Planung bei den SBB – kritische Anmerkungen

Vorbemerkungen

In seinem Artikel „100 Millionen für intelligentere Mobilität“ in der Ausgabe der Neuen Zürcher-Zeitung vom 24. Januar 2018 hält Christof Forster folgendes fest: „Die SBB verfügen über riesige Datenmengen, können diese aber für die Planung von Ausbauten nicht nutzen, weil sie keine Instrumente dazu haben.“

Der hier auszugsweise dargestellte Artikel steht über folgenden Link zur Verfügung ETH NZZ.

Zu den Ausführungen von Christof Forster stellen sich neben anderen einige kritische Fragen, auf die wir nachstehend eintreten möchten.

Fragen

  • Weshalb sammeln die SBB überhaupt Daten, wenn sie nichts damit anfangen können? Das Sammeln und das Speichern von Daten kostet ja Geld.
  • Viel wichtiger aber sind die Fragen, ob die SBB
    • auch das hinreichend qualifizierte und motivierte Personal für das Auswerten der Daten haben
    • in der Lage sind, zeitgemässe und visionäre Konzepte für den Ausbau der Schieneninfrastruktur zu entwickeln,
    • über genügende Freiräume für die Planung und die Initiierung von Ausbauvorhaben haben,
    • über eine Unternehmensleitung verfügt, der die Wesensmerkmale eines modernen und effizienten Eisenbahnsystems vertraut ist.

Diesen Fragen, zwischen denen ein inhärenter Zusammenhang besteht, soll im Folgenden nachgegangen werden.

Personalsituation

Gemäss den Aussagen von CEO Andreas Meyer verfügen die SBB nicht über die personellen Kapazitäten. Sonst würde sich die intensive und teure Zusammenarbeit mit der ETH Zürich wohl erübrigen. Und weshalb unterhalten die SBB mit der HSG eine weitere Kooperation, und wer ist in Anbetracht ihrer angeblich fehlenden Mitarbeiter intern Ansprechpartner bei den SBB für die externen Partner?

Aber verfügen die SBB wirklich nicht über fähige Leute und geniessen diese im Unternehmen über die notwendige Wertschätzung und die Freiräume? Mir sind zwei erfahrene, hochmotivierte und gut ausgebildete ehemalige Angehörige des mittleren Kaders bekannt, welche um die Fünfzig aus dem Unternehmen gedrängt wurden.

Und was empfinden wohl erfahrene und tüchtige Kaderangehörige der SBB – und diese gibt es bestimmt – über derartige Aussagen ihres obersten Chefs in der Öffentlichkeit? Ein Demotivationsschub par excellence.

Adäquanz der Planung

Diese Frage ist als Aussenstehender schwierig zu beantworten. Die Antworten liegen im Bereich von Vermutungen. Im Allgemeinen – besonders bei Engpässen – stehen wahrscheinlich operative und kurzfristige Aspekte im Vordergrund. Dazu drei Beispiele:

  • Vor 25 Jahren waren die Planungen für den Ausbau der Strecke zwischen Zürich HB und Zürich-Oerlikon weit fortgeschritten. Die Planung – erste bauliche Massnahmen wurden bereits umgesetzt – sah unter der Bezeichnung „fil rouge“ den vierspurigen Ausbau der Linie über Zürich-Wipkingen, scheiterte jedoch wegen des Widerstands der Stadtzürcher Bevölkerung grandios. Das daraus resultierende Patt und der Handlungsdruck führten zu der auf mittlere und lange Sicht problematischen und meines Erachtens völlig zu Unrecht hoch gelobten Durchmesserlinie DML.
  • Die Nordzufahrt in den Bahnhof Thalwil ab der Einmündung des Zimmerbergtunnels war ursprünglich vierspurig vorgesehen. Aufgrund der damaligen NEAT-Planung wurde es aus Kostengründen als tragbar erachtet, das Projekt zu redimensionieren und die zwei Geleise aus dem Zimmerbergtunnel in die bestehende Doppelspur aus Rüschlikon einzubinden. Leider weigerte sich der Zürcher Regierungsrat im Gegensatz zum Kanton Zug, die Weiterführung des Zimmerbergtunnels vorzufinanzieren. Dieser Engpass wirkt sich ungünstig auf den Betrieb aus. Seit dem kleinen Fahrplanwechsel im Juni 2014 hat sich die Situation im Normalbetrieb etwas entspannt. Nun soll in einem nächsten Ausbauschritt dieser Engpass wie ursprünglich vorgesehen beseitigt werden.
    Ein ungleich grösseres Unheil – nämlich die niveaugleiche Kreuzung des bergseitigen Geleises aus dem Tunnel über das seeseitige Gleis im Berginnern – konnte dank dem erfolgreichen Widerstand eines Mitarbeitenden verhindert werden. War den Befürwortern der Urvariante die Problematik im Bahnhof Zürich-Stadelhofen nicht bewusst?
  • Und noch kritischer zu würdigen ist der oberirdisch angelegte vierspurige Ausbau der Strecke durch Liestal. Unvorstellbar und bar jeglicher Vernunft. Den Zuständigen fehlen ganz offensichtlich Kenntnisse, wie im umliegenden Ausland hochbelastete Strecken – Inntal, Lombardei, Rheinebene – umwelt- und menschengerecht ausgebaut werden. In der dicht bevölkerten Schweiz wäre die Tieferlegung von Bahntrassen weit begründeter als bei den genannten Beispielen. Zur Erinnerung: Der Bau des durchgehenden Wisenbergtunnels wurde im Rahmen der Abstimmung über das Konzept „Bahn 2000“ im Jahr 1987 von der Schweizer Stimmbevölkerung beschlossen.

Freiräume

  • Die Diskussion der einzelnen Massnahmen im Rahmen Ausbauschritts 2035 im Zuge von FABI führt unweigerlich zur Frage, wer in der Schweiz überhaupt plant und wer letztlich entscheidet. Sind es Verkehrsunternehmen, Bundesämter, Politiker oder interessierte Wirtschaftskreise, welche sich durchsetzen werden? Die Frage bleibt offen – sicher ist mit Bestimmtheit, dass der Prozess kein optimales Resultat zeitigen wird.
    Dazu ein Beispiel aus der Praxis: Während die knapp ein Kilometer lange Einspurstrecke auf der hoch belasteten Strecke am Walensee weiter bestehen soll, baut die Rhätische Bahn die praktisch gleich lange Strecke zwischen Landquart auf Malans auf Doppelspur aus.
  • Möglicherweise liegen die Ursachen für die zitierten Fehlplanungen eben in diesem oft wenig rationalen Entscheidungsverfahren. Wie kann man von einer Planungsabteilung gute Ergebnisse erwarten, wenn ihre Dispositionen im politischen Kuhhandel laufend über den Haufen geworfen werden?

Eignung der Unternehmensleitung der SBB

  • Andreas Meyer argumentiert am Beispiel des Ausbaus der S-Bahn Basel, dass man unter anderem die idealen Umsteigeorte zwischen der Eisenbahn und dem städtischen Verkehrsnetz nicht kenne. So! Man bilde ein Projektteam aus Angehörigen des mittleren Kaders von BLT, BVZ, SBB, der Stadtplanung Basel und zwei Kundenvertreter und statte sie mit einem klaren Auftrag aus. Wetten, dass dieses Team nach einer zweiwöchigen Klausur einen ausgereiften Vorschlag vorlegen würde?
  • Der vernetzende Ansatz von Andreas Meyer mag seine Position als CEO festigen und den erwähnten Hochschulen Beschäftigung verschaffen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der lange und aufwändige Prozess und die darauf anschliessende politische Entscheidungsfindung ein suboptimales Ergebnis erzeugen wird, ist hoch.
  • Und noch ein letztes: Die gebetsmühlenartig vorgetragenen Bedenken, dass Ausbauprojekte zu höheren Betriebskosten führen würden und somit betriebswirtschaftlich problematisch sind, erweist sich bei näherer Betrachtung als Bankrotterklärung. So argumentiert, müsste die Eisenbahn den überwiegenden Teil ihrer Leistungen aufgeben. Von der Führung des grössten Transportunternehmens der Schweiz müsste man erwarten, dass sie den Nutzen von Ausbauten den Kosten gegenüberstellt und daraus den Bedarf ableitet oder – mit anderen Worten – volks- statt betriebswirtschaftlich argumentiert und in grösseren Zusammenhängen denkt.

4 Gedanken zu „Planung bei den SBB – kritische Anmerkungen

    • Sehr geehrter Herr Hug

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website.

      Darf ich auf meine Antwort an Herrn Löber verweisen?

      Ich danke Ihnen für Ihr Verständnis und wünsche Ihnen weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

    • Sehr geehrter Herr Löber

      Vielen Dank für Ihr Interesse an unserer Website und für Ihren Kommentar. Darf ich – auch Bezug nehmend auf die Mitteilung von Herrn Hug – folgendes anmerken:

      1. Ich halte die Situation tatsächlich für bedrohlich. Gemeinsam mit zwei Kollegen und nach Konsultation von Experten haben wir vor etwa vier Jahren eine Schwachstellenanalyse des Schweizer Normalspurnetzes erstellt. Die Liste der von uns als vordringlich erachteten Ausbauvorhaben ist beängstigend lang.

      2. Denken Sie darüber hinaus an das Fehlen einer schnellen Ost-West-Verbindung oder an die fehlenden Nord- und Südanschlüsse zum Gotthardbasistunnel – von der unfassbaren heutigen Form des Lötschbergbasistunnels nicht zu sprechen.

      3. Und nun sollen mit FABI – Finanzierung Ausbau Bahn Infrastruktur – in den nächsten 15 Jahren CHF 11,5 Milliarden zur Verfügung gestellt werden – weniger als CHF 800 Millionen pro Jahr. Das ist weniger als ein Tropfen auf den heissen Stein. Die Rechnung des Bundes für 2017 schliesst mit einem Überschuss von CHF 2,8 Milliarden. Daneben wurden in diskutabler Weise CHF 2 Milliarden für potentielle Rückzahlungen der Verrechnungssteuer zurückgestellt.

      Es ist Zeit, dass weitsichtige Bahnfreunde und verantwortungsbewusste Staatsbürgerinnen und Staatsbürger ihre Stimme endlich (lauter) vernehmen lassen.

      Nochmals besten Dank und weiterhin viel Freude an unserer Website.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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