„Meister, die Arbeit ist fertig – soll ich sie gleich flicken?“ – dieses alte deutsche Sprichwort gilt für die Durchmesser-Linie nicht. In Zürich müsste es heissen: „Meister, die Arbeit ist noch nicht fertig, aber ich flicke sie gleich!“. Und dies aus mehreren Gründen:
Bekanntlich musste der Brückenkörper über den Pfeilern repariert werden, wie dieses Foto zeigt. Um ein „Auseinanderklappen“ der Brücke über den Auflagern zu verhindern, mussten Querstäbe eingebaut und mit einer Betonplatte geschützt werden. Und das alles, bevor der erste Zug über die Brücke fuhr.
Diese Notmassnahme hat Folgen. So können die Geleise nicht in das übliche Schotterbett gelegt werden, sondern die SBB müssen entgegen ihren Normen die Schwellen in eine feste Fahrplanplatte einbetonieren. Da das physikalische Verhalten dieser Konstruktionsart unter anderem durch Schwingungen anders ist als bei einem Schotterbett, werden das Alterungsverhalten und die Lebensdauer der Spannbetonbrücke möglicherweise beeinträchtigt. Sicher ist hingegen, dass der Lärmpegel durch diese Konstruktionsart steigt.
Nicht beseitigen lassen sich hingegen weitere funktionale Mängel der Rampen. Gemäss den aktuellen Normen dürfen wegen den Steigungen nicht alle heute möglichen Zugskompositionen über die Brücke fahren. Zudem fragt sich, weshalb die Brücke zur Erhöhung der Flexibilität nicht doppelspurig gebaut wurde.
Soviel zu der meines Erachtens auch städtebaulich enorm fragwürdigen Brücke von Altstetten zum Hauptbahnhof. Aber die als Jahrhundertwerk bezeichnete Durchmesserlinie hat weitere gewichtige Mängel. Hier nur zwei davon:
Trotz der erwarteten erheblichen Frequenzzunahme wurde nichts – wirklich nichts – unternommen, um die Bahn besser an das städtische Tram- und Busnetz anzubinden. Der Weg vom Westende des Bahnhofs Löwenstrasse beispielsweise zur Tramhaltestelle Bahnhofstrasse ist sehr lang – wenn man ihn wegen der fehlenden Signaletik überhaupt findet. Am besten nehme man für den beschwerlichen Weg einen Lunch und einen Kompass mit. Helfen würde auch ein GPS Track. Erstaunlich, dass dieser Mangel weder dem ZVV noch der Verkehrskommission des Kantonsrats aufgefallen ist. Löblich hingegen ist, dass es der in Verkehrsfragen nicht immer glücklich agierende Gemeinderat der Stadt Zürich gemerkt hat, wie der beiliegende Auszug aus der NZZ zeigt. Hier der Link: NZZ 2015_04_20 DML und VBZ Chapeau!
Und noch ein weiteres: Die erhoffte Frequenzzunahme wird sich nicht nur auf der Ost-West Achse einstellen, sondern auch auf anderen Destinationen wie Basel-Zürich-Chur oder Schaffhausen-Zürich-Tessin. Diese Züge werden wohl weiterhin die Hallengeleise benutzen. Die Passagierströme werden aus Komfortgründen ebenerdig über die Haupthalle führen.
Und hier bestehen gemäss diesen beiden Bildern die altbekannten Engnisse fort – solche Gegebenheiten im Hauptbahnhof einer der reichsten Städte der Welt sind höchst bedenklich.
Wir sind uns gewohnt, dass Politiker und Beamte selbst ihren Untaten fröhlich applaudieren – das gehört zum Geschäft. Eher befremdend ist, dass die zahlreichen offenliegenden Geburtsfehler der Durchmesserlinie selbst von Bahnfreunden nicht thematisiert werden und man viel lieber zukunftsweisende Bahnbauten in unseren Nachbarstaaten kritisiert.