Beteiligung der Bahnkunden an den gestiegenen Kosten des Bahnunterhalts

Gemäss verschiedenen Quellen erwägt (e) Frau Bundesrätin Leuthard, die Bahnkunden mit Preiserhöhungen von CHF 100 Mio. an den Kosten des erhöhten Unterhalts zu beteiligen. Dies hat auch an vielen Orten zu kritischen Stellungnahmen geführt. Nachstehend nehme ich zu dieser Kontroverse Stellung:

  1. Offensichtlich besteht ein erhöhter Unterhaltsbedarf. Dieser ist nicht zuletzt auf die Zunahme der Transportleistungen zurückzuführen. In Anbetracht der zunehmenden Meldungen über Schäden am Gleis, Weichenstörungen etc. dürfte der Bedarf tatsächlich bestehen.
  2. Erstaunlich ist, dass niemand davon gesprochen hat, die Mehrkosten durch Einsparungen bei den Betreibern des öffentlichen Verkehrs zu erzielen. Potential ist vorhanden. Dazu ein Beispiel: Mit dem Projekt „Gipfelsturm“ mussten die BLS innerhalb von zwei Jahren CHF 50 Mio. oder mehr als fünf Prozent ihres Aufwandes von rund CHF 950 Mio. einsparen – trotz dem angeblichen Fixkostencharakter ihrer Aufwendungen haben sie dieses Ziel erreicht.
  3. Überträgt man diese Koeffizienten auf die SBB, so müssten bei einem Bruttoaufwand von rund 8,3 Mia.(2012) rund CHF 400 Mio. einzusparen sein. Nun, als Kunde könnte man sich demnach auf den Standpunkt stellen, dass die uns zugedachten CHF 100 Mio. auf die Betreiber zu überwälzen sind.
  4. In wundere mich, dass in der Schweiz niemand die Frage nach der Verantwortung für den sich plötzlich zeigenden riesigen aufgestauten Unterhaltsbedarf stellt. Gemäss OR ist der Verwaltungsrat unter anderem für die Ausgestaltung eines aussagefähigen Finanz- und Rechnungswesens verantwortlich. Ein solches hätte den Bedarf viel früher und in seinen wahren Dimensionen zeigen müssen. Warnsignale und Warner waren vorhanden. Der Verwaltungsrat der SBB hat hier schlicht und einfach versagt, und die SBB haben wegen zu tiefen Abschreibungen überhöhte Gewinne ausgewiesen und – in der Folge – zu hohe Boni ausgeschüttet.

Ein paar Gedanken zur wirtschaftlichen Lage der Schweiz:

Trotz der gefühlten Hochkonjunktur wird der Bundeshaushalt 2014 mit einem Defizit abschliessen. Schuld daran sind unter anderem die Ausfälle aus der Unternehmenssteuerreform II.

  1. Und nun steht die Unternehmenssteuerreform III zur Debatte. Diese wird zu weiteren Steuerausfällen von ca. CHF 3 Mia. führen.
  2. Wir wollen eine starke Armee, aber zahlen soll sie ein anderer. Die NATO verlangt von ihren Mitgliedern, dass sie zwei Prozent ihres BSP für die Verteidigung aufwenden. Die Mehrzahl der Staaten hält diese Forderung zwar nicht ein, aber in der Schweiz liegt die Kennzahl wohl unter einem Prozent.
  3. Über 70 Prozent der neuen Stellen in den letzten Jahren wurden von der öffentlichen Hand geschaffen – ein ähnlicher hoher Anteil der frischgebackenen Akademiker erhielt in dieser Periode eine Stelle im Staatsdienst.
  4. Die Krankenkassenprämien werden Ende 2015 erneut steigen – man beachte die Combined Ratios der Krankenkassen für 2014.
  5. Mit anderen Worten – wir werden uns warm anziehen müssen. Die Flugjahre für Gaukler – dies der Titel eines älteren Buches von Rita Fluhbacher – sind vorbei.
  6. Dazu kommt Folgendes: Dem ökologischen Bewusstsein – und damit einem der Treiber für den öffentlichen Verkehr – weht plötzlich ein kalter Wind entgegen. Belege dafür sind die Wahlen im Kanton Zürich und das Debakel der Energiesteuerinitiative. Die Milchkuhinitiative steht vor der Tür, und der trotz unserem grossen Kampf wohl unausweichliche Bau der zweiten Gotthardröhre wird den Druck auf den Ausbau des Nationalstrassennetzes mittelfristig massiv erhöhen.

Noch ein Ansatz:

Erstaunlich ist ferner, dass die Möglichkeit von Einsparungen durch den Abbau von kaum beanspruchten Leistungen oder die Umstellung der Art der Leistungen nicht diskutiert wurde.

  1. Ich habe mir die Mühe genommen, aufgrund meiner intensiven Reisetätigkeit und der dabei gemachten Beobachtungen einige Vorschläge auszuarbeiten. Bei Bruttoeinsparungen von rund CHF 124,7 Mio. und Zusatzaufwendungen von CHF 33,7 Mio. haben meine Berechnungen zu Nettoeinsparungen von rund CHF 91 Mio. geführt.
  2. Die Tabelle liegt bei. Sie mag provokativ wirken, aber sie soll vor allem eine längst überfällige sachliche Diskussion anstossen.
  3. Seriöser wäre jedoch die Überprüfung von Strukturen. Dabei denke ich an die Reduktion der Zugskategorien und die Absolutheit des Taktfahrplans.
  4. Dies jedoch ist sicher der Holzweg: Die von Andreas Bieniok in der NZZ vom 14. April 2015 erwähnten ACHT Fernverkehrszüge zwischen Zürich und Winterthur – neben je zwei Paaren der S7, S8, S12 und S16 – sind schlicht und ergreifend wahnsinnig. Rund 10‘000 Sitzplätze pro Stunde von Zürich nach Winterthur, und dies in beiden Richtungen. Ebenso verfehlt sind zahlreiche Anforderungen im Rahmen des Ausbauschrittes 2030.

Hier geht es zur erwähnten Tabelle: Einsparpotentiale 2015_04_16

BeNe-Züge: Aspekt Behindertenfreundlichkeit

Der neue NEAT-Gliederzug der SBB für die Gotthardachse wird in den Fachzeitschriften SER/ERI/ERI  6/2014 ausführlich vorgestellt. Dabei fällt die relativ geringe Platzzahl dieses 200-Meter-Zuges auf. Ein wesentlicher Teil geht auf das Konto „Behindertenfreundlichkeit“. Der Redaktor des Artikels schreibt von „brutalen Einflüssen des Behindertengleichstellungsgesetzes“. Er weist darauf hin, dass etwa 10% der Sitzplätze diesem Konzept geschuldet sind. Der Autor des genannten Artikels verweist denn auch auf die etwa  10% höheren Sitzplatzkosten. Ich habe mir die Mühe gemacht, diesen Aspekt etwas zu analysieren.

NEAT-Zug Fotomontage WPAbb. 1 Ansicht des neuen NEAT-Zuges der SBB (SER 6/2014)

Behindertenabteile unnötig grosszügig

Beim NEAT-Zug gibt es zwei Rollstuhlabteile, je eines für die 1. und die 2. Klasse. Auch die Behindertentoilette ist doppelt vorhanden und je Behindertenabteil sind zwei Spezialtüren für den niveaugleichen Zutritt vom Bahnsteig zum Anteil vorhanden. Ein Behindertenabteil nimmt inklusive Toilette und separatem Einstieg 5815 mm an Wagenlänge für 2 Rollstuhlplätze in Anspruch. Ohne das Behindertenabteil, aber mit einer normalen Toilette, könnten in diesem Bereich 24 Sitzplätze in der zweiten Klasse untergebracht werden. Weitere 6 Sitzplätze gehen verloren, weil der Durchgang zum Speisewagen in der 2. Klasse breiter gehalten werden muss. Ohne Rollstuhlabteil  könnten also in der 2. Klasse 30 normale Sitzplätze mehr eingebaut werden. Abzüglich der 2 Rollstuhlplätze „verliert“ man also 28 Sitzplätze.

BENE 2. Klasse WP

Abb. 2: Grundriss des Behindertenbereichs in der 2. Klasse (SER 6/2014). Da keine Originalzeichungen erhältlich waren, musste der Grundriss gescannt werden.

In der ersten Klasse sehen die Verhältnisse etwas weniger dramatisch aus. Dort gehen unter Berücksichtigung der zwei Rollstuhlplätze und einer normalen Toilette nur „nur“ 11 Sitzplätze verloren.

BENE 1. Klasse WP

Abb 3: Grundriss des Behindertenbereichs in der 1.Klasse (SER 6/2014

Insgesamt sind dies 39 Sitzplätze, die auf das Konto des Behindertengleichstellungsgesetzes gehen. Anstelle von 450 Sitzplätzen im ganzen Zug verbleiben nur 411 Sitzplätze. Es werden also für insgesamt 4 Rollstuhlplätze nicht weniger als 39 normale Sitzplätze geopfert.  Oder anders ausgedrückt: Ein Rollstuhlplatz beansprucht 10 normale Sitzplätze. So nebenbei liessen sich auch noch zwei Spezialtüren und eine teure Behindertentoilette einsparen. Die Sitzplatzkosten pro Rollstuhlplatz betragen somit das Zehnfache eines normalen Sitzes (ohne Berücksichtigung der höheren Kosten für die Spezialtoilette und die Spezialeingangstüren).

Die ÖBB machen es geschickter

Man kann sich schon fragen, ob hier nicht zugunsten einer sehr kleinen Gruppe unverhältnismässige Kosten generiert werden. Als Kompromiss hätte genügt, beispielsweise nur im 1.-Klasse-Teil eine behindertengerechte Einrichtung mit  4 Rollstuhlplätzen unterzubringen. Es käme weit billiger, allen Rollstuhlfahrern ein 1.-Klasse-Billett für den Preis eines 2.-Klasse-Billetts auszuhändigen oder einfach das 2.-Klasse-Billett anzuerkennen. Die österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) machen es beim Railjet vor (der Railjet entspricht bezüglich Sitzplätze ziemlich genau dem NEAT-Zug): dort befindet sich das einzige Rollstuhlabteil im Erste-Klasse-Bereich gleich neben dem Restaurant und kann auch mit einem 2.-Klasse-Billett benutzt werden (Auskunft der ÖBB vom 19.2.15). Nebenbei:  die ÖBB bieten im Railjet nur drei Rollstuhlplätze an, die nach meinen Beobachtungen nur sehr selten belegt sind.

Verhältnismässigkeit kein Begriff mehr?

Auf diese Zusammenhänge sei deshalb verwiesen, weil die Wirtschaftlichkeit der Bahnen und des ö.V. ganz allgemein zunehmend zum Problem wird. Wenn in Zukunft auch die Fernbusse mit einem Rollstuhlabteil ausgestattet werden müssten, sinkt deren Wirtschaftlichkeit prozentual noch weit stärker als bei den Bahnen. Kein Mensch verweigert den Rollstuhlfahrern eine besondere Rücksicht. Trotzdem darf das nicht ein Freipass für unverhältnismässige Vorgaben sein, zumal sich die Zahl der Rollstuhlfahrer in den Zügen in einer überschaubaren Grössenordnung hält. Der Umstand, dass im NEAT-Zug nur gerade 4 Behindertensitzplätze vorgesehen sind (d.h. also etwa 1 % aller Sitzplätze), lässt vermuten, dass der Anteil der Rollstuhlfahrer offenbar um ein Prozent herum liegt. Nach meinen persönlichen Beobachtungen sind es deutlich weniger.

Als weiteres warnendes Beispiel seien die überzogenen Vorstellungen der Behindertenverbände um das Behindertenabteil beim Doppelstock-Fernverkehrszug der SBB genannt, die zu Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe und zu mehrmonatigen Verzögerungen bei der Auslieferung der Züge führen. Oder die Diskussionen um den behindertengerechten Ausbau von Stationen mit geringem Passagieraufkommen, wo nun an deren Schliessung gedacht wird, um den kostenintensiven Auflagen des Behindertengesetzes ausweichen zu können. Dass dann die wesentlich grössere Zahl von Nichtbehinderten Umwege in Kauf nehmen muss, ist offenbar nicht von Belang.

Es geht letztlich um die Verhältnismässigkeit, ein Wort, das immer mehr aus dem politischen Vokabular verschwindet.

Ertragskraft US-Güterbahnen

Bekanntlich hat Warren Buffet für seine Berkshire Hathaway-Gesellschaft vor einigen Jahren mit Burlington Northern Santa Fé BNSF eine der grössten nordamerikanischen Güterbahnen erworben.

Gemäss einem Beitrag in der Ausgabe der Neuen Zürcher Zeitung vom 8. Mai 2015 erwirtschaftete BNSF 2014 bei einem Umsatz von USD 23,2 Mia. einen Reingewinn von USD 3,8 Mia.

Der Beitrag kann hier als PDF-Datei herunter geladen werden:
NZZ 2015_05_08 Warren Buffet

Die sechs grossen US-Güterbahnen investierten 2014 etwa USD 26 Mia. und planen diesen Betrag im laufenden Jahr auf USD 29 Mia. zu erhöhen (gemäss der Ausgabe von TRAINS vom Mai 2015).