Umbau Bahnhof Zürich-Wollishofen – deprimierend

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Der Bahnhof Zürich-Wollishofen liegt an der Stammstrecke von Zürich nach Thalwil. Die lange stark vernachlässigten und nicht behindertengerechten Publikumsanlagen wurden in den letzten Monaten erneuert. Die unter dem Bahnhof durchgehende Unterführung mit Zugang zu den Parkanlagen am Zürichsee wird auf Kosten der Stadt Zürich verlängert und erweitert. Trotz dem erheblichen Aufwand vermag der Umbau in keiner Weise zu befriedigen. Daneben sind gravierende konzeptionelle Defizite und Ausführungsmängel zu verzeichnen. Auch werfen die jüngsten Reparaturen von Sachbeschädigungen ein miserables Licht auf die zuständigen Stellen bei den SBB.

Bedeutung des Bahnhof Zürich-Wollishofen

Die Bedeutung des Bahnhofs ist in den letzten Jahren stark gewachsen. Dazu beigetragen haben unter anderem die Ansiedlung von zahlreichen Arbeitsplätzen in Wollishofen und die Wohnbautätigkeit zwischen Zürich und Adliswil im Gebiet der ehemaligen Grütfarm. Dazu kommen bei Festanlässen an den Gestaden des Zürichsees meist in den Abendstunden eine extrem hohe Spitzenbelastung.

Bahnhof von Westen
Blick auf den Bahnhof vom Perron

Der Bahnhof wird im Viertelstundentakt von zwei S-Bahnlinien bedient. Seit längerem halten zwei regionale Buslinien an der Ostseite des Bahnhofs. Zudem wird der Bahnhof seit Dezember 2018 auf der westlichen Seite von drei Buslinien erschlossen. In knapp hundert Metern Entfernung vom Bahnhof befindet sich die Haltestelle der Tramlinie 7.

Umbaukonzept

Das Umbaukonzept weist aus unserer Sicht gravierende Mängel auf, auf deren wichtigste wir hier eintreten und am Ende dieses Abschnitts mit einigen Bildern dokumentieren.

  • Trotz den hohen Frequenzen und der Funktion als Umsteigebahnhof verfügt Zürich-Wollishofen weder über eine Toilettenanlage noch einen Warteraum. Der früher auf dem Bahnsteig vorhandene Warteraum wurde nicht wieder aufgebaut.
  • Die Materialisierung der Bauteile und architektonische Konstruktionsdetails werfen viele Fragen auf.
  • Entgegen früheren Absichten wurde das Perrondach nicht verlängert. Da die S-Bahnzüge in den Stosszeiten oft mit drei vierteiligen Kompositionen geführt werden, müssen jeweils zwei Drittel der Fahrgäste im Freien warten. Bei Schnee und Regen wartet das Gros der Fahrgäste grösstenteils unter dem viel zu kurzen Perrondach, was infolge der vielen Menschen das Ein- und Aussteigen stark behindert und zu Verspätungen führt.
  • Höchst unbefriedigend angeordnet sind auch die Halteorte der Busse – der Weg zu ihnen ist mühsam und hindernisreich. Zudem ist der Halteort der Busse der Linie 70 höchst unzureichend beleuchtet. Entsprechend den Gegebenheiten auf dem Bahnperron sind auch die Bushaltestellen nicht überdacht.
  • Dazu kommen für schweizerische Verhältnisse gravierende Ausführungsmängel. Die kürzlich verlegten Gitterroste weisen nach kurzer Zeit starke Korrosionsspuren auf, und die bestehenden Tritte der verlängerten Treppe wurden weder gereinigt noch mit Sand gestrahlt.
Treppenabgang ohne Überdeckung, im Winter besteht Glatteisgefahr
Blick am Samstag, 9. März 2019, in die Unterführung
Rampenaufgang zum Perron mit korrodierendem Gitterrost
Treppenaufgang zum Perron mit korrodierendem Gitterrost
lieblos ausgeführte Stirnseite neben der Rampe
Blick in die in Stosszeiten viel zu enge Rampe
oberes Ende der Treppe zum Perron
Perron kurz vor Ankunft des zweiten Zuges auf dem rechten Gleis
Blick auf die nicht überdachten und bei Dunkelheit unzureichend beleuchteten Halteorte der beiden Busse.
Zugang zum Halteort der Busse der Linie 70, vergleichbar mit einem Hindernislauf
Eindrücke unmittelbar vor dem Halteort der Busse der Linie 70
wartender Bus der Linie 70 – in der Regel ist der Graben rechts voller Abfälle
Fahrgäste aus dem Bus aus Adliswil hasten im strömenden Regen zum Zug
kaum zu reinigender und nach drei Monaten schon stark verschmutzter Absatz
Treppe zum Perron mit drei aufgesetzten Tritten
do., Ausführungsdetail

Schadenmanagement der SBB als Trauerspiel

In der Nacht vom 9. auf den 10. März 2019 zerstörten Vandalen die Beleuchtung in der Unterführung. Am Sonntagmorgen um 09.00 Uhr war der Boden der Unterführung mit Glasscherben und zerstörten Lampen übersät.

heruntergerissene und zerstörte Neonleuchte
Monteur an der Arbeit

Nach meiner Rückkehr am Sonntagnachmittag gegen 16.00 Uhr sah ich, dass ein Monteur, mutmasslich von der SBB AG damit beschäftigt war, zwei Notleuchten zu montieren. Immerhin waren die Scherben aufgewischt. Nach der Montage der beiden Leuchten war die Arbeit für den Monteur getan, vom Entfernen der zerstörten Leuchten oder den Stromkabeln sah er ab. Die folgenden beiden Bilder wurden am Mittwochmorgen, 13. März 2019, um 07.35 Uhr aufgenommen.

Zustand der Unterführung am Mittwoch
Fassung der Neonleuchte mit frei herumliegendem Kabel

persönlicher Kommentar und ein Bild aus Österreich

Man gestatte mir abschliessend ein paar persönliche Bemerkungen:

  • Die sinnlosen Zerstörungen der Beleuchtung und die baulichen Gegebenheiten stehen meines Erachtens in einem direkten Zusammenhang. Wenn Menschen in einem reichen Land mit derartigen und menschenunwürdigen Infrastrukturen konfrontiert werden, entstehen Aggressionen, die sich früher oder später in unkontrollierten Handlungen entladen. Nachstehend ein Bild aus der Unterführung des im Grossraum Wien neu entstehenden Bahnhofs von Achau. Der Respekt vor der Schönheit und der Sorgfalt der Gestaltung dürfte das Risiko von Gewaltakten gegen Mensch und Gebäuden drastisch reduzieren.
Detail aus der Unterführung in Achau beim Wien
  • Und eine Vermutung steht im Raum: Wenn die in der Unterführung des Bahnhofs Wollishofen gezeigte handwerkliche Sorgfalt auch bei Weichen und Signalen etc. angewendet wird, so fürchte ich, dass darin auch eine der Ursachen für die sich häufenden berühmten Störungsmeldungen wie „Schaden an der Bahnanlage“, „Schaden am Gleis“ oder „Störung an der Signalanlage“ liegen könnte.
  • Wir erinnern an die vor einigen Jahren im Bahnhof Kilchberg unsorgfältig verlegte und ein beträchtliches Unfallrisiko darstellenden Erdungsleitung. Möglicherweise könnte eine Überprüfung der Eignung der für den baulichen Zustand der Bahnhöfe in unserem Raum verantwortlichen Person durch die SBB angezeigt sein.

8 Gedanken zu „Umbau Bahnhof Zürich-Wollishofen – deprimierend

  1. Bekanntlich wird die SBB –wie viele andere Unternehmungen auch — geführt mit „Kosten sparen“ als erster Priorität.

    Unterhalt kostet …

    • Sehr geehrter Herr Hug

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website.

      Auf folgenden Aspekt, der mich sehr beschäftigt, bin ich als Einwohner auf der linken Seite des Zürichsees und so oft auch Fahrgast der SZU nicht eingetreten.

      Am vergangenen Montag sind wir in Meilen von der S-Bahn auf den Bus umgestiegen. Dort ist alles zum Besten bestellt. Eine zwar nicht ganz neue, aber saubere und architektonisch gut gestaltete Unterführung sowie eine überdachte Busstation mit klarer Signalisation. Eine andere und bessere Welt.

      Die Schuld an den Zuständen bei vielen Stadtbahnhöfen im Kanton Zürich tragen auch die jeweiligen Stadtbehörden und der ZVV. Gelegentlich entsteht der Eindruck, dass der ZVV hauptsächlich die Interessen der Verkehrsunternehmen vertritt und die Fahrgäste links liegen lässt.

      Möglicherweise sollte auch der Stadtrat von Zürich seine Politik überdenken. Statt den Individualverkehr zunehmend zu drangsalieren, würde man das Umsteigen besser durch eine wirklich nachhaltige Entwicklung des öffentlichen Verkehrs fördern. Auf lange Sicht stärkt man seine Position nicht, indem man den „Gegner“ schwächt. Bahnhöfe wie Zürich-Wollishofen benutzt man nur, weil man muss.

      Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Im Raum Wien ist der Vandalismus bei Bahngebäuden tatsächlich (noch) ein relativ geringes Problem. Nur Sprayer sind sowohl entlang der Bahnstrecken als auch bei den Fahrzeugen aktiv!
    Die beschriebenen Ausführungsmängel sind in meinen Augen vom Auftraggeber verursacht, denn bei einem so großen Betrieb wie SBB werden die einzelnen Firmen kaum laufend oder in sehr kurzen Abständen kontrolliert. Auch die allgemeine Mentalität „Kümmert sich niemand, mache ich was ich will“ wird aus meiner Sicht immer stärker.

    • Sehr geehrter Herr Hallas

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website.

      Darf ich auf meine Antwort an Herrn Hug hinweisen?

      Meines Erachtens gehört die Qualitätskontrolle zu den wichtigsten Aufgaben eines Bauherrenvertreters. Bei meinem letzten Arbeitgeber war ich mit einem Team auch für zahlreiche und komplexe Bauprojekte verantwortlich. Ich hätte eine derartige schludrige Arbeit eines Mitarbeiters niemals akzeptiert.

      Sonderbarerweise beweisen andere öffentliche Auftraggeber wie beispielsweise der Flughafen Zürich-Kloten, dass die Schweiz im europäischen Quervergleich durchaus hochwertige Publikumsanlagen erstellen kann – weshalb die SBB AG nicht. Zudem fällt auf, dass die SBB AG bei den eigenen Verwaltungsgebäuden sehr wohl erstklassige und architektonisch überzeugende Gebäude ordern kann.

      Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

    • Lieber Jürg

      Vielen Dank für Dein Interesse an unserer Website und für Deinen Kommentar.

      Die Absichten mit dem Güterschuppen sind mir bekannt. Ob das Gebäude tatsächlich schutzwürdig ist, ist meines Erachtens offen.

      Die SBB planen eine Überbauung des gesamten Areals und haben meines Wissens einen Gestaltungsplan zur Diskussion gestellt.

      Das ändert an den besagten Mängeln jedoch nichts.

      Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Sehr geehrter Herr Rota

    Besten Dank für Ihren informativen und engagierten Artikel über den Umbau in Zürich Wollishofen. Einige der von Ihnen erwähnten Mängel gehen vermutlich auf das Konto des Denkmalschutzes (z.B. die Entfernung der Wartehalle auf dem Perron). Oder sie wären nur mit enormen Kosten zu beheben gewesen (breitere Rampe beim Zwischenperron).

    Die Liste der von Ihnen erwähnten Mängel lässt sich noch fortsetzen:
    – Der Slalomzugang zur Buslinie 70 ist schrecklich gelöst und wird zusätzlich von zwei lieblos platzierten Foto-Automaten verunstaltet.
    – Bei den Bushaltestellen fehlen Sitzgelegenheiten. Diese sind nötig, da es doch relativ häufig zu Anschlussbrüchen kommt.
    – Fehlende Abfalleimer bzw. Recycling-Stationen (und wo bereits Abfall am Boden liegt, da wird immer noch mehr hingeworfen)
    – Fehlendes Geländer beim Einstieg der Buslinie 70
    – Viel zu kleiner und ebefalls nicht gedeckter Veloparkplatz (dementsprechend viele Velo-Parkverbotsschilder)

    Schade für diese verpasste Chance.

    Freundliche Grüsse
    Reto Planta

    • Sehr geehrter Herr Planta

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website. Darf ich Folgendes anmerken:

      1. In freier Anwendung eines Bonmots folgendes: „Eine Stimme sprach zu mir und sagte: ‚Lächle und sei froh, es gibt schlimmere Unterführungen.‘ Und ich lächelte und war froh und stieg kürzlich in La-Chaux-de-Fonds um.“
      Ich frage mich, wie so etwas Menschen in einem reichen Land zugemutet werden kann – scheusslich.

      2. Dass es auch anders geht, habe ich während der Fahrt mit dem Regionalzug von Cossonay nach Yverdon gesehen, nämlich die perfekte S-Bahn Station Essert-Pittet. Hier dürfte im Vergleich beispielsweise mit Winter-Wülflingen oder Zürich-Wipkingen aber nur ein Bruchteil von Fahrgästen ein- oder aussteigen.

      Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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