Internationaler Personenverkehr und die SBB

Der BEOBACHTER analysiert in der Ausgabe vom 16. März 2018 die Preise der Bahnbillette aus der Schweiz nach Italien und weist nach, dass die Preise im Ausland substantiell günstiger sind. Die Billette kosten bei den SBB gelegentlich mehr als doppelt so viel wie bei Trenitalia oder Trainline.

Dieser Sachverhalt – wir kennen ihn aus eigener Erfahrung – macht stutzig und bietet Anlass für einige kritische Anmerkungen.

Ausgangslage

Wie kaum ein anderes Land in Mitteleuropa bekennen sich die SBB zum grenzüberschreitenden Personenverkehr mit der Eisenbahn. Dabei werden, wie beispielsweise die Beschaffung von Giruno-Triebwagenzügen zeigt, bedeutende Investitionen getätigt sowie Ausbauwünsche und zahlreiche Forderungen an unsere Nachbarbahnen gestellt. Man sollte annehmen, dass die SBB deshalb beim internationalen Personenverkehr auf der Schiene eine Vorreiterrolle einnehmen. Weit gefehlt – leider kommen die SBB dieser Anforderung nicht nach.

Billettpreise

Wie der Beobachter zeigt, bestehen bei der Preisstellung der Billette für den internationalen Personenverkehr Defizite. Zudem wird beim Verkauf der Billette an Schaltern eine Gebühr erhoben – dies gelegentlich in unmittelbarer Nähe zu Werbeplakaten für Bahnreisen in Ausland.

Gelegentlich offenbaren Verkaufsberaterinnen und Verkaufsberater an Schaltern in Bezug auf Auslandreisen Wissenslücken. Dies trifft auf die Agenten im Contact Center der SBB in Brig weniger zu. Allerdings sind die Anrufe gebührenpflichtig.

Die Preisunterschiede bei den Billetten und für Reservationen lassen sich auch mit dem unterschiedlichen Preisniveau niemals rechtfertigen.

Verkauf der Billette über die Website

Schwerwiegender jedoch ist, dass die SBB ihren Kunden keine zeitgemässe Bestelltransaktion für Fahrausweise für Reisen ins Ausland zur Verfügung stellen. Seit einigen Jahren kaufen wir Billette für Reisen nach Italien nur noch über die Website von Trenitalia. Die Bedienung ist sehr einfach, und für jede Teilstrecke können die entsprechenden Rabattarten – und zwar sowohl für die Schweiz als auch für Italien – gewählt werden. Zudem kann die Lage von Sitz- und Liegeplätzen in den meisten Fernverkehrs- und Nachtzügen bestimmt werden.

Diesen Komfort wollen die SBB ihren Kundinnen und Kunden erst in zwei Jahren mit dem CHF 20 Millionen teuren Aruba-System zur Verfügung stellen.

Preise der Verpflegung

Für ausländische Reisende sind Getränke und Speisen der SBB Verpflegungsdienste im Ausland oft unerschwinglich. So kostet auf der Fahrt von Zürich nach Stuttgart ein Feldschlösschen Bier EUR 5,50.

Man bedenke, dass ein Viertel der deutschen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer brutto weniger als EUR 10.- pro Stunde verdient. Ein kleiner Beutel von Pommes Chips à 35 Gramm kostet EUR 3.-.

Komfort Rollmaterial

Seit kurzen führen die SBB ein Zugpaar zwischen Frankfurt am Main und Mailand. Ironischerweise fährt der eine Zug über Bern und der andere über den Gotthard. Eingesetzt werden ETR 610 – für Reisen bis zu drei Stunden ein vertretbares Fahrzeug. Man vergleiche den Komfort dieser Züge jedoch mit den ICE oder den ETR 500. Dazwischen liegen Welten.

Nicht zu reden vom Komfort in den ICE-T der Deutschen Bahn AG. Der Komfort und das Design dieser Züge sind exzellent. Nur so lassen sich neue Kunden gewinnen und bestehende halten.

Nota bene: Für den Anschluss an die TGV in Frasne von Neuenburg werden weiterhin völlig heruntergewirtschaftete EW II-Pendelzüge eingesetzt – beschämend!

Und völlig peinlich ist, dass die SBB ihren Kunden in Fernverkehrszügen im Gegensatz zu den Bahnen in den Nachbarstaaten kein WLAN zur Verfügung stellen.

Weitere Betrachtungen

Die EU fordert den freien Marktzugang beim grenzüberschreitenden Personenverkehr auf der Schiene. Aus diesem Grund stellen sich dem Angebot der SBB kaum rechtliche Schranken entgegen. Hingegen stellt sich die Frage nach der Klugheit der angekündigten Fernzüge der SBB nach Bologna oder Turin. Hier wird Trenitalia  durch Züge aus einem reichen und gelegentlich schulmeisterlich auftretenden Land direkt konkurrenziert, und dies in einem sensiblen Bereich – was dem langfristigen Einvernehmen kaum zuträglich sein dürfte.

Ich erinnere an die Probleme, die sich den DB/ÖBB-Intercity zwischen dem Brennerpass und Verona entgegengestellt hatten. Immerhin ein Angebot der Staatsbahnen von zwei Mitgliedstaaten der EU in einen anderen Staat der EU.

Fazit

Zusammenfassend stehen folgende Fragen im Raum:

  1. Sind die hier beschriebenen empfindlichen Schwachstellen den zuständigen Stellen der SBB überhaupt bewusst? Decken sich Ansprüche der Kunden und die Selbstwahrnehmung mit der Qualität der Dienstleistung?
  2. Für wen und aus welchen Gründen betreiben die SBB internationalen Reiseverkehr? Für die Sicherung der Arbeitsplätze oder als Abnehmer von Zügen der einheimischen Eisenbahnindustrie? In Anbetracht der Qualitätsmängel wohl weniger für eine anspruchsvolle und mit den Gegebenheiten in Mitteleuropa vertrauter Kundschaft!

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