Fertigstellung Ceneri Basis-Tunnel – vierzig Monate sind zu lang!

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Anfangs August 2017 wurden im Ceneri Basistunnel die Arbeiten für den eisenbahntechnischen Ausbau aufgenommen. Diese Bauphase soll gemäss den Angaben von Alptransit, einer Tochtergesellschaft der SBB AG, nach zwei Jahren im August 2019 abgeschlossen werden.

Nach verschiedenen Prüfungen während sieben Monaten ist von Frühjahr bis Ende August 2020 der technische Testbetrieb vorgesehen. Erste Züge sollen den Tunnel ab Herbst 2020 befahren können. Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2020 wird der Tunnel vollständig in Betrieb genommen.

Dreieinhalb Jahre oder rund 40 Monate – von August 2017 bis Dezember 2020 – zwischen dem Ende des Rohbaus und der Inbetriebnahme machen stutzig. Nachstehend ein paar kritische Gedanken.

Blick zurück

Gotthard Scheiteltunnel

Am Sonntag, 29. Februar 1880, wurde nach einer Bauzeit von sieben Jahren und fünf Monaten der 15 Kilometer lange Tunnel durchbrochen. Am 1. Juni 1882 erfolgte die erste fahrplanmässige Fahrt von Immensee nach Chiasso. Weniger bekannt ist, dass die ersten kommerziellen Züge zwischen Airolo und Göschenen bereits ab dem 1. Januar 1882 fuhren. Somit beanspruchten die Fertigstellung des Rohbaus und der Einbau der eisenbahntechnischen Einrichtungen beim Gotthardtunnel 22 Monate – beim etwas längeren CBT über 30 Monate.

Bevera Tunnel

Beim Bau des Beveratunnel auf der neuen Eisenbahnlinie zwischen Mendrisio und Varese stiessen die Mineure auf eine etwa 100 Meter Zone aus Lehm. Diese bot ein bergmännisch unüberwindbares Hindernis und erforderte die Fertigstellung des Tunnels im Tagebau. In relativ unwegsamem Gelände mussten etwa 2 Hektaren Wald gerodet und – ab der ursprünglichen Terrainhöhe gerechnet – eine dreissig Meter tiefe und etwa hundert Meter lange Baugrube ausgehoben und ausgesteift werden.

Baustelle am 31. August 2016, Beginn der Rammarbeiten (Quelle: Rinifoto)

Baustelle am 10. Januar 2017, Einbringen der Verspriessung im vorderen Teil der Baugrube

Baustelle nach dem Einbau der Verspriessung im hinteren Teil der Baugrube

Baustelle am 31. Juli 2017 während der Abdichtung des fertigen Tunnel (Quelle: Rinifoto)

Gelände am 13. September 2017

Nach der Fertigstellung des Tunnels erfolgten die eisenbahntechnische Ausrüstung und die Testfahrten.

Flirt während der Testfahrt am 31. Oktober 2017 (Quelle: Rinifoto)

Zwischen der Rodung des Waldes und der Betriebsaufnahme der gesamten Strecke verstrichen kaum 18 Monate.

Lötschberg-Basistunnel und Gotthard-Basistunnel

In den letzten Jahren wurden in der Schweiz mit dem Lötschberg- und dem Gotthard-Basistunnel zwei lange und komplexe Alpendurchstiche in Betrieb genommen. Vor der Betriebsaufnahme erfolgten umfangreiche Tests. Diese Tests müssen neben den tunnelspezifischen Informationen auch umfangreiche und für ähnliche Bauwerke verwertbare Erfahrungen geliefert haben.

Folgerungen für den Ceneri Basistunnel

Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, weshalb zwischen der Fertigstellung der bahntechnischen Ausrüstung Ende August 2019 und der fahrplanmässigen Inbetriebnahme am 13. Dezember 2020 15 Monate verstreichen. Ich verstehe nicht, weshalb die diversen Atteste und Nachweise nicht prozessbegleitend während dem Einbau der Bahntechnik beigebracht werden können. Nicht nachvollziehbar ist auch die Dauer des Testbetriebs.

Der CBT ist bekanntlich der dritte längere Bahntunnel, der in der Schweiz den letzten zehn Jahren eröffnet werden kann. Und er ist vom Konzept her vermutlich der einfachste, mit Bestimmtheit aber im Vergleich mit dem Gotthard Basis-Tunnel.
Die ausgedehnte Prüf- und Testphase ist in zweifacher Hinsicht problematisch. Der Aufwand für die Alptransit Gotthard AG und die zahlreichen Experten ist sehr hoch und dürfte sich im tiefen zweistelligen Millionenbereich bewegen.

Dazu kommen die Opportunitätskosten der späten Inbetriebnahme. Immerhin handelt es sich beim Ceneri Basistunnel um eine Investition in der Grössenordnung von zwei Milliarden Schweizer Franken. Da müsste doch alles daran gesetzt werden, dieses Bauwerk möglichst rasch zu nutzen. Auf der Basis eines geschätzten volkswirtschaftlichen Kostensatzes von 2 ½ Prozent entsteht ein Ertragsausfall (Opportunitätskosten) von CHF 50 Mio. Nicht eingerechnet sind die zusätzlichen Erlöse der SBB AG durch die späte Inbetriebnahme. Der Ceneri Basis-Tunnel wird gegenüber dem Ist-Zustand wohl zu Mehrerträgen führen.

Dringender Anlass also für eine vertiefte und unabhängige Prüfung – sei es durch das BAV, den Verwaltungsrat der SBB AG oder die Finanzkommissionen der eidgenössischen Räte. Vielleicht finden sich auch kritische Medienleute, die sich der Sache annehmen.

Eine qualifizierte Expertise könnte möglicherweise auch bei SALCEF Building Construction and Railway S.p.A. eingekauft werden. SALCEF hat trotz widrigen Umständen die Eisenbahnlinie zwischen Stabio und Varese termin- und qualitätsgerecht erstellt und weltweit zahlreiche anspruchsvolle Eisenbahnprojekte realisiert. Mehr darüber im Internet.

Oder verhindert der Nimbus der Projektorganisation eine nüchterne Sicht auf die Sache?

11 Gedanken zu „Fertigstellung Ceneri Basis-Tunnel – vierzig Monate sind zu lang!

  1. Zum Vergleich, beim LBT war der erste Spatenstich am 12. April 1994. Im Juni 2006 war der Innenausbau faktisch beendet. Am 1. Dez. 2006 war der Tunnel auf seiner ganzen Länge befahrbar und es begannen die Testfahrten durch den gesamten Tunnel. Ab dem 16. Juni erfolgte ein kommerzieller Vorlaufbetrieb und am 9. Dez 2007 ging er in Betrieb.
    Folglich betrug die Bauzeit 13 Jahre und 8 Monate. Und, oh Wunder, die Tests benötigten lediglich etwas über 12 Monate!
    Bereits beim nachfolgenden GBT war dann die Testzeit wesentlich länger.
    Ist beim CBT ein neuer Spielplatz für Ingenieure entstanden?
    Oder sind die Ingenieure schlechter?
    Mein Verdacht, es kommt die SBB selbst wesentlich günstiger den CBT möglichst spät in Betrieb zu nehmen! Denn die erwähnten Opportunitätskosten werden nun noch den Baukosten zugerechnet. Aber ab der Inbetriebnahme gehen diese Kosten in die Bücher SBB. Und diese Kosten sind höher als die durch den CBT erzielten Mehreinnahmen. Das ist für die Erfolgsrechnung der SBB sehr schlecht!
    Das würde natürlich niemand so bestätigen, aber mit der Argumentation von Sicherheit und so lässt sich das gut verkaufen.

    • Sehr geehrter Herr Lüthard

      Vielen Dank für das Interesse an unserer Website und für Ihren Hinweis auf den Lötschberg-Basistunnel.

      Sie bestätigen mich in meiner Kritik. Ich hoffe, dass die weiteren Kommentatoren Ihre Ausführungen zur Kenntnis nehmen.

      Nochmals besten Dank für Ihren Kommentar und weiterhin viel Freude an unserer Website

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Die verzögerte Inbetriebnahme Ende 2020 ist ja vor allem durch Einsprachen bei der Bauvergabe sowie der Gemeinde Sigirino wegen eines Dienstgebäudes zu Stande gekommen. Ohne diese Einsprachen wäre die Eröffnung bereits im Dezember 2019 gewesen und war auch so geplant. War dies dem Verfasser des Berichts nicht bekannt?

    • Sehr geehrter Herr Trachsel

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website.

      Die Verzögerung wegen dem Vergabeprozess sind mir bekannt. Nicht hingegen jene der Gemeinde Sigirino. Ob man letztere durch ein geschicktes Antizipieren hätte vermeiden können, bleibt offen.

      Meine kritischen Fragen beziehen sich jedoch nicht auf die gesamte Bauzeit, sondern auf die Dauer des Einbaus der bahntechnischen Einrichtungen und der Testphase.

      Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  3. Ja und – wo ist das Problem?
    Besser ausgiebig testen und dann problemlos in Betrieb gehen.
    Am LBT gab es zu Beginn auch Probleme und dies will man am CBT vermeiden!

    • Sehe ich genau so.
      Bei der NBS, LBT und beim GBT gab es vor- und nach der Inbetriebnahme Probleme.
      Also lieber aus den gemachten Fahler der Vergangenheit lernen und es jetzt besser machen.
      Ich bin nach wie vor überzeugt, unser ÖV System ist sehr gut und es wird auf sehr hohem Niveau gejammert.

      • Sehr geehrte Herren Meier und Zimmermann

        Vielen Dank für Ihre Kommentare und für Ihr Interesse an diesem Beitrag.

        Danke auch für den Hinweis auf die Probleme bei der Inbetriebnahme der Neubaustrecke zwischen Mattstetten und Rothrist. Diese waren meines Wissens vor allem auf Probleme mit ETCS zurückzuführen.

        Im Gegensatz zur NBS (Abzweigung Neubaustrecke nach Solothurn), Lötschberg-Basistunnel (Reduktion der Doppelspur- auf eine Einspurstrecke) und Gotthard-Basistunnel (zwei komplexe Multifunktionsstellen) besteht der Ceneri-Basistunnel aus zwei einspurigen Tunnels ohne Gleisverbindung – also die „einfachste“ Neubaustrecke. Zudem haben die SBB ETCS Level 2 endlich im Griff. Da darf man eine kurze Test- und Inbetriebsetzungsphase einfach voraussetzen.

        Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website

        Freundliche Grüsse

        Ernst Rota

      • Sehr geehrter Herr Zimmermann

        Nochmals vielen Dank für Ihren Kommentar an Herrn Meier. Darf ich zum abschliessenden Satz Ihres Kommentars folgendes anmerken?

        1. Niemand stellt die hohe Qualität des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz in Frage.

        2. Aber der öffentliche Verkehr ist sehr teuer. Der Betriebsaufwand steigt und steigt. Die mit FABI für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur bestimmten Mittel reichen mittelfristig nicht mehr für den überfälligen Ausbau des Schienennetzes aus. Dabei wirken sich die zahlreichen Schwachstellen bei weiter zunehmendem Verkehr immer stärker aus.

        3. Der immer wieder behauptete Vorsprung des öffentlichen Verkehrs der Schweiz wird laufend kleiner. Andere Länder und/oder Regionen haben uns bereits überholt. Dies gilt im Besonderen für Österreich und die Verbünde in Vorarlberg und in der Provinz Südtirol.

        Nochmals besten Dank und viel Freude an unserer Website

        Freundliche Grüsse

        Ernst Rota

  4. Die Fragen sind berechtigt.
    Weil aber das BAV im ganzen Prozedere von Sicherheitsnachweisen, Prüfungen, Inbetriebnahme direkt als Partei massgebend involviert ist, wäre es für eine Überprüfung dieser Prozesse vermutlich nicht die richtige Instanz

    • Sehr geehrter Herr Hug

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website.

      Man kann nur hoffen, dass unseren Bedenken Rechnung getragen wird und der CBT ein Jahr früher in Betrieb genommen wird.

      Nochmals vielen Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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