Weiterführung ICE nach Chur / eine sinnlose Fehlallokation

Voll positiver Erwartungen stieg ich am 7. Januar 2016 um 10.58 Uhr in Sargans in den ICE 72 nach Zürich ein. Der aus vier 1. Klass- und aus sieben 2. Klasswagen sowie einem Speisewagen bestehende Zug verlässt Chur um 10.39 Uhr und trifft in Hamburg Altona um 19.50 Uhr ein. Doch meine Erwartungen wurden bald zu Frustrationen. Der Teppich auf der vordersten Plattform war schmutzig – erstklassig schmutzig?ICE 2

Auch das Innere der Wagen in der 1. Klasse sah teilweise verheerend aus. Wurde dieser Zug in Chur überhaupt gereinigt und in diesem Zustand der Deutschen Bahn in Basel übergeben? Wahrscheinlich schon, und damit Anlass, um sich zu schämen.

ICE 1

Die Zählung der Passagiere ergab folgende Belegung: 23 Passagiere in der 1. Klasse, 65 Passagiere in der 2. Klasse und 3 Gäste im Speisewagen. Der Zug bietet rund 700 Passagieren Platz und wiegt leer 849 Tonnen.

Kurz vor der Abfahrt in Sargans wurde per Lautsprecher angekündigt, der um 11.03 Uhr nach Chur verkehrende ICE 271 würde mit einem Ersatzzug geführt – kurz nach der Abfahrt in Sargans kreuzten wir darauf eine der luxuriösen EW II-Ersatzkompositionen. Unsere Fahrt nach Zürich war vor allem zwischen Ziegelbrücke und Lachen sehr unruhig.

Ernüchtert verliess ich in Zürich den stolzen Zug mit folgenden Gedanken:

  • Wie ist es möglich, dass zwischen Chur und Zürich mit einem einzigen Anschluss eines RE aus dem Engadin in Landquart ein derart aufwendig zu betreibender Zug geführt wird? Das ist doch ein nicht zu rechtfertigender Mitteleinsatz.
  • Auch die Beanspruchung der Gleisanlagen durch den aus zwölf Wagen und zwei Triebköpfen zusammengesetzten Zug auf der kurvenreichen Strecke entlang dem Walen- und dem Zürichsee dürfte beträchtlich sein.
  • Welcher Feriengast steigt am Abreisetag in St. Moritz um 08.49 Uhr in den RE nach Landquart ein, um von dort mit dem ICE 72 Richtung Norden zu fahren? In der Regel übernachten Hotelgäste beispielsweise aus Sils Maria am Abreisetag nicht im Wartsaal von St. Moritz,
  • Die SBB setzen zwischen Zürich und Chur vier ICE ein. Nur der Zürich um 08.37 Uhr verlassende ICE stellt in Landquart oder Chur alle Anschlüsse an die bekannten Feriendestinationen Graubündens her. Der Zürich um 18.07 Uhr abfahrende ICE hat nicht einmal mehr Anschluss nach St. Moritz – es sei denn, man warte in Chur über eine halbe Stunde an den RE über Thusis ins Engadin.
  • Die ICE treffen aus Deutschland oft mit Verspätung ein – diese übertragen sich auf das schweizerische Netz und/oder erfordern Ersatzzüge.
  • Und – eigentlich eine unerhörte Tatsache – zirkulieren diese schnellen Züge auf der einspurigen Strecke zwischen Mühlehorn und Tiefenwinkel weiterhin mit 80 km/h oder einem Drittel ihrer maximalen Reisegeschwindigkeit.
  • Zudem sollten in Analogie zu den ICE die in den Randstunden mit tiefster Belegung zwischen Zürich HB und Buchs SG zirkulierenden Railjet endlich innerschweizerisch genutzt werden. Zwischen Innsbruck und Bludenz übernehmen die Railjet in Österreich sinnvollerweise die Funktion von Regionalexpresszügen.
  • Eigentlich bin ich es als intensiver Kunde der Bahn und als Steuerzahler langsam leid, die Folgen der auch auf anderen Destinationen stark zunehmenden sinnlosen Angebote zu tragen und auf den Hauptachsen auf über 150 Jahre alten Strecken zu fahren. Von den vielen heruntergewirtschafteten Bahnhöfen nicht zu sprechen!

6 Gedanken zu „Weiterführung ICE nach Chur / eine sinnlose Fehlallokation

  1. Ich finde es sehr gut, dass der ICE endlich nach Chur fährt. Der Ausbau am Walensee inkl. höhere Geschwindigkeit ist schon seid Jahren überfällig. Ich bin auch schon mit dem ICE direkt von Frankfurt nach Zürich – Chur gefahren. Schuld an der Verspätung war die SBB. Sie liessen den Zug auf der Einfahrt in Basel über 10 Minuten stehen, obwohl wir bis Basel Bad pünktlich verkehrten. Es sind nicht immer nur die Deutschen!

    • Sehr geehrter Herr Blum

      Vielen Dank für Ihren Beitrag und für Ihr Interesse an unserer Website. Gerne nehme ich zu Ihren Ausführungen kurz Stellung:

      1. Grundsätzlich finde ich die Weiterführung von ICE in die Schweiz sinnvoll. So können wir jenen Komfort hautnah erleben, den ausländische Bahnen ihren Passagieren im Fernverkehr anbieten. Fahren Sie einmal an einem schönen Sonntagabend mit einem DS IC von Visp nach Zürich – eine Tortur.

      2. Nur sollten die Züge mit einem Sitzplatzangebot von rund 700 Plätzen auch so eingesetzt werden, dass sie mehr oder weniger ausgelastet sind. Der Einsatz der ICE mit Abfahrt in Zürich um xx.07 Uhr ist eine sinnlose Verschwendung – vor allem, wenn sie in Landquart oder Chur keine Anschlüsse an die RE der RhB haben. Am 6. April 2016 bin ich um 16.49 Uhr mit dem ICE 30256 von Landquart nach Zürich gefahren – in den vier A befanden sich ab Sargans kaum zwanzig Fahrgäste.

      3. Ich pflichte Ihnen absolut zu, dass der Ausbau am Walensee – im speziellen die Beseitigung der Einspurstrecke zwischen Mühlehorn und Tiefenwinkel seit vierzig Jahren überfällig ist. Dafür bauen wir Nebenlinien im Klettgau und zwischen Rheinau-Altikon und Lottstetten auf Doppelspur aus. Man vergleiche! Gerne lege ich diesem E-Mail unseren Vorschlag für den Ausbau am Walensee mit Plan sowie ein älteres Dokument bei (diese Dokumente können beim Verfasser dieser Antwort angefordert werden).

      4. Ihre Beobachtung, dass auch die SBB die Fernzüge ihren ausländischen Partnerbahnen oft verspätet übergeben, kann ich vor allem im Nord/Südverkehr nur bestätigen.

      Nochmals vielen Dank.

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

    • Sehrt geehrter Herr Blum

      Vielen Dank auch für diesen Kommentar. Folgendes:

      1. Für die Förderung des Tourismus im Kanton Graubünden wäre es viel wichtiger, die früher bestehenden direkten Wagen/Züge zwischen Zürich-Flughafen und Landquart und Chur wieder einzuführen.

      2. Ich bin in den letzten Jahren relativ häufig mit ICE von Frankfurt in die Schweiz gefahren. Immer das gleiche Bild – der Zug leert sich zusehends, je mehr man sich der Schweizer Grenze nähert (gilt übrigens auch für viele Rail Jet).

      3. Ich bin am Mittwoch, 6. April 2016, um 21.07 Uhr mit dem ICE von Basel nach Zürich gefahren. In den vier A waren knapp zwanzig Fahrgäste.

      4. Meines Erachtens müsste man den internationalen Verkehr neu erfinden. Im beiliegenden Dokument dazu ein paar Gedanken (kann beim Verfasser dieser Antwort angefordert werden).

      Freundliche Grüsse

      Ernst Rota

  2. Was ich noch vergessen habe zu erwähnen, den ICE nach Chur zu führen ist sehr wichtig und richtig für den Tourismus in Graubünden auch wenn gewisse Anschlüsse noch optimiert werden können. Den beanstandeten ICE hätte man locker in Chur reinigen können. Es gab genügend Zeit dafür. Warum dies nicht gemacht wurde weiss ich nicht. Den ICE 271 habe ich schon viel benutzt am Weekend. Der Zug war immer mindestens halb bis dreiviertel voll, d.h. ca 400 bis 600 Personen drin zwischen Sargans und Chur.

  3. Weiss jemand ob der einzige einspurige Abschnitt von Zürich-Chur bei Mühlehorn auf zwei Spuren ausgebaut wird? Manchmal sitze ich im IC von Chur nach Züri und plötzlich legt der Zug bei Mühlehorn eine Vollbremsung ein. Sehr mühsam wenn man bedenkt dass ich in Züri nur 3min zum Umsteigen habe. So verpasse ich den Anschluss.

    • Sehr geehrter Herr Müller
      Vielen Dank für Ihre Anfrage und für Ihr Interesse an unserer Website. Gerne nehme ich zu Ihrer Anfrage kurz Stellung:
      1. Ich fahre fast jede Woche von Zürich nach Landquart und bin mit den örtlichen Verhältnissen bestens vertraut. Ich kenne auch die verschiedenen Projekte für die Behebung dieses Engpasses und sende Ihnen eine kurze Übersicht an Ihre E-Mail Adresse zu.
      2. Meines Wissens ist die Elimination dieses Flaschenhalses in STEP nicht enthalten – eigentlich unfassbar.
      3. Der seit Jahren überfällige Ausbau ist so etwas wie eine Nagelprobe für die Sachbezogenheit und die Qualität der schweizerischen Eisenbahnplanung. In keinem mitteleuropäischen Land bestehen derartige Schwachstellen.
      4. Ein schwacher Trost, dass auch am Bielersee und zwischen Horgen Oberdorf und Litti nach wie vor Einspurstrecken bestehen.
      5. Schon fast pathologisch aber ist, dass die RhB beispielsweise zwischen Landquart und Malans die kurze Einspurstrecke auf Doppelspur ausbaut.
      Was soll man das noch schreiben?
      Freundliche Grüsse
      Ernst Rota

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