Engpässe im Nord-Süd Verkehr

Hans Bosshard, Doyen der schweizerischen Bahnjournalisten und Eisenbahnfachleute, hat sich in der Ausgabe der Neuen Zürcher-Zeitung vom 13. September 2016 in einem Leserbrief zum Ausbau der Eisenbahnlinie am Ostufer des Zugersees, zur Notwendigkeit der Spange Rotkreuz und zum Ausbau der Strecke zwischen Albate und Monza geäussert. In diesem Beitrag werden die von Hans Bosshard formulierten Thesen diskutiert.

Ausbau am Zugersee Ostufer

Der Forderung von Hans Bosshard ist höchst berechtigt – in der Tat braucht es diesen Ausbau nicht. Eine halbstündliche Erschliessung von Walchwil auf der Schiene ist nicht gerechtfertigt. Die Busverbindung ab Arth-Goldau über Arth am See und Walchwil nach Zug ist für viele Fahrgäste die bessere Alternative. Viel gravierender aber ist das Festhalten an der Walchwiler-Strecke für den Fernverkehr. Für das Führen der Fernzüge ab Zürich nach Süden braucht es endlich zukunftstaugliche und zeitgemässe Konzepte. Da unterfahren die Fernzüge den Gotthard durch einen sündhaft teuren Basistunnel, und zwischen Thalwil und Flüelen wird eine museale Bahninfrastruktur benutzt.

Spange Rotkreuz

Nicht teilen kann ich jedoch das Postulat, auf die Spange Rotkreuz zu verzichten. Zahlreiche Bahnfachleute fordern diese kurze Direktverbindung zwischen der Linie von Zug nach Luzern und derjenigen von Rotkreuz zum Gotthard schon seit Jahren. Eine gute Bahninfrastruktur muss unter anderem betriebssicher und flexibel sein. Die Spange Rotkreuz bietet unter anderem bei Störungen auf der Linie am Ostufer des Zugersees eine willkommene Alternative.

Vor einigen Jahren war die Walchwilerlinie wegen eines Bergsturzes vom Wildspitz während Wochen unterbrochen, und genau in diesen Fällen wäre die Spange Rotkreuz zum Nutzen der Fahrgäste und der Betriebsdisponenten Gold wert gewesen. Darüber hinaus stellt sich die Frage nach den Prioritäten.

Ist es wirklich angebracht, dass der Stadtbahn Zug trotz ihrem grossen Erfolg auf der knappen Bahninfrastruktur im Raum Zugersee eine derart hohe Priorität zustanden wird?

Ausbau Albate – Monza

Noch weniger einverstanden bin ich aus zahlreichen Gründen mit der Forderung nach dem Ausbau der Strecke von Albate (südlicher Ausgang des Monte Olimpino-Tunnels) und Monza. Hier eine kurze Begründung:

  •  Der geforderte Ausbau ist sehr problematisch. Die primär von Güterzügen befahrene zweite Doppelspur müsste aus Effizienzgründen die Stammlinie nach Como unterfahren und auf ihrer Ostseite geführt werden. Zudem ist das Führen der Güterzüge nach Monza und weiter bis kurz vor Milano Centrale aus Gründen des Umwelt- und Lärmschutzes ein Unding.
  • Der eigentliche Flaschenhals besteht heute auf dem dicht befahrenen Abschnitt von Seregno nach Monza und den zu engen Tunnelprofilen vor Monza. Hier könnte das Führen der S11 von TreNord von Chiasso über Camnago-Lentate über Seveso nach Milano Porta Garibaldi etwas Linderung verschaffen.
  • Was es wirklich braucht, ist eine exklusiv für den Güterverkehr bestimmte neue Strecke von Albate in den Güterbahnhof von Milano Smistamento bei Segrate. Diese Forderung ist keinesfalls illusorisch – man betrachte nur die zu einem grossen Teil von EU finanzierte hochwertige und rund 80 km lange Neubaustrecke „Pontebbana“ aus dem Raum Udine nach Tarvisio Boscoverde. Im Vergleich zu diesem grossartigen Bauwerk wäre eine Linie von Albate nach Milano Smistamento fast ein Klacks.

 Und ausserdem

Abschliessend möchte die häufig vorgetragene Kritik an Gegebenheiten im Raum nördlich von Mailand zurückweisen. Objektiv betrachtet liegen die gravierenden Defizite innerhalb unserer Grenze.

  • Da sind einmal die fehlenden Kapazitäten auf der Nordzufahrt zur NEAT und die kaum realisierbaren Konzepte wie der Vierspurausbau der Strecke durch Liestal.
  • Ein bedeutend grösseres Ärgernis ist der Verzicht auf die ursprünglich geplante ökologisch unbedenkliche Neubaustrecke zwischen Biasca und Giubiasco entlang der Autobahn. Güterzüge auf der Doppelspur am Südfuss des Pizzo di Claro und durch die Bahnhöfe von Arbedo, Bellinzona und Giubiasco? Das ist ein Unding!
  • Auf lange Sicht am problematischsten jedoch sind der Ceneri Basistunnel und der Vollanschluss von Lugano an die NEAT. Das werden Güterzüge von 200 Meter Meereshöhe auf 340 Meter hochgezogen, durchfahren den Bahnhof von Lugano und sowie die anschliessende Hotelzone und fahren anschliessend in einem sensitiven Gebiet auf das auf rund 240 Meter liegende Chiasso hinunter. Eine kapitale und nur noch mit unverhältnismässigen Mitteln zu behebende Fehlplanung.

Hier, liebe Leserin, lieber Leser, liegen die grossen Probleme des Nord Süd-Verkehrs. Wir täten gut daran, unser Augenmerk auf deren Beseitigung zu richten.

Abschliessend der diskutierte Leserbrief:

nzz-2016_09_13-zugersee

2 Gedanken zu „Engpässe im Nord-Süd Verkehr

  1. Ich bin gegen den Ausbau des Zugersees Ost, da dieser meiner Meinung nach nichts bringt. Besser wäre es alle Gotthardfernzüge über das Zugerseewestufer fahren zu lassen und in Rotkreuz eine Sprange zu bauen – allenfalls mit einem dritten und vierten Gleis von Rotkreuz bis Arth-Goldau für Tempo 200 km/h. Somit könnten auf diesem Abschnitt der Fernverkehr, der Regionalverkehr und die Güterzüge sauber getrennt werden. Alles andere ist nur Flickwerk, was leider bei der ganzen Neat in der Schweiz der Fall ist.

    • Sehr geehrter Herr Blum
      Vielen Dank für Ihren Kommentar und für Ihr Interesse an unserer Website. Ich teile Ihre Auffassung uneingeschränkt.
      Anzufügen bleibt, dass mit dem Rigiflankentunnel und dem Axentunnel ausgereifte Konzepte für die Nordzufahrt bon Rotkreuz zum Nordportal des GBT existieren.
      Aber es bleibt wenig Grund zur Hoffnung, wenn sich Andreas Meyer als CEO der SBB aus Kostengründen gegen Ausbauten im Schweizer Normalspurnetz ausspricht. Andreas Meyer verkennt, dass der Nutzen grosser Infrastrukturprojekte deren Kosten weit überwiegen (mit den Argumenten von Andreas Meyer hätte man die NEAT nie bauen dürfen). Bäumig, die Denkweise an der Spitze unserer Staatsbahn!
      Freundliche Grüsse
      Ernst Rota

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