Zufahrten NEAT: Durchbruch im Rheintal – und wann dämmert es bei uns?

Freude herrscht – gemäss dem Artikel von Paul Schneeberger in der NZZ vom 29. Juni 2015 wurde bei den Verhandlungen für den vollständigen vierspurigen Ausbau der Rheintalstrecke ein Durchbruch erzielt. Zitat aus dem erwähnten Artikel:

„Kern des Konsenses, der in einem Beirat mit allen Anspruchsgruppen erarbeitet wurde, ist der Bau einer separaten Doppelspur für Güterzüge, die unter der Stadt Offenburg hindurch in einem Tunnel verläuft und südlich davon möglichst autobahnnah geführt wird“.

Hier geht’s zum PDF des Artikels: NZZ 2015_06_29 NEAT Zufahrt D

St. Pölten mit seiner Güterzugsumfahrung und die Tieflegung der Inntalstrecke zwischen Innsbruck lassen grüssen. Vorbildfunktion von Österreich?

Und was sind die Visionen in der Schweiz? Luino-Linie, Güterzüge durch Liestal, Burgdorf, Thun, Spiez, Visp, Bellinzona, Brugg, Lugano und wie die zahlreichen vom Güterzugslärm geplagten Schweizer Städte alle heissen? Eigentlich haben wir grosses Glück – wir können nur noch gescheiter werden.

Ein möglicher Ansatz wurde in diesem Blog bereits im Beitrag „NEAT / Wege aus dem Malaise“ am 3. Februar 2015 skizziert. Nachstehend der Link zum Lösungsvorschlag: NEAT 2015_02_25

 

 

 

 

Durchmesserlinie DML Zürich – Meister, die Arbeit ist …..

„Meister, die Arbeit ist fertig – soll ich sie gleich flicken?“ – dieses alte deutsche Sprichwort gilt für die Durchmesser-Linie nicht. In Zürich müsste es heissen: „Meister, die Arbeit ist noch nicht fertig, aber ich flicke sie gleich!“. Und dies aus mehreren Gründen:

Bekanntlich musste der Brückenkörper über den Pfeilern repariert werden, wie dieses Foto zeigt. Um ein „Auseinanderklappen“ der Brücke über den Auflagern zu verhindern, mussten Querstäbe eingebaut und mit einer Betonplatte geschützt werden. Und das alles, bevor der erste Zug über die Brücke fuhr.

DML Rampe 3

Diese Notmassnahme hat Folgen. So können die Geleise nicht in das übliche Schotterbett gelegt werden, sondern die SBB müssen entgegen ihren Normen die Schwellen in eine feste Fahrplanplatte einbetonieren. Da das physikalische Verhalten dieser Konstruktionsart unter anderem durch Schwingungen anders ist als bei einem Schotterbett, werden das Alterungsverhalten und die Lebensdauer der Spannbetonbrücke möglicherweise beeinträchtigt. Sicher ist hingegen, dass der Lärmpegel durch diese Konstruktionsart steigt.

DML Rampe 2

Nicht beseitigen lassen sich hingegen weitere funktionale Mängel der Rampen. Gemäss den aktuellen Normen dürfen wegen den Steigungen nicht alle heute möglichen Zugskompositionen über die Brücke fahren. Zudem fragt sich, weshalb die Brücke zur Erhöhung der Flexibilität nicht doppelspurig gebaut wurde.

Soviel zu der meines Erachtens auch städtebaulich enorm fragwürdigen Brücke von Altstetten zum Hauptbahnhof. Aber die als Jahrhundertwerk bezeichnete Durchmesserlinie hat weitere gewichtige Mängel. Hier nur zwei davon:

Trotz der erwarteten erheblichen Frequenzzunahme wurde nichts – wirklich nichts – unternommen, um die Bahn besser an das städtische Tram- und Busnetz anzubinden. Der Weg vom Westende des Bahnhofs Löwenstrasse beispielsweise zur Tramhaltestelle Bahnhofstrasse ist sehr lang – wenn man ihn wegen der fehlenden Signaletik überhaupt findet. Am besten nehme man für den beschwerlichen Weg einen Lunch und einen Kompass mit. Helfen würde auch ein GPS Track. Erstaunlich, dass dieser Mangel weder dem ZVV noch der Verkehrskommission des Kantonsrats aufgefallen ist. Löblich hingegen ist, dass es der in Verkehrsfragen nicht immer glücklich agierende Gemeinderat der Stadt Zürich gemerkt hat, wie der beiliegende Auszug aus der NZZ zeigt. Hier der Link: NZZ 2015_04_20 DML und VBZ Chapeau!

Und noch ein weiteres: Die erhoffte Frequenzzunahme wird sich nicht nur auf der Ost-West Achse einstellen, sondern auch auf anderen Destinationen wie Basel-Zürich-Chur oder Schaffhausen-Zürich-Tessin. Diese Züge werden wohl weiterhin die Hallengeleise benutzen. Die Passagierströme werden aus Komfortgründen ebenerdig über die Haupthalle führen.

DML HB 2

Und hier bestehen gemäss diesen beiden Bildern die altbekannten Engnisse fort – solche Gegebenheiten im Hauptbahnhof einer der reichsten Städte der Welt sind höchst bedenklich.

 DML HB 3

Wir sind uns gewohnt, dass Politiker und Beamte selbst ihren Untaten fröhlich applaudieren – das gehört zum Geschäft. Eher befremdend ist, dass die zahlreichen offenliegenden Geburtsfehler der Durchmesserlinie selbst von Bahnfreunden nicht thematisiert werden und man viel lieber zukunftsweisende Bahnbauten in unseren Nachbarstaaten kritisiert.

SBB Infrastruktur – Arroganz der Macht

Wenn ein privater Eigentümer bei einem hundertjährigen Stadthaus beispielsweise ein Balkongeländer ersetzen will, muss er in der Stadt Zürich ein aufwändiges Genehmigungsverfahren beschreiten. Unter Umständen kümmern sich mehrere Ämter mit gelegentlich kontroversen Auffassungen um sein Anliegen.

Dies gilt offensichtlich nicht für die SBB. Unweit des Muraltengutes – immerhin das eindrückliche Repräsentationsgebäude der Stadt Zürich – haben die SBB die im Engetunnel installierte Stromschiene über hundert Meter ins Freie verlängert. Die Tragkonstruktion ist massiv und stört den Ausblick der Gäste im Muraltengut sowie der Passagiere im nahe vorbeifahrenden Tram in höchstem Mass. Einfach scheusslich.

Enge 1

Dass es anders geht, haben die SBB gemäss diesem Bild in einer ähnlichen Situation bei der Tunneleinfahrt in Wipkingen bewiesen.Wipkingen

Weshalb – siehe oben – haben die zuständigen Stellen der Stadt Zürich dieses massive Ärgernis nicht verhindert? Und last but not Least – die Züge im Engemer Tunnel beziehen ihren Strom seit vielen Jahren über eine Stromschiene.

 

Ferrovia Mendrisio – Varese FMV – Stand und Vorschlag

Die Arbeiten an der neuen Eisenbahnlinie von Mendrisio nach Varese ruhen auf der italienischen Seite seit über zwei Jahren. Die schweizerische Teilstrecke zwischen der Grenze bei Gaggiolo und Mendrisio hingegen ist fertig. Zwischen Mendrisio und Stabio verkehren am Morgen und am Abend ein knappes Dutzend in der Regel dünn besetzter Züge.

FMV Brücke

Anlässlich einer erneuten Besichtigung am 9. Juni 2051 durfte ich feststellen, dass im letzten halben Jahr immerhin die Pfeiler für die Talbrücke über die Bèvera mit einer Ausnahme betoniert wurden, die Elemente für die Stahlbrücke geliefert und ein Feld bereits montiert ist. Ausser diesen löblichen Ausnahmen das bekannte triste Bild.

FMV Brückenelement

Ein Weg aus dem Schlamassel

Die vorbehaltlose Analyse des Nutzens dieser neuen Verbindung führt zu folgendem Ergebnis. Der Nutzen und die Kosten sind zwischen uns und Italien sehr ungleich verteilt. Die Schweiz profitiert weitaus stärker von der FMV und bezahlt bedeutend weniger. Weshalb? Nun, mit der FMV kann der Flughafen von Malpensa von Lugano aus mit der Bahn in weniger als einer Stunde erreicht werden. Zudem sollten sich die täglichen Staus auf den Schweizer Strassen im Südtessin durch den Autoverkehr der Grenzgänger – flankierende Massnahmen vorausgesetzt – erheblich zurückbilden. Des Weiteren sind die Bauten in Italien sehr viel aufwändiger – Tunnels, Talbrücke und Tieflegung.

FMV Tunneleingang

Nachtrag

Gemäss einer Meldung in der Ausgabe vom 10. Juni 2015 des Corriere del Ticino ist die Auftragsvergabe für die Fertigstellung des italienischen Teilstücks erfolgt. Die Arbeiten sollen mit dem Ziel einer Fertigstellung per 2017 im Juli 2015 wieder aufgenommen werden.

Hier der Link zum erwähnten Beitrag: Corriere del Ticino 2015_06_10 FMV

Aufgestauter Unterhaltsbedarf – Fragen an den Verwaltungsrat der SBB AG

Bekanntlich weist die Infrastruktur des Schweizer Eisenbahnnetzes einen enormen aufgestauten Unterhaltsbedarf auf. Die finanziellen Mittel für die Wiederherstellung eines einwandfreien Zustandes sind riesig. Die periodischen Aussagen der Führung der SBB folgen einer gewissen Gesetzmässigkeit – jedes Mal wird es teurer und dauert länger. Parallelen zur Berichterstattung über die Lage in Griechenland liegen auf der Hand – stets teurer und stets länger.

Die Kunden der SBB sind von den Auswirkungen in zweifacher Hinsicht betroffen – erstens sollen sie sich über höhere Billettpreise mit CHF 100 Mio. an den Kosten der Wiederinstandsetzung beteiligen und zweitens leiden sie in zunehmendem Mass unter den Auswirkungen der Schäden. Die Begründung der Verspätungs- oder Ausfallmeldungen mit „Schäden am Gleis“ ist sattsam bekannt.

Signal WP

Erstaunlich ist, dass die Frage nach der Verantwortung für dieses offensichtliche Malaise nicht gestellt wird. Dabei liegen schon seit mehreren Jahren Alarmsignale von Fachleuten und Behördenvertretern vor. So unter anderem von Sepp Moser in seinem lesenswerten Buch „Warnsignal“. Bei einem börsenkotierten Unternehmen wäre seitens der Aktionäre oder der Öffentlichkeit wohl der Ruf nach personellen Konsequenzen erfolgt – nicht so bei den SBB.

Nun, das Versagen des Verwaltungsrates liegt auf der Hand. Gemäss dem rechtlichen Rahmen gehört die Ausstattung des Unternehmens mit einem aussagefähigen Finanz- und Rechnungswesens zu den wichtigsten und nicht delegierbaren Aufgaben des Verwaltungsrates. Ist dies der zuständigen Bundesrätin überhaupt bekannt?

Besonders gravierend ist, dass offensichtlich keine aussagefähige Anlagenbuchhaltung geführt oder beachtet wird. Diese müsste – auf der Grundlage von regelmässigen Zustandsanalysen – den mutmasslichen Unterhaltsbedarf jederzeit und zuverlässig ausweisen.

Störend sind zweierlei. Erstens werden die Verursacher dieser Misere nicht zur Rechenschaft gezogen und bleiben für die Schadenbehebung in der Pflicht. Man macht den Bock zum Gärtner. Zweitens hat die SBB an ihre Spitzenleute infolge der zu hoch ausgewiesenen Gewinne zu hohe Boni ausgeschüttet. Abschreibungen sind bekanntlich Aufwand, und der Aufwand reduziert den Gewinn.

Eigentlich drängt sich der sofortige Rücktritt des Verwaltungsrates auf. Alles andere wäre ein Skandal.