Geisterbahn?

Ausgangslage

Am Donnerstagabend fuhren wir zu viert mit dem Regional Express von Chur nach Zürich HB. Der Chur um 21.14 Uhr verlassende und in Zürich HB um 22.48 Uhr eintreffende RE 5088 war nach Aussage eines anderen Mitreisenden an diesem Abend überdurchschnittlich gut besetzt. Gemäss meinen Schätzungen waren etwa ein Drittel der Sitzplätze belegt.

Beobachtungen und Folgerungen

Auf der gesamten Fahrt von über anderthalb Stunden Dauer sahen wir keine einzige Mitarbeiterin oder Mitarbeiter der SBB – weder im Zug noch auf allen um diese Tageszeit nicht mehr besetzten Bahnhöfe. Das stimmte nachdenklich. Folgendes:

  1. Der RE ist entgegen seinem Namen ein Fernverkehrszug. Fahrzeit und Länge der Strecke sind beträchtlich. Angebote wie RE auf der Relation Chur-Zürich decken sich nicht mit dem immer wieder kolportierten Anspruch der SBB auf Kundenfreundlichkeit und Servicequalität.
  2. Noch problematischer sind die Sicherheitsaspekte. Was geschieht, wenn einem Fahrgast im Zug etwas zustösst, oder sich auf der Strecke ein Unfall ereignet? Im letzteren Fall – wir haben auf unserer Website über ein Ereignis auf der Gotthard Bergstrecke berichtet – sind vor allem die betroffenen Fahrgäste die Leidtragenden.

Und noch ein paar Überlegungen zur Sicherheit

  1. Bei neuen Bauvorhaben werden immense Beträge für den Bau und den Betrieb von Sicherheitseinrichtungen aufgewendet. Im Gegenzug werden stehende Fahrgäste in den Zügen zum Gotthardbasistunnel in Arth-Goldau oder Bellinzona aus dem Zug gewiesen. Auch fahren Tag für Tag Tausende von Fahrgästen in Zügen wie dem eingangs erwähnten RE.
  2. Wo bleibt da die Logik? Nun, Sicherheit ist ein immer teurer werdendes öffentliches Gut. Man kann sich damit beispielsweise als Politiker profilieren oder als Unternehmer ökonomisch profitieren. Koste, was es wolle!
  3. In letzter Konsequenz hemmt und verteuert das unseres Erachtens übersteigerte Sicherheitsdenken auch Neuinvestitionen. Im Ist-Zustand werden wie gezeigt grosse Risiken stillschweigend akzeptiert, während die Sicherheitsanforderungen bei neuen Projekten ausufern.
  4. Abschliessend ein Beispiel: In den Tunnels der Neubaustrecken in Deutschland kreuzen sich Züge mit Geschwindigkeiten von 300 Kilometern pro Stunde. Seit der Eröffnung im Jahr 1882 haben sich im „alten“ und engen Gotthardtunnel Reisezüge und Güterzüge gekreuzt – Tunnels über 15 Kilometer Länge dürfen heute aber nicht mehr doppelspurig ausgeführt werden, sondern es sind zwei einspurige Tunnels mit aufwendigen Querverbindungen zu bauen.

 

 

6 Gedanken zu „Geisterbahn?

  1. Unbefriedigend ist vor allem auch, dass 21.09 der letzte schnelle IC nach Zürich startet – anschliessend nur noch die langsameren IR. Mühsam ist das nach einem reichhaltigen Ausflugstag im Bündnerland, und „man“ zügig nach Hause zurück möchte.

    Nicht zu befriedigen vermögen auch die Verbindungen ab Chur über Rorschach nach Romanshorn und Umgebung.

    • Sehr geehrter Herr Löber
      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website. Darf ich Folgendes anmerken:
      1. Der von Ihnen erwähnte IC 588 verkehrt nur an Sonntagen. Ideal wäre, wenn er saisonal auch an Samstagen fahren würde.
      2. Mit Umsteigen in Sargans auf den Railjet aus Wien besteht mit Abfahrt um 22.01 Uhr in Chur eine weitere rasche Spätverbindung nach Zürich.
      3. In der Regel wird dieser schlecht frequentierte Railjet von zwei Zugbegleitern begleitet. Zudem fährt die Crew des Speisewagens mit.
      Freundliche Grüsse
      Ernst Rota

  2. Freuen wir uns also, dass zukünftig die SOB die Strecke Zürich HB – Chur bedient!
    Angemerkt sei, im alten Gotthardtunnel ist seit 1882 kein einziger Zugpassagier tödlich verunglückt!
    Zur Logik, die ist irrelevant. Entweder ist etwas zertifiziert und zugelassen oder eben nicht. Mit Sicherheit hat das gar nichts zu tun, es geht nur darum, dass die zuständigen Verantwortlichen nie Schuld sind.

    • Sehr geehrter Herr Lüthard
      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an diesem Artikel.
      Ihre Ergänzungen und Folgerungen treffen völlig zu. Zudem verkehrten die Züge im Gotthardtunnel in den ersten dreissig Jahren mit Feuer und Dampf.
      In unserer Zeit wird das Regelwerk, seien es Gesetze oder Verordnungen, in zunehmendem Masse von Pressure Groups beeinflusst oder gar gestaltet. Kritische Fragen werden mit der Begründung der „Political Correctness“ unterdrückt. Wachsamkeit ist und bleibt angesagt.
      Freundliche Grüsse
      Ernst Rota

  3. Guten Tag
    Ich fahre öfters diese Strecke und habe dies ebenfalls schon mit Missbehagen registriert! Auch bei andern Strecken ist dies Tagesordnung!
    Bei einer Fahrt von Chur bis Interlaken mit Umsteigen in Zürich und Bern sahen wir keinen Zugbegleiter. Dasselbe bei der Rückfahrt!
    Chur – Wil wird genau gleich behandelt. Und das auf einer Strecke mit zwei Grenzbahnhöfen. Schon öfters musste ich Ortsunkundigen Auskunft zuteil werden lassen. Offenbar rechnet die SBB damit, dass meistens Zugreisende mit Fahrplan und Streckenkenntnissen (gratis) Auskunft geben können!
    Das Megaereignis auf dieser Strecke war ein Strecken-Unterbruch zwischen St. Margrethen und Rorschach. Das Anzeige-Display im Zug schaltete auf schwarz. Mit kaum verständlicher Ansage wurden wir angewiesen in St. Margrethen den Zug zu verlassen. Von der entgegenkommenden Menschentraube in der Unterführung erfuhren wir, dass auf dem Bahnhofplatz Cars bereitstehen. Unter den Reisenden waren auch Rollstuhlfahrer. Es standen aber nur Reisecars bereit. Wie soll man einen Rollstuhl mit einer Person mit Behinderung in einen solchen Car einladen? Kein SBB-Personal war vor Ort (sowohl in St. Margrethen wie auch in Rorschach) und der Car-Chauffeur verstand nur Serbo-Kroatisch!
    Dasselbe erlebten wir im Frühjahr von diesem Jahr in Brig. Allerdings standen SBB-Zugbegleiter mit ihren Rollköfferchen wie Salzsäulen auf den Perons herum. Auf eine Frage meinerseits wurde mir gesagt, dass sei nicht ihr Zug und das gehe sie nichts an!

    • Sehr geehrter Herr Furgler

      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website. In der Tat machten wir kürzlich eine ähnliche Erfahrung. Hier die Details:

      Am Donnerstag, 7. September unternahmen wir eine Wanderung auf das Fülhorn. Von Zürich HB aus fuhren wir um 07.02 Uhr mit dem IC 806 nach Brig. Wir nahmen im stark belegten Zusatzmodul aus vier EW IV Platz. Die Rückreise nach Zürich HB erfolgte in Brig um 17.49 Uhr mit dem IC 813. Weder auf der Hin- als auch auf der Rückreise wurden unsere Fahrausweise – während rund 4 ½ Stunden – nie kontrolliert. Das stimmte uns nachdenklich – Folgendes:

      1. Die Zugbegleiter haben vielfältige Funktionen. Sie repräsentieren das Unternehmen und sichern durch die Kontrolle der Fahrausweise den ökonomischen Erfolg. Sie begrüssen die Fahrgäste und stehen ihn bei Fragen oder Problemen zur Verfügung. Zudem stellen sie Unregelmässigkeiten oder Fehlverhalten von Passagieren oder technische Probleme fest. Alles im Interesse von Komfort und Sicherheit. Als Fahrgast hat man in Fernverkehrszügen Anspruch auf diesen Service.

      2. Auf der Rückreise sassen wir im Doppelstockwagen in der Mitte des Zuges. Der fleissige Steward der Minibar fuhr mindestens dreimal an uns vorbei. Einen Zugbegleiter sahen wir – wie erwähnt – nicht.

      3. Sind die Stimmung und die Motivation der Zugbegleiterinnen und Zugbegleiter schon so tief, dass derartige Beobachtung – sie sind leider kein Einzelfall – an der Tagesordnung sind?

      4. An welcher Stelle – so das Sprichwort – beginnt der Fisch zu stinken?

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

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