlich Negatives abgewinnen. Jeden Meter hässliche Betonpiste, die man in der Landschaft nicht sieht, ist an sich schon ein Plus. Die hohen damit verbundenen Kosten sind sicherlich eine Disputation wert, besonders wenn mit der Situation entlang der A2 am Jurasüdfuss oder auch mit jener im Raume Basel verglichen wird. Warum aber ausgerechnet die längst verblichene sowjetische Panzerarmee als Metapher herhalten muss, verleiht der hier hinterfragten Planungspolitik einen leichten Anstrich „des Bösen“ und erinnert an die Zeiten des „cold war“.
    Panzer haben von ihrer Konstruktion her den Auftrag durchzubrechen, egal ob es sich dabei um russische, israelische, US-amerikanische oder unsere eigenen handelt.
    Der Fall „Bahnhofausbau Liestal“ ist die Frucht (oder der herangereifte faule Apfel) eines Jahrzehnte langen Geplänkels zwischen dem Kanton, der Stadt und den SBB. Am Schluss sind immerhin fast alle dankbar, wenn demnächst überhaupt etwas gebaut wird. Dass die gewählte Lösung nicht das Gelbe vom Ei ist, dürfte inzwischen allen bewusst sein. Auch hier gilt, wie vielerorts: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.
    Dabei bleibt die Gretchenfrage unbeanwortet: wieviel und welche Art von Moblität wird unsere Gesellschaft um 2050 benötigen?

    • Sehr geehrter Herr Guillaume

      Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Website und für Ihren Kommentar. Darf ich Folgendes anmerken:

      1. Betrieb und Unterhalt von Tunnels beanspruchen viel Energie. Zudem ist das Unfallrisiko in Tunnels viel höher als bei der offenen Führung des Verkehrs.

      2. Ich erinnere an den tragischen Unfall im Autobahntunnel bei Visp, bei dem im Jahr 2012 28 Menschen ums Leben kamen.

      3. Es ging mir bei unserem Artikel primär um die Frage der Verhältnismässigkeit, und die besteht beim zitierten Beispiel nicht.

      4. Ich habe in zunehmendem Mass den Eindruck, dass die Planung bei den SBB in erster Linie von kurzfristigen betrieblichen Motiven geprägt ist, und visionäre Konzepte keine Chance haben. Der Verzicht auf die Direktverbindung zwischen Biasca und Giubiasco spricht Bände.

      5. Sie bezeichnen Liestal als „faulen Apfel“ Nun, ich esse keine faulen Äpfel. Und statt für den irrsinnigen Ausbau von Liestal und für die ebenso fragwürdige Umspurung der Waldenburgerbahn zu plädieren, würden sich die Bahnfreunde besser für die Realisierung des Wisenbergtunels und damit für die Respektierung des Volkswillens im Rahmen der Abstimmung zu „Bahn 2000“ stark machen.

      6. Abschliessend bitte ich um Verständnis für die Metapher mit den Panzern – ich will damit meinen grossen Ärger dokumentieren.

      Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Lieber Ernst
    Ich verstehe deinen Satz nicht: „Die Zürcher DML steht als Mahnmal im Raum“. Ist das nun positiv oder negativ zu werten?

    • Lieber Paul

      Vielen Dank für Dein Interesse an unserer Website und für Deine Anfrage.

      Meines Wissens haben wir vor längerem über die DML diskutiert – Du kennst meine Meinung.

      Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

Schreibe einen Kommentar zu Ernst Rota Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert